Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

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Tom Bombadil
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Tom Bombadil »

«Ich traue der deutschen Gesellschaft nicht. Millionen in diesem Land wählen heute die AfD»: Michel Friedman erzählt vom Fremdsein in Deutschland. Und warnt vor der Verluderung der Demokratie
https://www.nzz.ch/feuilleton/fremd-mic ... obal-de-DE
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Vongole
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Vongole »

Tom Bombadil hat geschrieben: Fr 25. Nov 2022, 19:21 «Ich traue der deutschen Gesellschaft nicht. Millionen in diesem Land wählen heute die AfD»: Michel Friedman erzählt vom Fremdsein in Deutschland. Und warnt vor der Verluderung der Demokratie
https://www.nzz.ch/feuilleton/fremd-mic ... obal-de-DE
Hab ich schon gelesen und würde jedes Wort unterschreiben.
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schokoschendrezki
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von schokoschendrezki »

Vongole hat geschrieben: Fr 25. Nov 2022, 19:31 Hab ich schon gelesen und würde jedes Wort unterschreiben.
In einem Punkt, gleich am Anfang, stimmt es objektiv schon mal nicht.
Auch bei der Documenta gab es viele Anfangspunkte, bei denen man hätte sagen müssen: Stopp! Aber niemand hat Stopp gesagt.
Es haben verschiedene politische Gruppierungen sehr frühzeitig "stopp" gesagt. Allen voran die proisraelischen "Antideutschen". Gegen deren "Stopp"-Aktionen haben die Organisatoren der documenta sogar Strafanzeige gestellt. https://www.deutschlandfunkkultur.de/va ... a-100.html

Die sehen sich allerdings eher im linken politischen Spektrum. Ich selbst sehe die bzw. deren Aktionen durchaus auch kritisch ... aber man kann nicht sagen, dass niemand gewarnt oder protestiert hätte.

Ich hab' seit ein paar Wochen einen Englisch-Haaretz-Bezahl-Account. Wenn ich nur ein bissel mehr dazu käme, den zu nutzen und da zu lesen.

An eine Reflexion bezüglich Deutschland/Israel/Erinnerungskultur kann ich mich erinnern: Dass "Erinnerungskultur" in Deutschland eher bedeutet, den Staat Israel als eine Art "Spieglein an der Wand" zu betrachten. Den man befragen kann, was denn wohl in der Welt das anständigste Land sei. In der Erwartung der Antwort: Die Bundesrepublik Deutschland! Na was denn sonst?

Der Anlass war der Ausgang der jüngsten Wahl in Israel. Und der Kommentator verlangte, dass man Israel wie einen ganz normalen demokratischen Staat betrachten solle. Auch in Deutschland. Und einen Rechtsruck als das zu benennen hat, was er ist. Und dafür auch eine (vermeintliche) Sympathieverscherzung in Kauf zu nehmen hat. Die es aber in Wirklichkeit gar nicht gibt. Als wenn die politische Meinungsbildung in Israel irgendwie einvernehmlich zustande kommen würde.

Das Besondere, die Besonderheit Israels besteht vor allem darin, dass es der einzige demokratische Staat im Nahen Osten ist.

Die Frage für mich ist, wie man von diesem Ritualisierten und Schablonenhaften, das schon irgendwie in dem Wort "Erinnerungskultur" steckt ... zu etwas Lebendigem, heutigem, aufregenden, vitalen und aktuellen kommt.
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Vongole
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Vongole »

schokoschendrezki hat geschrieben: Mo 28. Nov 2022, 16:06 In einem Punkt, gleich am Anfang, stimmt es objektiv schon mal nicht.

Es haben verschiedene politische Gruppierungen sehr frühzeitig "stopp" gesagt. Allen voran die proisraelischen "Antideutschen". Gegen deren "Stopp"-Aktionen haben die Organisatoren der documenta sogar Strafanzeige gestellt. https://www.deutschlandfunkkultur.de/va ... a-100.html
Dass Friedmann mit dem Stopp Verantwortliche der Documenta meinte, sollte eigentlich klar sein. Und die haben unisono alle Warnungen und Proteste in den Wind geschlagen.
Ich hab' seit ein paar Wochen einen Englisch-Haaretz-Bezahl-Account. Wenn ich nur ein bissel mehr dazu käme, den zu nutzen und da zu lesen.
Mir wäre mein Geld zu schade, um es an dieses, höflich ausgedrückt, Israel-Bashing-Blatt zu verschwenden. Und da hier nicht der 35erThread ist, nur kurz:
Der ekelhafte Vorfall mit Abbas spielte sich in Deutschland ab, im deutschen Bundeskanzleramt. Eine Erwiderung, wie sie Friedmann verlangte, hat weniger mit Erinnerungs"kultur" zu tun, sondern schlicht mit dem gradlinigen Anstand,
den wir deutschen und israelischen Juden, viele von ihnen Nachkommen von Shoah-Überlebenden, schulden, wenn der Kampf gegen Antisemitismus mehr sein soll als billiges Gelaber an Gedenktagen.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben: Mo 28. Nov 2022, 16:06 In einem Punkt, gleich am Anfang, stimmt es objektiv schon mal nicht.


Es haben verschiedene politische Gruppierungen sehr frühzeitig "stopp" gesagt. Allen voran die proisraelischen "Antideutschen". Gegen deren "Stopp"-Aktionen haben die Organisatoren der documenta sogar Strafanzeige gestellt. https://www.deutschlandfunkkultur.de/va ... a-100.html

Die sehen sich allerdings eher im linken politischen Spektrum. Ich selbst sehe die bzw. deren Aktionen durchaus auch kritisch ... aber man kann nicht sagen, dass niemand gewarnt oder protestiert hätte.
Gerade aus dem linken politischen Spektrum fehlte das STOP gegen antisemitische Auswüchse, gerade im linken politischen Spektrum wurde nichts gegen die antisemitischen Machwerke auf der Documenta unternommen. Ganz im Gegenteil.

Der Antisemitismus, dem ich als Erstes entgegentreten musste, kam von links. Zwar erinnerten die Bilder von der Documenta 15, auf denen Juden mit Schweinegesicht und Raffzähnen dargestellt wurden, in der Bildsprache durchaus an rechte „Stürmer“-Karikaturen. Mit dem Unterschied aber, dass die Künstler und Kuratoren (und nicht wenige ihrer Verteidiger) sich selbst als Teil einer vermeintlich progressiven globalen Kulturszene verstehen, die politisch links ist.
Ihr Antisemitismus erzählt meistens nicht, dass der Jude für das Übel in der Welt verantwortlich ist. Ihr Augenmerk liegt auf dem jüdischen Staat, dessen Existenz sie infrage stellt.
Als offene Demokratie lässt er Kritik zu, selbst härteste Kritik, die dann wiederum – seht her, die Juden geben es doch selbst zu! – von den linken Antisemiten genüsslich instrumentalisiert wird. Dabei wird sich einer Salamitaktik bedient.
Oder die Herkunft des Kuratorenkollektivs Ruangrupa wurde bemüht, um das zu rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen ist. Sie kämen nun einmal aus einem Land mit kolonialer Vergangenheit und solidarisieren sich deswegen mit den Palästinensern.
Aber es kommt noch dicker: Das renommierte Fachblatt der Kunstwelt, die „ArtReview“, hat jetzt ihr „Power 100“-Ranking bekannt gegeben, angeführt ausgerechnet von Ruangrupa. Die Begründung der Wahl ist ungeheuerlich. Der Vorwurf des Antisemitismus in Deutschland wird dort problematisiert, der offensichtliche Antisemitismus zurückgestellt.
Auch als zuletzt zwei namhafte Stiftungen aus Deutschland ausgerechnet am 9. November, dem Gedenktag der Reichspogromnacht, eine Kombi-Veranstaltung abhalten wollten, auf der der Holocaust mit der Geschichte der Palästinenser in einen Topf geschmissen werden sollte, nahmen sie daran keinen Anstoß. Man freute sich darüber, dass es eine solche Veranstaltung geben sollte, wenngleich das gewählte Datum etwas unsensibel sei. Dabei ist ihnen der Applaus aus dem Kreis der linken „Israelkritiker“ sicher.


Deutlicher kann man es doch wohl kaum zum Ausdruck bringen, wie es in Deutschland um den Kampf gegen Antisemitismus bestellt ist.
Aber es sind auch immer wieder die üblichen Verdächtigen, die das Anwachsen des Antisemitismus in Deutschland leugnen und ganz besonders bei einer Form wegsehen bzw diese legitimieren.
Pfui Deibel! :mad:
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben: Mo 5. Dez 2022, 10:55 Gerade aus dem linken politischen Spektrum fehlte das STOP gegen antisemitische Auswüchse, gerade im linken politischen Spektrum wurde nichts gegen die antisemitischen Machwerke auf der Documenta unternommen. Ganz im Gegenteil.

Der Antisemitismus, dem ich als Erstes entgegentreten musste, kam von links. Zwar erinnerten die Bilder von der Documenta 15, auf denen Juden mit Schweinegesicht und Raffzähnen dargestellt wurden, in der Bildsprache durchaus an rechte „Stürmer“-Karikaturen. Mit dem Unterschied aber, dass die Künstler und Kuratoren (und nicht wenige ihrer Verteidiger) sich selbst als Teil einer vermeintlich progressiven globalen Kulturszene verstehen, die politisch links ist.
Ihr Antisemitismus erzählt meistens nicht, dass der Jude für das Übel in der Welt verantwortlich ist. Ihr Augenmerk liegt auf dem jüdischen Staat, dessen Existenz sie infrage stellt.
Als offene Demokratie lässt er Kritik zu, selbst härteste Kritik, die dann wiederum – seht her, die Juden geben es doch selbst zu! – von den linken Antisemiten genüsslich instrumentalisiert wird. Dabei wird sich einer Salamitaktik bedient.
Oder die Herkunft des Kuratorenkollektivs Ruangrupa wurde bemüht, um das zu rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen ist. Sie kämen nun einmal aus einem Land mit kolonialer Vergangenheit und solidarisieren sich deswegen mit den Palästinensern.
Aber es kommt noch dicker: Das renommierte Fachblatt der Kunstwelt, die „ArtReview“, hat jetzt ihr „Power 100“-Ranking bekannt gegeben, angeführt ausgerechnet von Ruangrupa. Die Begründung der Wahl ist ungeheuerlich. Der Vorwurf des Antisemitismus in Deutschland wird dort problematisiert, der offensichtliche Antisemitismus zurückgestellt.
Auch als zuletzt zwei namhafte Stiftungen aus Deutschland ausgerechnet am 9. November, dem Gedenktag der Reichspogromnacht, eine Kombi-Veranstaltung abhalten wollten, auf der der Holocaust mit der Geschichte der Palästinenser in einen Topf geschmissen werden sollte, nahmen sie daran keinen Anstoß. Man freute sich darüber, dass es eine solche Veranstaltung geben sollte, wenngleich das gewählte Datum etwas unsensibel sei. Dabei ist ihnen der Applaus aus dem Kreis der linken „Israelkritiker“ sicher.


Deutlicher kann man es doch wohl kaum zum Ausdruck bringen, wie es in Deutschland um den Kampf gegen Antisemitismus bestellt ist.
Aber es sind auch immer wieder die üblichen Verdächtigen, die das Anwachsen des Antisemitismus in Deutschland leugnen und ganz besonders bei einer Form wegsehen bzw diese legitimieren.
Pfui Deibel! :mad:
Das ist doch alles richtig. Es stimmte nur nicht, dass es gar keine Warnungen oder Stop-Aufrufe gegeben hätte. Darum ging es mir.

