Über die Totalitäre Demokratie

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eluveitie

Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von eluveitie »

Drei Monate vor der Bundestagswahl ist Franz Müntefering mit den Deutschen Nichtwählern hart ins Gericht gegangen. Viele säßen nur auf der Tribüne und glaubten, sie könnten es besser machen, trügen keine Verantwortung für das was passiert und würden sich in diesem Punkt im Irrtum befinden.
"Es gibt ein Gefühl bei manchen, dass derjenige, der nicht handelt, mit dem, was passiert, nichts zu tun hat", sagte der SPD-Vorsitzende. "Aber das ist nicht so. Wer nicht handelt, ist genauso verantwortlich." Deshalb sei seiner Ansicht nach die wichtigste Erkenntnis in der Demokratie: "Es gibt kein Entrinnen. Jeder ist in der Verantwortung", sagte Müntefering.
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschla ... 40,00.html

Es gibt kein Entrinnen!

Jeder trüge Verantwortung, ob er sich mit der Politik abgebe oder nicht - diese Botschaft ist der Abrutscher ein totalitäres Bekenntnis, nämlich zur Uniformierung des Dualismus aus Staat und Gesellschaft.

Es gibt kein Entrinnen!

J.L. Talmon schrieb 1952, veröffentlicht im Magazin Der Monat, einen Essay über die Totalitäre Demokratie.
Vom Blickpunkt unserer Jahrhundertmitte wirken die letzten 150 Jahre tatsächlich wie eine systematische Vorbereitung auf den weltkrisenhaften Zusammenprall der empirisch-liberalen Demokratie einerseits, und der totalitären, messianischen Demokratie auf der anderen Seite.
Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Spielarten des demokratischen Gedankens beruht nicht, wie häufig angenommen wird, auf der Bejahung bzw. Verneinung der Freiheit, sondern in ihrer beider verschiedenartigen Einstellung zur Politik.
Die freiheitliche Haltung betrachtet die Politik als eine Angelegenheit empirischen Vorgehens, als ein Versuchsfeld für „Trial and Error“; sie bemüht sich, durch den Versuch zu lernen, und sieht politische Systeme als pragmatische Gebilde an, die sich der Mensch kraft seines Scharfsinns und seiner Fähigkeit zum spontanen Handeln geschaffen hat. Aus der gleichen Haltung räumt sie auch ein, daß es zahlreiche Ebenen für die Betätigung des Einzelnen und der
Gruppe gibt, die ganz und gar außerhalb der politischen Sphäre liegen.
Die Schule der totalitären Demokraten dagegen geht von der Annahme aus, daß die alleinige und ausschließliche Wahrheit auf politischem Gebiet liege. Man kann hier von einem politischen Messianismus sprechen, insofern das Postulat einer vorausbestimmten harmonischen und vollkommenen Ordnung aller Dinge aufgestellt wird, auf welche die Menschen unwiderstehlich zustreben und bei der sie unweigerlich anlangen müssen. Im Grunde wird nur eine einzige Existenzebene anerkannt, nämlich die politische, die sich ausweitet, bis sie das Gesamtleben des Menschen umfaßt.
Das Prozedere von "Trial and Error" hat die Politik, gerade in der Großen Koalition, schon längst aufgegeben und Müntefering sieht sich darüber hinaus mit der Tatsache konfrontiert, dass die Sozialdemokraten sich ihrer klassischen Wählerklientel nicht mehr sicher sein kann - sie bleibt entweder zuhause oder wählt die Faschisten.

Es gibt kein Entrinnen!

Denn, so eine gängige Argumentation, sinkende Wahlbeteiligungen würden die extremen Ränder stärken - nicht die Politik ist schuld, sondern der (Nicht-)Wähler. Egal was man tut, aus der politischen Existenzebene wird der Bürger nicht mehr hinausgelassen. Alles andere, sei es die Resignation des Nichtwählens oder der Protest des Falschwählens, kann immer noch politisch aufgeladen werden.

