Astrocreep2000 hat geschrieben: ↑Mi 7. Dez 2022, 14:12
Meine Rezeption ist eine andere: Der Zielgruppe der Sendung ist zuzutrauen, dass sie Schwarzers Vita und Verdienste kennt und von der AfD-Tante unterscheiden kann.
Da habe ich einen ganz anderen Eindruck, wenn ich mir das von Böhmermann iniziierte Scheißhaufenschmeißen auf Twitter so ansehe...
Es geht Böhmermann meiner Ansicht nach darum, Schwarzer wie auch dem Publikum zu zeigen, mit wem man sich da - wenn auch nicht absichtlich - ins Boot setzt.
Das würde bedeuten, man müsste zu jedem Thema erstmal die Position der AfD in Erfahrung bringen und dann zwingend das Gegenteil vertreten. Beispielsweise müsste man die repressive Coronapolitik kompromisslos abfeiern und nach mehr Zero C. krähen, um nur nicht mit der AfD in einem Boot zu sitzen. Für mich keine Option.
Dazu passt auch die Recherche zur Einflussnahme der gesellschaftlichen Diskussion in Deutschland durch Putins Propaganda-Leute und -Millionen.
Dass Putin rechte Kräfte in Westeuropa fleißig fördert, um es zu destabilisieren, ist ja schon länger bekannt. Und gesellschaftspolitische Themen bieten sich dafür sehr gut an. Trotzdem kann man das geplante Selbstbestimmungsgesetz kritisch sehen - auch in Punkten, die Böhmermann überhaupt nicht angesprochen hat, wohlweislich, wie ich vermute. Dazu muss man nicht mit der AfD und Putin in einem Boot sitzen und nach einer Destabilisierung Westeuropas lechzen.
Ich sehe den Umgang mit Schwarzer dennoch zwiespältig: Zum einen muss jemand, der über Jahrzehnte verbal so austeilt, wie sie, auch verbal einstecken können.
Andererseits habe ich den Eindruck, das Schwarzer-Bashing ist gerade sehr salonfähig geworden und regelrecht "hip", seit sich eine jüngere Generation von Feministinnen teilweise von ihr distanziert hat und sie zudem durch ihre Unterschriften unter "offene Briefe" bzgl. des Ukraine-Krieges Angriffsfläche geboten hat.
Der Umgang mit ihr passt zu dem (von einigen so empfundenen, von anderen abgestrittenen) Trend, denn wir hier auch schon im "Precht-Welzer-Thread" hatten: Positionierst Du Dich zu bestimmten Themen einmal "falsch", wird nicht Deine konkrete Meinung dazu in Frage gestellt - sondern die gesamte Persönlichkeit und bisherige Reputation. Da heißt es dann "Feuer frei".
Dazu passt, was Du über die Verkürzung von Schwarzers Aussagen schreibst:
Richtig, Schwarzers konkrete Meinung sollte gar nicht thematisiert werden, deshalb hat Böhmermann sie einfach weggelassen -was in hohem Maße unredlich ist- und zur Twitter-/Seeschlacht gegen das Putin/Afd-Boot aufgerufen, in das er auch Schwarzer und Vollbrecht gesetzt hat. Und so kann man Themen nicht diskutieren, man degradiert sie dadurch zu bloßen Aufhängern fürs Scheißeschleudern auf sozialen Medien. Auch Andersenkende zu Scheißhaufen zu erklären, ist kein satirisiches Stilmittel, sondern des Ende zivilisierter Diskussionkultur.
Und ja, wenn es sich nur noch um "WIR vs. DIE" und ums Scheißeschleudern auf sozialen Medien drehen soll, gehen natürlich sämtliche Abstufungen oder Nuancen in Standpunkten verloren bzw. müssen getilgt werden wie Böhmermann es hier vorexerziert hat. Entweder du leugnest die Existenz von Transsexualität komplett oder du bist fürs neue Selbstbestimmungsgesetz, eine Bandbreite dazwischen existiert nicht (ähnliches Prinzip wie bei der Coronapolitik: Dir fallen vielfältige Probleme durch langanhaltende Grundrechtseinschränkungen auf? Pech gehabt, denn dann bist du leider Anhänger von Atilla Hiltmann, Thema erledigt.).
