Aus der Reihe "Ambitionierte Amateure für die Bäckerblume"
Marcel Reich-Ranickis Literaturkritik
Heute:
Günter Grass, Europas Schande
(So gesehen ein treffender Titel!)
Dem Chaos nah, weil dem Markt nicht gerecht,
bist fern Du dem Land, das die Wiege Dir lieh.
Der Dichter eröffnet sein Opus mit einer Binse: Wer sich "dem Markt gerecht" verhält, schlittert also nicht ins Chaos:
Ein verkappter bewundernder Hinweis an die regulatorische -ja gar göttlich-gerechte Kraft der Märkte!
Was mit der Seele gesucht, gefunden Dir galt,
Betrug, Korruption und Reformunfähigkeit -In diesen Disziplinen stellt Griechenland den Olymp aller kriminellen Sehnsüchte dar und ist weitaus bedeutender als vergleichsweise der ambitionierte Nachbar Albanien!
wird abgetan nun, unter Schrottwert taxiert.
Ein interessanter Punkt, den der Schreiber hier anführt! Besser sollte man den Schaden auf eine Summe von mehreren hundert Milliarden Euros taxieren.
Als Schuldner nackt an den Pranger gestellt, leidet ein Land,
dem Dank zu schulden Dir Redensart war.
Ja, wer kennt nicht das hierzulande geflügelte Wort vom "Grieche sei Dank!", mit dem wir dem Ouzo, dem Sirtaki und der Olive gedenken, ohne die unsere Kultur nicht die wäre, die sie ist. Und jetzt wird das durch Betrug und Verschwendungssucht seiner politischen "Eliten" abgewirtschaftete Griechenland von seinen freundlichen Geldgebern darauf hingewiesen dass es so nicht weitergehe?
Eine Obszönität, die dar Dichter zurecht mit teutonischem Furor verwirft!
Zur Armut verurteiltes Land, dessen Reichtum
gepflegt Museen schmückt: von Dir gehütete Beute.
Ab hier umwölkt sich des Dichters Geist vollends und stürzt in den Abyss der keineswegs friedlichen Umnachtung. Der Leser wird förmlich gezwungen sich zu fragen: Wer behütet wessen Beute? Das Wort "Beute" gibt uns einen Hinweis. Sollen etwa die Griechen als antike Seeräuber dargestellt werden? Als Perserschlächter? Sklavenjäger? Knabenschänder? Hier erkennt man die zwiespältige Natur des Dichters, denn diese -historisch durchaus zutreffenden- Details sollten dem schwärmerischen Idealbild des Dichters schweren Schaden zufügen. Einem solch ausgeprägten Gefühl kognitiver Dissonanz hat der Dichter nichts entgegenzusetzen, außer dem, was ihm die deutsche Tradition vorgibt: Die Geschichte vom ewige Nazi!
Die mit der Waffen Gewalt das inselgesegnete Land
Und hier ist er schon!
heimgesucht, trugen zur Uniform Hölderlin im Tornister.
Es hätte noch schlimmer kommen können: Man stelle sich vor, die Waffenträger hätten auch noch Gedichtbände von Günter Grass dabei gehabt!
Kaum noch geduldetes Land, dessen Obristen von Dir
einst als Bündnispartner geduldet wurden.
Yamas! Der Leser denkt an die Türkei und Ghaddafis Libyen, welche zur Schande Europas nicht Teil der Eurozone sind...
Rechtloses Land, dem der Rechthaber Macht
den Gürtel enger und enger schnallt.
Evangelos Venizelos zeigt uns wie eng man dort den Gürtel bereits geschnallt hat. Wie weiland in Biafra...
Dir trotzend trägt Antigone Schwarz und landesweit
kleidet Trauer das Volk, dessen Gast Du gewesen.
Der schwarze Block, er randaliert,
derweilen Günter jubiliert!
Ob der Dichter sich beim Anblick der Straßenkämpfer in Erinnerungen an seine eigene Jugend (als er ebenfalls in schwarzem Tuch gewandet war) delektiert?
Außer Landes jedoch hat dem Krösus verwandtes Gefolge
alles, was gülden glänzt gehortet in Deinen Tresoren.
Hier weist der Dichter mit besonders schwülstigem Pathos auf die schlichte Tatsache hin, dass die allermeisten reichen Griechen ihr Vermögen bereits ins sichere Ausland transferiert haben, da sie nicht an einer Rettung des Landes interessiert sind.
