Das war einer der vollständigeren und verständlicheren Sätze, die Christian Lindner am 10. März 2019 zwitscherte. Zusammengefaßt heißt dies, daß Kinder und Jugendliche Klimapolitik doch bitte den Profis überlassen solle. Dafür erntete er heftige Kritik. Seine rhetorische Blüte: "Digitalisierung first, Bedenken second." fiel ihm auf die Füße."Ich finde politisches Engagement von Schülerinnen und Schülern toll. Von Kindern und Jugendlichen kann man aber nicht erwarten, daß sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen. Das ist eine Sache für Profis."
Es war nicht die einzige kritische Situation in seinem Politiker-Dasein. Christian Lindner ist seit Dezember 2013 Bundesvorsitzender der FDP und Mitglied des Deutschen Bundestages. Seine Äußerungen sind ebenso berühmt-berüchtigt wie seine Leistungen. Bei der Bundestagswahl 2021 war die FDP mit 11,5 Prozent noch viertstärkste Partei. Momentan kamen die Liberalen im Juli, laut Emnid- oder Forsa-Umfragen, auf etwa 6 bzw. 7 Prozent. Bei den Wählerinnen und Wähler sind sie auf dem besten Weg sich in Sachen Zustimmung zu halbieren.
Der Kurs der FDP könnte auch ein Hinweis auf die sich verringernden Umfragewerte sein. In Anlehnung und Umdeutung auf seine 2017 getätigte Äußerung zur gescheiterten Jamaika-Sondierungen: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“, für die er scharf angefeindet wurde und ihn fast die Karriere kostete, betonte er nach den jetzigen Koalitionsverhandlungen:
Vielleicht hat sein Umschwung mit der Tatsache zutun, daß die FDP in erster Linie als die Partei wahrgenommen wird, die sagt, was alles nicht geht. Steuerrhöhungen: ohne mich, betont Lindner immer vehement. Ebenso sehe er sich als Gegner eines Tempolimits. 2019 drückte er seine Zweifel noch so aus:"Heute können wir sagen: Es ist besser, diese Koalition zu wagen, als auf Gestaltungschancen zu verzichten."
Auch bei der Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze blockiert er. Ebenso ist er gegen eine "Übergewinnsteuer." Wohingegen der Lindner-FDP nachgesagt wird, Politik für die Besserverdienenden zu machen, was der Liberalen-Chef kürzlich indirekt bestätigte."Ein Diesel-SUV, das nur wenige Kilometer genutzt wird, ist umweltfreundlicher als der Kleinwagen mit hoher Fahrleistung."
In der Zeitung die Welt formulierte er es so:
Er wolle "Aufstiegschancen, Leistungsfreude, wirtschaftliche Freiheit, Technologieoffenheit und solide Finanzen""Die wichtige Rolle der FDP ergibt sich ja daraus, dafür zu sorgen, daß Deutschland aus der Mitte regiert wird und nicht nach links driftet"
"Wir haben die Ampel nicht gebildet aus automatischer inhaltlicher Nähe, sondern weil wir eine staatspolitische Verantwortung haben.", zitiete ihn das Focus-Magazin am 5.8. dieses Jahres. Die FDP gedenke "Liberale Energie" in die Koalition einzubringen. Aber er benannte in der Welt auch einige Themenfelder, bei denen es "große Auseinandersetzungen" gebe. Etwa wenn es um "die Schuldenbremse, die fortwährende Bürokratisierung unseres Lebens, jeden Tag eine Forderung nach Steuererhöhungen und Umverteilung" geht. Auch wollten, "im Zuge der grünen Transformation", "manche die Soziale Marktwirtschaft selbst in eine Zentralverwaltungswirtschaft transformieren.", so der FDP-Chef.
Nun ist Christian Lindner seit dem 8. Dezember 2021 Bundesminister der Finanzen. Und die Koalition hat nun vereinbart, "Zufallsgewinne" abzuschöpfen. Es kommt also doch darauf an, wie man das Kind benennt.
In Erinnerung seines eingangs erwähnten, syntaktisch gesättigten Resümees: Vielleicht sollte jemand Christian Lindner sagen, daß man Politik auch Profis überlassen sollte.