Spiritualität versus organisierte Religion

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Progressiver
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Spiritualität versus organisierte Religion

Beitrag von Progressiver »

Hallo!

Als Atheist habe ich eigentlich etwas Probleme mit dem Begriff Spiritualität. Unter Umständen kann ich ihn jedoch akzeptieren. Als lebendiger Mensch beobachte ich meine Umwelt. Und staune. Natürlich gibt es da auch dann die Ungewissheiten bezüglich der essentiellen Fragen des Lebens. Ich glaube sowieso nicht an den einen Sinn des Lebens. Ich frage mich jedoch, wozu mein eigenes Leben gut sein soll.

Wenn man Spiritualität als den Zustand des Staunens beschreiben will, so kann ich diesen Begriff als solchen akzeptieren. Und die psychischen Spannungen bezüglich der Ungewissheiten des Lebens und der fehlenden Antworten ertrage ich gerne. Denn diese sind der Beweis für mich, dass ich am Leben bin.

Oder weiter noch: Atheisten sind vielleicht die wahren bzw. eigentlichen tragischen Sinnsucher des Lebens.

Ganz anders sieht es aus mit den Religionen. Sie ertragen nicht, dass es auf die essentiellen Fragen im Allgemeinen keine Antworten gibt. Sie ertragen die Spannungen nicht. Sie wollen stattdessen Antworten geben auf die Fragen. Und schlimmer noch: Jede Religion gibt nicht nur eine völlig andere Antwort. Nein. Jede Religion meint auch noch, sie hätte die eine einzige Antwort, die gefälligst für alle Menschen zu gelten habe. Anstatt -verzweifelt oder nicht- nach dem Sinn für das eigene Leben zu suchen, meinen die religiösen Menschen, dass sie ihn schon gefunden hätten. Und gerade bei missionierenden Religionen versuchen die Anhänger, möglichst alle Menschen dieser Welt von ihrer einzigen alleinglückseligmachenden Wahrheit zu überzeugen. Sei es friedlich oder mit Gewalt.

Oder anders gesagt: Religiöse Menschen suchen nicht mehr nach dem Sinn ihres Lebens. Sie gehen nicht mehr das Risiko ein, dabei zu scheitern oder darüber zu verzweifeln. Nein. Sie meinen, den wahren Sinn des Lebens gefunden zu haben. Einer, der auch für alle Menschen zu gelten habe. Wo aber nicht mehr gesucht wird, da stirbt aber auch die Fähigkeit des Staunens gegenüber dem Unbekannten, dem Lebendigen. Schon der Philosoph Karl Marx bezeichnete Religion ja als Opium für das Volk.

Oder anders gesagt: Wer noch nach dem Sinn seines Lebens sucht und noch staunen kann, der ist zumindest noch am Leben. Wer dagegen meint, den einzig wahren Sinn des Lebens gefunden zu haben, der sucht nicht mehr. Er staunt aber auch nicht mehr, weil er den Zauber des Unbekannten scheinbar entzaubert zu haben glaubt.

Meine Folgerung: Organisierte Religion ist folglich in meinen Augen der Tod jeglicher Spiritualität. Spiritualität ist also in der Reinform nur außerhalb von Religionen zu erleben. Und auch die Esoterikszene zähle ich in diesem Sinne zu dem Sektenwesen. Und somit zur religiöser Sphäre.

Meine Fragen: Wie seht ihr das? Wie steht ihr zu dem Begriff Spiritualität? Die großen Religionen sind ja in Deutschland mit ihrem ganzen Regelwerk und den ganzen Zwangsritualen am Absterben. Ich finde das nicht schlimm. Auf der psychologischen Ebene wurden die Religionen ja auch schon mit einer Zwangsneurose verglichen. Was aber ist mit dem Begriff Spiritualität? Kann es jenseits von Esoterik und spiritistischen Aberglaube so etwas wie Spiritualität geben? Kann die Spiritualität aus den Trümmern der Religionen auferstehen? Kann es möglich sein, auch bei atheistischen Menschen das Staunen und die Suche nach dem Sinn des eigenen Lebens so zu erhalten, dass man das als Spiritualität bezeichnen kann?

