sünnerklaas hat geschrieben:(05 Aug 2020, 19:00)
Viel versprechen, nichts einhalten können. Das Problem ist nämlich die komplette Selbstüberschätzung der Prahlhansel. Im Zweifelsfall stehen sie sich selber im Weg.
Vielleicht gibt es auch eine ganz große Chance: In Israel herrscht ehrliche Betroffenheit und Anteilnahme. Manchmal können solch riesige und unvorstellbare Katastrophen auch ein Fingerzeig sein.
Ich würde mich da im Moment zurückhalten. Betroffenheit verfliegt schnell, Chauvinismus und nüchterner Kostenblick sind oft an ihre Stelle gerückt, wenn es konkret wurde. Israels Geschichte mit dem Libanon ist - wie auch die anderer regionaler Akteure - recht ambivalent und der Libanon selbst in sich hoch komplex. Am Ende hängt es am Libanon selbst, seine Institutionen mit Leben zu erfüllen. Es ist wie mit Syrien, mit der Ukraine, mit Griechenland, mit beiden Zypern: Es wäre angezeigt, dort zu investieren, in Wachstumsprojekte, in wertstabile Infrastrukturunternehmen, auch in eine Vertrauensperspektive. Aber die Menschen dort wären schlecht beraten, sich wartend davon abhängig zu machen.
Kleiner Exkurs:
Die Staatengemeinschaft um den Kern der EU ist recht glücklos im Umgang mit den Zentrifugalkräften. Explizit mit den Türken, den Russen und den Briten findet sie keinen Modus, mit ihren östlichen Mitgliedern hadert sie, den Poker um die Östliche Partnerschaft hat sie wenig produktiv eskalieren sehen. Mit der Restukraine wird sie nicht glücklich, in Libyen tanzen ihr die Zwerge auf der Nase herum, in Syrien nimmt man sie nicht ernst und rund um Israel hat der EU-Kern kaum noch Gehör. Es ist vielleicht Zeit, ein Spiel zu spielen, in dem die Euro-Clique besser glänzen kann.
Ich bin immer noch der Meinung, wir könnten wagen eine Güterbahn und eine davon getrennte Personenbahn, eine Autobahn, eine Stromtrasse von Wien über Sofia und Ankara über Syrien, den Libanon, der gar keine Bahntradition mehr hat, über Israel, Äygpten bis in die Cyrenaika und einen Abstecher nach Georgien und Südrussland. Begleitet von einer Kette von joint ventures im Bereich der Häfen und Flughäfen. Unglaublich teuer, unglaublich unpopulär. Wozu sowas?
Ein Infrastrukturprojekt für den Frieden und für die wirtschaftliche Integration, für das Zusammenrücken.
Wenn wir es nicht tun, tut es Kina und mit Implikationen, die uns irgendwann Freiheit und Wohlstand kosten können.
Nebenbei schafft so ein Projekt in Russland, Türkei, Iran Handlungsdruck in einer Weise, die der Demokratie möglicherweise mehr nutzt als die fruchtlose Politik der letzten Jahre. Eine Generation, die heute erst aufbricht, wird sich entscheiden müssen für eine politische Perspektive. Kina lockt. Was tut das wunde Europa?
Der Versuch, als Machtfaktor im klassischen Sinne aufzutreten, kann dagegen die reichlich lädierten Beziehungen in der Weltregion nur weiter ruinieren, den Ländern keinerlei Anlass bieten, auf Europa zu setzen und letztendlich nur freiheitsfeindliche Kräfte bestärken. Kina lacht sich tot.
Davon abgesehen wäre es natürlich sehr schön, wenn angesichts der jüngsten Ereignisse der Libanon und Israel einen produktiven Modus fänden.