Anhänger der Philosophie Epikurs

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Dark Angel
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(30 Dec 2017, 11:36)

Ich hoffe, dass ich nicht wieder deinen Zorn auf mich ziehe, denn ich bin kein Epikur-Kenner, möchte aber dennoch etwas zu zwei Punkten sagen:

Die Geschichte mit dem Tod finde ich sehr nachvollziehbar. Mit dem von dir Beschriebenen kann man über dieses Thema mit mehr Gelassenheit nachdenken. Ich kenne ehrenamtliche Sterbebegleiter persönlich. Vielleicht könnte man denen unter anderem auch mal Epikur empfehlen, zumindest in Hinsicht auf seine Gedanken zum Tod.
In Epikurs Ethik geht es um ein "Leben in Glückseligkeit" auf das alle Handlungen ausgerichtet sind Antrieb und Ziel sind dabei Lust. Unter Lust versteht Epikur das "Wohlbefinden von Körper und Seele" - die Freiheit von Schmerz und (seelischem) Leid.
Nachdenken über den Tod - darüber welche "Lücke" man reißt, welche Empfindungen der Tod bei Angehörigen auslöst etc steht diesem Wohlbefinden entgegen, löst seelisches Leid aus.
Darum unterscheidet Epikur auch nur zwischen den "Zuständen" Leben - weil nur der lebende Mensch zu Empfindungen fähig ist, nach Glück streben kann und Tod - dem Ende von allem.
Den Prozess des Sterbens blendet Epikur komplet aus. Über den Tod nachzudenken erachtet Epikur als sinnlos, weil der Tod unabänderlich und unausweichlich ist, über den Tod hinaus zu denken ist für ihn genauso sinnlos, weil Tote keinerlei Einfluss (mehr) nehmen können.
Inwieweit eine solche Denkweise (Ethik) für einen Sterbenden hilfreich ist oder sein kann, ist (zumindest) zweifelhaft.
Wer friedlich im Schlaf stirbt, braucht keinen Sterbebegleiter und wer eines Solchen bedarf, hat wahrscheinlich andere Sorgen und Probleme als über die Unabänderlichkeit und Unausweichlichkeit des Todes nachzudenken.
Ich denke auch, die wenigsten Menschen fürchten sich vor dem Tod, sie fürchten das Sterben - den Prozess des Sterbens - und das ist etwas, womit sich Epikur nicht beschäftigt. Weiter denke ich, dass es für den Sterbenden wichtig ist, nicht allein zu sein, nicht allein sein zu müssen, dass sie trotz aller Agonie spüren, wenn Angehörige bei ihnen sind, sie "begleiten", sie Abschied nehmen können. Ich vermute, dass dies auch die Hauptaufgabe von Sterbebegleitern ist.
Selina hat geschrieben:(30 Dec 2017, 11:36)Die zweite Geschichte, die mit der Leidenschaft, sehe ich anders. Sicher sollte man in seinem Leben darauf achten, dass einen die Leidenschaften nicht übermannen, sondern dass eine gewisse Ausgewogenheit der Gefühle vorherrscht. Ansonsten würde man sich kaputt machen. Aber ganz ohne Leidenschaft - so sehe ich das zumindest - wäre das Leben sehr arm. Es gibt viele Bereiche, wo eine ordentliche Portion Leidenschaft unabdingbar ist, zum Beispiel Liebe, Kunst, Hochleistungssport, Forschung etcpp. Ohne Leidenschaft gäbe es ganz sicher einige wichtige Errungenschaften gar nicht, die heute aus dem Leben nicht mehr wegzudenken sind.
Genau darum geht es ja - sich nicht von Leidenschaften beherrschen zu lassen, sondern die Leidenschaft zu beherrschen, sich Grenzen setzen und diese Grenzen immer wieder (suzessive) verschieben, seine Potentiale erkennen und ausschöpfen.
Genau das ist auch mit "Maß halten" - Ausgewogenheit der Gefühle, wie du es nennst - gemeint.
Dieses "Maß halten" hat ja nichts mit Mittelmäßigkeit zu tun.
Vielleicht sollte man auch zwischen Begeisterung (für eine Sache) und Leidenschaft unterscheiden - Begeisterung, die uns zu Höchstleistung befähigt und Leidenschaft, die immer den Keim von Zerstörung/Selbstzerstörung in sich birgt.
Du kennst sicherlich den Spruch:
Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht und Leiden schafft"

und das beschränkt sich keinesfalls nur auf Liebesbeziehungen.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Selina
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von Selina »

Dark Angel hat geschrieben:(30 Dec 2017, 12:41)

Ich denke auch, die wenigsten Menschen fürchten sich vor dem Tod, sie fürchten das Sterben - den Prozess des Sterbens - und das ist etwas, womit sich Epikur nicht beschäftigt. Weiter denke ich, dass es für den Sterbenden wichtig ist, nicht allein zu sein, nicht allein sein zu müssen, dass sie trotz aller Agonie spüren, wenn Angehörige bei ihnen sind, sie "begleiten", sie Abschied nehmen können. Ich vermute, dass dies auch die Hauptaufgabe von Sterbebegleitern ist.
Ja, genau. So meinte ich das auch. Das hat jetzt nichts mit Epikur zu tun, das ist nur meine jahrelange Erfahrung und meine Überzeugung: Man sollte sich durchaus mit dem Sterben UND dem Tod befassen, was ja in den verschiedenen Religionen und unter Atheisten völlig unterschiedlich aussieht und gehandhabt wird. Je mehr man darüber weiß, desto gelassener kann man damit umgehen. Gelassenheit ist das Stichwort. Und die lernt man nicht durch Weglassen oder Leugnen der Themen Tod und Sterben, sondern umgekehrt, mit einem Befassen damit. Das Sterben und der Tod gehört zum Leben dazu. Die Gedanken und Diskussionen darüber sollten nicht tabuisiert, aber auch nicht übertrieben werden. Nur so wird das alles zu einem Stück Normalität. Dazu sind Gelassenheit und Ausgewogenheit gute Ratgeber.
Dark Angel hat geschrieben:Genau darum geht es ja - sich nicht von Leidenschaften beherrschen zu lassen, sondern die Leidenschaft zu beherrschen, sich Grenzen setzen und diese Grenzen immer wieder (suzessive) verschieben, seine Potentiale erkennen und ausschöpfen.
Genau das ist auch mit "Maß halten" - Ausgewogenheit der Gefühle, wie du es nennst - gemeint.
Dieses "Maß halten" hat ja nichts mit Mittelmäßigkeit zu tun.
Vielleicht sollte man auch zwischen Begeisterung (für eine Sache) und Leidenschaft unterscheiden - Begeisterung, die uns zu Höchstleistung befähigt und Leidenschaft, die immer den Keim von Zerstörung/Selbstzerstörung in sich birgt.
Du kennst sicherlich den Spruch:
Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht und Leiden schafft"