Oder weiter noch: Ist es möglich, sich das Staunen über die Welt und die Verzauberung durch das Leben erhalten, ohne zugleich ebenfalls in einen technischen Machbarkeitswahn und eine Wissenschaftshörigkeit zu geraten, die gleich wieder all das zerstört? Oder wie haltet ihr die Ungewissheit aus bezüglich der wesentlichen Fragen? Bzw. die vermutliche Gewissheit, dass der Sinn des Lebens nicht gefunden werden kann? Und wer ihn dennoch sucht, der kann auch scheitern und verzweifeln.

Oder um es philosophischer zu sagen: Ist der Mensch wie in dem Mythos von Sisyphos von Camus trotz allem ein glücklicher Mensch, wenn er jeden Tag seinen "Stein" den Berg hinaufrollt, nur um ihn wieder hinunterrollen zu sehen? Und somit scheinbar immer wieder scheitert? Ist folglich der Suchvorgang nach dem Sinn des Lebens das Ziel? Und der Schmerz angesichts des Scheiterns letztendlich der beste Beweis, dass man noch am Leben ist?

Also quasi: Die Suche nach dem Sinn sei das Ziel des Lebens. Und das tägliche Scheitern bei dieser Suche sei quasi eine Art "Scheitern als Chance"?
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Progressiver
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Re: Spiritualität versus organisierte Religion

Beitrag von Progressiver »

Wichtiger Edit: Kann es auch Spiritualität geben im Sinne von Staunen, ohne dass man gleichzeitig an eine übermenschliche Kraft bzw. Idee oder ein sogenanntes göttliches Wesen glauben muss?
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Platon
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Re: Spiritualität versus organisierte Religion

Beitrag von Platon »

Es ist natürlich sehr sinnvoll, von einer eigenen quasi-spirituellen Erfahrung, deinem "Zustand des Staunens", auf die spirituellen/religiösen Erfahrungen aller anderer Menschen zu schließen bzw. diese darunter subsummieren zu wollen. Die religiösen Erfahrungen der Menschen sind sehr unterschiedlich und man wird sie nicht mal eben so von der eigenen persönlichen Erfahrung, die in deinem Fall wirklich nicht sehr weitläufig zu sein scheint, ernsthaft und sinnvoll bewerten können.

Es ist daher völliger Unsinn "Spiritualität" und "organisierte Religion" gegeinander ausspielen zu wollen, weil natürlich spirituelle Erfahrungen in den Weltbildern religiöser Organisationen möglich sind. Daran kann es doch überhaupt keinen Zweifel geben. Sicherlich auch Erfahrungen die deinem "Zustand des Staunens" ähneln oder andere Erfahrungen, welche man versuchen würde in komplett andere Worte zu fassen.
Dieser Beitrag ist sehr gut.
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JosefG
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Re: Spiritualität versus organisierte Religion

Beitrag von JosefG »

Progressiver hat geschrieben: Sa 3. Sep 2022, 00:51 Atheisten sind vielleicht die wahren bzw. eigentlichen tragischen Sinnsucher des Lebens.
Hatte auch mal einen Strang dazu gemacht:
JosefG hat geschrieben: Do 8. Jul 2021, 17:38 Man sollte einen Feiertag Tag der Sinnsuche und des Denkens an den Tod einführen.
Auch um den Kirchen und Religionen ihr Monopol auf Spiritualität streitig zu machen.
Die Forderung wäre was für den Zentralrat der Konfessionsfreien:
https://www.politik-forum.eu/viewtopic. ... 2#p5076582
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JosefG
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Re: Spiritualität versus organisierte Religion

Beitrag von JosefG »