Sauf endlich, sauf! schreien der Kommissare Claqueure,
Deren Bänkelsänger unser Dichter stets gewesen,
doch zornig gibt Sokrates Dir den Becher randvoll zurück.
Oh Dichter -so schreit der Leser förmlich auf- beendige gnädig diese Qual und trink ihn selbst, den Becher!
Verfluchen im Chor, was eigen Dir ist, werden die Götter,
deren Olymp zu enteignen Dein Wille verlangt.
Ein Satz ohne Sinn und Verstand, angepasst an die Gemütsverfassung des Dichters. Selbst die Götter können nicht der Rache des Schicksals, noch der Feder des sich um Dichtung Bemühenden entgehen!
Geistlos verkümmern wirst Du ohne das Land,
dessen Geist Dich, Europa, erdachte.
Nur mitleidlose Kulturbanausen würden den in tiefster geistiger Nacht herumirrenden Hobbypoeten darauf hinweisen, dass "Europa" für die holden Hellenen nichts weiter war als eine hübsche nackte Braut, die auf einem Stier ritt. Und dass an filzige Bürokraten aus Brüssel oder demente Schriftsteller aus Danzig kein weißbehaarter griechischer Philosoph einen Gedanken verschwendet hätte.
Oder deutet sich hier eine Sensation an, welche letztendlich die Veröffentlichung dieses Werkes auch in einem solch hochauflagigen Blatt, wie die "Bäckerblume", rechtfertigt?
Hat der Dichter sich gar nach intensivem Studium der Historienschreibung zu der kühnen -wenn auch schwer nachweisbaren- These verstiegen, dass Alexander der Große ursprünglich nach Hamburg aufbrach, der Begriff "Barbaren" -mit dem die Hellenen alle Nichthellenen zu bezeichnen beliebten- ein Ehrentitel war, und dass Karl der Große in Wirklichkeit Kyrios Nasepopolos hieß?
Dann sei ihm verziehen und gute Besserung gewünscht.
Es folgt nun -auf Grund des besonderen Wunsch unserer werten Leserin Edeltraud S. aus S. die Erstfassung des oben besprochenen Gedichtes und der Hinweis, dass wir von unzüchtigen Zuschriften abzusehen bitten. Ebenso bittet die Redaktion um Verständnis, dass die Hausordnung der Anstalt, in der sich der bedauernswerte Dichter derzeit befindet, eine Weiterleitung zugesendeten Gebäcks verbietet. Immerhin seien die Leserinnen damit getröstet, dass Herr Grass nicht gezwungen ist seinen Gürtel enger zu schnallen:
Meine Nemesis
Dem Chaos nah, weil der Supermarkt schon zu,
bin fern ich dem Brand, der mich abends ins Bett bringt.
Was für die Kehle gesucht, schon gefunden mir galt,
doch: zu spät, so’n Schrott! Taxi!!
Als Trinker halbnackt an die Hauswand gelehnt, leidet mein Geist,
dem Dank des Trinkens die Redekunst stirbt.
Zur Armut verurteilter Geist, dessen Reichtum
gepflegte Bibliotheken schmückt: von mir gehütete Beute.
Wie ich mit Waffengewalt manch’ unseliges Ostland
heimsuchte, trug ich zur Uniform Schnaps im Tornister.
Und jetzt? Kaum noch geduldeter Geist, dessen Lobredner von mir
einst als Bündnispartner geduldet wurden.
Haltloser Geist, dem der Haltgeber Leber
den Gürtel enger und enger schnallt.
Ihr trotzend trägt Johnny Walker das black label und in ganz Lübeck
kleidet Trauer alle Kneipen, deren Gast ich einst gewesen.
Im Spätkauf jedoch steh’n des Kornbrands verwandte Getränke.
Alles, was gülden glänzt gehortet in mächtigen Tresen.
Sauf nicht so viel! Flüstern alle, die es gut mit mir meinen
doch zornig fülle ich erneut meinen Becher randvoll.
Und verfluche alle. Denn was mir gehört, ihr Götter in weiß,
Das soll mir auch keiner enteignen. Mein Wille verlangt es.
Geistlos verkümmern würd’ ich ohne Weinbrand,
in dessen Geist mir die Welt ich erdachte.
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