und das beschränkt sich keinesfalls nur auf Liebesbeziehungen.
Ja klar, wer kennt diesen Spruch nicht ;) Mir geht es aber noch ein wenig um etwas anderes; und da werden wir sicher unterschiedlicher Meinung bleiben, was ich nicht schlimm finde. Ausgewogenheit und Gelassenheit in die eigene Gefühlswelt zu bringen, ist einfach mal ratsam. Ansonsten befände man sich in ständiger Aufruhr, was auf Dauer psychisch krank machen würde und auch niemand lange durchhält. Was aber als Konsequenz daraus möglichst nicht passieren sollte, ist, ein Leben zu führen, das gänzlich frei von Leidenschaft ist. "Leidenschaft" ist nicht nur negativ konnotiert. Leidenschaft bereichert.
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Dark Angel
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(30 Dec 2017, 14:42)

Ja, genau. So meinte ich das auch. Das hat jetzt nichts mit Epikur zu tun, das ist nur meine jahrelange Erfahrung und meine Überzeugung: Man sollte sich durchaus mit dem Sterben UND dem Tod befassen, was ja in den verschiedenen Religionen und unter Atheisten völlig unterschiedlich aussieht und gehandhabt wird. Je mehr man darüber weiß, desto gelassener kann man damit umgehen. Gelassenheit ist das Stichwort. Und die lernt man nicht durch Weglassen oder Leugnen der Themen Tod und Sterben, sondern umgekehrt, mit einem Befassen damit. Das Sterben und der Tod gehört zum Leben dazu. Die Gedanken und Diskussionen darüber sollten nicht tabuisiert, aber auch nicht übertrieben werden. Nur so wird das alles zu einem Stück Normalität. Dazu sind Gelassenheit und Ausgewogenheit gute Ratgeber.
Damit bewegen wir uns allerdings in die philosophische Richtung der Stoa, die Epikurs Lehren heftig kritisiert und sein "der Weise lebt zurück gezogen" als "Selbstgenügsamkeit" ablehnt
Selina hat geschrieben:(30 Dec 2017, 14:42)Ja klar, wer kennt diesen Spruch nicht ;) Mir geht es aber noch ein wenig um etwas anderes; und da werden wir sicher unterschiedlicher Meinung bleiben, was ich nicht schlimm finde. Ausgewogenheit und Gelassenheit in die eigene Gefühlswelt zu bringen, ist einfach mal ratsam. Ansonsten befände man sich in ständiger Aufruhr, was auf Dauer psychisch krank machen würde und auch niemand lange durchhält. Was aber als Konsequenz daraus möglichst nicht passieren sollte, ist, ein Leben zu führen, das gänzlich frei von Leidenschaft ist. "Leidenschaft" ist nicht nur negativ konnotiert. Leidenschaft bereichert.
Ganz so unterschiedlicher Meinung sind wir da gar nicht.
Der Leitspruch "Nichts im Übermaß" lehnt ja Leidenschaft, Begeisterungsfähigkeit nicht per se ab. Funktioniert auch gar nicht.
Es geht lediglich darum, sich nicht von seinen Leidenschaften beherrschen zu lassen.
Ob man das nun "Ausgewogenheit und Gelassenheit der eigenen Gefühlswelt" nennt oder "Maßvolle Lebensweise", kommt im Endeffekt auf's Gleiche raus. Jede Leidenschaft, jeder Exzess der einen beherrscht und von dem man sich beherrschen lässt, birgt den Keim von Zerstörung/Selbstzerstörung in sich.
Nein - Leidenschaft ist nicht nur und nicht per se negativ konnotiert - habe ich auch nicht behauptet - so lange man fähig und in der Lage ist diese Leidenschaften zu kontrollieren und zu lenken, sind sie durchaus eine Bereicherung, sind sie auch "Motor" zum Erbringen von Höchstleistungen.
Es besteht aber immer die Gefahr, an einem bestimmten Punkt, die Kontrolle zu verlieren - darum "Leidenschaft birgt den Keim der Zerstörung in sich".
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Zunder
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von Zunder »

"Als Leidenschaften galten seit der Zeit der Sophistik: Lust und Schmerz, Begierde und Furcht. Die Lust allerdings gilt Epikur nicht als Leidenschaft, da sie für ihn mit dem Zustand schmerzfreier unbewegter Ruhe zusammenfällt. Dagegen sind die Überwindung von Furcht, Begierde und Schmerz der Mittelpunkt seiner Lehre. Der Weg zu dieser Überwindung führt über das für die Gesundheit der Seele unentbehrliche Minimum philosophischer Einsicht. Durch die Erkenntnis des wahren Wesens der Gottheit wird die Furcht vor den Himmelserscheinungen überwunden. Durch die Erkenntnis des wahren Wesens der Seele wird die Furcht vor den Schrecknissen des Todes überwunden. Die Einsicht, dass alles naturgemässe Begehren begrenzt und leicht erfüllbar ist, ordnet die Begierde ein. Der Schmerz wird tragbar durch den Gedanken, dass heftiger Schmerz kurz, langandauernder Schmerz aber nicht heftig ist."
http://www.hgeiss.de/fremde/epikur.htm