Ob sich Schwarzer schon ähnliches häufiger geleistet hat, kann ich mangels Kenntnis nicht beurteilen. Einer ihrer Tiefpunkte war mit Sicherheit ihre BILD-"Berichterstattung" zum Kachelmann-Prozess. Mir geht es aber gar nicht um ihre Person und Biographie, sondern um den Standpunkt, den sie zum Thema Transgenderpolitik vertritt und den Umgang seitens Böhmermann damit.
... wobei dazu zu sagen ist: Sie hat recht für die Fälle, wo ihre "Ferndiagnose" zutrifft... In denen Fällen jedoch, wo sich Menschen aufgrund der geschlechtsspezifischer biologischer Merkmale "im falschen Körper" fühlen, hat sie nicht recht - denn das hat überhaupt nichts mit "Geschlechterrolle" zu tun. Und das zu unterscheiden, ist eigentlich nicht so schwer (darum geht es ja gerade auch in der Sendung) - bzw. sollte einfach mal den Betroffenen überlassen werden.
Und da kommen wir jetzt zu dem Punkt, den Böhmermann aus Gründen "vergessen" hat. Nochmal das Zitat in voller Länge:
"Trans ist jetzt Mode. Und das ist das, was uns zutiefst beunruhigt, und da möchten wir einfach den jungen Leuten sagen: In den meisten Fällen seid ihr nur einfach sauer über die Geschlechterrolle. Bist du ein Junge, der kein Bock hat, ein Held zu sein, bist du ein Mädchen, das kein Bock hat, Prinzessin zu sein... und pass mal auf, diese Rollen, dafür sind wir Feministinnen angetreten, die schaffen wir sehr gerne ab. Und dann kannst du dich als freier Mensch bewegen. Also wir müssen die ernsthafte Transsexualität von dem Unbehagen an der Geschlechterrolle unterscheiden."
Das ausschlaggebende Stichwort hier lautet
"junge Leute", es geht konkret um die hormonelle und operative Behandlung von Minderjährigen im Sinn von Transsexualität. Minderjährige sind auch Pubertierende und Pubertierende können mit der Selbstdiagnose Transsexualität durchaus falsch liegen, gerade wo dies momentan zeitgeist-modisch als eine Möglichkeit für Probleme körperlichseelischer Art propagiert wird. Das wäre noch nicht allzu tragisch, solange in ärztlichen Behandlungen oder Therapien verantwortungsbewusst damit umgegangen würde. Vor nicht allzulanger Zeit wäre ich noch fest davon ausgegangen, dass Ärzte und Therapeuten selbstverständlich verantwortungsvoll damit umgehen. Schaut man sich aber an, wie der Zeitgeist auch vor der Medizin nicht haltmacht, sieht es nicht allzu verantwortungsvoll aus:
https://taz.de/Londoner-Gender-Klinik-w ... /!5871272/
Londoner Gender-Klinik wird geschlossen: Umgang mit Kindern „ungenügend“
Die Gender-Abteilung der Tavistock-Klinik muss schließen. Eine Untersuchung wies Englands einziger solcher Einrichtung schwere Mängel nach.
[...]
Die Untersuchung kritisierte vor allem die Methoden der Klinik selbst. Die Leiterin der Untersuchung, die Kinderärztin und ehemalige Präsidentin des britischen Kinderärzt:innenverbandes Dr. Hilary Cass, sagt, GIDS setze junge Menschen einem „beachtlichen Risiko der Beeinträchtigung ihrer psychischen Gesundheit“ aus und könne Patient:innen schaden.
