Hast Du eigentlich bemerkt, daß ich in dem Beitrag die Regierungsleistung eines Bundeslandes erwähnt habe? Wieso Du nun mit Volksentscheiden auf Bundesebene und Willy Brandt ankommst, weißt wohl nur Du. Für ein "Das alles wollte ich jetzt mal verbal über den Stammtisch kotzen" bin ich die falsche Adresse. Es ist fürderhin auch keine Illusionspolitik, wenn man sich eingesteht, daß sich die Welt in den letzten 50 Jahren geändert hat und aufgrund des technischen Fortschritts sowie der weltweiten Vernetzung die Globalisierung weiter gefördert wird -- ob es Dir persönlich mißfällt, ist völlig irrelevant. Politiker müssen sich halt solchen Prozessen bzw. Entwicklungen auch stellen und das Land reformieren. Wozu ewiger Stillstand führt, haben wir vor zehn Jahren bemerkt und sehen es heute in vielen anderen Ländern. Wer da als Deutscher tauschen möchte, müßte schon sehr masochistisch veranlagt sein. Aber bitte, nur zu.Dardonthinis » Do 16. Mai 2013, 14:27 hat geschrieben:
Au weia, Du bist noch wurzeltief im Wolkenkuckucksheim realsozialdemokratischer Illusions- und Verzweiflungspolitik verwachsen
Deutschland ist nicht alleine auf der Welt, auch wenn der eigene Horizont an den deutschen Grenzen endet.Dardonthinis hat geschrieben: Da haben wir es wieder: RealSPD-Gejammer von der Globalisierung als unvermeidliches Naturgesetz. Das ist das Selbe wie Angelas Alternativlosigkeiten. Wer hat denn - national, europäisch und global, die ganzen Abkommen, Richtlinien und Gesetze erlassen oder zugelassen? Waren das jenseits menschlicher Disposition stehende Naturkräfte, oder waren es Menschen?
Macht nichts. Ich hatte auch mal gedacht, daß beim Sozialstaat eingespart wurde, weil die Aussagen allgegenwärtig waren. Schaut man sich bloß die Ausgaben des Staates und den Anteil der Sozialausgaben an, stellt man schnell fest, daß an diesem gefühlten Abbau nichts dran ist.Progressiver hat geschrieben: Vielleicht habe ich mich ungeschickt ausgedrückt. Es reicht, wenn man das Lohnniveau bei der Masse der Arbeitnehmer relativ gesehen sinken läßt, während man die Oberschicht immer mehr entlastet. (Dies gilt sowohl für die Löhne als auch für die Vermögenssteuer.) Dadurch ist es dazu gekommen, daß sich der Großteil des Volksvermögens immer mehr bei den Reichen ansammelt, während Otto Normalverbraucher in die Röhre gucken darf.
Die Lohnentwicklung ist aber eine andere Chose und kein rein deutsches Phänomen. Abgesehen davon, daß Menschen in Beschäftigung viel seltener armutsgefährdet sind als Arbeitslose. Sprich, ob die Entwicklung -- unabhängig davon, ob man meint, daß sie bekämpft werden muß oder nicht -- durch die Agenda 2010 verschärft wurde oder gar reduziert, kann niemand genau sagen. Für den Einzelfall kann es sicherlich einen Abstieg bedeutet haben, aber anderen eben auch Chancen. Und auch hier sollte man das alles nicht so einseitig sehen und sich nur jene Statistiken herauspicken, die man für eine vorgefertigte Meinung für sinnvoll hält. Da kann man ebenso gerne mal etwas (selbst-)kritisch herangehen.
Veranschaulichend: Nützt es den Griechen, daß die "Schere zwischen Arm und Reich" in den letzten Jahren gesunken ist?
-> http://www.zeit.de/2012/52/Armut-Wahlkampf-SPD
Gibt's da ein Beispiel, z.B. ein vergleichbares Land, was Dir vorschwebt? Oder woher die Annahme, daß dieses ganze ominöse pfuibähneoliberal irgendeine personifiziertes Unheilswesen ist und sich irgendwo versteckt?Aber Deutschland würde ohne diese neoliberalen Aktionen, die Merkel und Steinbrück dann weiter fortgeführt hatten, bedeutend besser stehen. Ohne diese Steuerausfälle würde die Schuldenlast geringer sein. Und die Umverteilung des Volksvermögens von unten nach ganz oben wäre eventuell sogar gestoppt worden.