"Die Harmonie zwischen diesen Polen der Wirklichkeit · die Ataraxia · macht dann das glückselige Leben aus. Diese Harmonie, dieses Maß, bestimmt sich im einzelnen Menschen prozeßartig und lebenslang immer wieder neu: Man verwirklicht sich sozusagen selbst als lebendiges Kunstwerk.
Als Sklaven unserer Lust sind wir wie Kinder oder Tiere. Um Herr zu sein, bedarf es der Kontrolle durch den Geist. Ist uns die Lust der höchste Wert, darf sie nicht maßlos wüten. Sie muß zur Ruhe kommen, sich auf das Wesentliche konzentrieren.
Somit entzaubert Epikur die Lust und raubt ihr die wohl spektakulärste Erscheinungsform: die Facette des Geilen. Es bleibt die Lust eines geläuterten und weisen alten Mannes, der seelenruhig die letzten Sonnenstrahlen des Spätherbstes genießt, meilenweit von jeder Erektion entfernt. Epikurs Strategie, angesichts einer dem Menschen stets drohenden Orgie an Wünschen und Sehnsüchten, ist die Suche nach einem subjektiv-menschlichen Maß, gleichsam die Suche nach einer Form der Kastration mit den Mitteln der Vernunft.
Letztlich geht es Epikur um die Förderung und Straffung der eigenen Person. Diese wird als potent erlebt und ist es wert, den Mittelpunkt des Interesses auszumachen. Auf materialistischer und rationaler Grundlage wird das äußerliche Leben den gegebenen Möglichkeiten optimal angepaßt."

http://www.wienerzeitung.at/themen_chan ... cnt_page=3

Es ist quasi eine Philosophie der "Vernunftlust". Ein kontrollierter Rausch ohne Kater.
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Selina
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von Selina »

Dark Angel hat geschrieben:(30 Dec 2017, 15:13)

Damit bewegen wir uns allerdings in die philosophische Richtung der Stoa, die Epikurs Lehren heftig kritisiert und sein "der Weise lebt zurück gezogen" als "Selbstgenügsamkeit" ablehnt


Ganz so unterschiedlicher Meinung sind wir da gar nicht.
Der Leitspruch "Nichts im Übermaß" lehnt ja Leidenschaft, Begeisterungsfähigkeit nicht per se ab. Funktioniert auch gar nicht.
Es geht lediglich darum, sich nicht von seinen Leidenschaften beherrschen zu lassen.
Ob man das nun "Ausgewogenheit und Gelassenheit der eigenen Gefühlswelt" nennt oder "Maßvolle Lebensweise", kommt im Endeffekt auf's Gleiche raus. Jede Leidenschaft, jeder Exzess der einen beherrscht und von dem man sich beherrschen lässt, birgt den Keim von Zerstörung/Selbstzerstörung in sich.
Nein - Leidenschaft ist nicht nur und nicht per se negativ konnotiert - habe ich auch nicht behauptet - so lange man fähig und in der Lage ist diese Leidenschaften zu kontrollieren und zu lenken, sind sie durchaus eine Bereicherung, sind sie auch "Motor" zum Erbringen von Höchstleistungen.
Es besteht aber immer die Gefahr, an einem bestimmten Punkt, die Kontrolle zu verlieren - darum "Leidenschaft birgt den Keim der Zerstörung in sich".
Ja, da kann ich mitgehen. Das kann man mit dem Bild einer Amplitude vergleichen, deren Ausschläge nach oben und nach unten am besten nicht so krass sein sollten, sondern die Schwingungen eher in sanften Wellen verlaufen. Dazwischen dürfen schon mal einzelne größere Schwingungen mit größerer Amplitude sein. Es gibt halt nur Leute, die immer besonders stolz auf ihre Gelassenheit in allen Lebenslagen sind, die aber auch dann Gelassenheit an den Tag legen, wo eigentlich Empörung oder Empathie angebracht wären. Sie bleiben quasi immer und bei jedem Anlass gleich "ruhig" und "gelassen", zeigen keinerlei leidenschaftliche Reaktion. Mal unabhängig davon, dass man sich je nach Typ und Temperament unterschiedlich emotional äußert, sehe ich bei allzu großer emotionsloser "Gelassenheit" keinen Grund, das nun als besonders positive menschliche Eigenschaft hervorzuheben. Aber das nur am Rande.
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Alpha Centauri
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von Alpha Centauri »

Dark Angel hat geschrieben:(30 Dec 2017, 10:02)

Es handelt sich gerade um keinen "Grundirrtum" Epikurs, weil er den Tod als Solchen für den Menschen als gleichgültig bezeichnet.
Lassen wir Epikur selbst zu Wort kommen - und zwar in einem Brief an Menoikeus:
"Mache dich mit dem Gedanken vertraut, daß der Tod für uns ganz gleichgültig sei, denn Wohl und Wehe leben in der Empfindung; der Tod ist aber nichts anderes als das Ende dieser Empfindung.
Wahren Lebensgenuß gewährt uns daher die aufrichtige Erkenntnis, daß der Tod für uns gleichgültig sei, nicht, weil sie unendliche Dauer verspricht, sondern weil sie uns die Gier nach Unsterblichkeit nimmt"


Für Epikur ist das Nachenken über den Tod, über das "Danach", über "das was was Angehörige, Freunde etc empfinden, wie sie ohne uns klarkommen, das eigentliche Übel, die Angst vor dem Tod.
Aber er hat eindeutig Recht damit, dass das alles den Toten überhaupt nicht mehr interessiert.

