The_Gunslinger » Do 5. Jun 2014, 11:04 hat geschrieben:
Lieber Pudding, das Problem sind nicht Draghis Niedrigzinsen. Die sind leider nötig, um eine Rezession mit fallenden Preisen zu verhindern. Wir haben schon jetzt alarmierend niedrige Inflationsraten und eine Deflation ist unbedingt zu verhindern. Deshalb muss die Zentralbank intervenieren und die Märkte mit günstigem Geld fluten.
Zum anderen ist der niedrige Leitzins nicht der einzige Grund für niedrige Kapitalzinsen, z.B. für Lebensversicherungen. Der Hauptgrund dafür ist, dass niemand Geld investieren will in Europa. Wenn keiner mehr investiert, kann es auch keine Rendite auf irgendetwas geben. Und deswegen können Ersparnisse auch nicht höher verzinst werden - die Zinsen müssen ja erstmal erwirtschaftet werden. In diesem Szenario muss die Zentralbank intervenieren und mit niedrigen Zinsen versuchen, wieder Investitionen in Gang zu bringen.
Erst wenn das Vertrauen in Europa wieder zurückgewonnen ist, wird es auch wieder höhere Zinsen geben. Dann kann auch die EZB wieder den Leitzins erhöhen. Dafür sind m.E. folgende Schritte notwendig:
- Die Südeuropäer müssten ihre Sparbemühungen (vorerst) beenden und durch staatliche finanzierte Investitionsprogramme aus Kerneuropa (Deutschland, Österreich, Frankreich, Niederlande) wieder in Gang gebracht werden.
- In Kerneuropa (v.a. Deutschland) müssten die Löhne deutlich steigen, um die Inlandsnachfrage zu erhöhen.
Warum? Weil Deutschlands Exportüberschüsse abgebaut werden müssen, um den südeuropäischen Staaten eine Chance zu geben, ihre Leistungsbilanzdefizite (= Schulden) abzubauen. Und weil Deutschland mit einer steigenden Inlandsnachfrage direkt in Kerneuropa wieder Investoren anlocken würde.
- Wenn die südeuropäischen Staaten wieder besser dastehen, müssen einige Reformen angepackt werden: Dazu gehört z.B. in Griechenland eine Reform und Modernisierung der Steuerverwaltung und weitere Lohnsenkungen. Diese Lohnsenkungen müssten nicht ganz so hart ausfallen, wenn in Kerneuropa die Löhne angemessen steigen.
- Außerdem müsste der Bankensektor reformiert werden. Strenge Eigenkapitalvorschriften, Einschränkung von Derivatgeschäften und Einführung des Trennbankensystems.
- Vorerst keine weitere Aufnahme von Staaten in die Eurozone. Die Aufnahme von Lettland, Estland und Slowenien halte ich für einen Fehler. Alle drei Länder hatten bereits vor der Aufnahme hohe Leistungsbilanzdefizite und ihr Staatshaushalt wird in erheblichem Maße von Brüssel mitfinanziert.