Steinzeitjäger und Megafauna

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Dark Angel
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Steinzeitjäger und Megafauna

Beitrag von Dark Angel »

Basierend auf meiner (eigentlich) einfachen Aussage, dass Menschen frühzeitig bewusst Aktivitäten entwickelt hätten, die sich regulierend auf den Wildbestand einer Region auswirken, hat sich im Gesellschaftsforum eine Diskussion entwickelt, die dies einerseits anzweifelt, andererseits dem frühen Homo sapiens unterstellt, für das Aussterben der Megafauna verantwortlich zu sein.
Da diese Diskussion in dem betreffenden Thread themenfremd ist, habe ich die wichtigsten Aussagen kopiert, um diese Dikussion hier weiter zu führen:
PikBube hat geschrieben: Freitag 22. März 2024, 22:43 Woher nimmst du die Annahme, dass das weiterziehen der Jäger in andere Jagt Gefilde aus den Anfangszeiten der Menschheit ein bewusster Vorgang ist? In dem Sinne, dass man aktiv möchte, dass sich Bestände erholen können. Ist es nicht eher so, dass die Jäger in andere wildreichere Gebiete gezogen sind, weil dort das erjagen der Beute leichter ist und sich somit automatisch der Bestand erholt?
Wir haben Hinweise (archäologische Befunde) darauf, dass auch die Steinzeitjäger es vermieden haben trächtige und/oder Mütter mit Jungtieren zu jagen. Dies deutet durchaus darauf hin, dass den Steinzeitjägern die Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf die Bestände bewusst waren.
PikBube hat geschrieben: Freitag 22. März 2024, 22:43Daher würde ich unseren Vorfahren eine Überlegung einer bewussten regulierende Aktivität absprechen, da ich mir schlecht vorstellen kann, dass Sie überhaupt fähig dazu wären Bestände "auszurotten" und ich mir auch nicht vorstellen kann, dass Sie soweit denken konnten bzw. besser gesagt denken mussten.
("ausrotten" ist jetzt natürlich sehr übertrieben dargestellt mir fiel nur kein besseres Wort ein)
Das Problem ist, dass es in der fraglichen Periode (Weichsel-/Würm-Eiszeit) keine Kulturlandschaften gab, die den Wildbeständen als Nahrungsgrundlage dienen konnten, dass Problem ist weiter, dass es an natürlichen Feinden keinesfalls magelte und dass der Mensch als Omnivor u.a. direkter Nahrungskonkurrent war.
Die einfache Tatsache, dass man sich etwas nicht vorstellen kann, ist kein Ausschlusskriterium, ist kein Beleg dafür, dass etwas nicht existiert hat.
PikBube hat geschrieben: Mittwoch 27. März 2024, 20:40 Nein ich folgere und behaupte aus meinen empirischen Beobachtungen, dass der Steinzeit-Mensch, solange er das Wild nur für die eigene Nahrungsaufnahme verwendet, nicht "fähig" war Reviere komplett auszurotten, sodass sich dort gar kein Wildbestand erholen konnte. Sondern, dass er eher durch seine Bejagung Wildbestände reduziert hat um dann weiterzuziehen, weil es woanders mehr Wild gab, sich dieses leichter erlegen ließ und sich damit der Wildbestand in den alten "Revieren" erholen konnte. Ich sage nicht das er zu doof war um sein Überleben zu sichern.
Welche empirischen Beobachtungen sind das, diese Erklärung bist du bisher schuldig geblieben.
Es geht nicht darum, ob die Steinzeitjäger fähig waren, ganze Wildbetände auszurotten, sondern ob sie zu regulierenden Akrivitäten fähig waren und das waren sie durchaus.
Auch bei einer Jagd - insbesondere wenn diese der Überlebenssicherung einer ganzen Gruppe dient/dienen soll - sind Aufwand-Nutzen-Abwägungen entscheident. Zeitaufwand und Entfernungen müssen berücksichtigt werden. Überstieg dieser Aufwand ein bestimmtes Maß, sind die Gruppen a) weiter gezogen oder b) dem wandernden Wild gefolgt und zwar auch dann, wenn die Wildbestände NICHT gefährdet waren.
PikBube hat geschrieben: Mittwoch 27. März 2024, 20:40Diese Theorie stütze ich zum einen darauf, dass erst mit dem sesshaft werden, dem Anlegen von Feldern und der Viehhaltung beobachtet wurde, dass Wildbestände zurückgedrängt oder ausgerottet wurden. Dies wurde aber aktiv durch den Menschen vorangetrieben, um eben die eigenen Felder und Viehbestände zu schützen.
Und damit begehst du einen logischen Fehler. Jäger, deren einzige bzw überwiegende Nahrungsquelle die Jagd ist, müssen Wildbestände und deren Wanderwege sehr viel genauer beobachten als sesshafte Bauern.
Genau diese intensive Beobachtung des Verhaltens bestimmter Tierarten war die Voraussetzung für die spätere Domästikation und Zucht.
In der Frühzeit der Neolithisierung hat der Mensch keine Wildbestände zurück gedrängt oder ausgerottet. Dafür war die menschliche Populationsdichte nicht groß genug.
PikBube hat geschrieben: Freitag 22. März 2024, 22:43Da ich davon ausgehe, dass in der Steinzeit die Vegetation wechselhaft war, also aus Wiesen, Wäldern etc. bestand. Gehe ich davon aus, dass eine Gruppe aus Menschen in einem Jagdgebiet eine Auswahl an verschiedenen Wildtierarten hatten.
Tja und damit bist du ganz gewaltig auf dem Holzweg.
Die Steinzeit, von der wir hier sprechen ist das Paläolithikum und Mesolithikum - also die Zeit, die von mehreren Glazialen und Interglazialen geprägt war. Die Ankunft der ersten Homo sapiens in Europa fällt ind die Weichsel-/Würm-Eiszeit und in dieser war a) Europa nur zu etwa 35% überhaupt bewohnbar und b) davon der überwiegende Teil Tundra oder aride Trockensteppe (Mammutsteppe). Lichte Waldsteppe (überwiegend sehr lichter Birkenbewuchs) gab es nur im mediterranen Raum. Also nix mit "Wiesen und Wäldern" oder "Auswahl an verschiedenen Wildtierarten". In Tundra- bzw Mammutsteppengebieten siedelten Menschen an den saisonalen Wanderwegen der Megafauna und nutzen diese zur ortfesten Jagd - heißt während der jeweiligen Kälteminima waren die Lager ganzjährig bewohnt.
PikBube hat geschrieben: Freitag 22. März 2024, 22:43Einzig bei den Indianer gehe ich mit, dass diese den Prozess der Erhaltung der Wildbestände bewusst gesteuert haben. Das ist ja auch in Ihrer Kultur verankert, seit wann sich dies so entwickelt hat kann man m.E. auch nicht sagen, zumindest habe ich dazu nie etwas finden können.
Tja dumm nur, dass ausgerechnet die so genannten Prärieindianer Vertreter genau DER Kultur von Steinzeitjägern und Sammlern angehören, denen du die Fähigkeit absprichst.
Die haben gar nichts gesteuert.
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Re: Steinzeitjäger und Megafauna