Ich geb aber ehrlich zu, dass ich diese Documenta und ihre Rolle sowie ihre Stellung hinsichtlich Antisemitismus und Israel einfach nicht einschätzen kann.

Da stehe ich allerdings nicht allein da.

Ich höre regelmäßig die Reihe "hörsaal" auf DLF Nova. Am 18. November gabs einen Vortrag zum Thema. "Kulturwissenschaftler Andreas Mertin blickt auf die Documenta 15 zurück und erklärt, an welcher Stelle und warum sie zum Skandal wurde." Das war sehr interessant und es wurden vor allem die links-propalästinensischen Einflüsse beleuchtet. https://www.deutschlandfunknova.de/beit ... management

Gerade auch an der Tatsache aber, dass das künstlerische Niveau ("Wenn Sie sich anschauen, wie schlampig hier mit Photoshop gearbeitet wurde: Das würden wir einem Oberstufenschüler nicht durchgehen lassen!") erschütternd niedrig war, wird erkennbar, dass die Veranstalter offensichtlich nicht nur von Motiven zur Kunstförderung getrieben waren.


Am Ende jedoch hieß es sinngemäß: Man müsse sich dennoch für eine Fortführung dieser Veranstaltung einsetzen, da sie von Anfang an israelischen Künstlern die Gelegenheit zur Präsentation bot und weiterhin bietet. Dem Moderator der Sendung (Hans Jürgen Bartsch) blieb regelrecht die Spucke weg. Hatte es doch einige Zeit vorher in der hoersaal-Reihe einen Vortrag zur Geschichte der documenta gegeben, in der ein anderer Kunsthistoriker ausführlich darlegte, in welchem Maße diese Veranstaltung schon im Anfang von ehemaligen Nazigrößen und Reichskunstsachverständigen geprägt wurde. (Wenn auch natürlich nicht nur). Und dass sich diese Prägung unter anderem in einer deutlichen Unterrepräsentiertheit israelischer und jüdischer Künstler ausdrückte. Was soll ich als Laie auf dem Gebiet der bildenden Kunst dazu sagen? Lieber nichts.

Verdrängung übrigens auch in zwei anderen Fällen: Der Mord an den jüdischen Verleger und Rabbiner Shlomo Lewin 1980 in Erlangen durch das Mitglied Uwe Behrendt der rechtsextremen "Wehrsportgruppe Hoffmann". Ein schier unglaublicher und in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit weitgehend verdrängter Skandal. Ausgerechnet ihn, den Ermordeten, bezichtigte man, nicht nur ein Rabbiner und Verleger sondern ein Mossad-Agent und ein ehemaliger Adjudant des israelischen Verteidigungsministers Dajan gewesen zu sein. Es gab eine regelrechte Verleumdungskampagne auch in den sogenannten seriösen Medien (Nürnberger Nachrichten zum Beispiel). Die letztendlich zu Ermittlungsfehlern führten, die eine Aufklärung der Tat behinderten. Ich empfehle, sich nocheinmal mit diesem Ereignis zu beschäftigen. Klar. 1980 liegt unmittelbar hinter den Tagen des RAF-Terrors . Das bestimmte die Atmosphäre in der Bundesrepublik und führte dazu, dass man auf einem Auge blind wurde.

Der andere Fall ist der des Staatskommissars für rassisch, religiös und politisch Verfolgte und Holocaust-Überlebende Philipp Auerbach. Der Anfang der 50er in einem Gerichtsprozess von lauter ehemaligen NSDAP-Mitgliedern u.a. der Unterschlagung von Geldern bezichtigt wurde und sich anschließend das Leben nahm. Das liegt allerdings eine ganze Zeit zurück. Hier gibts aber eine ganze Menge ebenfalls schier unglaublicher Einzelheiten auch die Amerikaner betreffend.

Eine systematische links-rechts-Zuschreibung halte ich für unangebracht. Die Motive für Judenhass und die Nichtanerkennung des Staats Israel können sehr unterschiedlich sein. Das liegt - möglicherweise - auch im Wesenskern des Antisemitismus. Das Feindbild ist ein Phantom, das auf reale Menschen bzw. einen realen Staat projiziert wird.
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Juergen Neu
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Juergen Neu »

Die Überschrift ist falsch
Deutschland hat den Kampf gegen Antisemitismus bereits verloren.
Hamburg, Berlin, Bremen und NRW stehen stellvertretend für diesen Verfall.
Schuld daran sind u.a. auch die Realitätsverweigerung, was die Täter betrifft.
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Seidenraupe
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Seidenraupe »

conscience hat geschrieben: Fr 18. Nov 2022, 12:00 Einschusslöcher an der Alten Essener Synagoge
https://www.spiegel.de/panorama/einschu ... 686602aef7

https://www.welt.de/regionales/nrw/arti ... deckt.html
+
Vongole hat geschrieben: Fr 18. Nov 2022, 19:04 Die Alte Syngoge ist heute ein Museum, im Rabbinerhaus befindet sich u.a. das Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte der Uni Duisburg.
Selbst wenn es leer stünde, reicht das Judenhassern allemal für Angriffe. :dead:
Neuigkeiten konkreter Art gibt es wohl noch nicht. Aber immerhin eine "heiße Spur"
Iran verantwortlich für Anschläge auf Synagogen?
Stand: 01.12.2022 18:18 Uhr

Hinter den Angriffen auf Synagogen in Nordrhein-Westfalen vermuten Ermittler die iranischen Revolutionsgarden und einen Deutsch-Iraner aus dem Rockermilieu. Dies erfuhr das ARD-Politikmagazin Kontraste aus Sicherheitskreisen.
Von Anne Grandjean, Georg Heil, Markus Pohl, Lisa Wandt, rbb

Nach mehreren Anschlägen auf Synagogen in Nordrhein-Westfalen wird der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernehmen - allerdings ist noch unklar, wann genau dies geschieht. Eine Sprecherin konnte weder den genauen Zeitpunkt nennen, noch den konkreten Grund für die Übernahme der Ermittlungen. Nach Informationen von Kontraste soll der Deutsch-Iraner Ramin Y. im Fokus der Ermittlungen stehen. Er hat sich offenbar im September 2021 in den Iran abgesetzt.

Die Ermittler sehen einen Zusammenhang zwischen den Schüssen auf die Alte Synagoge in Essen, dem missglückten Brandanschlag auf die Synagoge in Bochum und der Anstiftung zu einem Brandanschlag auf die Dortmunder Synagoge Mitte November. "Wir sprechen hier von Staatsterrorismus", so ein Ermittler gegenüber Kontraste.
Zentralratspräsident Schuster im Visier

...
Deutsch-Iraner soll Kommando leiten

Ramin Y. ist der Gründer des Mönchengladbacher Ablegers des Rocker-Klubs Hells Angels und wird mit internationalem Haftbefehl unter anderem wegen eines Mordes im Rockermilieu gesucht. Nach Kontraste-Informationen gehen die Sicherheitsbehörden davon aus, dass Y. für die iranischen Revolutionsgarden ein Operativkommando für Anschläge in Deutschland leitet.

In der Nacht auf den 18. November war ein 35-jähriger Deutschiraner in Dortmund festgenommen worden. Nach Kontraste-Informationen soll er mit Ramin Y. in Kontakt gestanden haben. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, einen Molotowcocktail auf eine Schule geworfen zu haben, die unmittelbar an die Bochumer Synagoge grenzt. Außerdem soll er versucht haben, einen weiteren Mann für einen Brandanschlag auf die Dortmunder Synagoge zu gewinnen. Dabei soll er den Mann nach Kontraste-Informationen auch bedroht haben für den Fall, dass dieser nicht kooperiert. Dieser Mann offenbarte sich aber als Zeuge der Polizei.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, der Generalbundesanwalt habe bereits die Ermittlungen übernommen.
https://www.tagesschau.de/investigativ/ ... obal-de-DE
jack000 hat geschrieben: Fr 18. Nov 2022, 23:11 Weiß man schon etwas über die Täter?
Siehe vorstehender Artikel. Die Antwort lautet: Jein
Wer Ironie findet, kann sie behalten. Wer nicht, sein/ihr Problem.

„Wenn man merkt, daß der Gegner überlegen ist und man Unrecht behalten wird, so werde man persönlich, beleidigend, grob.“
Schopenhauer
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Dark Angel
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben: Di 6. Dez 2022, 15:58 Das ist doch alles richtig. Es stimmte nur nicht, dass es gar keine Warnungen oder Stop-Aufrufe gegeben hätte. Darum ging es mir.

Ich geb aber ehrlich zu, dass ich diese Documenta und ihre Rolle sowie ihre Stellung hinsichtlich Antisemitismus und Israel einfach nicht einschätzen kann.

Da stehe ich allerdings nicht allein da.

Eine systematische links-rechts-Zuschreibung halte ich für unangebracht. Die Motive für Judenhass und die Nichtanerkennung des Staats Israel können sehr unterschiedlich sein. Das liegt - möglicherweise - auch im Wesenskern des Antisemitismus. Das Feindbild ist ein Phantom, das auf reale Menschen bzw. einen realen Staat projiziert wird.
Du redest zwar in diesem Beitrag sehr viel, sehr viel um das Thema herum. Es geht hier nicht um die Geschichte der Documenta und noch weniger darum, dass seinerzeit zu den Initiatoren (auch) gewendete Nazigrößen gehörten, es geht auch nicht um irgendwelche löngst verflossenen Hetzkampagnen gegen Israelis, sondern ganz konkret um das, was hier und heute im Zusammenhang mit Antisemitismus in Deutschland passiert.
Es ist ja nicht das erste Mal, dass Künstler/Kulturschaffende und (leider) auch Wissenschaftler, die dem linken politischem Spektrum zuzuordnen sind bzw sich selbst zuordnen, sich in Relativierung des Holocausts "üben".
Diese Relativierung und Marginalisierung wurde scho öfter thematisiert UND es wurde auch schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die Relativierungs- und Marginalisierungsversuche das Ergebnis linker, woker Idetitätspolitik sind. Es ist durchaus nicht neu, dass gerade im linken politischen Spektrum eine Täter-Opfer-Umkehr geschieht, es ist durchaus nicht neu, dass buchstäblich vom ersten Tag des Bestehens des israelischen Staates, die Position des Aggressors zugewiesen wurde und immer noch wird.
Setzt sich Israel gegen palästinensische Terrorangriffe zur Wehr, wird Israel die Schuld zugewiesen, verteidigt sich Israel gegen kriegerische Handlungen seiner Nachbarn, wird Israel der Stempel des Aggressors aufgedrückt.
Diese Sichtweise hat im linken politischen Spektrum eine unrühmliche Tradition und daran hat sich bis heute nichts geändert und darum ist die systematische links-rechts-Zuschreibung sehr wohl angebracht.
Die Motive für Judenhass können durchaus unterschiedlicher Natur sein, die Motive für die Nichtanerkennung des Staates Isreal und die Delegetimierungsversuche SIND ein Wesensmerkmal linker politischer Ideologie.
Und NEIN, das Feindbild ist KEIN Phantom, sondern ganz konkret der Staat Isreal, der sich als wehrhafte Demokratie präsentiert und - bei Strafe seines Untergangs - auch präsentieren MUSS!
Daran ändert sich auch nichts, wenn du dich windest wie ein Regenwurm. Du zeigst damit nur deine eigene Affinität zu linkem Antisemitismus. Wäre das nicht der Fall, kämst du nicht bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit mit Whataboutismen, Relativierungsveruchen, und Entschuldigungen.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von schokoschendrezki »

Ziemlich interessant in Hinsicht auf Antisemitismus in Deutschland ist die Geschichte und sind die Bedeutungswandlungen des Begriffs "Lügenpresse". In den letzten 20,25 Jahren wird die Verwandtschaft zum Begriff "Judenpresse" wieder deutlicher. Insbesondere der Chefideologe der NSDAP, Alfred Rosenberg, hatte schon zu Zeiten der Weimarer Republik diesen Kampfbegriff zu einem der zentralen Bestandteile des Nazi-Ideologie gemacht.