Und darin besteht die größte Gefahr für den totalitären Demokraten Müntefering: dass ihm doch jemand entrinnt.
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ralphon
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von ralphon »

"Es gibt ein Gefühl bei manchen, dass derjenige, der nicht handelt, mit dem, was passiert, nichts zu tun hat", sagte der SPD-Vorsitzende. "Aber das ist nicht so. Wer nicht handelt, ist genauso verantwortlich." Deshalb sei seiner Ansicht nach die wichtigste Erkenntnis in der Demokratie: "Es gibt kein Entrinnen. Jeder ist in der Verantwortung", sagte Müntefering.
Wollte er sich bei denen beschweren, die ihn und seine Partei nicht abgewählt haben? :giggle:
Locutus
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von Locutus »

"Erich Honecker in der Spätphase"

Sehr guter Artikel von Heise über die wachsende Distanz zwischen SPD und dem Wahlvolk. Die Wählerbeschimpfung Münteferings könnte sich wirklich als Bumerang erweisen. Das kostet die locker noch mal 2-3% Punkte. Ich weiß, dass es an der Basis gärt. Einen Putsch hat es in der SPD schon öfter gegeben. Das würde dann aber in der aktuellen politischen Konstellation zu einer Spaltung der Partei führen.
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Archetype
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von Archetype »

"Es gibt ein Gefühl bei manchen, dass derjenige, der nicht handelt, mit dem, was passiert, nichts zu tun hat", sagte der SPD-Vorsitzende. "Aber das ist nicht so. Wer nicht handelt, ist genauso verantwortlich." Deshalb sei seiner Ansicht nach die wichtigste Erkenntnis in der Demokratie: "Es gibt kein Entrinnen. Jeder ist in der Verantwortung", sagte Müntefering.
Stimmt, doch dann muß Münte auch bereit sein, zu akzeptieren, was die Konsequenz aus dieser kollektiven Verantwortung und dem kollektiven Handeln sein könnte: die Zurechtstutzung der SPD auf ein akzeptables und zeitgemäßes Maß, dass ich derzeit bei etwa 15% ansiedeln würde.

:giggle:
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jack000
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von jack000 »

In der Deutschen Demokratie hat man das Recht eine der ca. 50 Parteien zu wählen (irgendeine müsste doch für jeden Geschmack dabei sein, wenn nicht sollte man eine eigene Partei gründen) die sich dann für die eigenen Belange einsetzt oder halt nicht zu wählen.

Aber nichtwählen und dann rumplärren zeugt doch von mangelndem Demokratieverständnis. Was soll denn die Alternative sein ?

Ebenso lassen sich auch Vereine/Initativen,etc... gründen die ebenso bei entsprechenden Rückhalt auch politisch Durchsetzungskraft haben, da die "etablierten Parteien" halt auf Wählerstimmen angewiesen sind.

Wenn die SPD mehr Stimmen und damit Einfluss haben will, dann muss die halt Themen/Inhalte/Positionen, etc... bringen, die dem "Wahlvolk" wichtig sind und dieses zur Wahlurne bewegt.
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official target
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von official target »

Aber nichtwählen und dann rumplärren zeugt doch von mangelndem Demokratieverständnis.
Nach welchem Verständnis sind denn Nicht-Wähler Nicht-Demokraten? Ihre Aussage lautet schlicht: "Nein, ich kann mich mit KEINER der existierenden Parteien hinreichend identifizieren. Deshalb verweigere ich ALLEN meine Stimme. Beschafft mir eine Interessenvertretung, die MEINE Interessen wenigstens so weit vertritt, dass ich sie ruhigen Gewissens wählen kann."