Schaut man sich z.B. in Europa um, welche Länder fleißig reformierten, was nicht stets auf den ersten Blick im Sinne der Arbeitnehmer war, kommt man trotzdem zum Entschluß, daß es gerade diese Länder sind, denen es vergleichsweise gut geht, z.B. neben Deutschland noch die Niederlanden, Dänemark oder Österreich. In Dänemark möchte niemand sein "Flexicurity"-Modell wieder abschaffen und zum vorherigen Wohlfahrtsmodell zurückkehren. Schon irre, daß Arbeitnehmer nichts gegen einen aufgelockerten Kündigungsschutz haben, oder? Nein, eigentlich nicht irre, wenn man sich stets die Gegenseite anschaut und bemerkt, welche Auswirkungen es für Land und Leute hat.
Selbiges gilt für Fragen des Mindestlohnes. Derzeit ist beispielsweise in Norwegen ebenfalls Wahlkampf, da kurz vor uns dort gewählt wird. Und das Thema Mindestlohn kocht in diesem Land, das man durchaus als "sozialdemokratisch geprägt" bezeichnen kann, auch immer wieder auf. Und richtig, einen Mindestlohn gab's nie, sondern nur Tariflöhne, mehr oder weniger vergleichbar mit dem System in Deutschland. Das hielt man stets für ausreichend und wollte nicht diktieren, daß von Oslo bis zur Finnmark die selben Löhne zu zahlen seien und es gerade Berufseinsteiger schwer haben könnten, während andere fürchteten, die Tariflöhne -- die meist deutlich höher sind als ein geforderten Mindestlohn -- könnten ausgehebelt werden und die Arbeitnehmer anschließend weniger Geld haben. Sprich, die selbe Diskussion wie wir sie in Deutschland seit über zehn Jahren führen. In den 60ern war das kein Thema und keine Notwendigkeit, weder bei uns in Deutschland noch in Norwegen. Ob's heute notwendig ist, muß die Politik abwägen. Es wäre aber naiv anzunehmen, daß dadurch sämtliche Probleme aus der Welt seien. Ebenso ist es naiv, wenn man alle Argumente für seinen Tunnelblick ausblendet und beispielsweise die Gewerkschaften ignoriert. Diese waren ja, neben der schwarz-gelben Mehrheit im Bundesrat, bei Einführung Agenda 2010 ein entscheidender Grund, wieso Münteferings geforderter Mindestlohn nicht eingeführt wurde. Und keine Verschwörung, daß irgendwer irgendwo später in der Privatwirtschaft weiter arbeitete, weil es mit der Politik nicht mehr klappte. Minister und Kanzler, die noch nicht sehr alt sind, werden immer schauen, wo sie noch Geld verdienen können. Ist ja auch nicht verwerflich. Wieso man sich aber geradezu freut, irgendeinen Fall entdeckt zu haben, um damit sämtliche Handlungen in der Regierungszeit einfach auszublenden oder einseitig nur Details herauspickt, weiß ich nicht. Ist mir persönlich zu plump.
Bitte nicht wieder Klassenkampf. Natürlich ist es richtig, daß man mit Wirtschaftsunternehmen kooperiert und den Standort attraktiv hält, um beispielsweise Abwanderungen zu vermeiden. Aber bevor das Gekreische kommt: Die abwanderungsgefährdeten Jobs sind für gewöhnlich in der Exportbranche. Und dort werden die höchsten Löhne gezahlt. Die niedrigsten hast Du bei einfachen Dienstleistungen, deren "Produkt" einzig und alleine auf lokaler Ebene stattfindet. Ebenso ist es nichts verwerfliches, wirtschaftsfreundliche Reformen durchzuführen, um Arbeitsplätze zu erzeugen. Wer meint, er handelt im Sinne der Arbeitnehmer, wenn er mit Willkür Unternehmen schädigen möchte, irrt. Sollten die Konzerne dieser "Wirtschaftsbosse" alle dichtmachen, wird jedenfalls kein Paradies hier ausbrechen. Aber, wie gesagt, Klassenkampf ist seit über 20 Jahren nicht mehr nötig.Eine SPD jedenfalls, die nur die Interessen der Großbanken und der Wirtschaftsbosse beherzigt und "Gewehr bei Fuß" deren Befehle ausführt, braucht Deutschland jedenfalls nicht.