Frank_Stein hat geschrieben: ↑Mi 8. Feb 2023, 20:15
Ich hatte Dich eigentlich für einen intelligenten Menschen gehalten. Deswegen überrascht mich Deine Frage.
Frage Dich einfach mal, wie alt aktuell die besonders geburtenstarken Jahrgänge sind, frage Dich, ob die im Moment noch Beitragszahler oder schon Rentenbeitragsempfänger sind. Die Probleme, die ich beschreibe fangen jetzt in dieser Zeit erst an. Wenn die Jahrgänge um 1970 in Rente gegangen sind, dann ist die K**e am Dampfen.
Das gilt es so lange wie möglich hinauszuzögern, jedes weitere Jahr, in dem die Menschen arbeiten und Beiträge einzahlen, statt in Rente zu gehen, würde enorm helfen, da damit die Bezugszeit um ein Jahr sinkt und ein Jahr später einsetzt und auch höhere Beiträge eingenommen werden.
https://www.destatis.de/DE/Themen/Quers ... lob=poster
Vielleicht sollte man sich doch genauer damit beschäftigen, wie eine vernünftige Statistik zum Thema aussehen sollte. Die destatis-Grafik zeigt schön den Effekt der Alterspyramid - was sie aber nicht zeigt ist, wie viele der entsprechenden Jahrgänge sind eigentlich im Erwerbsleben. Und da gibt es halt doch noch unterschiedliche Biografien - gerade bei den Jahrgängen, die jetzt in Rente gehen, war es noch durchaus normal, dass viele Frauen nicht, oder nur wenig im Erwerbsleben standen. Insofern haben die entsprechenden Frauen auch keinen oder nur einen geringen Rentenanspruch.
Eine etwas besser geeignete Statistik findet man hier:
https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/ ... g-Nav.html
In dieser Statistik ist wenigstens ausgewiesen, wie hoch der Anteil derer ist, die jeweils im Erwerbsleben stehen. Schaut man dabei mal nur auf die Männerseite, erkennt man, dass dem Bauch der 47-63-jährigen Männer ein sehr ähnlicher Bauch der 27-40-jährigen gegenübersteht. Die Jahrgänge jünger als 27 sind noch gar nicht richtig im Erwerbsleben angekommen - da studieren viele noch.
Auf der Frauenseite sieht es etwas dramatischer aus - da ist das Arbeitskräftedefizit deutlicher in der Ausprägung. Allerdings - auch diese Statistik sagt nur wenig über die tatsächliche Kritikalität der Situation aus. Denn die Frauen, die jetzt in Rente gehen, haben meist nur geringe Rentenansprüche. Wenn die Frauen, die jetzt im Erwerbsleben stehen, im Schnitt ein deutlich höheres Einkommen haben, gleicht das den Effekt unter Umständen aus.
Was also fehlt ist tatsächlich das richtige Zahlenmaterial über das kalkulierte Defizit in der Rentenkasse.
Wobei das auch nur wenig in die Zukunft zu kalkulieren ist. Tatsächlich haben vor einigen Jahren die Statistiker hochgerechnet, dass die Bevölkerung in Deutschland schrumpft. Dann kamen Wanderungsbewegungen, und die Bevölkerung Deutschlands wächst weiter. Sie wächst aber nicht bei den Rentnern, sondern Zuwanderung findet vor allem in der Gruppe der arbeitsfähigen Menschen statt.
Derzeit beispielsweise ist völlig unklar, wie stark die nachhaltige Zuwanderung von durchaus arbeitsfähigen und arbeitswilligen Ukrainern auf Dauer ist. Es ist aber gut möglich und durchaus auch wahrscheinlich, dass einige hunderttausende in Deutschland dauerhaft eine Heimat finden. Viele dieser sind gut ausgebildet, und werden keineswegs nur in Niedriglohnjobs oder in der Sozialhilfe landen. Tatsächlich wird so ein Teil der Rentenproblematik nicht stattfinden. In den Zahlen von 2019 die in beiden Statistiken verwendet wurde, sind die Ukrainischen Flüchtlinge aber noch gar nicht enthalten.
Als die letzte größere Rentenreform verabschiedet wurde, hat man Annahmen zugrunde gelegt, die heute längst überholt sind. Die befürchteten Szenarien werden so und in der prognostizierten Schärfe schlicht und einfach nicht stattfinden. Auch Corona wurde 2019 in den Statistiken noch nicht aufgenommen - tatsächlich aber hat Corona zu einer statistisch signifikanten Übersterblichkeit geführt:
https://www.destatis.de/DE/Themen/Quers ... aelle.html
Da die Sterblichkeit aber gerade bei den älteren Jahrgängen hoch war, und nicht bei der arbeitenden Bevölkerung, hat dieser Effekt (der so nicht geplant und prognostiziert war und deshalb auch in den Statistiken nicht enthalten ist) dazu geführt, dass faktisch mehr Menschen als gedacht im Rentenalter früher verstorben sind als prognostiziert. So traurig das ist, es hat den Effekt, dass die Rentenkassen dadurch faktisch entlastet wurden.