Kurz: Es ist zutiefst undemokratisch, die Partei der Nicht-Wähler zu ignorieren oder gar zu diskreditieren, nur weil sie keine Parteitage oder andere Selbstbeweihräucherungsorgien veranstaltet. Demokratisch - und zugleich Wahlanreiz - wäre es hingegen, wenn Wahllügen keine Kavaliersdelikte mehr wären. Bis heute ist Wählen - auch und gerade in Deutschland - bestenfalls Glücksspiel. Und nicht jeder ist ambitioniert, sein Glück herauszufordern; erst recht, wenn er schon einige Male "daneben gegriffen hat". Das bekommen - nicht nur, aber auch - die Spezialdemokraten jetzt zu spüren: Einst hieß es "Mit uns keine Merkel-Steuer!", um dann, nur wenige Wochen später die neuen Mathe-Künste einer großen Koalition aufzutischen: 0 + 2 = 3; und diese mit den Worten zu verteidigen
Franz Müntefering (SPD) hat geschrieben:Wir werden an unseren Wahlversprechen gemessen. Das ist unfair.
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Dampflok94
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von Dampflok94 »

official target hat geschrieben: Nach welchem Verständnis sind denn Nicht-Wähler Nicht-Demokraten? Ihre Aussage lautet schlicht: "Nein, ich kann mich mit KEINER der existierenden Parteien hinreichend identifizieren. Deshalb verweigere ich ALLEN meine Stimme. Beschafft mir eine Interessenvertretung, die MEINE Interessen wenigstens so weit vertritt, dass ich sie ruhigen Gewissens wählen kann."
Was ist denn das für eine Anspruchshaltung? "Beschafft mir mir eine Interessenvertretung"? Beschaff sie dir gefälligst selbst.

Aber selbstredend sind Nicht-Wähler keinesfalls Nicht-Demokraten. Die zeigen nur, daß ihnen das Ergebnis schnurz ist. Das ist das gute Recht jedwedes Wahlberechtigten. Nur sich hinterher über das Ergebnis aufzuregen ist dann eher peinlich.
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lamb of god
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von lamb of god »

Dabei kann Münte doch froh sein. Das Wahlrecht machte zuletzt bei der Europawahl aus 9% Zustimmung unter den Wahlberechtigten knapp 21% für die SPD. Was ich von Nichtwählern halte ist bekannt. Zur BTW treten fast 50 Parteien und unzählige Einzelkandidaten an. Da ist für jeden was dabei und selbst wenn die Parteien nicht in den BT ziehen wäre so ein Bild am Wahlabend doch mal eine schöne Maulschelle. 8)
2005 vs.2009

Hallo Oslo! Seit wann wird der Nobelpreis für einen Wahlkampf verliehen???
official target
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von official target »

Die zeigen nur, daß ihnen das Ergebnis schnurz ist.
Zeigen sie das? Welche anderen Möglichkeiten haben sie denn, zu zeigen, dass KEINE Partei als legitime Interessenvertretung betrachtet wird, solange "ungültige Stimmen" wie "nicht gewählt" gezählt werden und sich EINZIG in der Wahlkampferstattung niederschlagen?
Nur sich hinterher über das Ergebnis aufzuregen ist dann eher peinlich.
Warum? Es entspricht der menschlichen Intuition, zu sagen "Das habe ich nicht bestellt. Das will ich nicht bezahlen."

Undemokratisch ist hingegen ein Parteien- und Wahlsystem, das diese intuitiven Ansprüche missbraucht, um Macht gegen den Willen des (Nicht-)Wählers zu konsolidieren; insbesondere, wenn dabei gezielt auf das perfide "Was kann ich allein schon ausrichten?" (vgl. "_DU_ bist Deutschland!") gesetzt wird?! Wenn sich die passiven Wähler tatsächlich einmal aufraffen und "irgendeine" Partei wählen, dann wissen sie bereits im Vorfeld, dass sie sich auf NICHTS verlassen können. Oder glauben Sie, die Wahl 2002 wäre ähnlich ausgegangen, wenn Herr Schröder angekündigt hätte, dass er die Agenda 2010 plant? Und was wäre aus der Wahl 2005 geworden, wenn Herr Müntefering sich nicht dank der vorsätzlichen Irreführung und Dienstleistungserschleichung (hier: Wahlkreuz) vor dem damals schon anstehenden Absturz gerettet hätte?