Und auch mit seiner Sichtweise, dass Leidenschaft "die Krankheit der Seele" sei, hat Epikur gar nicht so unrecht, weil Leidenschaften etwas Zerstörerisches in sich bergen ==> "Leiden schaffen".
Es gilt diese Leidenschaften zu beherrschen, sich nicht von diesen Leidenschaften beherrschen zu lassen - eben "Maß halten" ==> "Nichts im Übermaß"
Auch in der Philosophie der Stoa geht es um die Beherrschung der Leidenschaft(en), um Mäßigung. Bei Platon sogar eine der Kardinaltugenden. Und auch Descartes spricht sich für die Beherrschung der Leidenschaft(en) aus - durch "Kontrolle durch den Willen".

Naja zwischen Platon und Epikur bestehen.philosophisch erhebliche Unterschiede Epikur lehnt jedes spekulieren über Übernatürliches da es seiner Ansicht nach der Seelenruhe schädlich ist, auch eine Trennung von Körper und Geist lehnt Epikur ( wie erwähnt war Epikur ein Anhänger des antiken Atomismus des Leukipp, und Demokrit aus Abdera) strikt ab, daher auch eine Unsterblichkeit der Seele ( wie Platon sie vertritt) da mit dem Körper auch die Seele vergeht.

Was die Leidenschaft betrifft plädiert Epikur in der Tat für ein gezügeltes Maßhalten, da wie du schon gesagt hast Leidenschaften bekanntlich auch Leiden schaffen und durchaus auch eine psychologisch schädliche Seite haben.

Die Angst vor dem Tod hält Epikur für Unbegründet und eine unnötige Angst .Epikur :" solange wir da sind ist er nicht da, ist er da sind wir nicht mehr da, alles was in Auflösung begriffen ist besitzt keine Empfindungen, was aber keine Empfindungen mehr besitzt,dass braucht uns auch nicht zu bekümmern."
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von Sextus Ironicus »

Alpha Centauri hat geschrieben:(30 Dec 2017, 17:21)

Naja zwischen Platon und Epikur bestehen.philosophisch erhebliche Unterschiede Epikur lehnt jedes spekulieren über Übernatürliches da es seiner Ansicht nach der Seelenruhe schädlich ist, auch eine Trennung von Körper und Geist lehnt Epikur ( wie erwähnt war Epikur ein Anhänger des antiken Atomismus des Leukipp, und Demokrit aus Abdera) strikt ab, daher auch eine Unsterblichkeit der Seele ( wie Platon sie vertritt) da mit dem Körper auch die Seele vergeht.

Was die Leidenschaft betrifft plädiert Epikur in der Tat für ein gezügeltes Maßhalten, da wie du schon gesagt hast Leidenschaften bekanntlich auch Leiden schaffen und durchaus auch eine psychologisch schädliche Seite haben.

Die Angst vor dem Tod hält Epikur für Unbegründet und eine unnötige Angst .Epikur :" solange wir da sind ist er nicht da, ist er da sind wir nicht mehr da, alles was in Auflösung begriffen ist besitzt keine Empfindungen, was aber keine Empfindungen mehr besitzt,dass braucht uns auch nicht zu bekümmern."
Letzteres ist sicher der aus heutiger Sicht problematischste Teil seiner Gedankenwelt. Wir sind durchs Christentum gegangen seither, und mit der Entdeckung oder Erfindung des Subjekts und von Zeit und Zeitlichkeit, mit dem immer weiteren Öffnen der Zeitschere von Lebenszeit und Weltzeit verschärft sich auch der Blick auf die eigene Endlichkeit. Daraus resultiert dann jene Unruhe, die unsere Weltbeziehung immer stärker bestimmt.
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von Mia2706 »

Die tief verwurzelte Angst vor dem Tod ist nun mal bei den meisten Menschen tief verwurzelt vorhanden, ob begründet oder nicht.
Die Unausweichlichkeit des bevorstehenden Todes früher oder später ändert daran nichts. Die Vorstellung, in ein unendliches Nichts zu fallen, löst tiefes Unbehagen aus und ist mit keiner Logik auszumerzen.
Und weil das nicht vorstellbar ist, gibt es die Religionen, die Trost spenden wollen auf ein Paradies oder wie auch immer geartetes 'Weiterleben nach dem Tod.
Es mag sein, das alte Menschen dem Tod gelassener entgegen sehen.

Und weil es denn sein muss, wünscht sich jeder ein Sterben ohne Angst und ohne Schmerzen, möglichst plötzlich.
Das kann sich aber keiner aussuchen. Deshalb werden Tod und Sterben heute verdrängt, in dem man nicht daran erinnert werden möchte, weil jeder glaubt, selbst davon nicht betroffen zu sein.
Aber Beides ist allgegenwärtig.

Da ist eher die Frage, sich damit zu beschäftigen, um vorbereitet zu sein oder aber unvorbereitet plötzlich mit dem Sterben konfrontiert zu werden.

Obwohl ich noch sehr jung bin, muss ich zugeben, dass ich große angst vor dem Tod und vor dem Sterben habe.
Ich wollte, ich könnte an Gott glauben. Da ginge es mir vielleicht besser. Aber ich kann es nicht.
Ein Siebtel unseres Lebens verbringen wir an Samstagen.
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von BlueMonday »

Das Nichtsein als isoliert betrachteter Zustand ist nicht das eigentliche Problem. Das wäre ja der Zustand wie vor der Geburt bzw. Zeugung, Man versuche sich zu erinnern, wie es war. Nichts Furchterregendes jedenfalls.