Welcher Geist äußert sich, wenn heute, 2022, jemand von "Lügenpresse" redet? Inwiefern schwingen hier verdeckt antisemitische Hassgefühle mit? Typische Vertreter des "Lügenpresse"-Vorwurfs in D sind die Anhänger der Pegida-Bewegung sowie natürlich die Reichsbürgerschaft. Der Begriff "Lügenpresse" ist vor allem als eine Art Schlagwortruf bei allen Arten von öffentlichen Veranstaltungen rechter Gruppen gebräuchlich. Z.T. steht er auch als (verdecktes) Synonym für "Judenpresse". Er suggeriert, dass die Mehrheit der Bevölkerung systematisch belogen wird. Dass hinter der "Lügenpresse" das "System" steckt. Dass es irgendwelche fädenziehenden wirklich Mächtigen gibt. Wenn die vor allem als "das Finanzkapital" ausgemacht werden, dann liegt es nahe, hier eine Konvergenz von rechten Anschauungen und linksmarxistischen Ideologien zu vermuten.

Kritisch sehe ich hier unter anderem allerdings, dass diese Auseinandersetzungen möglicherweise die tatsächlich stattfindende Monopolisierung der Meinungsbildung durch die großen Tech-Konzerne verdecken.

Die Presselandschaft in Israel ... kann man als absolut vorbildlich hinsichtlich Meinungspluralismus ansehen. Vorbildlich auch für so einige europäische Staaten. Auch wenn ich nur die mit einer englischsprachigen Ausgabe lesen kann.

Es ist die Frage zu stellen, woher gerade auch in Deutschland dieses ausgeprägte Feindbild Presse, Medien, TV, Hörfunk im politischen Bereich kommt. Und ob und wenn ja dies mit auch mit eingeschliffenen antisemitischen Vorbehalten zu tun hat.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben: Fr 9. Dez 2022, 08:54 Was heißt hier "Marginalisierungsversuche"? Man richtet damit den Scheinwerfer voll auf das momentan brennendste Problem in Richtung Antisemitismus in Deutschland.
Marginalisierungsversuche heißt "hier" genau DAS, was da steht, nämlich dass DU linken Antisemitismus zu marginalisieren versuchst, so darzustellen versuchst, als sei er "nicht so schlimm" wie rechter Antisemitismus. Marginalisierung heißt in diesem Zusammenhang alle deine Rechtfertigungs- und Ablenkungsversuche.
schokoschendrezki hat geschrieben: Fr 9. Dez 2022, 08:54Was heißt hier "windest dich wie ein Regenwurm"? Du spinnst wohl? Um mich auch einmal in deiner gebräuchlichen Sprechweise auszudrücken. Wenn ich auch nicht diese ganz typisch antisemitischen Mensch-Tier-Vergleiche benutze.
Aber sonst geht's diur noch gut? :mad:
Der Vergleich des "sich windens" ist definitiv NICHT antisemitisch, sondern bezeichnet schlicht und ergreifend eine Methapher, beschreibt (dein) verbales drehen, wenden, sich winden - deine Versuche etwas zu rechtfertigen, zu verteidigen, vom Thema abzulenken. Gerade darin - im vom Thema ablenken - bist du ein Meister.
Mir zu unterstellen, Mensch-Tiervergleiche würden zu meiner gebräuchlichen Sprechweise gehören, ist an Bösartigkeit nicht zu überbieten. :mad:
Von mir wirst du derartige Vergleiche a) bisher noch nicht gelesen haben und b) auch in Zukunft nicht lesen. Und selbst Metaphern bediene ich mich nur selten.
Die von mir verwendete Metapher "des sich windens" ist im allgemeinen Sprachgebrauch, in ganz brstimmten Zusammenhängen durchaus gebräuchlich.
Aber gut: deine Reaktion zeigt mir, dass ich da direkt ins Schwarze, einen ganz bestimmten Nerv getroffen habe. Wie sagt man so schön: "getroffene Hunde bellen!"
schokoschendrezki hat geschrieben: Fr 9. Dez 2022, 08:54Ich habe mich in gefühlt 100 Beiträgen über die Unangebrachtheit linker Solidarität mit nicht nur dieser sogenannten "palästinensischen Befreiungsbewegung" sondern ganz generell über eine der schlimmsten Fehlentwicklungen der letzten ungefähr 50 Jahre geäußert. Diese nationalen Befreiungsbewegungen, von der PLO bis zur Frelimo oder den Sandinisten sind allesamt und ohne Ausnahme in autoritären Staaten, mafiösen Organisationen oder auch doktrinär-religiösen Bewegungen gelandet. Dass sich politisch links sehende Menschen in nicht geringer Zahl ausgerechnet für etwas so Homophobes und religiös verwirrtes wie den jamaikanischen Rastafarianismus begeistern, war mir von je her und schon als Jugendlicher ein Rätsel mit sieben Sigeln. (Das gehört nun allerdings tatsächlich nicht zum Thema).
Korrekt! Dass du vieles zusammenschwurbelst was nicht zusammen gehört, v.a. um vom eigentlichen Thema abzulenken, ist nun wahrlich nichts Neues!
schokoschendrezki hat geschrieben: Fr 9. Dez 2022, 08:54Das ändert aber überhaupt nix daran, dass Antisemitismus auch heute und auch in Deutschland ein auch in politisch rechten Kreisen verwurzeltes Phänomen ist.
Und - wie erwartbar - da isser wieder der Whataboutismus! In meinem verlinkten Gastbeitrag des israelischen Botschafters ging es ganz konkret um linken Antisemitismus, um als Israelkritik getarnten (linken) Antiseminitismus und die darin enthaltene Delegitimierung des Staates Israel. Das ist ein, in politisch linken Kreisen verwurzeltes Phänomen.
Und genau davon versuchst DU mit deinem Whataboutismus abzulenken. Wie schäbig ist das denn? :mad:
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von schokoschendrezki »

Es gab übrigens am vergangenen Wochenende extra eine Tagung zum Thema Antisemitismus und Documenta. Veranstaltet von der der FDP nahe stehenden "Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit" und dem 2020 gegründeten "Tikvah-Institut". ("Tikvah" ist das umgeschriebene hebräische Wort für "Hoffnung"). Die Institutsgründung geht im Kern auf den Grǘnen-Politiker Volker Beck zurück, der einer der beiden Gesellschafter (und gleichzeitig Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft) ist. https://tikvahinstitut.de/

Der ausführliche Tagungstitel lautete "Kunstfreiheit als Ausrede? Salonfähiger Antisemitismus und documenta 15" Wenn man Reflektionen, Artikel, Berichte dazu liest ... der zentrale Punkt schien zu sein: "Salonfähigkeit" bedeutet ganz konkret und unmissverständlich: Antisemitismus ist kein Thema, das sich auf Randgruppen oder politischen Extremismus beschränkt sondern zirkuliert auch, gerade und nach wie vor in der Gesellschaftsschicht, die man meist mit "Bildungsbürgertum" bezeichnet.

Und hier konkret:
Die Reaktionen der Verantwortlichen seien einer bekannten Routine gefolgt, die man auch sonst nach antisemitischen Vorfällen beobachten könne, meint Marina Chernivsky vom Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment. Erst heiße es: Sorry, haben wir nicht gewusst! Dann: Wir machen weiter wie bisher. Es gebe keine ehrliche Einsicht, was im Fall der documenta auch daran liege, dass der Antizionismus als Teil einer progressiven Bewegung ideologisch verfestigt sei.
https://taz.de/Antisemitismus-auf-der-d ... /!5900093/

"Antizionismus" als "Teil einer progressiven Bewegung" ist natürlich irgendwo erklärungsbedürftig. Was soll das heißen? Dass man etwa noch immer dieses Eintreten für diese "Sache des palästinensischen Volks" für eine progressive Idee hält? Obwohl an den Zielen und der Politik der sogenannten palästinensischen Organisationen nix fortschrittliches zu erkennen ist. Und eigentlich auch nie war.

Was aus meiner Sicht völlig richtig ist und was sich auch in der Selbstdarstellung dieses tikvah-Instituts zeigt:
Antisemitismus speist sich aus immer wieder neuen Versuchen, die Moderne abzuwehren und sich gegen die Geschwindigkeit des Wandels aufzulehnen. Er ist zugleich vergessen und gegenwärtig und er gefährdet die Grundlagen einer liberalen Demokratie. Dies muss eine antisemitismuskritische Bildungs- und Forschungsarbeit mit einbeziehen.
https://tikvahinstitut.de/ziele/
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben: Fr 9. Dez 2022, 17:09 Es gab übrigens am vergangenen Wochenende extra eine Tagung zum Thema Antisemitismus und Documenta. Veranstaltet von der der FDP nahe stehenden "Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit" und dem 2020 gegründeten "Tikvah-Institut". ("Tikvah" ist das umgeschriebene hebräische Wort für "Hoffnung"). Die Institutsgründung geht im Kern auf den Grǘnen-Politiker Volker Beck zurück, der einer der beiden Gesellschafter (und gleichzeitig Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft) ist. https://tikvahinstitut.de/
Es ist eigentlich erschreckend, dass eine Tagung zum Thema Antisemitismus in Verbindung mit der Documenta abgehalten werden muss, damit auch der Letzte kapiert, was da abgelaufen ist, wie sehr sich die Veranstalter UND die Bundesregierung in der Person der Kulturstaatsministerin blamiert und bloßgestellt haben.
In Anbetracht der vielfältigen Zeugnisse für Antisemitismus auf/bei der Documenta hätte diese abgebrochen werden müssen. Wurde sie nicht, stattdessen wurde verharmlost und relativiert und gerechtfertigt, wurden Verharmloser und Relativierer als Gastprofessoren berufen und dürfen Vorlesungen halten.
schokoschendrezki hat geschrieben: Fr 9. Dez 2022, 17:09Der ausführliche Tagungstitel lautete "Kunstfreiheit als Ausrede? Salonfähiger Antisemitismus und documenta 15" Wenn man Reflektionen, Artikel, Berichte dazu liest ... der zentrale Punkt schien zu sein: "Salonfähigkeit" bedeutet ganz konkret und unmissverständlich: Antisemitismus ist kein Thema, das sich auf Randgruppen oder politischen Extremismus beschränkt sondern zirkuliert auch, gerade und nach wie vor in der Gesellschaftsschicht, die man meist mit "Bildungsbürgertum" bezeichnet.
Ach, das scheint nur so? Merkst du eigentlich noch irgendwas?
Es ist ein offenes Geheimnis, dass Antisemitismus immer noch ein gesamtgesellschaftliches Problem ist
schokoschendrezki hat geschrieben: Fr 9. Dez 2022, 17:09Und hier konkret:
https://taz.de/Antisemitismus-auf-der-d ... /!5900093/

"Antizionismus" als "Teil einer progressiven Bewegung" ist natürlich irgendwo erklärungsbedürftig. Was soll das heißen? Dass man etwa noch immer dieses Eintreten für diese "Sache des palästinensischen Volks" für eine progressive Idee hält? Obwohl an den Zielen und der Politik der sogenannten palästinensischen Organisationen nix fortschrittliches zu erkennen ist. Und eigentlich auch nie war.