Beitrag von Dark Angel »

Neandertaler hat geschrieben: Sonntag 31. März 2024, 21:47 Jagdtier | Zeitraum | Ort
---------------------------------------------------------
Mammut | Vor 10.000 Jahren | Europa, Nordamerika
Mähnenspringer | Vor etwa 8.000 Jahren | Nordafrika, Naher Osten
Riesenkängurus | Vor etwa 40.000 Jahren | Australien
Moa (Vogel) | Vor etwa 700 Jahren | Neuseeland
Gomphotherien | Vor etwa 10.000 Jahren | Südamerika

Kurzer Überblick natürlich nicht vollständig.
Etwas einfacher ausgedrückt Jäger und Sammler sind für das verschwinden eines Großteils der Großtiere (->Megafauna)
Verantwortlich.
Nein, die Jäger und Sammler sind NICHT für das Verschwinden der Megafauna verantwortlich.
Zum Einen war die Populationsdichte des Menschen (ca. 2,8 bis 5 pro 100km²) nicht groß genug, zum anderen durchliefen auch die Menschen mehrere genetische Flaschenhälse, die mit Kältemaxima während des letzten Glazial korrelieren, die Populationsgrößen der Megafauna war ebenfalls Schwankungen unterworfen, die mit den jeweiligen Klimaschwankungen korrelieren.

