3x schwarzer Kater hat geschrieben: ↑Mi 9. Nov 2022, 22:27
Ich hatte hier schon mal geschrieben, dass du das m.E. falsch verstanden hast. Der Spruch wendet sich gegen das Narrativ der Kirche nach dem sich wahres Glück nur in Gott finde.
Das sehe ich auch so.
Er widerspricht diesem Narrativ in dem Sinne, dass man auch ohne Gott glücklich sein kann.
Ja, kann. Theoretisch. Oder um auf die Religionen zurückzukommen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Religion einen wirklich glücklich machen kann. Da steht ja schon beispielsweise bei der Bibel der Glaube an den "Tag des Jüngsten Gerichts" und an die Hölle entgegen. Das muss ein ziemlicher Stress sein, dauernd Angst haben zu müssen, entweder die biblische Apokalypse miterleben zu müssen. Und irgendwelche Seuchen und Kriege gibt es ja immer. Oder aber man wird nach dem Tode wieder auferweckt und muss möglicherweise für alle Zeit in der sogenannten Hölle brennen. Und auch andere Religionen bieten keinen praktischen Trost. Natürlich hoffen die Buddhisten, irgendwann als Buddha wiedergeborener zu werden. Es muss aber auch wenig tröstlich sein, wenn man möglicherweise als Ameise oder Stinktier wiedergeboren werden kann.
Als Atheist ist man wiederum zunächst nicht glücklicher. Oder genauer gesagt: Zufriedener. Man kann aber von dem äußeren Druck der Religionen ein freieres Leben führen. Jedenfalls zumindest hier bei uns in Europa. Um aber glücklicher oder zufriedener leben zu können, braucht es solche Dinge wie Selbstachtsamkeit. Aber wer bringt einem so etwas schon bei? Wieviele Menschen haben an sich so hohe Anforderungen, dass sie irgendwann in der Burnout-Klinik landen? Oder aber sie flüchten sich in irgendwelche Süchte und möglicherweise toxische Beziehungen, nur um sich selbst nicht spüren zu müssen?
Ich für meinen Teil habe irgendwann -spät, aber nicht zu spät- lernen müssen, dass ich gut genug bin, wie ich bin. In puncto Selbstachtsamkeit bilde ich mich jetzt als Autodidakt fort. Weder will ich mich als mein schlimmster Sklaventreiber betätigen noch habe ich die Absicht, vor mir fliehen zu wollen. Ich kann gut alleine sein und mein Verhalten und meine Gedanken reflektieren. Ich will aber auch schauen, dass ich erfüllende Beziehungen zu anderen Menschen erreiche. Vielleicht gibt es irgendwo da draußen Menschen, die entweder von Natur aus oder durch die Erziehung dies alles schon mitgekriegt haben. Aber andererseits leben wir ja im Zeitalter der Selbstoptimierung. Und da wird dann so lange an sich gearbeitet, bis man körperlich oder psychisch komplett kaputt ist, aber immer noch nicht zufrieden. Natürlich gibt es auch zum Beispiel die Bücher der Bestseller-Autorin und Psychologin Stefanie Stahl. Und mittlerweile scheinen auch mehr Leute lernen zu wollen, wie man besser mit sich klar kommt. Aber tatsächlich werden solche Dinge wie Selbstannahme, Achtsamkeit gegenüber sich selbst, seinen Mitmenschen und der Umwelt gegenüber nirgends gelehrt. Nicht im Elternhaus. Nicht in der Schule. Und auch nicht im übrigen Umgang mit sich und seinen Mitmenschen. Im Gegenteil: Die anderen Leute werden nur als Konkurrenten wahrgenommen, denen man möglichst aggressiv gegenüber treten muss. So haben viele Leute wohl keinen Bezug zu sich selbst. Und flüchten lieber in den Konsumismus und Beziehungen. Und letztere werden dann aber auch als Albtraum wahrgenommen, weil man weder in der Lage ist, sich selbst gegenüber ein guter Freund zu sein noch fähig, sich adäquat gegenüber seinen Mitmenschen zu verhalten. So heißt es dann, frei nach Sartre:
"Die Hölle, das sind die anderen." Und den eigenen "Dämonen" wollen bzw. können sich viele Menschen auch nicht bewusst stellen.
Ich sehe also nirgends in der Gesellschaft größere bedeutsame Bereiche, in denen Achtsamkeit sich selbst, seinen Mitmenschen und der Umwelt gegenüber gelehrt wird.
Keinesfalls ist er als eine Art Heilsversprechen zu sehen, dass man mit dem Sichabwenden von Gott glücklich wird. Mich wundert, dass du das aber offensichtlich so auffasst und frage mich wie man auf so eine Idee kommen kann.
Siehe oben. Ich bezweifele, dass Religionen einen wirklich glücklich machen können. Das "Heilsversprechen" des Atheismus besteht nur darin, sich von den äußeren Dämonen zu befreien. Aber eigentlich verspricht er gar nichts darüber hinaus. Die inneren Dämonen wiederum, die Selbstzweifel, der "innere Kritiker" oder der eigene "kleine Saboteur" sind aber immer noch da. Also muss man erst lernen, mit sich selbst Frieden zu schließen. Das ist dann der erste Schritt zu mehr Selbstzufriedenheit und Gelassenheit. Dies aber wird weder von den Religionen gelehrt noch von den Atheistenverbänden noch von der Ratgeber-Industrie, die einem verkaufen will, dass man sich nur selbst optimieren solle, damit man irgendwann in ferner Zukunft gut genug ist, um von sich selbst oder seinen Mitmenschen angenommen zu werden.