Was aus meiner Sicht völlig richtig ist und was sich auch in der Selbstdarstellung dieses tikvah-Instituts zeigt:
https://tikvahinstitut.de/ziele/
Interessant, dass DU einen Artikel einer, dem linken politischen Spektrum nahestehenden, Zeitung als Erklärung benötigst, was unter Antisemitismus zu verstehen ist und das dann immer noch nicht kapierst.
Wie wäre es denn, wenn du dir die offzielle internationale Definition von Antisemitismus zu eigen machen würdest, die auch von der Regierung der Bundesrepblik unterzeichnet und vertreten wird.
Hier extra für dich:

„Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.“

Zeitgenössische Beispiele von Antisemitismus im öffentlichen Leben, den Medien, Schulen, am Arbeitsplatz und im religiösen Raum könnten, unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes, einschließen, sind aber nicht beschränkt auf:

- Aufruf zu, Beihilfe zu oder Rechtfertigung des Tötens oder Verletzens von Juden im Namen einer radikalen Ideologie oder einer extremistischen Auffassung von Religion.
- Aufstellung unwahrer, entmenschlichender, dämonisierender oder stereotyper Behauptungen über Juden als solche oder die Macht von Juden als Kollektiv – so wie, besonders, jedoch nicht ausschließlich, der Mythos über eine jüdische Weltverschwörung oder von Juden, die die Medien, Wirtschaft, Regierung oder andere gesellschaftliche Institutionen kontrollieren.

- Anschuldigungen gegen die Juden als Volk, sie seien verantwortlich für reales oder fiktives Fehlverhalten, das durch eine einzelne jüdische Person oder Gruppe oder sogar von Nicht-Juden begangen wurde.
- Leugnung der Tatsache, des Umfangs, der Mechanismen (z.B. Gaskammern) oder der Absicht des Genozids am jüdischen Volk durch das nationalsozialistische Deutschland und seine Unterstützer und Komplizen während des Zweiten Weltkriegs (Holocaust).
- Anschuldigungen gegen die Juden als Volk oder Israel als Staat, sie erfänden den Holocaust oder übertrieben ihn betreffend.
- Anschuldigungen gegen jüdische Bürger, sie seien Israel oder den angeblichen Prioritäten der Juden weltweit gegenüber loyaler als ihren eigenen Ländern.
- Das Absprechen des Rechts auf Selbstbestimmung des jüdischen Volkes, beispielsweise durch die Aussage, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Projekt.
- Das Anwenden von doppelten Standards durch das Einfordern eines Verhaltens, wie es von keiner anderen demokratischen Nation erwartet oder gefordert wird.
- Die Verwendung von Symbolen und Bildern des klassischen Antisemitismus (z.B. die Juden hätten Jesus getötet oder das Motiv des Ritualmords), um Israel oder Israelis zu charakterisieren.
- Vergleiche der heutigen israelische Politik mit der der Nazis.
- Kollektive Verantwortlichmachung der Juden für die Handlungen des Staates Israel.

Antisemitische Handlungen sind kriminell, wenn sie durch das Gesetz als kriminell eingestuft sind (z.B. die Leugnung des Holocaust oder die Verteilung antisemitischer Materialien in einigen Ländern).


Ist doch eigentlich gar nicht schwer zu verstehen, so man denn verstehen will und NICHT zu trelativieren versucht.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben: Sa 10. Dez 2022, 17:10
Interessant, dass DU einen Artikel einer, dem linken politischen Spektrum nahestehenden, Zeitung als Erklärung benötigst, was unter Antisemitismus zu verstehen ist und das dann immer noch nicht kapierst.
Wie wäre es denn, wenn du dir die offzielle internationale Definition von Antisemitismus zu eigen machen würdest, die auch von der Regierung der Bundesrepblik unterzeichnet und vertreten wird.
Hier extra für dich:
Es ist nicht so, dass ich solche Definitionen nicht lese und nicht verstehen und akzeptieren würde. Aber grundsätzlich ziehe ich es vor, mir am Ende meine eigene und persönliche Meinung zu bilden.

Die "documenta", die ganz eindeutig eine wesentliohe Rolle bei der Außendarstellung der Bundesrepublik spielt, ist doch das beste Beispiel und der Beleg dafür, dass man auch zu dem Land, dessen Staatsbürger man ist, sich eine kritische und distanzierte Haltung bewahren sollte. Du selbst hast etwas weiter oben diese unterschreibende und vertretende Bundesregierung in Form der Kulturstaatsministerin scharf kritisiert.

Es gibt nicht wenige Menschen, die dieses Erstarrtsein und auch diesen letztendlichen Eigennutz der "deutschen Erinnerungskultur" kritisieren. Dieses offizielle und definitorische und nicht eigentlich gelebte und empfundene. Der Autor Max Czollek als Vertreter einer "neuen jüdischen Szene" in Deutschland und insbesonder in Berlin - wie es in einer Rezension dazu heißt - vertritt in seiner Streitschrift "Desintegriert Euch!" u.a. die Ansicht, dass in dieser "Erinnerungskuiltur" Juden vor allem die Rolle eines Spiegels der neuen guten deutschen aufgeklärten Bürgergesellschaft zu spielen haben. Er führt die Abkürzung "JFD" ein. "Juden für Deutschland". Das ist frech. Aber zutreffend!

Eine lebendige Auseinandersetzung mit Israel bzw. der Politik der israelischen Regierung sollte so aussehen wie sie auch Israel aussieht: Streitbar, vielfältig, nonkonformistisch und offen.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben: Do 15. Dez 2022, 12:15 Es ist nicht so, dass ich solche Definitionen nicht lese und nicht verstehen und akzeptieren würde. Aber grundsätzlich ziehe ich es vor, mir am Ende meine eigene und persönliche Meinung zu bilden.
Du weißt aber schon, was eine Definition ist - nämlich eine Begriffsbestimmung bzw die Wesensbestimmung einer, zu erklärenden Sache und das wiederum bedeutet, dass Definitionen a) auf intersubjektivem Konsens basieren, b) die Kommunikation erleichtern und c) Missverständnnisse bzw Aneinandervorbeireden verhindern sollen, dass bedeutet jedoch auch, dass man sich zu Definitionen KEINE persönliche Meinung bilden kann. Schlicht und ergreifend, man nutzt Definitionen.
schokoschendrezki hat geschrieben: Do 15. Dez 2022, 12:15Die "documenta", die ganz eindeutig eine wesentliohe Rolle bei der Außendarstellung der Bundesrepublik spielt, ...
... in diesem konkreten Fall eine zutiefst negative Außendarstellung, nämlich die, dass Antisemitismus durchaus wieder en vogue ist in Deutschland
schokoschendrezki hat geschrieben: Do 15. Dez 2022, 12:15 ist doch das beste Beispiel und der Beleg dafür, dass man auch zu dem Land, dessen Staatsbürger man ist, sich eine kritische und distanzierte Haltung bewahren sollte. Du selbst hast etwas weiter oben diese unterschreibende und vertretende Bundesregierung in Form der Kulturstaatsministerin scharf kritisiert.
Sorry, aber das ist Quatsch mit Soße!
Das Beispiel ist KEIN Beleg für eine kritische, distanzierte Haltung zu Deutschland, sondern zur Politik und/oder "Haltung" ganz bestimmter Politiker. Ich habe NICHT die Bundesregierung kritisiert, sondern ganz konkret Frau Roth und zwar dafür, dass sie eine Relativierung des Holocuast zulässt und nicht gegen den praktizierten Antisemitismus auf der Documenta vorgeht.

schokoschendrezki hat geschrieben: Do 15. Dez 2022, 12:15Es gibt nicht wenige Menschen, die dieses Erstarrtsein und auch diesen letztendlichen Eigennutz der "deutschen Erinnerungskultur" kritisieren.
Du merkst wirklich nichts mehr!
Ist dir eigentlich bewusst, dass du dich mit, exakt dieser Aussage, mit den Holocaustrelativierern gemein machst, genau deren Ansichten vertrittst? :mad:
schokoschendrezki hat geschrieben: Do 15. Dez 2022, 12:15Dieses offizielle und definitorische und nicht eigentlich gelebte und empfundene. Der Autor Max Czollek als Vertreter einer "neuen jüdischen Szene" in Deutschland und insbesonder in Berlin - wie es in einer Rezension dazu heißt - vertritt in seiner Streitschrift "Desintegriert Euch!" u.a. die Ansicht, dass in dieser "Erinnerungskuiltur" Juden vor allem die Rolle eines Spiegels der neuen guten deutschen aufgeklärten Bürgergesellschaft zu spielen haben. Er führt die Abkürzung "JFD" ein. "Juden für Deutschland". Das ist frech. Aber zutreffend!
Bezeichnend für dich, dass du ausgerechnet Max Czollek und sein, äußerst kontrovers diskutiertes Machwerk, "Desintegriert Euch!" als Zeugen für deine Sichtweise aufrufst - jenen Max Czollek, den die Schriftsteller Maxim Biller und Mirna Funk vorwerfen ein „Faschings- und Meinungsjude“ zu sein, weil er gem. der Halacha (einzig geltende Regeln des jüdischen Religionsgesetzes) KEIN Jude ist. Der gleichen Meinung ist übrigens auch Josef Schuster (Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland) stellt klar: "Ob man jüdisch sei oder nicht, richte sich nach den Regeln der Religion, also der Halacha, des jüdischen Religionsgesetzes."
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben: Fr 16. Dez 2022, 11:51 Sorry, aber das ist Quatsch mit Soße!
Das Beispiel ist KEIN Beleg für eine kritische, distanzierte Haltung zu Deutschland, sondern zur Politik und/oder "Haltung" ganz bestimmter Politiker. Ich habe NICHT die Bundesregierung kritisiert, sondern ganz konkret Frau Roth und zwar dafür, dass sie eine Relativierung des Holocuast zulässt und nicht gegen den praktizierten Antisemitismus auf der Documenta vorgeht.
Ja.. Die ist nun aber nicht mehr nur Vertreterin einer Partei sondern Teil der demokratisch gewählten Bundesregierung.
Du merkst wirklich nichts mehr!
Ist dir eigentlich bewusst, dass du dich mit, exakt dieser Aussage, mit den Holocaustrelativierern gemein machst, genau deren Ansichten vertrittst? :mad:
Nein. Ist mir nicht. Wäre es so, hätte ich dergleichen nicht geschrieben.

Bezeichnend für dich, dass du ausgerechnet Max Czollek und sein, äußerst kontrovers diskutiertes Machwerk, "Desintegriert Euch!" als Zeugen für deine Sichtweise aufrufst - jenen Max Czollek, den die Schriftsteller Maxim Biller und Mirna Funk vorwerfen ein „Faschings- und Meinungsjude“ zu sein, weil er gem. der Halacha (einzig geltende Regeln des jüdischen Religionsgesetzes) KEIN Jude ist. Der gleichen Meinung ist übrigens auch Josef Schuster (Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland) stellt klar: "Ob man jüdisch sei oder nicht, richte sich nach den Regeln der Religion, also der Halacha, des jüdischen Religionsgesetzes."
Ja. Und andere sind halt anderer Meinung. Es ist ihr (und mein) gutes Recht. Auch zu diesem Argument einer vermeintlichen Relativierung der Shoah: Die Forderung nach einer Art von Lebendigkeit, nach Bezügen zur heutigen Realität anstelle einer weitghehend ritualisierten "Erinnerungskultur" hat nix mit Relativierung sondern - im Gegenteil - etwas mit Wiederbewusstmachung zu tun.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von schokoschendrezki »

Das tapfere Volk von Palästina sollte man verehren, weil sie allein sich auf der Welt noch gegen die Juden wehren.
Dies ist die Textzeile einer Hervorbringung der Rechtsrockgruppe "Hassgesang". Alles andere als ein Einzelfall. Lässt sich leicht recherchieren.