Nicht davor fürchtet man sich, sondern vor dem Verlust dessen was man hat, seine Existenz bzw. die mögliche Existenz, die noch vor einem liegt. Dieses Potential ist ungleich mehr als die Nichtexistenz. Und je mehr man hat und erhofft desto größer ist wohl die Furcht. Anders gesagt: Wer wenig zu verlieren hat, hat auch wenig zu befürchten. Deshalb wohl auch der Rat, zurückgezogen zu leben und möglichst wenig Abhängigkeiten einzugehen. Und das, was man hat, achtsam und genussvoll zu erleben und zu verzehren.
ensure that citizens are informed that the vaccination is not mandatory and that no one is under political, social or other pressure to be vaccinated if they do not wish to do so;
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Selina
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von Selina »

Da ist schon was dran. Wobei das meines Erachtens eine Art Wohlstandsblick auf Tod und Sterben und Verlustängste ist. Denn in der anderen Globus-Hälfte hat man wenig und manchmal auch nichts, um dessen Verlust man sich zum Lebensende sorgen müsste. Dennoch haben auch diese Menschen ganz sicher Angst vor dem Tod und vor dem Sterben. Schaut man aber auf diese Menschheitshälfte, wäre doch ein naheliegender Gedanke, ihnen erst einmal die Angst vor dem Leben zu nehmen, einem Leben in Armut, einem Leben voller krankmachender Existenzkämpfe um das Nötigste. Das ist ja eine greifbare, reale Angst, die man ihnen nur mit anderen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen nehmen könnte. Das aber nur am Rande. Ich wollte damit nur darauf aufmerksam machen, diesen Teil der Menschheit nicht zu vergessen, wenn es um solche existenziellen philosophischen Fragen geht.
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von Progressiver »

Mia2706 hat geschrieben:(30 Dec 2017, 23:15)

Obwohl ich noch sehr jung bin, muss ich zugeben, dass ich große angst vor dem Tod und vor dem Sterben habe.
Ich wollte, ich könnte an Gott glauben. Da ginge es mir vielleicht besser. Aber ich kann es nicht.
Nicht vor dem Tod sollte man Angst haben, sondern davor, nie wirklich gelebt zu haben!

Ich bin jetzt zweiundvierzig Jahre alt. In meinen frühen zwanziger Jahren, wenn nicht noch früher, bin ich psychisch erkrankt. Entdeckt wurde das aber erst spät. Ich habe lange Jahre gebraucht, um wieder richtig fit zu werden. Obwohl ich sagen muss, dass ich schneller wieder "auf die Beine" kam als die meisten anderen in meiner Situation. Selbstverständlich nehmen sich auch manche das Leben. Aber mit denen vergleiche ich mich nicht! Sehr viele wirft die Erkrankung nicht einfach nur um, sondern sie bleiben gebrochen am Boden liegen. Was für eine Horrorvorstellung! Für die ist das Leben gelaufen.

Die Angst, die ich immer hatte, war, dass ich nie anfangen könnte, richtig zu leben, weil ich zu sehr in das Angstkorsett meiner Erkrankung gefangen sein könnte. Da würde mir dann einiges entgehen. Weltreisen will ich gar nicht mehr machen. Ich muss nicht um die Welt reisen, um mich zu Hause zu fühlen. Millionär werde ich wohl auch nicht. Auch darauf kann ich gerne verzichten, da ich sowieso kein Geld in den Tod und darüber hinaus retten kann.

Aber ich habe zum Beispiel krankheitsbedingt noch gar keine Beziehung mit einer Frau gehabt. Ich denke, dass ich da einiges verpassen würde, wenn ich jetzt nicht aus mir heraus gehe. Freunde muss ich mir jetzt auch neue suchen können. Ich denke, dass ohne so etwas das Leben doch sehr eintönig bleibt!

Was die Lebensphilosophie betrifft, so kann ich mich gut mit Epikur identifizieren, indem ich versuche, dass Leben gut zu genießen. Aber oft klappt das auch nicht. Da beobachte ich mich, wie ich mich nur ablenke, indem ich beispielsweise noch ein schlaues Buch kaufe und lesen will, obwohl ich schon so viele besitze. Das nur mal so als Beispiel.

Mit einem Menschen, der noch nie dem Tod ins Auge geblickt hat, weil bei ihm alles rund lief, möchte ich dennoch nicht tauschen. Bei solchen läuft das Leben meiner Beobachtung nach so ab: Im Privatleben beginnt schon in frühen Jahren das Liebesleben. Irgendwann kriegt man dann Kinder. Und noch später wird man Großvater. Im Berufsleben klappt bei den meisten auch alles irgendwie. Oder kurz gesagt: Viele funktionieren einfach nur. Aufgrund fehlender Schicksalsschläge führen sie ein 08/15-Leben, ohne alles in Frage zu stellen. Und hoffen dann, dass das Leben "mit 66" anfängt, wie Udo Jürgens es mal besungen hat. Da ist es aber für viele schon zu spät. Und die Kunst, bewußt zu leben, beherrschen auch nicht alle.

Was ich damit sagen will, ist: Eine Krankheit oder ein Schicksalsschlag können einen dermaßen umhauen, dass man zu gelähmt ist, um richtig zu leben. Das Gleiche gilt aber auch für den ganz normalen Alltag, wenn einem das Berufsleben und ein normales Beziehungsleben mit Kindern einem keinen Raum mehr für sich selbst lassen. Oft wird das Ganze dann kompensiert, indem man sich teure Autos oder Reisen leistet. Oder man stürzt sich in irgendwelche Hobbys, um sich selbst und die innere Leere nicht spüren zu müssen. Manche stürzen sich auch in die Religion. Dies ist aber nur eine Scheinbefriedigung.

Das wirklich wichtige bleibt aber auf der Strecke, weil man oftmals nicht weiß, was man wirklich gerne wollte, da man im Alltag nur die innere Leere betäuben will.

Deswegen auch meine Angst, dass ich das wahre Leben bzw. die wirklich wichtigen Dinge und Erfahrungen verpassen könnte. Ebenso auch, dass ich nicht die richtigen Leute finden könnte, die sich bewusst mit dem Leben auseinandersetzen, sondern einfach nur funktionieren oder eben nicht.