Welche Krisen und Pandemien werden wir die nächsten 10 Jahre haben, die unterschiedlichste Auswirkungen auf die arbeitende und die rentenbeziehende Bevölkerung haben wird? Wer wagt hier eine fundierte Prognose?
Das derzeit sicherste Indiz zur konkreten Situation der Rentenkasse ist tatsächlich der Rentenbeitrag. Der lag 1998 bei 20,3%. Danach gab es mehrere Reformen - und aktuell liegt er seit 2022 bei 18,6%. Die Prognose der Rentenversicherungen liebt für 2025 bei 20%, und für 2030 bei 22%.
https://www.sozialpolitik-aktuell.de/fi ... III43a.pdf
Eine wirkliche sozialpolitische Katastrophe und ein Untergangsszenario kann ich darin noch nicht erkennen.
Dazu kommt: Sukzessive sterben die starken Jahrgänge dann auch - und Erbschaften werden fällig. Es sterben dann vor allem auch Jahrgänge, die in Summe relativ wohlhabend sind und waren. Die Summen die vererbt werden, werden größer, die Menge an Menschen die erbt hingegen wird kleiner (Demografie). Auch diese Veränderung ist mit zu berücksichtigen, wenn man über die Thematik spricht, wie es den zukünftigen Rentnergenerationen geht.
Sicher - wir werden ein Verteilungsproblem haben. Es werden ausreichend viele Menschen wenig erben und wenig Rente haben - während andere eine üppige Rente bekommen, noch zusätzlich Ansprüche aus Riester, Aktien und Wohnimmobilien haben, und dann auch noch erben.....nur - solche Verteilungsprobleme hatten und haben wir schon immer. Es ist Aufgabe der Politik ggf. über eine vernünftige Besteuerung auch von Erbschaften u.a. mit dafür zu sorgen, dass hinreichend Einnahmen da sind, um den sozialen Ausgleich für die zu organisieren, die nicht über die entsprechenden Mittel verfügen.
Aber weder ist das Problem unbeherrschbar, noch fehlen Deutschland die finanziellen Mitteln, noch brauchen wir ausgerechnet in Deutschland in Panik auszubrechen, weil uns die Arbeiter fehlen. Seien wir erst mal froh, dass auf absehbare Zeit ausreichend viele Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, und wir nicht noch soziale Leistungen für Arbeitslose im großen Stil finanzieren müssen - die Situation hatten wir in Deutschland von 1970-2010 in erheblich höherem Maße, als wir sie heute haben. Fehlende Arbeitskräfte kann man auch ausgleichen, indem man gezielt Einwanderung zulässt. Kommt diese (und die Politik hat das Thema ja schon erkannt), dann mildern sich aber die Probleme in der Rentenversicherung deutlich ab, die scheinbare schwierige Situation wird deutlich entspannt.
Ich will damit nicht sagen, dass wir uns keine Sorgen machen brauchen, oder dass alle Probleme schon gelöst wären - aber ich halte die Schreckensszenarien bezogen auf die Situation der Rentenkasse für völlig überzogene Dramaturgische Darstellung von ganz bestimmten Interessensvertretern, die mit der Realität nur wenig zu tun haben. Es werden da Schreckensszenarien hochgerechnet, die so nie eintreten, weil die Politik auf die auftretenden Probleme reagiert und auch gegensteuert.
Ich bin nicht der Meinung, dass die Politik immer alles richtig macht (insbesondere die Absenkung des Rentenniveaus halte ich für einen fundamentalen Fehler) - aber völlig bescheuert stellt sie sich auch nicht an.
Wie die Situation für jeden Einzelnen ist - das haben dann doch die Einzelnen auch noch ziemlich stark in der Hand. Eine gute Ausbildung, ein Arbeitsplatz mit vernünftigen Einkommen - das sind gute Voraussetzungen dafür, dass es jedem Einzelnen im Alter gelingt, noch ausreichend ein Einkommen über die Rente und Erspartes zu erwirtschaften. Wer sparen kann, kann mit Aktien sicher was vernünftiges machen - vor allem mit langfristiger Perspektive. Wer aber in jungen Jahren statt in Riester oder anderen Sparpaketen lieber in den Urlaub investiert - der muss gegebenenfalls mit Abschlägen im Alter rechnen.