Was haben die Rechtsextremisten mit "Palästina" im Sinn? Was war das ideologische Kernargument der arabischen Staaten in den insgesamt nicht weniger als elf arabisch-israelischen Kriegen bzw. mindestens militärischen Auseinandersetzungen zwischen 1947 und 2014? Israel sei eine Art kultureller, ethnischer und religiöser Fremdkörper im arabischen Raum. Und habe deshalb kein Existenzrecht.

Wenn man die Frage des Threads anders stellt: Wie verliert Deutschland nicht den Kampf gegen Antisemitismus? Mindestens notwendige Voraussetzung dafür ist so etwas wie das Aushaltenkönnen von Unterschiedlichkeit jeder Art. "Toleranz" ist ein verbreiteter aber vielleicht nicht ganz unproblematischer Begriff dafür. In Toleranz schwingt auch ein wenig was von Gleichgültigkeit mit. Antisemitische Propaganda, egal ob offen oder verklausuliert oder gar antisemitsch motivierte Straftaten können nicht toleriert werden. Es müsste eine Haltung her, die eher etwas mit Offenheit und Neugier auf Fremdheit zu tun hat und diesem Kulturfremdheitsargument der arabischen Seite entgegengesetzt werden kann. Dass man z.B. irgendwo in "Kerndeutschland", in Hameln oder Quedlinburg kein Problem damit hat, dass das Straßenbild u.a. auch von Menschen geprägt ist, die Rumänisch sprechen und die nicht wenige damit für Angehörige einer Roma-Gruppe halten. Oder von Frauen und Mädchen mit Kopftüchern. Oder von Menschen mit einer unbestimmten Geschlechteridentität. Oder eben auch von Menschen, die sich an jüdische Speiseregeln halten.

"Faschingsjude" ist übrigens eine nicht besonders menschenfreundlich klingende Bezeichnung. Tatsächlich wurden in der Karnevalstradition in einigen Regionen im deutschsprachigen Raum die Verkäufer von Ankündigungszeitungen für Fastnachtsveranstaltungen "Faschingsjuden" genannt. Die, die besonders geschäftstüchtig sind und Werbung machen können. Mehr antisemitisches Stereotyp geht kaum noch!
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben: Fr 16. Dez 2022, 12:48 Ja.. Die ist nun aber nicht mehr nur Vertreterin einer Partei sondern Teil der demokratisch gewählten Bundesregierung
Irrtum! NICHT die Bundesregierung wurde demokratisch grwählt, sondern das Parlament.
schokoschendrezki hat geschrieben: Fr 16. Dez 2022, 12:48Nein. Ist mir nicht. Wäre es so, hätte ich dergleichen nicht geschrieben.
Doch, hättest du. Ist ja nicht das erste Mal.
schokoschendrezki hat geschrieben: Fr 16. Dez 2022, 12:48Ja. Und andere sind halt anderer Meinung. Es ist ihr (und mein) gutes Recht. Auch zu diesem Argument einer vermeintlichen Relativierung der Shoah: Die Forderung nach einer Art von Lebendigkeit, nach Bezügen zur heutigen Realität anstelle einer weitghehend ritualisierten "Erinnerungskultur" hat nix mit Relativierung sondern - im Gegenteil - etwas mit Wiederbewusstmachung zu tun.
Nein - es ist eben NICHT ihr (oder dein) "gutes Recht"!
Wer auf der Basis argumentiert, die Shoa/der Holocaust sei mit den Verbrechen der Kolonialmächte in den Kolonien vergleichbar, der bedient sich NICHT eines vermeintlichen Arguments der Relativierung der Shoa, sondern der relativiert die Shoa und wer sich (wie Du) dieses Argument zu eigen macht, der muss sich gefallen lassen, dass er sich des Antisemitismus schuldig macht.
Die Verbrechen der Shoa, sind nie in Vergessenheit geraten, dürfen auch nicht in Vergessenheit geraten und müssen deshalb auch nicht "wieder bewusst" gemacht werden. Und nochmal, der Vorwurf einer "ritualisierten Erinnerungskultur" ist genau DIE Argumentation, derer sich die linken Künstler/Kulturschaffenden und teinlweise auch Wissenschaftler bedienen.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben: Fr 16. Dez 2022, 13:04 Fullquote
Versuchst du schon wieder zu relativieren und zu rechtfertigen indem du mit Whatauoutismen und Äppel-und Birnen-Vergleichen daher kommst?
schokoschendrezki hat geschrieben: Fr 16. Dez 2022, 13:04"Faschingsjude" ist übrigens eine nicht besonders menschenfreundlich klingende Bezeichnung. Tatsächlich wurden in der Karnevalstradition in einigen Regionen im deutschsprachigen Raum die Verkäufer von Ankündigungszeitungen für Fastnachtsveranstaltungen "Faschingsjuden" genannt. Die, die besonders geschäftstüchtig sind und Werbung machen können. Mehr antisemitisches Stereotyp geht kaum noch!
Der Schriftsteller Maxim Biller IST Jude gem. der Halacha und wenn er Max Czollek als "Faschings- oder Meinungsjuden" bezeichnet, dann deshalb, weil er damit zum Ausdruck bringt, dass man sich eben NICHT nach Lust und Laune, weil einem danach ist, als Jude bezeichnen kann, dass es Regeln gibt, die festlegen WER Jude ist/dem jüdischen Volk, der jüdischen Gemeinschaft angehört.
Mit Karneval oder Fastnachtsveranstaltungen hat diese METAPHER nichts, aber auch gar nichts zu tun!
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Seidenraupe »

Dark Angel hat geschrieben: Fr 16. Dez 2022, 15:26 Irrtum! NICHT die Bundesregierung wurde demokratisch grwählt, sondern das Parlament.

Dieser Irrtum ist leider weit verbreitet.
Man kann in diesen Tagen gar nicht oft genug erwähnen, dass das Parlament vom Volk legitimiert ist.
Wer Ironie findet, kann sie behalten. Wer nicht, sein/ihr Problem.

„Wenn man merkt, daß der Gegner überlegen ist und man Unrecht behalten wird, so werde man persönlich, beleidigend, grob.“
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Vongole »

Dark Angel hat geschrieben: Fr 16. Dez 2022, 15:26 Irrtum! NICHT die Bundesregierung wurde demokratisch grwählt, sondern das Parlament.
(..)
Ist zwar OT in diesem Thread, aber die Entscheidung des Parlaments über den Kanzler/die Regierung ist ebenfalls ein demokratischer Vorgang.
Ansonsten Zustimmung zu deinem Post.
Am Yisrael Chai

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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben: Fr 16. Dez 2022, 15:26 Irrtum! NICHT die Bundesregierung wurde demokratisch grwählt, sondern das Parlament.


Doch, hättest du. Ist ja nicht das erste Mal.


Nein - es ist eben NICHT ihr (oder dein) "gutes Recht"!
Wer auf der Basis argumentiert, die Shoa/der Holocaust sei mit den Verbrechen der Kolonialmächte in den Kolonien vergleichbar, der bedient sich NICHT eines vermeintlichen Arguments der Relativierung der Shoa, sondern der relativiert die Shoa und wer sich (wie Du) dieses Argument zu eigen macht, der muss sich gefallen lassen, dass er sich des Antisemitismus schuldig macht.
Wo hab ich etwas über Kolonialmächte und ihre Verbrechen in Kolonien geschrieben?

Ich habe geschrieben, dass die Kriege und militärischen Auseinandersetzungen arabischer Staaten gegen Israel seit mehreren Dekaden in der offiziellen Begründung u.a. mit dem Argument daherkommen, Israel sei eine Art "Fremdkörper" in einer als idealerweise kulturell und sonstwie homogen zu seienden geographischen Region. Dass ich Argumente dieser Art auch bezogen auf Europa und bezogen auf andere Gruppen hier nicht akzeptieren will ... steht einer Anerkennung der Sonderrolle der Shoah überhaupt nicht im Wege.

Worin Du aber Recht hast: Der Antisemitismus von Menschen, die sich als politisch "links" sehen, ist nicht zu übersehen. 2010 war es die "Die Linke"-Politikerin Sahra Wagenknecht, die sich zusammen mit zwei ihrer Genossinnen weigerte, nach einer Rede des damaligen israelischen Präsidenten Peres zum Gedenken an die NS-Opfer - wie alle sonstigen Bundestagsmitglieder aufzustehen. Sie blieb demonstrativ sitzen. Mit der Begründung "Einem Staatsmann, der selbst für Krieg mitverantwortlich ist, kann ich einen solchen Respekt nicht zollen".

Rund zehn Jahre später bringt sie ein Buch heraus, in welchem sie eine Art völkische Gemeinschaftlichkeit einfordert. Und das besonders perfide: Heute ist sie in einer Bewegung ausgerechnet mit dem Hashtag #aufstehen unterwegs.

Die Abneigung gegen alle Arten von Individualismus ist - so sehe ich es - eines der wiederkehrenden Motive in der Geschichte des Judenhasses in Deutschland. Das jüdische Leben in einer Stadt wie Berlin war geprägt von einer weit überdurchschnittlichen Kultiviertheit und Gebildetheit. Die Liste der Namen bedeutender jüdischer Wissenschaftler, Künstler, Journalisten, Schriftsteller in Deutschland (und anderswo) ist sehr sehr lang. Ich könnte mir gut vorstellen, dass dies auch zuweilen den Neid bzw. das Gefühl der Zurückgesetztheit bei nicht wenigen Zeitgenossen hervorgerufen hat.

Die Hochschule, an der ich tätig bin, sollte in den 90ern einmal in "Walter Rathenau"-Hochschule umbenannt werden. (In der Nähe des Hochschulcampus befindet sich das Gründungs-Gelände der AEG, mit der Rathenau als Industrieller verbunden war). In den Diskussionen, die dann schließlich eine solche Umbenennung auch verhinderten, konnte man noch immer deutlich dieses Bedürfnis nach einer sozialistischen Einheitsgesellschaft verspüren. Es wurde schon mehrfach so geschrieben und ich selbst habe es auch mehrfach so wahrgenommen: Die Intellektuellenfeindlichkeit der Menschen in der DDR, die der SED nahestanden oder ihr zugehörten war im Kern häufig nix anderes als ein umbenannter, verdeckter Antisemitismus. Man kann dieses Phänomen in den sozialistischen Ländern zurückverfolgen bis in die Zeiten der berühmten "Ärzteverschwörung" in der Sowjetunion Stalins. Die sich natürlich nicht nur gegen Ärzte sondern gegen alle richtete, die irgendwie danach strebten, aus der grauen Masse als Individuen herauszutreten. Der berühmte Roman Boris Pasternaks "Doktor Schiwago" dreht sich nicht zuletzt um dieses gesellschaftliche Phänomen.