Auf welcher Grundlage sollen Wähler denn entscheiden? Die Wahlprogramme sind, das ist wiederholt gerichtlich bestätigt worden, nur "ungefähre Ideen", welche die Parteien bar jeder Verpflichtung unter das Volk streuen dürfen; sämtliche Zahlen werden nach Gutdünken der Parteien manipuliert (man erinnere sich nur an die stets NACH den Wahlen urplötzlich auftauchenden Haushaltslöcher, die niemand vorher erkennen konnte) ... Welche Entscheidungsbasis jenseits von "Augen zu und mal schauen, wo der Stift sein Kreuz macht..." hat der Wähler denn?

Zudem haben sich viele potenzielle Wähler von den "Glaubensdebatten" verabschiedet. Sie glauben nicht mehr an Götter. Sie glauben nicht mehr an paradiesische Versprechungen. Sie glauben den Priestern und Apologeten des "marktwirtschaftlichen Paradieses", das morgen, aber spätestens übermorgen über uns hereinbrechen wird, nicht mehr. Sie sind nicht mehr religiös, weil sie sich tagtäglich mit anderen, weit profaneren und naheliegenderen, Dingen herumschlagen müssen.

Vor die Wahl gestellt "Glauben oder nicht?", ist es doch nur verständlich, dass die Politikverdrossenheit mittlerweile mehr als die Hälfte aller Wähler erreicht hat. Doch wen kümmert's, dass die Mehrheit unzufrieden ist und dringend Reformen erwartet? Schließlich leben wir doch nicht in einem System, in dem Mehrheiten irgendeine Bedeutung haben, wenn sie nicht durch starke Lobbys gestützt werden.

Wir werden von Parteien regiert, die absolut (und als Koalition gemessen) weniger als 30% der "Gesamtlegitimation" haben; zudem mit drastisch fallender Tendenz. Wir haben seit vielen Jahrzehnten eine "Minderheitsdemokratie", in der ausschließlich die Rechte der Reichen und Lauten geschützt werden. Da ist es doch nur verständlich, dass Nicht-Wählen die EINZIGE überhaupt noch bleibende Option ist. Und natürlich nervt es die Nicht-Wähler, dass selbst dann ihre Stimme ignoriert wird.

Es ist also bestenfalls kurzsichtig, sich hinter "Das ist denen schnurz." zu verstecken, um so zu rechtfertigen, dass man sich nicht den Anforderungen der Mehrheit, den Anforderungen der Demokratie anpassen kann und will.
lamb of god hat geschrieben: Zur BTW treten fast 50 Parteien und unzählige Einzelkandidaten an.
Warum ändert man das Wahlrecht nicht? Warum muss man Parteien - und immer stärker wieder Menschen - wählen und all die schlechten Pillen, die zwischen den wenigen guten Bonbons versteckt werden, mitkaufen? Warum wird nicht "wirklich geheim" abgestimmt, indem man beispielsweise Einzelpositionen "wählt" und die sie vertretenden Parteien dafür haftbar macht? ... Aber das ist offenbar zuviel Demokratie und zu wenig punktuelle Macht. Schließlich interessiert Demokratie nur dann, wenn sie mit ausreichender Macht verbunden ist, oder wie muss ich mir erklären, dass jene Abgeordneten, die schworen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, selbst in Zeiten der Krise lieber zanken und Partei- respektive Personalprofilierung betreiben, als GEMEINSAM an den Zielen zu arbeiten, auf die sie schworen?!