Das, was ich hier schildere, nennt sich meines Erachtens aber Lebenshunger. Ich habe Angst, das Wesentliche im Leben zu verpassen. Hätte ich dagegen Angst vor dem Tode, dann wären das vor allem Verlustängste. Und diese lähmen einen wiederum.
"Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum." Friedrich Nietzsche

"Wer nur einen Hammer als Werkzeug hat, dem wird bald jedes Problem zum Nagel."
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(31 Dec 2017, 12:43)

Da ist schon was dran. Wobei das meines Erachtens eine Art Wohlstandsblick auf Tod und Sterben und Verlustängste ist. Denn in der anderen Globus-Hälfte hat man wenig und manchmal auch nichts, um dessen Verlust man sich zum Lebensende sorgen müsste. Dennoch haben auch diese Menschen ganz sicher Angst vor dem Tod und vor dem Sterben. Schaut man aber auf diese Menschheitshälfte, wäre doch ein naheliegender Gedanke, ihnen erst einmal die Angst vor dem Leben zu nehmen, einem Leben in Armut, einem Leben voller krankmachender Existenzkämpfe um das Nötigste. Das ist ja eine greifbare, reale Angst, die man ihnen nur mit anderen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen nehmen könnte. Das aber nur am Rande. Ich wollte damit nur darauf aufmerksam machen, diesen Teil der Menschheit nicht zu vergessen, wenn es um solche existenziellen philosophischen Fragen geht.
Verlustängste haben wenig bis nichts mit "Wohlstandsblick auf Tod und sterben" zu tun. Nachdenken über den Tod/das Sterben ist immer mit Verlustängsten verbunden, weil diese sich nicht nur auf materiellen Verlust beziehen - ganz im Gegenteil.

Meinst du etwa, die Mutter, die verzweifelt darüber nachdenkt, was sie ihrem Kind zu essen gibt, hätte keine Verlustängste?
Meinst du sie hätte selbst nicht Angst vor dem Tod, weil sie ihr Kind allein und hilflos zurück lassen muss?

NEIN - nichtmal diese Menschen haben Angst vor dem Leben, weil auch ihnen das "Streben nach Glück" immanent, weil zutiefst menschlich ist.
Wer Angst vor dem Leben hat, setzt diesem ein Ende.
Glück ist eine Frage der Definition, genauso wie Armut eine Frage der Definition ist.
Für sehr viele Menschen bedeutet, sich einmal am Tag satt essen können und ein Dach über dem Kopf haben, bereits Glück.
Und was wir als bitterste Armut bezeichnen, bedeutet woanders bereits bescheidenen Wohlstand - nämlich dann wenn der Lebensunterhalt gesichert werden kann und die Kinder wenigstens lesen und schreiben lernen, auch wenn sie frühzeitig zum Erwerb des Lebenunterhalts beitragen müssen.

Epikurs Philosophie ist auch keine "existenzielle Philosophie", sondern ein Ideal und Ideale sind bekanntlich nicht erreichbar.
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von Alpha Centauri »

Dark Angel hat geschrieben:(31 Dec 2017, 15:58)

Verlustängste haben wenig bis nichts mit "Wohlstandsblick auf Tod und sterben" zu tun. Nachdenken über den Tod/das Sterben ist immer mit Verlustängsten verbunden, weil diese sich nicht nur auf materiellen Verlust beziehen - ganz im Gegenteil.

Meinst du etwa, die Mutter, die verzweifelt darüber nachdenkt, was sie ihrem Kind zu essen gibt, hätte keine Verlustängste?
Meinst du sie hätte selbst nicht Angst vor dem Tod, weil sie ihr Kind allein und hilflos zurück lassen muss?

NEIN - nichtmal diese Menschen haben Angst vor dem Leben, weil auch ihnen das "Streben nach Glück" immanent, weil zutiefst menschlich ist.
Wer Angst vor dem Leben hat, setzt diesem ein Ende.
Glück ist eine Frage der Definition, genauso wie Armut eine Frage der Definition ist.
Für sehr viele Menschen bedeutet, sich einmal am Tag satt essen können und ein Dach über dem Kopf haben, bereits Glück.
Und was wir als bitterste Armut bezeichnen, bedeutet woanders bereits bescheidenen Wohlstand - nämlich dann wenn der Lebensunterhalt gesichert werden kann und die Kinder wenigstens lesen und schreiben lernen, auch wenn sie frühzeitig zum Erwerb des Lebenunterhalts beitragen müssen.

Epikurs Philosophie ist auch keine "existenzielle Philosophie", sondern ein Ideal und Ideale sind bekanntlich nicht erreichbar.

In der Tat das epikureische Glücksideal ist eine ziemliche psychologische Überforderung, und ein Leben im stets rechten Maße so erstrebenswert es auch sein mag ist für die meisten auf dauer sicherlich wenig reizvoll.

Die Menschen meinen verwechseln die Angst vor dem Tod zudem mit der Angst vor dem Sterben. Tod und Sterben so untrennbar verwoben sie auch miteinander sind , sind dennoch nicht nur begrifflich zwei Unterschiedliche Dinge.


Die Sache mit Reichtum und Armut hat in der Tat auch eine subjektive Seite, je nachdem was man mit den Begriffen " Reichtum und "Armut" genau meint, man ist eben immer auch Jenseits von Wohlstands- und Armutsstatistiken, jeweils so arm oder eben reich wie man sich fühlt.

Ein ALG2 Empfänger wäre in Harare in reicher Krösus auch wenn er sich hierzulande (nicht nur ökonomisch und finanziell) als Mensch zweiter Klasse empfindet.

Aber auch beim Thema Wohlstand und Glück gilt für Epikur im Zweifel ist weniger vom Ersten gleich mehr vom Zweiten.
Zuletzt geändert von Alpha Centauri am Sonntag 31. Dezember 2017, 17:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von Alpha Centauri »

Progressiver hat geschrieben:(31 Dec 2017, 13:54)

Nicht vor dem Tod sollte man Angst haben, sondern davor, nie wirklich gelebt zu haben!