Und genau danach klingt die jüngste Hervorbringung Wagenknechts. Menschen sollen mit "ehrlicher Arbeit" es zu einem gewissen Wohlstand bringen und ansonsten nicht danach streben, irgendetwas Besonderes sein zu wollen. Für mich ist diese Denkungsart randvoll mit antisemitischen Stereotypen. Rathenau als jüdischer Politiker, Kunstliebhaber, Industrieller mit einem sehr eigenen und ausgeprägten Lebensstil würde heute auch im Fadenkreuz dieser Menschen stehen.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben: Mo 19. Dez 2022, 16:33 Wo hab ich etwas über Kolonialmächte und ihre Verbrechen in Kolonien geschrieben?
Ich habe nirgendwo behauptet, dass du etwas über Kolonialmächte und ihre Verbrechen in Kolonien geschrieben hättest, sondern, dass du dich der gleichen Argumentationsmuster und/oder der gleichen Argumente bedienst bzw dir diese zu eigen machst, wenn du von "ritualisierter Erinnerungskultur" redest.
schokoschendrezki hat geschrieben: Mo 19. Dez 2022, 16:33Ich habe geschrieben, dass die Kriege und militärischen Auseinandersetzungen arabischer Staaten gegen Israel seit mehreren Dekaden in der offiziellen Begründung u.a. mit dem Argument daherkommen, Israel sei eine Art "Fremdkörper" in einer als idealerweise kulturell und sonstwie homogen zu seienden geographischen Region. Dass ich Argumente dieser Art auch bezogen auf Europa und bezogen auf andere Gruppen hier nicht akzeptieren will ... steht einer Anerkennung der Sonderrolle der Shoah überhaupt nicht im Wege.
1. Nein, das hast du NICHT geschrieben.

2. ist eine solche Argumentstion (Israel sei eine Art "Fremdkörper") Antisemitismus in Reinkultur! UND

3. liegt heutige Staat Isreal exakt auf dem Gebiet der historischen Provinzen/Regionen Judäa und Samaria, d.h. umfasst das heutige Staatsgebiet des Staates Israel das historische Siedlungsbebiet der Juden und ihres historischen Königreiches, welches als römische Provinz bis ins Jahr 135 aD existierte.
Das historische Gebiet Palästina war das das Gebiet des heutigen Gazastreifens.
Es war Kaiser Hadrian, der das Gebiet der Provinzen Judäa und Samaria in Syria Palästina umbenannte, um jede Erinnerung an die ursprünglichen Siedler und deren Freiheitswillen zu tilgen
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben: Di 20. Dez 2022, 10:57 Ich habe nirgendwo behauptet, dass du etwas über Kolonialmächte und ihre Verbrechen in Kolonien geschrieben hättest, sondern, dass du dich der gleichen Argumentationsmuster und/oder der gleichen Argumente bedienst bzw dir diese zu eigen machst, wenn du von "ritualisierter Erinnerungskultur" redest.


1. Nein, das hast du NICHT geschrieben.

2. ist eine solche Argumentstion (Israel sei eine Art "Fremdkörper") Antisemitismus in Reinkultur! UND

3. liegt heutige Staat Isreal exakt auf dem Gebiet der historischen Provinzen/Regionen Judäa und Samaria, d.h. umfasst das heutige Staatsgebiet des Staates Israel das historische Siedlungsbebiet der Juden und ihres historischen Königreiches, welches als römische Provinz bis ins Jahr 135 aD existierte.
Das historische Gebiet Palästina war das das Gebiet des heutigen Gazastreifens.
Es war Kaiser Hadrian, der das Gebiet der Provinzen Judäa und Samaria in Syria Palästina umbenannte, um jede Erinnerung an die ursprünglichen Siedler und deren Freiheitswillen zu tilgen
Also komm, D.A., du hast auch schon mal mit hellerem Köpfchen argumentiert. Selbstverständlich ist die Argumentation, Israel sei ein "Fremdkörper" Antisemitismus in Reinkultur. Ich habe das aber als Argument derjenigen bezeichnet, die sich in der gesamten Nachkriegszeit an militiärischen Aktionen gegen Israel beteiligten. Doch nicht als meine eigene! Ich bin kein Vertreter eines Staates dieser Region.

Ich will aber nochmal - es geht ja hier um Antisemitismus in Deutschland - auf die antisemitische Linie innerhalb der Linken verweisen. Erinnert sich noch jemand an die sogenannte "Fremdarbeiterrede" Oskar LaFontaines 2005 in Chemnitz? Man meinte zuweilen, es handele sich um eine Art Versprecher. Keineswegs. Der Mann hat Willen genug, um zu wissen und zu planen, was er sagt. Von "Familienvätern" war in derselben Rede die Rede, denen von den "Fremdarbeitern" die Arbeitsplätze weggenommen werden. KUrz darauf, 2007, gabs von ebenjenem LaFontaine die Forderung nach (wörtlich und belegt) "Eindämmung des Aggressionsstaates Israel". Und es gab daraufhin (wiederum belegt) ausdrücklichen Applaus von seiten der rechtsextremistischen NPD. Von einer (wörtlich und belegt) "lupenreinen NPD-Position" war von seiten des entsprechenden Generalsekretärs die Rede.

Auch hier ist die Formulierung bewusst gewählt und sollte beachtet werden. Von "Aggressionen eines Staates" zu reden ist etwas völlig anderes als von einem "Agressionsstaat" zu reden. Letztere Formulierung stellt einen Staat als von anfang an und im Kern auf Agression ausgerichtet und konstruiert dar.

Ich meine und behaupte: Es führt eine gerade antisemitische Linie von der stalinschen "Ärzteverschwörung" ab 1952 über die Intellektuellenfeindlichkeit in der DDR (die häufig zugleich eine so nicht genannte Judenfeindlichkeit war) und über die LaFontainesche Fremdarbeiterrede und seinem Eintreten für den offen und extrem antisemitischen Journalisten Ken Jebsen bis hin zu #aufstehen und "Die Selbstgerechten" innerhalb der politischen Kräfte, die sich als "links" sehen. "Aufstehen" wird in mehreren Kommentaren und Analysen als "fischen am rechten Rand" gesehen.

Die Frage, was eigentlich und interessenmäßig dahinter steht, ist vielleicht nicht so leicht zu beantworten. Eine sehr interessante These habe ich erst kürzlich erklärt bekommen: Dass letztendlich der Liberalismus als gescheitert angesehen werden muss. Und zwar paradoxerweise auf Grund seines Erfolgs. Es habe sich zwischen dem "Wirtschaftsliberalismus" bzw. "Neoliberalismus" auf der einen und dem traditionellen politischen Liberalismus auf der anderen Seite eine Lücke aufgetan. Und in dieses Vakuum strömten nun alle möglichen diffusen Ideen ein. Vor allem verschwörungstheoretische. Von den Impfgegnern über die Identitären und die Reichsbürger und Querdenker bis in zu "Israelkritikern", Putin- und Orbánfreunden, Trumpisten und gleichzeitig auch USA-Verteufelern oder auch Anhängern der These eines geplanten "Bevölkerungsaustausch". Und für Verschwörungstheorien aller Art gibt es diese historische Vorlage und Schablone des Antisemitismus.

Eine Revitalisierung des ursprünglichen politischen Liberalismus halte ich für die beste Gegenstrategie. Es geht dabei um Freiheit im eigenen Denken. Nicht um die Freiheit, tun und lassen zu können, was man will.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Diplomatensohn5000 »

Was macht Jebsen für Dich "extrem antisemitisch"?
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Dieter Winter
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Dieter Winter »

Diplomatensohn5000 hat geschrieben: Mi 21. Dez 2022, 08:58 Was macht Jebsen für Dich "extrem antisemitisch"?
Ich hoffe doch sehr, dass diese "Frage" sarkastisch gemeint ist.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Diplomatensohn5000 »

Dieter Winter hat geschrieben: Mi 21. Dez 2022, 09:43 Ich hoffe doch sehr, dass diese "Frage" sarkastisch gemeint ist.
Sie ist vollkommen wertungsfrei und wartet auf Antwort.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Dieter Winter »

Diplomatensohn5000 hat geschrieben: Mi 21. Dez 2022, 09:52 Sie ist vollkommen wertungsfrei und wartet auf Antwort.
Wie wäre es mit "Shoa als PR Erfindung"?
https://rap.de/allgemein/53583-verschwo ... open-gang/

Jebsen schildert seine Äußerung in einem Chat mit Henryk Broder wie folgt:
Also habe ich morgens irgendwann geschrieben: »Sie müssen mir nicht den Holocaust erklären, ich weiß, wer ihn als PR erfunden hat.«
Zuletzt geändert von Dieter Winter am Mi 21. Dez 2022, 10:00, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Diplomatensohn5000 »

Dieter Winter hat geschrieben: Mi 21. Dez 2022, 09:56 Wie wäre es mit "Shoa als PR Erfindung"?
https://rap.de/allgemein/53583-verschwo ... open-gang/
Das schon. Es bleibt halt zu klären, ob der Typ überhaupt zurechnungsfähig ist.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Dieter Winter »

Diplomatensohn5000 hat geschrieben: Mi 21. Dez 2022, 10:00 Das schon. Es bleibt halt zu klären, ob der Typ überhaupt zurechnungsfähig ist.
Spielt das bei der Frage nach antisemitischer Einstellung eine Rolle?
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Diplomatensohn5000 »

Dieter Winter hat geschrieben: Mi 21. Dez 2022, 10:02 Spielt das bei der Frage nach antisemitischer Einstellung eine Rolle?
Bei der Frage, ob man diese zu vertreten hat, natürlich schon.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von schokoschendrezki »

Diplomatensohn5000 hat geschrieben: Mi 21. Dez 2022, 09:52 Sie ist vollkommen wertungsfrei und wartet auf Antwort.
Das mindeste, was dazu zu sagen ist: Dass Jebsen mit diesem grundsätzlich glaubhaftmachenwollenden aber im Konjunktiv formulierten Stil Räume auch für antisemitische Verschöwrungstheorien öffnet. Er muss Begriffe wie "Juden-Kapitalismus" gar nicht unbedingt selbst in den Mund nehmen. Er führt seine Hörer und Leser soweit an diesen Begriff heran, dass sie eigentlich nur noch das letzte kleine Schrittchen machen müssen. Seine sämtlichen vorgebrachten Verschwörungstheorien bilden die Teile eines Puzzles, das man sich dann nur noch zusammensetzen muss: Zum Beispiel: Das Judentum steuert die Welt und Ziel ist ein weltbeherrschendes Groß-Israel. Nicht-evidenzbasierte politische Argumentation öffnet Räume auch für antisemitische Verschwörungstheorien. Völlig unabhängig davon, ob Leute wie Jebsen nun etwas gegen konkrete Juden als reale Gegenüber-Personen haben oder nicht.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Dieter Winter »

Diplomatensohn5000 hat geschrieben: Mi 21. Dez 2022, 10:09 Bei der Frage, ob man diese zu vertreten hat, natürlich schon.
Natürlich hat er das. Antisemitismus ist generell meschugge.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben: Mi 21. Dez 2022, 08:36 Fullquote
Wie erwartet, machst du wieder mal das, was du am besten kannst, wenn du nicht mehr weiter weißt - ausschweifen, ablenken, schreddern.
Es geht hier weder um eine Rede aus dem Jahre 2007 oder Judenverfolgung während der Stalin-Ära, es geht ganz konkret um das hier und jetzt, um dem brandaktuellen Antisemitismus auf der Documenta und darum, dass dieser Antisemitismus bis heute relativiert und geduldet wird, dass keinerlei Schlüsse gezogen nwurden und werden, sondern die Protagonisten noch hofiert werden, indem sie Gastprofessuren an deutschen Unis erhalten.
Und nochmal: indem du von "ritualisierter Erinnerungskultur" sprichst, machst du dir die Argumente/Argumntationslinien linker Holocaustrelativierer zu eigen. Aus der Nummer kommst du auch mit noch so viel Geschwätz nicht heraus!
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von schokoschendrezki »

Auch dieser "Zensur"-Vorwurf gegen Jebsen gehört letztendlich zu den Verschwörungstheorien. Werden bzw. wurden aktive BDS-Unterstützer wie der Musiker Roger Waters oder der Schriftsteller Henning Mankell irgendwie unterdrückt oder zensiert? Überhaupt nicht. Gigantische Bombastkonzerte auf der einen und Publikationen mit Riesenauflagen auf der anderen Seite.