Progressiver hat geschrieben: Sa 3. Sep 2022, 00:51 Also quasi: Die Suche nach dem Sinn sei das Ziel des Lebens.
Sehe ich ähnlich:
JosefG hat geschrieben: Mo 3. Feb 2020, 23:48 Aus der Unsicherheit allen Wissens folgt auch die Ungewissheit in der Frage, ob nicht doch alles einen Sinn hat,
den wir heute noch nicht kennen. Und es folgt die Pflicht zur Suche als vorläufige Grundlage allen Handelns.
Aber ich bin nicht ganz so pessimistisch:
Ich meine, dass in der Frage der Rätselhaftigkeit des Bewusstseins noch lange nicht alles geklärt ist, da könnte noch ein
grundlegender Wandel des naturwissenschaftlichen Weltbildes bevorstehen. Leider gehöre ich da derzeit zu einer Minderheit.
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Re: Spiritualität versus organisierte Religion

Beitrag von Misterfritz »

Ich kann mit dem Begriff Spiritualität überhaupt nichts anfangen. Was soll das sein?
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Re: Spiritualität versus organisierte Religion

Beitrag von Corella »

Misterfritz hat geschrieben: Sa 3. Sep 2022, 09:05 Ich kann mit dem Begriff Spiritualität überhaupt nichts anfangen. Was soll das sein?
Rituelles Meditieren wäre meine Arbeitshypothese...?!
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Re: Spiritualität versus organisierte Religion

Beitrag von Billie Holiday »

Misterfritz hat geschrieben: Sa 3. Sep 2022, 09:05 Ich kann mit dem Begriff Spiritualität überhaupt nichts anfangen. Was soll das sein?
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Spiritu ... 0verstehen.

Etwas, das an mir meilenweit vorbeigegangen ist.
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Re: Spiritualität versus organisierte Religion

Beitrag von Misterfritz »

Corella hat geschrieben: Sa 3. Sep 2022, 09:55 Rituelles Meditieren wäre meine Arbeitshypothese...?!
Habe ich noch nie gemacht - und ich schätze, das werde ich auch nie tun :)
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Re: Spiritualität versus organisierte Religion

Beitrag von Misterfritz »

Billie Holiday hat geschrieben: Sa 3. Sep 2022, 09:58 https://de.m.wikipedia.org/wiki/Spiritu ... 0verstehen.

Etwas, das an mir meilenweit vorbeigegangen ist.
An mir auch :p
Und ich hoffe, dass das so bleibt.
Das Salz in der Suppe des Lebens ist nicht Selbstdisziplin, sondern kontrollierte Unvernunft ;)
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Re: Spiritualität versus organisierte Religion

Beitrag von Corella »

Misterfritz hat geschrieben: Sa 3. Sep 2022, 10:01 Habe ich noch nie gemacht - und ich schätze, das werde ich auch nie tun :)
Ich hatte in Jugend und Jahre danach über regelmäßiges Yoga gewisse Berührung. Die Formen mit Oooommmm oder wo man gar irgendwas glauben soll, habe ich gemieden. Muss soweit immerhin sagen, dass mir die Atem- und Entspannungstechniken noch heute helfen.
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Re: Spiritualität versus organisierte Religion

Beitrag von Corella »

Progressiver hat geschrieben: Sa 3. Sep 2022, 00:51 ...
"Glaube, dann wirst Du sehen!" - da sind die meisten Gespräche mit überzeugten Christen stets gelandet. Da ich das hartnäckig nicht möchte, wurde mein Zweifel irgendwann so gestählt, dass ich heute den Atheismus als einen Glauben unter vielen empfinde.
Die meisten überzeugten, aktiven Christen sind mir durchaus sympathisch geblieben. Aber in Glaubensfragen schreckt mich schon dieser Wahrheitsanspruch absolut ab. Und auch in heutiger, möchtgern aufgeklärter Welt oft die Drohung: wenn Du nicht glaubst, ist Dir die Hölle. Ich bekenne mich zum Zweifel, aus Sicht der meisten Gläubigen seien das die schlimmsten.
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Re: Spiritualität versus organisierte Religion

Beitrag von Progressiver »

Platon hat geschrieben: Sa 3. Sep 2022, 01:14 Es ist natürlich sehr sinnvoll, von einer eigenen quasi-spirituellen Erfahrung, deinem "Zustand des Staunens", auf die spirituellen/religiösen Erfahrungen aller anderer Menschen zu schließen bzw. diese darunter subsummieren zu wollen. Die religiösen Erfahrungen der Menschen sind sehr unterschiedlich und man wird sie nicht mal eben so von der eigenen persönlichen Erfahrung, die in deinem Fall wirklich nicht sehr weitläufig zu sein scheint, ernsthaft und sinnvoll bewerten können.