Ich bin jetzt zweiundvierzig Jahre alt. In meinen frühen zwanziger Jahren, wenn nicht noch früher, bin ich psychisch erkrankt. Entdeckt wurde das aber erst spät. Ich habe lange Jahre gebraucht, um wieder richtig fit zu werden. Obwohl ich sagen muss, dass ich schneller wieder "auf die Beine" kam als die meisten anderen in meiner Situation. Selbstverständlich nehmen sich auch manche das Leben. Aber mit denen vergleiche ich mich nicht! Sehr viele wirft die Erkrankung nicht einfach nur um, sondern sie bleiben gebrochen am Boden liegen. Was für eine Horrorvorstellung! Für die ist das Leben gelaufen.

Die Angst, die ich immer hatte, war, dass ich nie anfangen könnte, richtig zu leben, weil ich zu sehr in das Angstkorsett meiner Erkrankung gefangen sein könnte. Da würde mir dann einiges entgehen. Weltreisen will ich gar nicht mehr machen. Ich muss nicht um die Welt reisen, um mich zu Hause zu fühlen. Millionär werde ich wohl auch nicht. Auch darauf kann ich gerne verzichten, da ich sowieso kein Geld in den Tod und darüber hinaus retten kann.

Aber ich habe zum Beispiel krankheitsbedingt noch gar keine Beziehung mit einer Frau gehabt. Ich denke, dass ich da einiges verpassen würde, wenn ich jetzt nicht aus mir heraus gehe. Freunde muss ich mir jetzt auch neue suchen können. Ich denke, dass ohne so etwas das Leben doch sehr eintönig bleibt!

Was die Lebensphilosophie betrifft, so kann ich mich gut mit Epikur identifizieren, indem ich versuche, dass Leben gut zu genießen. Aber oft klappt das auch nicht. Da beobachte ich mich, wie ich mich nur ablenke, indem ich beispielsweise noch ein schlaues Buch kaufe und lesen will, obwohl ich schon so viele besitze. Das nur mal so als Beispiel.

Mit einem Menschen, der noch nie dem Tod ins Auge geblickt hat, weil bei ihm alles rund lief, möchte ich dennoch nicht tauschen. Bei solchen läuft das Leben meiner Beobachtung nach so ab: Im Privatleben beginnt schon in frühen Jahren das Liebesleben. Irgendwann kriegt man dann Kinder. Und noch später wird man Großvater. Im Berufsleben klappt bei den meisten auch alles irgendwie. Oder kurz gesagt: Viele funktionieren einfach nur. Aufgrund fehlender Schicksalsschläge führen sie ein 08/15-Leben, ohne alles in Frage zu stellen. Und hoffen dann, dass das Leben "mit 66" anfängt, wie Udo Jürgens es mal besungen hat. Da ist es aber für viele schon zu spät. Und die Kunst, bewußt zu leben, beherrschen auch nicht alle.

Was ich damit sagen will, ist: Eine Krankheit oder ein Schicksalsschlag können einen dermaßen umhauen, dass man zu gelähmt ist, um richtig zu leben. Das Gleiche gilt aber auch für den ganz normalen Alltag, wenn einem das Berufsleben und ein normales Beziehungsleben mit Kindern einem keinen Raum mehr für sich selbst lassen. Oft wird das Ganze dann kompensiert, indem man sich teure Autos oder Reisen leistet. Oder man stürzt sich in irgendwelche Hobbys, um sich selbst und die innere Leere nicht spüren zu müssen. Manche stürzen sich auch in die Religion. Dies ist aber nur eine Scheinbefriedigung.

Das wirklich wichtige bleibt aber auf der Strecke, weil man oftmals nicht weiß, was man wirklich gerne wollte, da man im Alltag nur die innere Leere betäuben will.

Deswegen auch meine Angst, dass ich das wahre Leben bzw. die wirklich wichtigen Dinge und Erfahrungen verpassen könnte. Ebenso auch, dass ich nicht die richtigen Leute finden könnte, die sich bewusst mit dem Leben auseinandersetzen, sondern einfach nur funktionieren oder eben nicht.

Das, was ich hier schildere, nennt sich meines Erachtens aber Lebenshunger. Ich habe Angst, das Wesentliche im Leben zu verpassen. Hätte ich dagegen Angst vor dem Tode, dann wären das vor allem Verlustängste. Und diese lähmen einen wiederum.
Das was du hier mir unter beschreibst halte ich für ein mentales Grunproblrme unserer hypermodernen High Tech Gesellschaft , wo alles und jeder dem Diktat des Ökonomischen folgt ( auch im Privaten alles durchökonomisiert und dem Profit vs.Verlust Denken untergeordnet ist) mit teils verheerenden gesellschaftspolitischen und individuell psychologischen Folgen. Man funktioniert nur noch und hat vergessen zu Leben, auch jenseits der bisweilen antihumanen Ge- und Verbote ökonomisch steriler Denkmuster die unsere Gesellschaft unreflektiert als die absolut unfehlbaren Wahrheiten schlechthin dogmatisch propagiert.
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von Dark Angel »

Alpha Centauri hat geschrieben:(31 Dec 2017, 17:12)

In der Tat das epikureische Glücksideal ist eine ziemliche psychologische Überforderung, und ein Leben im stets rechten Maße so erstrebenswert es auch sein mag ist für die meisten auf dauer sicherlich wenig reizvoll.
Nun - aus diesem Grund wurden die Lehren Epikurs von den Stoikern auch so heftig angegriffen.
Auch bei den Stoikern geht es um das Streben nach Glück, allerdings stellen sie nicht die Lust, sondern "Tugend und Pflicht und den Dienst an der Gemeinschaft" in den Mittelpunkt dieses Strebens.

