DK2008 » Mi 4. Sep 2013, 13:49 hat geschrieben:Bei der jetzigen Bundestagswahl treten drei Parteien an, die nach aktuellen Umfragen relativ nahe bei 5% liegen (FDP 5%, AfD 4%, Piraten 3%). Im ungünstigsten Fall könnten alle drei Parteien knapp unter 5% landen. Zusammen mit den "Sonstigen" würden damit grob geschätzt
7,5 Mio. Wählerstimmen komplett unter der Tisch fallen und bei der Zusammensetzung des Parlaments nicht berücksichtigt werden.
Hinzu kommt, dass schon die Wahlentscheidung durch die 5%-Hürde beeinflusst wird. Einige Wähler lassen sich davon abbringen, die von ihnen eigentlich favorisierte Partei zu wählen um nicht Gefahr zu laufen ihre Stimme "wegzuwerfen". zu den 7.5 Mio. unberücksichtigten Stimmen kommen also noch x "taktische" Stimmen, die nicht die Einstellung des Wählers widerspiegeln.
Teilweise wird sogar der Wählerwille ins Gegenteil verkehrt. Nach der neusten Umfrage in Hessen, hat Schwarz-Gelb eine Mehrheit. Aber nur, weil die Linke knapp an der 5%-Hürde scheitern würde. Wenn es so kommt, hätte die Mehrheit der Wähler klar gegen Schwarz-Gelb gestimmt. Trotzdem hätte Schwarz-Gelb eine Parlamentsmehrheit erhalten und dürfte weiterregieren.
Angesichts dieser Entwicklungen ist es in meinen Augen höchste Zeit die 5%-Hürde abzuschaffen!
Was ist eigentlich der Sinn dieser Hürde? Klar, eine Zersplitterung des Parlaments zu verhindern. Es soll eine einfachere Regierungsbildung und ein unproblematisches Regieren ermöglicht werden. Aber: ist es etwa Aufgabe des Parlaments dafür zu sorgen, dass die Regierung möglichst ungestört regieren kann? Wohl kaum!
In meinen Augen spricht nichts gegen ein bunteres Parlament. Ein Parlament, in dem sich die Regierung ggf. flexibel ihre Mehrheiten sucht. Ein Parlament, in dem die Abgeordneten ihren Überzeugungen und nicht stupide dem Fraktionszwang folgen. Ein Parlament, dass eine unsinnige Vorlage der Regierung auch mal abschmettert.
Wie seht ihr das?
Weitestgehend wie Sie.
Objektiv gesehen ist die Sperrklausel eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl.
Einschränkend zu ergänzen wäre, dass diese Hürde ja bei einer regionalen Stärke einer Partei über das Direktmandat durchbrochen werden kann. Also etwa über die Beliebheit von Einzelpersonen oder einer regionalen Stärke.
So mußte ja auch die SPD im Kabinett Schröder I zähneknischend zur Kenntnis nehmen, dass der Bundeswahlleiter 3 Mandate der ihr verhasssten PDS bekanntgab, also für eine Partei, die die Sperrklausel nicht erreichte. So lies es sich die SPD nicht nehmen einen erkennbar provisorischen Katzentisch für die Mandatsträger aufzustellen, damit der nicht sehr telegene Paria-Eindruck für die Fernseh-Nation hergestellt werden konnte.
Kurioserweise gilt diese Sperrklausel nicht für Parteien von anerkannten nationalen Minderheiten. Ein Zugeständnis an kulturelle Identität. Ein Witz und Relikt in Zeiten, in denen Integration und Assimilierung Gang und Gebe sind. Und nun wollen die Friesen auch nich eine Anerkennung für ihre Partei. Als nächstes kommen die Oberpfälzer die immer noch nicht Deutsch können.
Ich sehe das grundsätzlich so wie Sie, aber leider haben die großen Parteien, eben die Union und die SPD in Deutschland die Demokratie gepachtet und werden den Teufel tun an dieser Weiche der Sperrklause zu rühren. Die teilen nicht freiwillig die erstrittenen Fleischtöpfe. Beim Ego hört der Pluralismus auf.
Daher werden die Großparteien und ihre Spindoktoren in den Medienhäusern auch nie müde dem Michel Märchen über die Gefährdung der Demokratie und Weimarer Verhältnisse zu erzählen.
Wir werden hierzu in Deutschland bestenfalls eine Änderung erleben, wenn wir in Deutschland ein politisch neutraleres Bundesverfassungsgericht haben, das hier die Gleichheit der Wahl als höheres Gut feststellt. Bisher war das Argument für die Hürde ja beim höchsten Gericht gerade die funktionierende politische Willensbildung in einer parlamentarischen Demokratie. Auf deutsch, damit der Laden läuft wie geschmiert, dürfen Kleine nicht mitspielen. Höchstrichterlich festgestellt.
"Die Erde ist ein Irrenhaus. Dabei könnte das bis heute erreichte Wissen der Menschheit aus ihr ein Paradies machen." Joseph Weizenbaum