Cobra9 hat geschrieben: ↑Montag 30. Mai 2022, 12:11
Die Schweiz ist ein Heuchler Staat. Mehr nicht.
Ich habe in meinem Beitrag weiter oben
eine Komponente der Schweizer Neutralität
benannt. Ich habe dies aber selbstverständlich nicht erschöpfend getan und detailliert ausgeführt. Natürlich gibt es Graubereiche, und es gab auch schon immer unterschiedliche Interpretationen und Ausnahmen. Beispielsweise kann es auch unter die Definition der Neutralität fallen, an
beide konfliktführenden Parteien Waffen zu liefern.
Was aber feststeht, ist, dass die Schweiz nicht erlaubt, die Munition für den Gepard an die Ukraine zu liefern, und dass sie dies tut aufgrund ihrer militärischen Neutralität und der Kriegsmaterialverordnung.
Allgemein ist festzustellen, dass eine detaillierte Analyse der Waffenexporte der Schweiz voraussetzen würde, dass man zunächst einmal definiert, welche Produkte eigentlich unter die Definition von Kriegsgerät fallen. So eindeutig ist das nämlich nicht, weil es natürlich Dinge gibt, die man sowohl zivil als auch militärisch nutzen kann. Noch komplizierter wird es, wenn man sich mit den Komponenten von Kriegsgerät beschäftigt.
Des weiteren müsste man definieren, was ein militärischer Konflikt ist, und welche Arten von der Schweizer Neutralität berührt werden oder auch nicht. So gibt es neben klassischen Kriegen zwischen Staaten auch Bürgerkriege oder mehr oder weniger repressive und kriegerische Aktionen einer Regierung gegen "Rebellen" oder "Terroristen". Ist Russland aktuell in einem Krieg mit der Ukraine? War es das bereits 2014? Ist der Konflikt im Jemen ein Bürgerkrieg? Sind Indien und Pakistan im Krieg miteinander?
Es ist also etwas komplexer. Und dies erklärt, warum man die Sache so oder anders sehen und interpretieren kann. In der Schwarz-Weiss-Welt von Moralisten gibt es diese Graubereiche natürlich nicht. Entweder ist alles weiss, oder alles schwarz - ist doch ganz klar. In der wirklichen Welt spielt Moral selbstverständlich eine Rolle, aber es gibt auch andere Interessen, etwa die Sicherheit des eigenen Landes. Von daher ist Aussen- und Verteidigungspolitik immer auch ein Abwägen der Interessen und kann nicht allein moralischen Imperativen folgen.
Was mich an Deutschland und den Deutschen verwundert, sind die 180°-Wenden in der Politik. Noch mehr wundert mich, dass manche Deutsche zu glauben scheinen, diese Wenden müssten 1:1 von anderen Ländern nachvollzogen werden. Dabei müsste man doch erwarten, dass die Bürger eines Landes, das bald diese, bald jene Politik verfolgt, Verständnis für verschiedene Haltungen haben müssten.
So war Deutschland bis vor kurzem ein sehr pazifistisches Land, das seine eigene Armee in Grund und Boden gespart und auch immer ein wenig verachtet hat. Das militärische Gerassel der Amerikaner und ihr gigantisches Rüstungsbudget hat man sehr misstrauisch beäugt und nicht wenige Deutsche haben den Amerikanern Militarismus vorgeworfen.
Nun ist alles anders, und zumindest hier im Forum scheinen viele zu fordern, dass Deutschland an vorderster Front steht. Russland wird mit Vokabeln belegt, die man vor kurzem noch als menschenverachtend oder geschichtsrelativierend interpretiert hätte. Die Schweiz verfolgt eine viel kontinuierlichere Politik und kennt die Extreme nicht, die sich in Deutschland immer wieder ergeben.