Kritische Fragen gab es seit Langem
Kritische Fragen zur Methodik der Klinik wurden vor allem nach einem Gerichtsfall gestellt. Keira Bell, heute 25, besuchte im Alter von 15 Jahren die Klinik. Zwecks ihrer Transition von Frau zu Mann wurden ihr ein Jahr später Pubertätsblocker und danach Testosteron verschrieben. Im Alter von 20 Jahren ließ sie sich beide Brüste entfernen. Später bedauerte sie diese Schritte, aber es war zu spät. Bell verklagte die Klinik und gewann zunächst, verlor aber vergangenes Jahr in der Berufung, als geurteilt wurde, dass Richter:innen nicht in einen klinischen Befund eingreifen dürften.
Bell lebt heute als lesbische Frau und sagt, dass das behandelnde Team im Tavistock auf ihrem Weg zur Gender-Transition nicht genug Fragen stellte. Bell erklärte der BBC, dass sie als Kind mit Zweifeln an ihrer sexuellen Identität einfach nur eine psychologische Therapie benötigt hätte, keinen körperlichen Eingriff.
Nach kritischen Berichten von Whilstleblower:innen stellte eine NHS-Prüfung Mängel in der Tavistock-Klinik fest und erklärte das GIDS offiziell für ungenügend.
Schon vor einigen Jahren hatten einige Angestellte der Tavistock-Klinik das Vorgehen der Klinik in Frage gestellt. Zwischen 2018 und 2019 und in einem internen Bericht beschrieb der einst in der Klinik arbeitende Psychoanalytiker David Bell, dass die Klinik unzulänglich arbeite. Statt darauf einzugehen, habe die Klinik versucht, ihn und andere mit Disziplinarverfahren und dem Vorwurf der Transphobie zum Schweigen zu bringen, sagt er.
In ihrer Untersuchung stellte Kinderärztin Cass erhebliche grundsätzliche Mängel fest. So nahm die Klinik weder wichtige Daten zu ihren Patient:innen auf, noch war sie in der Lage, Änderungen im Patient:innenprofil zu erklären. Immer öfter verschrieb sie physische Geschlechtsumwandlungen auf unsicherer Basis und behandelte sogar Kinder im autistischen Spektrum mit Gender-Transition.
[...]
Das ist katastrophal. Probleme/Diagnosen wie Autismus, Traumatisierung oder einfach Homosexualität werden mit Geschlechtstransition "behandelt" und selbst interne Mitarbeiter, die diesen "modischen" Weg für falsch hielten, wurden mit "Du bist transphob!" ruhiggestellt (huhu, Böhmi!).
Hier noch ein längeres Interview mit einem anderen ehemaligen Mitarbeiter:
https://www.youtube.com/watch?v=tJ_bD6N1zNw
Und dann noch eines mit Alexander Korte, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie mit Zusatzbezeichnung Sexualmedizin:
https://taz.de/Jugendpsychiater-ueber-T ... /!5845336/
Kann ich nur empfehlen, wenn man sich über Böhmermanns Scheißhaufenniwo hinaus informieren will.
[...]
So, wie Du es jetzt mit Schwarzer empfindest (unsachlich, oberflächlich, direkt auf die Person abzielend) , ging es mir übrigens bei seinem Umgang mit Streeck oder Precht.
Merke: Wie weit man Böhmermanns (immerhin konsequent) gepflegten "Stil" empfindet, hängt offensichtlich vor allem davon ab, wie man inhaltlich zu dem Gegenstand oder der Person steht, die er auf's Korn nimmt ...
Nun ja, Böhmermanns Schmähgedicht an Erdogan empfand ich ebenfalls als tiefen Griff ins Klo, was aber keineswegs an Sympathien liegt, die ich für den Irren vom Bosporus hegen würde.
Sein Hass auf Streeck, den er schon so lange mit sich schleppt, ist mir auch schon aufgefallen.
Um etwas zu nennen, was mir sehr gut gefallen hat:
V for Varoufakis - das liebe ich. Leider ist Böhmermann mittlerweile in die Woke-Blase abgedriftet. Durch meine Beschäftigung mit woker Identitätspolitik (was ja Transsexualität beinhaltet) war ich auch in der Lage, die Unterirdischkeit dieser Sendung zu erkennen.