Im Übrigen: Gäbe es auf dem Stimmzettel einen Punkt "Keine der genannten Parteien/Personen ist wählbar." würde ich zustimmen, dass es keinen Grund gibt, nicht zu wählen. Bis dahin ist das einzige und letzte verbleibende Mittel der Wahl-Streik.
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BrageForseti
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von BrageForseti »

eluveitie hat geschrieben:
Das Prozedere von "Trial and Error" hat die Politik, gerade in der Großen Koalition, schon längst aufgegeben... .
Mir setzte diese Regierung viel zu oft auf das Prozedere. Meist war auch noch vorauszusehen, dass einige Zeit nach "Trial" die Erkenntnis von "Error" zwangsläufig kommen wird. Das nächste Beispiel und der Beweis wird der Afghanistaneinsatz über kurz oder lang sein. (Im Übrigen auch ein Paradebeispiel wie Volkes Wille in dieser Parlamentarischen "Demokratie" von den Parlamentarieren mißachtet wird. Und ein Grund für die Wahlmüdigkeit. Welche Partei mit Gewicht ist denn hier wählbar, so dass nach der Wahl damit Schluß wäre. Keine! Das ist meine Antwort an die Gescheiten, dass es unter 50 eine geben müsse)
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ralphon
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von ralphon »

BrageForseti hat geschrieben:Welche Partei mit Gewicht
Was ist Gewicht? Hat schonmal viele Stimmen gehabt oder Körperumfang der Parteispitze?
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BrageForseti
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von BrageForseti »

ralphon hat geschrieben:
Was ist Gewicht? Hat schonmal viele Stimmen gehabt oder Körperumfang der Parteispitze?
Ich will es für geistig einfach strukturierte Menschen am Beispiel verdeutlichen. Wieviele von den 50 genannten Parteien fallen dem Normalbürger auf Anhieb ein? Gehe ich Recht in der Annahme, dass das außer CDU/CSU, SPD, FDP und die Grünen nur noch ein paar am Rande, wie die Linke oder NPD/DVU sind. Diese Parteien am Rand haben kein Gewicht! Und soll ich, weil ich gegen den Afghanistaneinsatz bin, nun die Linke wählen mit deren zentraler Aussage zur Wirtschafts- und Sozialpolitik ich NICHT einverstanden bin, oder soll ich die extrem Rechten wählen, wohl wissend, dass ich damit zwar meinen Protest im unmaßgeblichen Promillebereich deutlich gemacht, aber zugleich meine Stimme verschenkt habe?
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aloa5
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von aloa5 »

BrageForseti hat geschrieben:
Mir setzte diese Regierung viel zu oft auf das Prozedere. Meist war auch noch vorauszusehen, dass einige Zeit nach "Trial" die Erkenntnis von "Error" zwangsläufig kommen wird. Das nächste Beispiel und der Beweis wird der Afghanistaneinsatz über kurz oder lang sein. (Im Übrigen auch ein Paradebeispiel wie Volkes Wille in dieser Parlamentarischen "Demokratie" von den Parlamentarieren mißachtet wird. Und ein Grund für die Wahlmüdigkeit. Welche Partei mit Gewicht ist denn hier wählbar, so dass nach der Wahl damit Schluß wäre. Keine! Das ist meine Antwort an die Gescheiten, dass es unter 50 eine geben müsse)
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Die Argumentation führt jedoch nur zu einem Schluß: Bürger sind Demokratie-Unfähig und denken genauso kurz und kurzfristig wie Politiker. Sie bekommen daher auch das, was sie verdienen.


Grüße
ALOA
Human ist, was dem Menschen entspricht - nicht was er in lichten Stunden gerne hätte.

Ich twittere neuerdings
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BrageForseti
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von BrageForseti »

BrageForseti hat geschrieben:
Ich will es für geistig einfach strukturierte Menschen am Beispiel verdeutlichen. Wieviele von den 50 genannten Parteien fallen dem Normalbürger auf Anhieb ein? Gehe ich Recht in der Annahme, dass das außer CDU/CSU, SPD, FDP und die Grünen nur noch ein paar am Rande, wie die Linke oder NPD/DVU sind. Diese Parteien am Rand haben kein Gewicht! Und soll ich, weil ich gegen den Afghanistaneinsatz bin, nun die Linke wählen mit deren zentraler Aussage zur Wirtschafts- und Sozialpolitik ich NICHT einverstanden bin, oder soll ich die extrem Rechten wählen, wohl wissend, dass ich damit zwar meinen Protest im unmaßgeblichen Promillebereich deutlich gemacht, aber zugleich meine Stimme verschenkt habe?
BF

