Wenn man kurz- und mittelfristig denkt, dann ist die Analyse wohl richtig. Es wird ein paar Extremisten geben - ja - aber echter Systemwechsel wird nicht kommen.
Ich habe allerdings eine deutlich andere Vorstellung davon, welches Konfliktpotential dieses Thema in sich birgt. Man muss dabei bedenken, dass nicht nur die Bedrohung durch den Klimawandel massiv und real ist, sondern dessen Lösung offensichtlich nicht durch die Maßnahmen die für weite Teile der Menschen auf der Welt akzeptabel sind, vorstellbar ist.
Wir laufen also auf eine Situation hinaus, in der jemand der alles das glaubt was da aktuell über den Klimawandel vorhergesagt wird, zweifellos irgendwann vor die Entscheidung gestellt wird, entweder umwälzende Veränderungen zu akzeptieren, oder mit sehr radikalen Maßnahmen entgegensteuern zu müssen.
Für viele Menschen war es fast beängstigend wie groß die Teile der Bevölkerung schon sind, die vollkommen gesinnungsethisch an Problemlösungen herangehen (siehe Flüchtlingskrise). Dann sollte man aber auch verstehen, dass Gesinnungsethiker in diesem Bezug eine sehr einfache Rechnung aufmachen. Sie stellen die Güter nebeneinander und entscheiden was die ethischere Wahl ist. Man stellt da also eine Gesellschaftsform "Demokratie" gegen "die Rettung der Welt". Für Gesinnungsethiker ist das eine einfache Entscheidung, und sie geht nicht für die Demkratie aus, WENN es halbwegs ersichtlich ist, dass diese der "Rettung der Welt" im Weg steht.
Die Demokratie ist eine Gesellschaftsform, die in meinen Augen die beste darstellt um sich als Gesellschaft solide weiterzuentwickeln, unter größtmöglicher Teilhabe der Bevölkerung. Dadurch gibt es die wenigsten Konflikte in der Gesellschaft, was deren Erfolg steigert.
Klarer Nachteil der Demokratie ist aber, dass sie typischerweise immer gemäßigte Politik betreibt (auch denn wenn radikale Entscheidungen notwendig wären), und dass deren Entscheidungsprozesse eher langsam sind. Natürlich bildet das in einer Situation in der es radikaler Entscheidungen bedarf, einen erheblichen Nachteil für diese Gesellschaftsform.
So lange man das Problem des Klimawandels als eher zweitrangig ansieht und ein gefestigter Demokrat ist, wird man niemals von ihr ablassen. Ich sehe ja, dass es für viele hier eine geradezu absurde Vorstellung ist, dass man die Demokratie aufgeben könnte um zu schnelleren und radikaleren Entscheidungen zu kommen. Wenn aber die Vorhersagen zutreffen, dann ist das genau die Entscheidungslage in vielleicht 10-20 Jahren. Dann gibt es SEHR GROSSE PROBLEME und SEHR VIELE GESINNUNGSETHIKER und das ist eine extrem explosive Mischung, wie alleine schon die Migrationskrise zeigt, in der es einfach einen effektiveren Grenzschutz, eine Bekämpfung von Fluchtursachen und mehr Hilfe für Menschen vor Ort benötigen würde.
Sie selbe Gruppierung, die die Politik bei der Migrationskrise in den Wahnsinn treibt, wird es sein, die die Axt an demokratische Prinzipien unserer Gesellschaft anlegen wird. Dabei wird EXAKT die gleiche Argumentation verwendet werden, nämlich, dass nationaler Egoismus dem ethischen Heil im Wege steht.
Man muss in meinen Augen einfach nur mal mit offenen Augen betrachten was gerade in der Gesellschaft los ist und wie diese Gruppierungen denken. Ich habe überhaupt keine Probleme mir vorzustellen, dass ein Heer gesinnungsethischer Menschen lieber zu einer "Diktatur der Guten" überwechselt um die "richtigen und wichtigen Entscheidungen" für das Klima umgesetzt zu bekommen. Und die Bewegung, welche in der Migrationskrise eine Open Border Politik betrieb, war durchaus keine auf ein paar tausend Leute beschränkte Gruppe. Uns sollte klar sein, dass große Teile der sich als Links interpretierenden Bevölkerung Gesinnungsethik über Vernunftsethik stellt.