"Es ist also nichts für die Gesundheit besser und macht den Menschen brauchbarer im Alltag als die Gewohnheit einfacher und anspruchsloser Lebensweise. Wenn es solchen Menschen einmal besser geht, so finden sie sich mit Anstand in die glänzendste Lage, ebenso wie sie gegen jedes Unglück gefeit sind."

Die Stoiker lehnen diese Selbstgenügsamkeit ab, die sowohl jede zwischenmenschliche Beziehung - mit Ausnahme der Freundschaft - als auch politische Betätigung ("Dienst an der Gemeinschaft") als Quelle von Unlust und Übel ablehnt.
Bei genauerer Betrachtung führen Epikurs Lehren zur gesellschaftlichen Stagnation.
Daran ändert im Grunde auch nichts, wenn er sich dafür ausspricht "sein Potential zu entfalten" indem Mensch auf schnellen Lustgewinn verzichten und Mühen auf sich nehmen soll, um damit später höheren Lustgewinn zu erzielen.
Genauso wie den Prozess des Sterbens und das Nachdenken darüber, blendet Epikur auch Gewissenskonflikte bei seinen Lehren aus. Sie sind für ihn nicht existent.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von Selina »

Dark Angel hat geschrieben:(31 Dec 2017, 15:58)

Verlustängste haben wenig bis nichts mit "Wohlstandsblick auf Tod und sterben" zu tun. Nachdenken über den Tod/das Sterben ist immer mit Verlustängsten verbunden, weil diese sich nicht nur auf materiellen Verlust beziehen - ganz im Gegenteil.

Meinst du etwa, die Mutter, die verzweifelt darüber nachdenkt, was sie ihrem Kind zu essen gibt, hätte keine Verlustängste?
Meinst du sie hätte selbst nicht Angst vor dem Tod, weil sie ihr Kind allein und hilflos zurück lassen muss?

NEIN - nichtmal diese Menschen haben Angst vor dem Leben, weil auch ihnen das "Streben nach Glück" immanent, weil zutiefst menschlich ist.
Wer Angst vor dem Leben hat, setzt diesem ein Ende.
Glück ist eine Frage der Definition, genauso wie Armut eine Frage der Definition ist.
Für sehr viele Menschen bedeutet, sich einmal am Tag satt essen können und ein Dach über dem Kopf haben, bereits Glück.
Und was wir als bitterste Armut bezeichnen, bedeutet woanders bereits bescheidenen Wohlstand - nämlich dann wenn der Lebensunterhalt gesichert werden kann und die Kinder wenigstens lesen und schreiben lernen, auch wenn sie frühzeitig zum Erwerb des Lebenunterhalts beitragen müssen.

Epikurs Philosophie ist auch keine "existenzielle Philosophie", sondern ein Ideal und Ideale sind bekanntlich nicht erreichbar.
Der "Wohlstandsblick" war eine Reaktion auf ein Post über meinem Beitrag. Da schrieb ich ja als Antwort im Grunde dasselbe wie du jetzt - nur halt mit meinen Worten. Und die Angst vor dem Leben ist durchaus real und hat viel mit dem Wohlstandsgefälle und den ganz unterschiedlichen Existenzkämpfen überall auf der Welt zu tun und damit, dass die eine Hälfte der Menschheit auf Kosten der anderen lebt. Sehr viele Menschen leben ständig mit genau dieser Angst vorm Leben, ohne sich umzubringen. Sie haben zum Beispiel eine Familie vorm Verhungern zu bewahren. Und ja, selbstverständlich, ein Dach überm Kopf kann manchmal schon großes Glück bedeuten. Im Vergleich dazu sind unsere hier diskutierten Probleme schon manchmal Luxus-Probleme. Gesundes neues Jahr!
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von Negator »

Ich bin ein großer Freund der Philosophenschulen der Antike. Sie sind für mich gebildetes/aufgeklärtes Heidentum. In der Spätantike existierten sie eine Zeit lang mit dem Christentum zudammen. Dann wurden sie aufgelöst. Wahrscheinlich ein Fehler.
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von Negator »

Da ich gerade krank bin, können wir gerne über das Thema diskutieren.
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von Alpha Centauri »

Na dann los von mir aus gerne Negator.
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von Negator »

Von Epikurs Schriften sind leider nur wenige erhalten.

Viel wird da rekonstruiert von Lukrez und Horaz.
Oder von Nicht-Epikureern wie Cicero oder Plinius Minor.
Über sein Leben wissen wir von Diogenes Laertios.
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von Negator »

Mir persönlich gefällt an der Naturphilosophie der Atomismus
und an der Ethik das moderate Luststreben.

Ich würde aber wie bei der Stoa mehr politische Aktivität befürworten.
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von Alpha Centauri »

Negator hat geschrieben:(18 Oct 2018, 20:40)

Mir persönlich gefällt an der Naturphilosophie der Atomismus
und an der Ethik das moderate Luststreben.

Ich würde aber wie bei der Stoa mehr politische Aktivität befürworten.
Ja diese unpolitische ist ein gewichtiger Schwachpunkt der Philosophie Epikur gleichwohl ist sie eine lebensbejahende optimistisch dem.diesseitigen erfüllenden Luststreben ausgerichtete Gedankenwelt die ganz ohne ein Jenseits, Gottglauben und religiösen Wahn und Dogmatismus auskommt und dass macht sie für mich reizvoll und interessant
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Re: Anhänger der Philosophie Epikurs

Beitrag von Negator »

@Alpha Centauri:

Heute befassen sich viele Menschen, die eher einer Philosophie (Schule) als einer Religion angehören wollen, gerne mit buddhistischen Ansätzen.

Das will ich nicht schlechtreden, aber man hätte daneben die europäischen Philosophenschulen bestehen lassen sollen. Im Internet gibt es kleine Ansätze in die Richtung.
https://www.stoa-heute.de/
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