Es ist daher völliger Unsinn "Spiritualität" und "organisierte Religion" gegeinander ausspielen zu wollen, weil natürlich spirituelle Erfahrungen in den Weltbildern religiöser Organisationen möglich sind. Daran kann es doch überhaupt keinen Zweifel geben. Sicherlich auch Erfahrungen die deinem "Zustand des Staunens" ähneln oder andere Erfahrungen, welche man versuchen würde in komplett andere Worte zu fassen.
Ich sehe das so: Der Zustand des "Staunens" ist einer, in dem noch die große Ungewissheit herrscht. Der Sinn zumindest für das eigene Leben ist da noch nicht gefunden. Wenn dies überhaupt jemals effektiv möglich ist, ohne sich selbst in irgendeiner Form zu belügen. Dies erzeugt seelische Spannungen. Aber diese sollte man aushalten können, um sich selbst lebendig zu fühlen.

Die Religionen dagegen betäuben diese Ungewissheit und den Stress bzw. das Empfinden der (Sinn-)Krise. Um nicht zu sagen: Sie töten das Gefühl der Ungewissheit mit ihren angeblichen "ewigen Gewissheiten". Solange ich noch zweifele und vielleicht verzweifele, weiß ich zumindest, dass ich noch am Leben bin. Die Religionen dagegen töten den Zweifel und die darauf folgenden Stressgefühle. Wie kann man sich also als religiöser Mensch wirklich lebendig fühlen, wenn mit dem Staunen und der Sinnkrise das Leben in ihnen abstirbt?

Zu dem Punkt "Spiritualität versus organisierte Religion" fällt mir ein: Religionen brauchen Spiritualität. Ansonsten bleibt bei ihnen nur ein totes Regelwerk übrig. Und die ewigen, immergleichen Zwangsrituale, die ich ja in psychologischer Hinsicht schon mit einer Zwangsneurose verglichen habe. Religionen ohne Spiritualität sind ganz tot. Indem sie aber die Spiritualität in ihr Regelwerk pressen wollen, töten sie ebendiese Spiritualität ab. Das Gefühl von echter Lebendigkeit bzw. auch echte seelische Freiheit sind wohl doch nur außerhalb von Religionen möglich.

Vielleicht ist die Suche nach dem Sinn des eigenen Lebens eine, die generell nur in der Tragödie enden kann. Vielleicht gibt es nur das "Scheitern als Chance". Immerhin endet jedes Menschenleben ja als Tragödie. Alleine deswegen, weil es eben endgültig endet. Nur die Religionen wollen das nicht wahrhaben. Für die echten Religiösen herrscht die Vorstellung vor, dass die "Party des Lebens" immer anhält. Ohne finales Ende. Egal, ob man dann meint, man werde wiedergeboren als was auch immer. Oder aber, ob man glaubt, dass man nach dem Leben in einer Art Paradies landen kann. Das ist es, was ich, frei nach Karl Marx, als Opium für das Volk bezeichnen würde. Aber was ist das dann für ein Leben, wenn man es nicht nüchtern ertragen kann? Was hat man dann davon, wenn man es nur ertragen kann, wenn man die quälende Ungewissheit bezüglich der Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens betäubt oder gleich ganz abtötet?

Religionen ohne spirituelle Erfahrungen sind also nur tote Regelwerke. Sie können ohne Spiritualität nicht überleben.