Ralphon, ich will eines klarstellen. Ich habe mich zwar über Deinen Beitrag etwas geärgert und deshalb so Stellung genommen. Allerdings ging die Formulierung "geistig einfach strukturierte Menschen" nicht gegen Dich persönlich (sollte das so angekommen sein entschuldige ich mich mit Nachdruck). Es ging ganz allgemein gegen Schlaumeier, die meinen wir hätten ja 50 Wahlmöglichkeiten und wer da nicht die richtige Partei findet und die Wahl verweigert sei eigentlich ein Undemokrat.
BF
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eluveitie

Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von eluveitie »

aloa5 hat geschrieben: Die Argumentation führt jedoch nur zu einem Schluß: Bürger sind Demokratie-Unfähig und denken genauso kurz und kurzfristig wie Politiker.
Falls diese Diagnose stimmt, weshalb denkt dann niemand über die offensichtliche Alternative nach, die Demokratie abzuschaffen - und, da sich alle anderen Herrschaftsmodelle als ebenso untauglich erwiesen haben, die Politik gleich mit? :party:
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ralphon
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von ralphon »

BrageForseti hat geschrieben:

Ralphon, ich will eines klarstellen. Ich habe mich zwar über Deinen Beitrag etwas geärgert und deshalb so Stellung genommen. Allerdings ging die Formulierung "geistig einfach strukturierte Menschen" nicht gegen Dich persönlich (sollte das so angekommen sein entschuldige ich mich mit Nachdruck). Es ging ganz allgemein gegen Schlaumeier, die meinen wir hätten ja 50 Wahlmöglichkeiten und wer da nicht die richtige Partei findet und die Wahl verweigert sei eigentlich ein Undemokrat.
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Ich finde ja selbst nicht eine wirklich passende Wahlmöglichkeit. Hättest du nicht "Gewicht" sondern "Fähigkeit" oder ähnliches geschrieben, hätte ich dir zugestimmt. Aber sich nur in gemachte Nester setzen zu wollen ist keine brauchbare Haltung.
official target
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von official target »

aloa5 hat geschrieben:Die Argumentation führt jedoch nur zu einem Schluß: Bürger sind Demokratie-Unfähig
Warum? Wer legt fest, dass Demokratie NUR UND AUSSCHLIESSLICH als "Vertretungsdemokratie mit 4-jähriger Ankreuzoption" zu definieren sei?

Könnte man es nicht - logisch konsequent - so beschreiben, dass DIESE SPIELART der Demokratie versagt?

Das Zentrum der Demokratie ist die Beteiligung möglichst vieler an den Entscheidungsprozessen. Wenn unsere derzeitige Demokratieform versagt, weil (vermutlich) vier Jahre eine zu lange Zeitspanne sind, um "Beteiligung" spüren zu können; wäre es dann nicht vernünftiger, nach Wegen Ausschau zu halten, die eine höhere Frequenz gestatten, als sich einfach zurückzulehnen und die Menschen serienweise zu diskreditieren, wie beispielsweise Herr Müntefering es in seinem weisen Alter immer wieder gern macht?!

// Edit: spell check
Zuletzt geändert von official target am Freitag 3. Juli 2009, 17:14, insgesamt 1-mal geändert.
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BrageForseti
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von BrageForseti »

official target hat geschrieben:Warum? Wer legt fest, dass Demokratie NUR UND AUSSCHLIESSLICH als "Vertretungsdemokratie mit 4-jähriger Ankreuzoption" zu definieren sei?

Könnte man es nicht - logisch konsequent - so beschreiben, dass DIESE SPIELART der Demokratie versagt?