Demografische Modellierungen deuten nicht nur auf einen genetischen Flaschenhals der LGM hin, sondern liefern auch überraschende Beweise für einen großen Bevölkerungswechsel in Europa vor etwa 14.500 Jahren während des Spätglazials, einer Periode klimatischer Instabilität am Ende des Pleistozäns.


Stattdessen deuten die Ergebnisse, die auf einem neuen statistischen Modellierungsansatz beruhen, darauf hin, dass die Populationen großer Säugetiere aufgrund des Klimawandels schwankten, wobei drastische Temperaturabfälle vor etwa 13.000 Jahren den Rückgang und das Aussterben dieser riesigen Lebewesen einleiteten.
Um die Zeit des Aussterbens der Großtiere (vor 15.000 bis 12.000 Jahren) gab es zwei große Klimaveränderungen. Die erste war eine Periode abrupter Erwärmung, die vor etwa 14.700 Jahren begann, und die zweite war ein Kälteeinbruch vor etwa 12.900 Jahren, während dessen die nördliche Hemisphäre zu fast eiszeitlichen Bedingungen zurückkehrte. Eine oder beide dieser wichtigen Temperaturschwankungen und ihre ökologischen Auswirkungen werden mit dem Aussterben der Megafauna in Verbindung gebracht.


Darüber hinaus wurde festgestellt, dass sich die Reproduktionsrate des Mammuts zum Ende des Glazials stark verringert hat. Die Gründe hierfür sind unbekannt.

Ein weiterer Grund für das Aussterben der Megafauna ist der relativ abrupt einsetzende Klimawandel, welcher zu einer raschen Veränderung der Vegetation führte sowie die Wanderwege der Großsäuger unterbrach.

Ein aktueller Vergleich von Knochenfunden und Klimamodellen stützt jetzt ein Modell, nach dem Mammut und Co einer Kombination aus extremen Populationsschwankungen und immer stärker zersplitterten Lebensräumen zum Opfer fielen

Gegen 11.560 v.h. setzte durch das vielseitige und rasche Einwandern der verschiedensten Pflanzenarten und das
ständig wärmer und feuchter werdende Klima eine stürmische Vegetationsentwicklung ein. Im Atlantikum (ca. 9000-
6000 v.h.) waren die Durchschnittstemperaturen sogar um 1-2 Grad höher als heute. Beherrschten zum Ende des Spätglazials noch boreale Waldsteppen Mitteleuropa, so wurden diese zunächst sehr schnell von Kiefern-Birkenwäldern, dann von der Hasel verdrängt. Durch die Einwanderung thermisch und hygrisch anspruchsvoller Gehölze breiteten sich ab etwa 9000 v.h. dichte
sommergrüne Mischwälder aus. Während der Mittleren Wärmezeit (Atlantikum), dominierten weithin Eichen-Linden-, an feuchteren Standorten UlmenEschen-Bergahornwälder


Mit der zunehmenden Bewaldung zum Ende der letzten Eiszeit nahmen die Bestände jedoch ab und vor rund 11.000 Jahren verschwanden die großen Säugetiere vollständig aus dieser Region. Die Waldentwicklung ist damit der wichtigste Faktor, der die Anwesenheit von Großsäugern in Mitteleuropa steuert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die unter der Leitung von Prof. Dr. Frank Sirocko von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) durchgeführt wurde.

All dies spricht dafür, dass multikausale Ereignisse waren, die zum Aussterben der Megafauna führten.

Hier wird etwas ganz anderes gesagt - nämlich:
Neuere Untersuchungen zeigen anhaltende regionale Veränderungen des verfügbaren Wassers und der Vegetation sowie einer erhöhten Häufigkeit von Bränden. Die Kombination verschiedener Faktoren führte möglicherweise zum Aussterben der australischen Megafauna und zwar lange bevor die Megafauna in Europa, Asien oder Amerika ausstarb.