Die interessanten Fragen für mich wären: Wie kann man Spiritualität definieren? Ich denke, dass Spiritualität ohne Religion bzw. esoterischem Glauben möglich ist. Aber wie kann man sich Spiritualität im Sinne von Staunen und das Erleben der Ungewissheit vorstellen? Und wichtiger: Kann man sich die Spiritualität so definieren, dass sie auch ohne die Idee eines Gottesbildes bzw. anderer metaphysischer Begriffe möglich ist?
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Re: Spiritualität versus organisierte Religion

Beitrag von firlefanz11 »

Misterfritz hat geschrieben: Sa 3. Sep 2022, 10:01 Habe ich noch nie gemacht - und ich schätze, das werde ich auch nie tun :)
Nun, ein Bekannter von mir ist weil er die Meditation für sich entdeckt hat vom Koks los gekommen...
Auch ich meditiere gelegentlich...
Es gibt allerdings sehr verschiedene Formen der Meditation...
Am Rande des Wahnsinns stehen keine Geländer!
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Re: Spiritualität versus organisierte Religion

Beitrag von Mr.Ingwer »

So mancher zuckt zusammen, vor/bei dem Wort "Spiritualität". Ob's daran liege, dass Bedenk mitschwinge, Spirituosen könnten harmonieren mit Spiritualität? So sei serviert, chronisch mit Spirituosen sich Befüllende, wittern sodurch ihr Befüll-Ende.

Spirituos anstatt spirituell, gewählt war gewählt.
Auf die Spiritualität!
Michael_B
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Re: Spiritualität versus organisierte Religion

Beitrag von Michael_B »

firlefanz11 hat geschrieben: Di 6. Sep 2022, 10:58 Nun, ein Bekannter von mir ist weil er die Meditation für sich entdeckt hat vom Koks los gekommen...
Auch ich meditiere gelegentlich...
Es gibt allerdings sehr verschiedene Formen der Meditation...
Ich hatte mir mal Eckard Tolle, "Jetzt - die Kraft der Gegenwart zugelegt und lese wieder darin. Habe mir jetzt auch das Hörbuch gekauft.

Seine These u.a.: Denken ist nur ein Tool, dass man bei bedarf einsetzen sollte, kurz, knackig, zielführend.
Aber ansonsten ist der Zustand des "No mind" sinnvoll. In dem man im Augenblick präsent ist und den Seinszustand genießt oder so.

In der Tat merkt man ja beim Meditieren, was da ständig unbewusst an Gedanken in einem herumschwirren. Oft nicht positiv (z.b. morgens unter der Dusche "Mist, spät dran, ich Depp" usw.

Er behauptet, das ist dann ein höherer Zustand als im Zustand des Denkens. Nicht ein niedrigerer Zuständ wie bei den Tieren oder Pflanzen, die nicht denken können.

Er schreibt auch immer was vom "Erwachen", also wenn man ohne denken an die Vergangenheit oder zukunft nur im hier und jetzt ist etc.

Also irgendwie kann ich schon erahnen, was er meint. Es gibt ja schonmal so Situationen, z.B. wenn man in der Natur/ in den Bergen bei schönem Wetter unterwegs ist und plötzlich so ein extrem zufriedenes Gefühl hat, sich mit der ganzen Welt verbunden fühlt und erstaunt die ganzen Details der Umgebung beobachtet, die tollen Felsformationen, die Pflanzen, der Wind auf der Haut, die krähenden Raben usw. Ein Zustand (ohne Drogen oder extreme Erschöpfung) von Frieden, aber nicht benebelt, sondern sehr klar und konzentriert.
Da kann schon was dran sein, wäre natürlich cool, wenn man mehr oder weniger ständig in solch einem Zustand sein könnte.

Hat da wer Erfahrungen?

Was mich halt immer zweifeln lässt, ist, dass diese vermeintlich komplett erleuchteten, wie auch dieser Tolle, irgendie komisch wirken, nicht wie jemand, der das Leben wirklich meistert. Zwar offenbar innerlich zufrieden, aber auf eine spinnerte Art.
Mhh, weiß nicht.