Dieser Vorwurf der "Meinungsunterdrückung" umfasst allerdings nicht nur Israelkritiker und solche dies sein wollen. Sondern auch z.T. die Kritiker der Israelkritiker. Zumindest in einem Land wie Deutschland gibt es - außerhalb des Rechts - keine "Meinungsunterdrückung". Grundsätzlich. Es gibt lediglich ein nicht-in dem-Maße-wahrgenommen-werden-wie-andere. Und es gibt kritische Reaktionen natürlich. Wenn ein großer Teil der Presse Jebsen als Antisemiten bezeichnet, dann ist das selbst dann keine "Meinungsunterdrückung" wenn es nicht stimmen sollte. Es werden auch 99 Prozent der Presse kritisch auf die These von einer flachen Erde reagieren. Deshalb kann ich mich dieser These dennoch frei und ungehindert anschließen. Darüber publizieren. Einen flache-Erde-Blog betreiben.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben: Mi 21. Dez 2022, 10:31 Wie erwartet, machst du wieder mal das, was du am besten kannst, wenn du nicht mehr weiter weißt - ausschweifen, ablenken, schreddern.
Es geht hier weder um eine Rede aus dem Jahre 2007 oder Judenverfolgung während der Stalin-Ära, es geht ganz konkret um das hier und jetzt, um dem brandaktuellen Antisemitismus auf der Documenta und darum, dass dieser Antisemitismus bis heute relativiert und geduldet wird, dass keinerlei Schlüsse gezogen nwurden und werden, sondern die Protagonisten noch hofiert werden, indem sie Gastprofessuren an deutschen Unis erhalten.
Und nochmal: indem du von "ritualisierter Erinnerungskultur" sprichst, machst du dir die Argumente/Argumntationslinien linker Holocaustrelativierer zu eigen. Aus der Nummer kommst du auch mit noch so viel Geschwätz nicht heraus!
Der ritualisierten Erinnerungskultur stehen lebendige Veranstaltungen entgegen wie etwa die "Radikalen Jüdischen Kulturtage" am Gorki-Theater in Berlin.
Zehn Tage lang übernehmen desintegrierte Jüdinnen und Juden, Verbündete, Alliierte, Inglourious Poets aller Art das Studio Я. Die Radikalen Jüdischen Kulturtage den determinierten Boden der Jetztzeit. Im Visier: die deutsche Gegenwart, die es durcheinanderzubringen und neu zu ordnen gilt. Wir sind alle Teil des Problems. Wir sind alle Teil der Lösung.
Nur zu. Im Grunde genommen dienen solche Aktivitäten ja u.a. dazu, Menschen wie dich aus der Reserve zu bringen. Solange es Veranstaltungen wie diese gibt, ist der Kampf gegen Antisemitismus in Deutschland noch lange nicht verloren.

Und den Antisemitismus innerhalb der Linken wird man nicht verstehen, wenn man nicht über seine historischen Verwurzelungen nachdenkt. Und statt dessen seine persönlichen Abneigungen auslebt.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Seidenraupe »

schokoschendrezki hat geschrieben: Mi 21. Dez 2022, 10:44
Und den Antisemitismus innerhalb der Linken wird man nicht verstehen, ----
man muss ihn nicht verstehen, sondern bekämpfen.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben: Mi 21. Dez 2022, 10:44 Der ritualisierten Erinnerungskultur stehen lebendige Veranstaltungen entgegen wie etwa die "Radikalen Jüdischen Kulturtage" am Gorki-Theater in Berlin.
Echt jetzt? Willst du mir (uns) wirklich unterjubeln, bei den "Radikalen Jüdischen Kulturtagen" handele es sich um verantwortungsbewussten Umgang mit der Shoa/dem Holocaust? Nich wirklich oder?
Gerade bei diesen "Radikalen Jüdischen Kulturtagen" wird die Shoa/der Holocaust relativiert, indem dieses Verbrechen - vom Initiator selbst, in eiunem Atemzug mit anderen genannt wird:

Dabei hat sich der Blick auf die Vielfalt existierender Gewaltgeschichten ausgeweitet – neben Interner Link:Antisemitismus kommt auch die Geschichte des Interner Link:Kolonialismus, von Interner Link:Rassismus und Interner Link:Ableismus, der Interner Link:Diskriminierung von Sinti*ze und Rom*nja oder Interner Link:Sexismus in den Blick. Und das ergibt ja auch Sinn, denn Erinnerungskultur, die ihrem eigenen Anspruch gerecht werden will, muss in der Gegenwart auch andere Formen der Diskriminierung thematisieren.

schokoschendrezki hat geschrieben: Mi 21. Dez 2022, 10:44Im Grunde genommen dienen solche Aktivitäten ja u.a. dazu, Menschen wie dich aus der Reserve zu bringen.
Da ich mich nicht in der Reserve befinde, muss ich auch nicht aus der Reserve gebracht werden.
schokoschendrezki hat geschrieben: Mi 21. Dez 2022, 10:44Solange es Veranstaltungen wie diese gibt, ist der Kampf gegen Antisemitismus in Deutschland noch lange nicht verloren.
Ganz im Gegenteil, solche Veranstzaltungen zeigen, wie wichtig der Kampf gegen Antisemitismus - und ganz besonders gegen linken Antisemitismus - ist.
Es sind (vorsicht Metapher) die Meinungs- und Faschingsjuden, die zu erklären versuchen, was Erinnerung(skultur) im Zusammenhang mit der Shoa/dem Holocaust zu sein und wie sie abzulaufen hat.
Ich sage es nochmal: es gibt Regeln, nach denen festgelegt ist, wer Jude ist bzw wer dem Judentum zugehörig ist.
Jude sein, ist nicht einfach eine Religionszugehörigkeit, sondern eine Volkzugehörigkeit. Juden verstehen sich seit fast 3000 Jahren als Volk und daran hat sich bis heute nichts geändert und daran ändern auch die so genannten Reformjuden nichts. Jude ist, wer eine jüdiche Mutter hat, NICHT wer einen jüdischen Vater hat.
schokoschendrezki hat geschrieben: Mi 21. Dez 2022, 10:44Und den Antisemitismus innerhalb der Linken wird man nicht verstehen, wenn man nicht über seine historischen Verwurzelungen nachdenkt. Und statt dessen seine persönlichen Abneigungen auslebt.
Antisemitismus - egal ob links oder rechts muss man nicht verstehen, man muss auch nicht über historische Wurzeln nachddenken, man muss Antisemitismus bekämpfen, wo immer man ihn antrifft!
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben: Mi 21. Dez 2022, 10:31 Wie erwartet, machst du wieder mal das, was du am besten kannst, wenn du nicht mehr weiter weißt - ausschweifen, ablenken, schreddern.
Es geht hier weder um eine Rede aus dem Jahre 2007 oder Judenverfolgung während der Stalin-Ära, es geht ganz konkret um das hier und jetzt, um dem brandaktuellen Antisemitismus auf der Documenta und darum, dass dieser Antisemitismus bis heute relativiert und geduldet wird, dass keinerlei Schlüsse gezogen nwurden und werden, sondern die Protagonisten noch hofiert werden, indem sie Gastprofessuren an deutschen Unis erhalten.
Der documenta-Skandal ist zwar eine 2022 relevante oder vielleicht auch die relveanteste Angelegenheit in Sachen Antisemitismus aber (leider) nicht die einzige. Vor allem weil es wie früher auch tätliche Angriffe oder auch Beschädigungen an Synagogen gab.

Ich will aber dennoch auf diese Gastprofessuren von Mitgliedern des ruangrupa-Kollektivs in Hamburg (Iswanto Hartono und Reza Afisina) eingehen. Die ich - nicht anders als etwa Hamburgs grüne Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank - auch für skandalös halte.

Das Problem bei reflexhaften Entgegnungen der Art "Man sollte diese Berufungen zurückziehen" besteht in dem Wort "man". Es gibt kein "man". In der Bundesrepublik existiert das Bildungssystem nicht jenseits von Rechtsstaatlichkeit und diese Berufungen wurden von der Hamburger Hochschule für bildende Künste (HFBK) an den Deutschen Akademischen Auslandsdienst bereits Anfang des Jahres gestellt und genehmigt. Auch bei Gastprofessuren gibt es einen Dienstvertrag und soweit ich es überblicke ist für eine Vertragsauflösung oder Suspendierung des Lehrauftrags eine Verletzung dieses Vertrags nachzuweisen. Allein die Mitgliedschaft in einer informellen Künstlergruppe dürfte dafür nicht ausreichen. Eine ausdrückliche Straftat sicherlich - aber die liegt nicht vor.

Möglicherweise ist eine solche Suspendierung über eine Verfassungsklage erreichbar. Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall gab es bei der Vorstellungsveranstaltung dieser Professuren in Hamburg soviel Proteste, dass diese Veranstaltung abgebrochen werden musste. Man könnte, das ist meine Meinung, das Mitspracherecht von Studenten bzw. studentischen Vertretungen in irgendeiner Form so erweitern, dass zumindest eine (selbstverständlich friedliche) Boykottierung der Lehrveranstaltung solcher Personen durch Studenten auf legalem Wege möglich ist. Damit würden natürlich auch Boykottierungen wie die der Biologin Marie Luise Vollbrecht an der Humboldt Uni in Berlin in irgendeiner Form legalisiert werden. Solange dies in irgendwie verrechtlichten Bahnen stattfindet, hätte ich kein Problem damit. Wie siehst du das?

Dann nocheinmal zurück zu diesem indonesischen Künstlerkollektiv ruangrupa. Einigermaßen überrascht war ich, dass als (finanzieller) Haupt-Unterstützer nicht etwa wie bei Hamas ein reicher Golfstaat wie Katar steht sondern die US-amerikanische Henry-Ford-Stiftung. Die in ihrem aktuellen Selbstbild sich als philantropisch und für Gerechtigkeit in der Welt kämpfend sieht. Wie ernst und ehrlich das auch immer gemeint ist ... dazu kenne ich deren Programm zu wenig oder eigentlich eher garnicht ... Allgemein bekannt ist, dass Gründer Henry Ford nicht nur Automobilbaupionier sondern auch ein so überzeugter Antisemit war, dass er die Publikationen entsprechender Schriften unterstützte. (Vor allem, in deutscher Übersetzung: "Der internationale Jude: Ein Weltproblem"). Auch wenn dich historische Bezüge im Zusammenhang mit dem Strangthema nicht interessieren: Auch hier wurden ganz wesentliche antisemitische Erzählungen und Stereotype vertieft und verbreitet. Vor allem hinsichtlich dieser VT einer jüdischen Weltverschwörung. Auf jeden Fall: Wenn dieses Künstlerkollektiv oder Mitglieder dieser Gruppe es mit der Beteuerung "Wir sind keine Antisemiten" ernst meinen, dann hätten sie meiner Meinung nach mit der Trennung von diesem Finanzier trotz des materiellen Verlusts Gelegenheit, diese Aussage glaubhaft zu machen.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben: Mi 21. Dez 2022, 18:37 Gerade bei diesen "Radikalen Jüdischen Kulturtagen" wird die Shoa/der Holocaust relativiert, indem dieses Verbrechen - vom Initiator selbst, in eiunem Atemzug mit anderen genannt wird:
Das ist keine Relativierung. Ganz aktuelle Beispiele für solche Relativierungen sind etwa das Tragen eines gelben Sterns mit der Aufschrift "ungeimpft". Eine Relativierung setzt einen direkten Vergleich voraus. Die Hinzufügung von weiteren Themen anlässlich eines Gedenkens an die Shoah ist eben dies: Eine Hinzufügung.