Das Zentrum der Demokratie ist die Beteiligung möglichst vieler an den Entscheidungsprozessen. Wenn unsere derzeitige Demokratieform versagt, weil (vermutlich) vier Jahre eine zu lange Zeitspanne sind, um "Beteiligung" spüren zu können; wäre es dann nicht vernünftiger, nach Wegen Ausschau zu halten, die eine höhere Frequenz gestatten, als sich einfach zurückzulehnen und die Menschen serienweise zu diskreditieren, wie beispielsweise Herr Müntefering es in seinem weisen Alter immer wieder gern macht?!

// Edit: spell check
Der Schluß, dass die Bürger demokartieunfähig sind ist bestimmt nur zum Teil richtig. Richtig ist, dass sich diese Art der Demokratie inzwischen selbst in Frage stellt. Und das betrifft nicht die Zeitspanne der vier Jahre. Das betrifft das Wahlsystem und den Proporz der durch Parteisoldaten aufgebaut wird. Das betrifft den Gleichklang der großen Parteien in Abhängigkeit zu den USA Und der Wirtschaft. Das betrifft die Unzufriedenheit der Wähler nicht mehr direkte Demokratie und Kontrolle über das Parlament (Volksabstimmung) zu haben. Wenn es so weiter geht wird diese Demokratie als solche untergehen. Aber das ist wohl sehenden Auges so gewollt um nicht neue nationale Interessen ans Ruder kommen zu lassen.
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BrageForseti
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von BrageForseti »

eluveitie hat geschrieben:
Falls diese Diagnose stimmt, weshalb denkt dann niemand über die offensichtliche Alternative nach, die Demokratie abzuschaffen - und, da sich alle anderen Herrschaftsmodelle als ebenso untauglich erwiesen haben, die Politik gleich mit? :party:
Darauf sind die Anarchisten, die man heute AKTIVISTEN nennt schon längst gekommen.
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von Dampflok94 »

BrageForseti hat geschrieben:
Darauf sind die Anarchisten, die man heute AKTIVISTEN nennt ...
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Wer ist denn man?
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Walhall

Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von Walhall »

Mit Demokratie hat das brD Regime nicht mehr sehr viel zu tun. In einer Demokratie gibt es keine Meinungsdiktatur, und man brauch auch nichts zu verbieten. Meinungsdiktatur und Verbotswahn sind Merkmale des Faschismus.
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daimos
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von daimos »

Walhall hat geschrieben:Meinungsdiktatur und Verbotswahn sind Merkmale des Faschismus.
Bismarck war also Faschist?
Γνῶθι σεαυτόν
Walhall

Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von Walhall »

daimos hat geschrieben:Bismarck war also Faschist?
Sie meinen sicherlich das "Socialistengesetz". Nun, es wurde nicht die freie Meinung verboten (selbst Majestätsbeleidigung blieb ungestraft) sondern er ließ die "Socialisten" verbieten, die ja nun auch nicht mehr notwendig waren, da er selbst soziale Reformen einführte, die "Socialisten" forderten. Ich würde auch überhaupt nichts dagegen sagen wenn die Union die Nationalen verbietet, sofern sie die Forderungen und deren Parteiprogramm umsetzt. Der einzig wirkungsvolle Kampf gegen Rechts wäre die Programmpunkte jener umzusetzen - aber dann bedürfe es auch gar kein Verbot mehr, da dann nationale Parteien überflüssig würden, und sie keiner mehr wählen bräuchte.
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von official target »

Walhall hat geschrieben:Nun, es wurde nicht die freie Meinung verboten (selbst Majestätsbeleidigung blieb ungestraft) sondern er ließ die "Socialisten" verbieten, die ja nun auch nicht mehr notwendig waren, da er selbst soziale Reformen einführte, die "Socialisten" forderten.
Glauben Sie das selbst, Walhall?
Das "Sozialistengesetz" hieß im Original-Titel "Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie". Sie können sich vorstellen, dass ich schon an dieser Stelle berechtigten Zweifel an Ihrem - im wörtlichen Sinne - Aberglauben habe?
Dr. John Becker

Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von Dr. John Becker »

Mobbing nach System
Die mafiösen Strukturen treten umso deutlicher hervor, je mehr diese "Demokratie" wankt.
adal
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von adal »

BrageForseti hat geschrieben:Es ging ganz allgemein gegen Schlaumeier, die meinen wir hätten ja 50 Wahlmöglichkeiten und wer da nicht die richtige Partei findet und die Wahl verweigert sei eigentlich ein Undemokrat.
Nein. Nichtwähler sind keine Undemokraten, sie verschenken bloß ihre Stimme an die, die wählen.