Aber gut, diese Gurus haben es halt auf die Spitze getrieben.
Vielleicht gibt es einen Mittelweg für Otto Normalverbraucher: Mehr "Erleuchtung" im Hier und jetzt, weniger negative hektische Gedanken, aber ohne Esoterik-Hokus-Pokus.
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Re: Spiritualität versus organisierte Religion

Beitrag von firlefanz11 »

Michael_B hat geschrieben: Sa 23. Mär 2024, 13:07 Er schreibt auch immer was vom "Erwachen", ...
Erinnert mich irgendwie an die Futzis, die immer inner Fußgängerzone u. am Bahnhof stehen mit ihren Wachturm Heftchen , wo auch "Erwachet!" drauf steht... ;)
Seine These u.a.: Denken ist nur ein Tool, dass man bei bedarf einsetzen sollte, kurz, knackig, zielführend.
Aber ansonsten ist der Zustand des "No mind" sinnvoll. In dem man im Augenblick präsent ist und den Seinszustand genießt oder so.
Ist aber Quark. KAnn man vllt. verscuhen wenn man nicht arbeitet, sondern nur den ganzen Tag im Weinfass herumlungert.
Umgekehrt wird ein Schuh draus. Die meiste Zeit denkt u. agiert man, und der Zeit der Ruhe kann man dann mit Achtsamkeit, Meditation etc. alle Umwelteinflüsse ausblenden, u. Gedanken abschalten um den Geist zur Ruhe zu bringen.
Wobei man dabei nicht mal gar nichts tun muss. Für mich ist z. B. auch das spazieren gehen in der Natur eine Form der Meditation, in Der ich nur die bewussten Gedanken abschalte aber trotzdem die Umwelt warnehme...
Am Rande des Wahnsinns stehen keine Geländer!
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Re: Spiritualität versus organisierte Religion

Beitrag von Michael_B »

@Firlefanz: Ja, hast Recht.

Ich bin in dem Buch jetzt auch auf Seite 65 angekommen, mittlerweile wird da schon einiges wieder relativiert.
Nicht nur im Jetzt, man darf auch an die Vergangenheit und Zukunft denken, wenn sinnvoll, aber obacht: nur unter Nutzung der "Uhr-Zeit", nicht der "psychologischen Zeit".

Naja, was er wohl meint, und was auch nicht verkehrt ist, dass man sich eben nicht mit seinen negativen Gedanken identifiziert, d.h., wenn man denkt: "Ich Idiot, wie konnte ich nur so dumm sein, dies und das zu vergessen, zu sagen etc. pp.". Solche Gedanken sind nix wert.
Ich interpretiere ihn mittlerweile so, dass er oft überspitzt, um seine Botschaft rüberzubringen.
Warum nicht. Nehme allzu radikale Äußerungen nicht mehr ernst (töte das böse Ego etc.).
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Re: Spiritualität versus organisierte Religion

Beitrag von Misterfritz »

Michael_B hat geschrieben: Mo 25. Mär 2024, 22:43 @Firlefanz: Ja, hast Recht.

Ich bin in dem Buch jetzt auch auf Seite 65 angekommen, mittlerweile wird da schon einiges wieder relativiert.
Nicht nur im Jetzt, man darf auch an die Vergangenheit und Zukunft denken, wenn sinnvoll, aber obacht: nur unter Nutzung der "Uhr-Zeit", nicht der "psychologischen Zeit".

Naja, was er wohl meint, und was auch nicht verkehrt ist, dass man sich eben nicht mit seinen negativen Gedanken identifiziert, d.h., wenn man denkt: "Ich Idiot, wie konnte ich nur so dumm sein, dies und das zu vergessen, zu sagen etc. pp.". Solche Gedanken sind nix wert.
Was für eine gequirlte Scheisse!
Wir denken immer an Vergangenheit und Zukunft! Erfahrung (Vergangenheit) und Zukunft (Entscheidungen zu treffen). Das machen wir täglich, ohne es zu merken. Das nennt sich LERNEN.
Ohne das hätten wir uns nicht zu der Spezies, die wir sind, entwickelt.
Das Salz in der Suppe des Lebens ist nicht Selbstdisziplin, sondern kontrollierte Unvernunft ;)
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