Was Du eine "Relativierung" nennst ist einfach die - eigentlich selbstverständliche - Einsicht, dass historische Ereignisse nicht im luftleeren Raum stattfinden. Die Singularität des Holocaust bedeutet nicht, dass dieses Menschheitsverbrechen außerhalb historischer Verläufe stattgefunden hat. Man muss eher befürchten, dass diese Ereignisse als gewissermaßen beziehungs- und zeitlos gesehen werden. Tut man dies nicht, ist man einfach immer gewissermaßen in allen Weltverknüpfungen mit drin.
Dark Angel hat geschrieben: Mi 21. Dez 2022, 18:37 Ich sage es nochmal: es gibt Regeln, nach denen festgelegt ist, wer Jude ist bzw wer dem Judentum zugehörig ist.
Jude sein, ist nicht einfach eine Religionszugehörigkeit, sondern eine Volkzugehörigkeit. Juden verstehen sich seit fast 3000 Jahren als Volk und daran hat sich bis heute nichts geändert und daran ändern auch die so genannten Reformjuden nichts. Jude ist, wer eine jüdiche Mutter hat, NICHT wer einen jüdischen Vater hat.
Ich will darauf nicht weiter eingehen sondern nur darauf hinweisen, dass die Nazis während der NS-Zeit es bei der Judenverfolgung mit der Unterscheidung von Juden und Menschen jüdischer Herkunft ("Vaterjuden" z.B.) nicht ganz so genau genommen haben wie Du. Das betrifft insbesondere Czolleks jüdischen Großvater. Ich nehme an bzw. hoffe, dass Du Menschen wie ihn vom Gedenken an die Opfer des NS-Regimes nicht ausschließen möchtest. Das tun jedenfalls auch die 278 jüdischen Personen des öffentlichen Lebens nicht, die in einem offenen Brief sich für Czollek einsetzten und ihm sehr wohl seine Rolle als Sprecher für eine irgendwie jüdische Angelegenheit zuerkannten.

Es wird aber zurecht darauf hingewiesen, dass diese Diskussion in der Heftigkeit, mit der sie öffentlich geführt wird, nicht das eigentliche Problem "Antisemitismus in Deutschland" überdecken darf.
Antisemitismus - egal ob links oder rechts muss man nicht verstehen, man muss auch nicht über historische Wurzeln nachddenken, man muss Antisemitismus bekämpfen, wo immer man ihn antrifft!
Der deutsche Begriff "verstehen" ist im Gebrauch ambivalent. "verstehen" im Sinne von "Verständnis" haben und "verstehen" im Sinne von "Zusammenhänge begreifen". Selbstverständlich war letzteres gemeint. "Bekämpfen" ohne "Nachdenken" .... das ist eine Nullaussage.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben: Do 22. Dez 2022, 12:55 Das ist keine Relativierung. Ganz aktuelle Beispiele für solche Relativierungen sind etwa das Tragen eines gelben Sterns mit der Aufschrift "ungeimpft". Eine Relativierung setzt einen direkten Vergleich voraus. Die Hinzufügung von weiteren Themen anlässlich eines Gedenkens an die Shoah ist eben dies: Eine Hinzufügung.
Doch, es handelt sich um eine Relativierung, weil Czollek nicht nur direkt vergleicht, sondern darüber hinaus geht - er setzt gleich. Er fügt eben NICHT hinzu, sondern nennt gleichzeitig/in einem Atemzug
schokoschendrezki hat geschrieben: Do 22. Dez 2022, 12:55Was Du eine "Relativierung" nennst ist einfach die - eigentlich selbstverständliche - Einsicht, dass historische Ereignisse nicht im luftleeren Raum stattfinden.
1. ist das KEINE neue "Einsicht", sondern allgemeingültiges Verständnis in den Geschichtswissenschaften - nennt sich hisstorischer Kontext.

2.werden geschichtliche Ereignisse IMMER im geschichtlichen Kontext (aus ihrer Entstehunggeschichte heraus) betrachtet und verstanden UND betrachtet und NICHT aus heutigen Moralvorstellungen heraus
schokoschendrezki hat geschrieben: Do 22. Dez 2022, 12:55Die Singularität des Holocaust bedeutet nicht, dass dieses Menschheitsverbrechen außerhalb historischer Verläufe stattgefunden hat.
Das behauptet auch niemand und unterstellt auch niemand - außer dir!
Der Holocaust stellt ja gerade deshalb eine Singularität dar, WEIL in einem bestimmten historischen Kontext, basierend auf einer bestimmten Ideologie stattgefunden hat und auch nur stattfinden konnte.
schokoschendrezki hat geschrieben: Do 22. Dez 2022, 12:55Man muss eher befürchten, dass diese Ereignisse als gewissermaßen beziehungs- und zeitlos gesehen werden. Tut man dies nicht, ist man einfach immer gewissermaßen in allen Weltverknüpfungen mit drin.
Nein, das muss man NICHT befürchten(!), jedenfalls nicht bei Menschen, die Lehren aus der Geschichte ziehen und Geschichte aus sich selbst heraus verstehen bzw verstehen wollen.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Tom Bombadil »

Ein weiteres Beispiel aus dem Kunstbetrieb:
Bonaventure Soh Bejeng Ndikung übernimmt 2023 die Intendanz einer der wichtigsten Berliner Kulturinstitutionen. Jetzt hat sich der Kurator sich gegen Vorwürfe gewehrt, er sei israelfeindlich. Seine Verteidigung ist typisch für eine fragwürdige Tendenz im deutschen Kulturbetrieb.
https://www.welt.de/kultur/article24205 ... ikung.html

Der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland meint dazu:
Gleichzeitig kritisiere ich ausdrücklich, dass der designierte Intendant mehrfach Positionen der BDS-Bewegung unterstützt hat, die zum Boykott von israelischen Waren, Unternehmen, Wissenschaftlern, Künstlern und Sportlern aufruft und das Existenzrecht Israels in Frage stellt. [..] Es ist eindeutig als israelfeindlich zu bewerten, wenn Herr Ndikung in einem Text zu einer 2018 von ihm kuratierten Ausstellung die Siedlungspolitik des Landes als "Kolonialismus" bezeichnet.
https://www.antisemitismusbeauftragter. ... ikung.html
The tree of liberty must be refreshed from time to time with the blood of patriots and tyrants. It is its natural manure.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Schnitter »

Die Leute von RTL2 haben offensichtlich gar nichts begriffen und wollten dem Leerdenker und glühendem Vertreter antisemitischer Verschwörungstheorien, Michael Wendler, eine Plattform bieten.

Jetzt ist man, oh Wunder, zurückgerudert, weil die Leute das nicht ganz so "lustig" fanden:

https://www.watson.de/unterhaltung/prom ... nsequenzen

Was für unsäglich hohle Fritten arbeiten da bitteschön ?
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen den Antisemitismus

Beitrag von JJazzGold »

Gelöscht.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Vongole »

Tom Bombadil hat geschrieben: Mo 10. Apr 2023, 11:13 Tja, angeblich wurde die Demo von den Veranstaltern abgesagt, jetzt ziehen sie trotzdem durch die Straßen und hetzen gegen Juden und niemand unternimmt etwas. Deutschland 2023 :dead:
Hab das mal hierher gezogen:
Der Vize-Chef der Polizeigewerkschaft forderte ja auf Twitter: „Antisemitismus muss in Deutschland mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werden. Die Demo in Berlin ist erneut ein Bild der Schande.“
Von wem fordert er das? Von seinen Kollegen, die keinerlei Grund zum Einschreiten sahen?
https://www.tagesspiegel.de/berlin/hatt ... 35474.html
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"It's God's job to judge the terrorists, it's our duty to arrange that meeting." (IDF)
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Tom Bombadil »

Immer das gleiche betroffene Gerede und die Rufe nach hartem Durchgreifen, es passiert aber nichts, im Zweifel hängt man lieber Israelfahnen ab und nennt es "Deeskalation", als sich mit einem gewaltbereiten pali-arabischen Mob anzulegen.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Vongole »

Mit einem Kanzler Scholz wird da sicherlich nicht durchgegriffen. :dead:
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von JJazzGold »

Vongole hat geschrieben: Mo 10. Apr 2023, 18:04 Hab das mal hierher gezogen:
Danke, dass du mich höflich vorher als Verfasserin gefragt hast, bevor du meinen Beirag willkürlich verschoben hast.


Wo fand der Vorfall statt?
In Berlin
Welche Polizei war zuständig?
Die Berliner Polizei.
Wo findet der al-Quds Tag jährlich statt, der jetzt abgesagt wurde?
In Berlin.

Wo auch immer sich in Deutschland Antisemitismus breit macht, dieser Vorfall kann nicht, rpt nicht, Hamburg, Frankfurt, Düsseldorf, München, Stuttgart, Dresden, Leipzig und den restlichen acht Landeshauptstädten angedichtet werden.
Solche Vorfälle sind inzwischen eindeutig zuzuordnen.
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von Vongole »

JJazzGold hat geschrieben: Mo 10. Apr 2023, 18:30 Danke, dass du mich höflich vorher als Verfasserin gefragt hast, bevor du meinen Beirag willkürlich verschoben hast.
(..)

Ich habe das Thema hierher verschoben, weil Antisemitismus ein gesamtdeutsches Problem, und es überdies Aufgabe der Bundesregierung ist, Vereine wie Samidoun zur Teror-Organisation zu erklären.
Schließlich wurde deren Mutterpartei PFLP europaweit derart eingestuft.
Keine Stadt, auch nicht Berlin, müsste solche Demonstrationen dann erlauben.
Am Yisrael Chai

"It's God's job to judge the terrorists, it's our duty to arrange that meeting." (IDF)
elmore
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Re: Verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?

Beitrag von elmore »

Hier geht es nicht um Berlin als Landeshauptstadt ("ostdeutsche shithole city") wie jemand schrieb, sondern um die BUNDESHAUPTSTADT Berlin, an deren Regierungsitz der Regierung der BUNDESREPUBLICK DEUTSCHLAND (bis hinein in das Kanzleramt) offen Antisemitismus und Judenhetze zugesehen wird.

Diese regelmäßige Al Quds-Drecksparolenparade als spezifisch landespolitisches Defizit des Bundeslands Berlin zu sehen, ist eine in meinen Augen wenig zielführende Herangehensweise an das ungelöste Problem, den Antisemitismus in D, wirklich und politisch gewollt, zu bekämpfen.

So als ob Antisemitismus nur und hauptsächlich im "Bundesland" Berlin stattfindet...
Putin ist kein Politiker, sondern ein krimineller Schwerverbrecher. Wie Israel sich wehrt, ist nicht verkehrt.
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