Und wieder multikausale Ereignisse.
Neandertaler hat geschrieben: Samstag 6. April 2024, 21:23 Hast du dazu eine Quelle? Deine beiden links bestätigen jedenfalls so nicht deine von mir hervorgehoben These. (Unterstreichen)
Du hast mich nach Quellen gefragt, die meine Hypothese stützen - ich denke, ich habe sie geliefert.
Neandertaler hat geschrieben: Samstag 6. April 2024, 21:23Mein Problem mit der Klimawandel Hypothese und ist das sie zwar gut in unsere Zeit passt und solchen lokalen Forschungsansätze wie von dir verlinkt zwar gut erklären können warum eine Species zu einem bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort unter Druck geraten ist aber überhaupt keine Erklärung für das Massenhafte aussterben der Großtiere mit dem auftauchen der Steinzeitmenschen liefert.
Wenn du ein Problem mit dem Klimawandel vom Glazial zum Interglazial hast, dann hast du tatsächlich ein Problem, denn diesen Klimawandel gab es und der vollzog sich sehr viel schneller als heute. Die Temperaturen stiegen schneller und stärker als heute.

Es ist ja nicht so, dass Steinzeitjäger auftauchten und kurze Zeit später starben die Großsäuger aus, ganz im Gegenteil.
VOR den ersten modernen Menschen lebten Homo neanderthalensis bereits mehrere Jahrzehntausende MIT den großsäugern zusammen UND bejagden sie. Ausgestorben sind die Großsäuger nicht. Der moderne Mensch erreichte vor ca. 40.000 bis 35.000 Jahren Europa UND bejagde die Großsäuger - heißt die Spezies blieben noch weitere 25.000 Jahre inetwa stabil, bis sie vor ca. 10.000 Jahren ausstarben. Also kann das Bejagen durch den Menschen gar nicht die alleinige Ursache sein!
Neandertaler hat geschrieben: Samstag 6. April 2024, 21:23Oder an deinen Eifelbeispiel, neben dem das es auch die Ansicht gibt das die Bewaldung nicht Ursache sondern Folge des verschwinden der Großsäuger war, ist doch die Frage, warum* rücken nicht einfach Waldelefant und Waldnashorn in die (von Wollmammut und co) frei gewordenen Räume und es kommt nur zu Habitat Verschiebung der Großtiere wie bei früheren Klimawechseln.
Falsch! Klimawandel UND Änderung der Vegetation sind die Ursache für das Verschwinden der Großsäuger, NICHT die Folge.

Zum Vergleich: Sportflugplätze bilden aufgrund ihrer Bearbeitung durch den Menschen einen Lebensraum für ganz bestimmte Pflanzen- und Tierarten (Insekten, bodenbrütende Vögel, Kleinsäuger etc). Das funktionierte ganz hervorragend, bis einige "Umweltschützer" auf die Idee kamen, dass der Flugplatz geschossen und menschliche Bearbeitung (Mäharbeiten) beendet werden müssten, schließlich sollten Pflanzen und Tiere ja "nachhaltig" geschützt werden. OHNE die menschliche Regulierung des Bewuchses änderte sich die Vegetation innerhalb kürzester Zeit, die schützenswerten Pflanzen wurden zurück gedrängt, weil andere dominant wurden und die Tiere verloren ihren Lebensraum, wanderten ab, damit hatten die "Umweltschützer" genau das Gegenteil von dem erreicht was sie erreichen wollten ==> Ursache veränderte Vegetation und Folge Verdrängen/Abwanderen bestimmter Tierarten.

Nichts anderes ist zum Ende des letzten Glazials passiert.
=Neandertaler hat geschrieben: Samstag 6. April 2024, 21:23Darum kann ich auch denn Multiursachen Thesen nicht folgen, denn es scheint offensichtlich das diese Tiere ohne Klimaschwankungen nur später wie an anderen Orten ausgestorben wären ohne Mensch aber die Klimaschwankungen wie auch zuvor überlebt hätten.
Du kannst nicht oder du willst nicht?
Passt der drastische Klimawandel zum Ende des letzten Glazials nicht in dein Weltbild oder sind es die Veränderungen die mit diesem klimawandel einher gehen oder ist es dein logischer Fehlschluss, mit dem du Ursache und Wirkung vertauschst?
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
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