Je mehr es von ihnen gibt, je bessere arithmetische Chancen für Extremisten. Nehmen wir mal rein theoretisch an, nur noch 10 Prozent gehen Wählen, könnte irgendein Hinz oder Kunz mit einiger Glaubwürdigkeit behaupten, die Bevölkerung lehne angeblich den Parlamentarismus ab, also errichten wir einfach mal eine Diktatur.
Zuletzt geändert von adal am Montag 20. Juli 2009, 23:53, insgesamt 3-mal geändert.
Dr. John Becker

Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von Dr. John Becker »

adal hat geschrieben:Je mehr es von ihnen gibt, je bessere arithmetische Chancen für Extremisten.
Blödsinn! Bisher hat eine stetig sinkende Wahlbeteiligung den etablierten Parteien (ausgenommen natürlich die sPD :mrgreen: ) genutzt.
Aber unabhängig davon, ein Denkzettel wäre von Nöten!
adal
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von adal »

Dr. John Becker hat geschrieben: Blödsinn! Bisher hat eine stetig sinkende Wahlbeteiligung den etablierten Parteien (ausgenommen natürlich die sPD :mrgreen: ) genutzt.
Aber unabhängig davon, ein Denkzettel wäre von Nöten!
Das ist nicht richtig. Der Mißerfolg der Rechtsextremisten hat mit der lächerlichen Performance dieser kriminellen Trottel zu tun. Und zwischen Union und den Rechtsextremisten passt kein Blatt Papier. Deshalb gibt's da auch nichts zu holen. Die Linke hat sich hingegen erfolgreich etabliert.
Zuletzt geändert von adal am Dienstag 21. Juli 2009, 00:00, insgesamt 2-mal geändert.
Dr. John Becker

Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von Dr. John Becker »

adal hat geschrieben:Das ist nicht richtig. Der Mißerfolg der Rechtsextremisten hat mit der lächerlichen Performance dieser kriminellen Trottel zu tun. Die Linke hat sich erfolgreich etabliert.
Auch falsch. Die Linke ist im Osten etabliert, das muss man einfach so hinnehmen. Im Westen sind es überwiegend enttäuschte sPD-Wähler (auch schwer zurück zu holen). Der Rest wählt aus Gewohnheit cDU/cSU/F.D.P./sPD/Grüne oder gar nicht. Die "Rechten" spielen keine Rolle!
Dr. John Becker

Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von Dr. John Becker »

Hier ein Beispiel mehr, weshalb jeder, der den Filz endlich beseitigt sehen möchte, wählen gehen soll!
Nun wird schon unverhohlen zur Nichtwahl aufgerufen... :sick:
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BrageForseti
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Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von BrageForseti »

Dr. John Becker hat geschrieben:Hier ein Beispiel mehr, weshalb jeder, der den Filz endlich beseitigt sehen möchte, wählen gehen soll!
Nun wird schon unverhohlen zur Nichtwahl aufgerufen... :sick:
Man sollte sich auch Teil 2 ansehen.
BrageForseti
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Dr. John Becker

Re: Über die Totalitäre Demokratie

Beitrag von Dr. John Becker »

BrageForseti hat geschrieben:Man sollte sich auch Teil 2 ansehen.
BrageForseti
Sorry, als ich das Video verlinkt hatte, war der 2. Teil noch nicht online.
O.k. dann versuchen sie jetzt noch die letzten Schafe zur Urne zu treiben, in der Hoffnung, das diese ihr Kreuz bei den etablierten Parteien machen werden. :hat:
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