Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von H2O »

Tom Bombadil hat geschrieben:(21 Oct 2019, 22:12)

Wie kann es einen Staatenbund ohne Staaten geben? Was die EU prinzipiell von einem Nationalstaat (egal ob föderal oder zentralistisch): die EU hat kein Staatsvolk, kein Staatsgebiet und keine eigene Staatsgewalt, nur von Gnaden der Mitgliedsstaaten.
Gibt es denn ein deutsches Staatsvolk, anders als durch Staatsangehörigkeit definiert, also einfach nur so? Haben wir nicht durch Verträge eine Unionsbürgerschaft durch unsere Staatsangehörigkeit? Können wir nicht im Ausland außerhalb der EU auch Botschaften von EU-Mitgliedern vertraglich zugesichert um Hilfe bitten? Das EU-Gebiet ist doch durch seine Außengrenzen definiert, die wir doch sogar von einem gemeinsamen Grenzschutz (Frontex) überwachen lassen wollen. Daß es da hakelt, das ist sicher ärgerlich. Mit der Staatsgewalt ist das doch so, daß jedes EU-Mitglied auf seinem Hoheitsgebiet diese Staatsgewalt ausübt... durch Verträge auch auf dem Gebiet des Nachbarstaats (Polizeigewalt). Was wir in der EU noch nicht haben, das ist eine Entsendung von Polizeikräften in Nachbarstaaten, wie wir das in der Bundesrepublik tun. wenn irgendwo in Deutschland größere Veranstaltungen mit der Möglichkeit von Aufruhr stattfinden. Daran hindert wohl auch auf lange Sicht das Sprachproblem.

Natürlich will ich nicht behaupten, daß die EU ein Staat ist. Aber der Staatenbund EU hat es doch schon ganz schön weit in Richtung eines übergeordneten Gemeinwesens gebracht, zu einer staatenähnlichen Gemeinschaft.
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Tom Bombadil
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Tom Bombadil »

H2O hat geschrieben:(22 Oct 2019, 09:08)

Aber der Staatenbund EU hat es doch schon ganz schön weit in Richtung eines übergeordneten Gemeinwesens gebracht, zu einer staatenähnlichen Gemeinschaft.
Trotz allem ist die EU kein Nationalstaat, sondern ein Staatenbund auf völkerrechtlicher Basis, die einzelnen Mitglieder des Staatenbundes bleiben souverän. Bolivien und Paraguay könnten zB. auch Verträge abschließen, die der jeweiligen Polizei erlaubt, die Grenzen zu überqueren oder die Außengrenzen durch einen gemeinsamen Grenzschutz zu überwachen.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von streicher »

H2O hat geschrieben:(22 Oct 2019, 09:08)

Natürlich will ich nicht behaupten, daß die EU ein Staat ist. Aber der Staatenbund EU hat es doch schon ganz schön weit in Richtung eines übergeordneten Gemeinwesens gebracht, zu einer staatenähnlichen Gemeinschaft.
Die EU hat es wirklich weit gebracht. Allerdings erlebt sie gerade eine Zäsur. Das erste Mal tritt ein Mitglied aus.

Und nationale Interessen scheinen innerhalb der EU derzeit wieder mehr an Gewicht zu erlangen.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von H2O »

Tom Bombadil hat geschrieben:(22 Oct 2019, 10:42)

Trotz allem ist die EU kein Nationalstaat, sondern ein Staatenbund auf völkerrechtlicher Basis, die einzelnen Mitglieder des Staatenbundes bleiben souverän. Bolivien und Paraguay könnten zB. auch Verträge abschließen, die der jeweiligen Polizei erlaubt, die Grenzen zu überqueren oder die Außengrenzen durch einen gemeinsamen Grenzschutz zu überwachen.
Im Fall EU gibt es aber eine Vielzahl von verbindlichen Verträgen, die die Mitglieder miteinander geschlossen haben, auch hinsichtlich der Zusammenarbeit der Sicherheitskräfte. Wirtschaftlich, gesellschaftspolitisch, Grundfreiheiten der EU, Parlament, Ministerrat, Kommission. Das gibt es weltweit nicht so oft. Wenn Bolivien und Paraguay solche Verträge miteinander schließen, dann nähern sie sich schon einer sehr engen Gemeinschaft an.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von H2O »

streicher hat geschrieben:(22 Oct 2019, 10:50)

Die EU hat es wirklich weit gebracht. Allerdings erlebt sie gerade eine Zäsur. Das erste Mal tritt ein Mitglied aus.

Und nationale Interessen scheinen innerhalb der EU derzeit wieder mehr an Gewicht zu erlangen.
Ja, das ist eine wirklich sehr schmerzhafte Entwicklung!
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Tom Bombadil »

Eine "enge Gemeinschaft" ist aber auch kein Nationalstaat.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von H2O »

Tom Bombadil hat geschrieben:(22 Oct 2019, 11:03)

Eine "enge Gemeinschaft" ist aber auch kein Nationalstaat.
Das sagt doch auch niemand; eine sehr enge Gemeinschaft von Nationalstaaten setzt immerhin ein teilweise vergemeinschaftetes staatliches Hoheitsrecht voraus, kommt also in Teilbereichen einem gemeinsamen Staat sehr nahe.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von streicher »

Tom Bombadil hat geschrieben:(22 Oct 2019, 11:03)

Eine "enge Gemeinschaft" ist aber auch kein Nationalstaat.
Stimmt. im Einigungsprozess hat es die EU zwar weit gebracht und ein Nationalstaat als mögliche Entwicklung wurde in der Forschung diskutiert. Aber eher bewegt sich die EU im Augenblick davon weg.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Tom Bombadil »

H2O hat geschrieben:(22 Oct 2019, 11:27)

Das sagt doch auch niemand;
Die Frage von PeterK deutete so etwas an und es gibt in der Staatenlehre auch keinen "teilweisen Nationalstaat". Die EU ist ein supranationales Konstrukt basierend auf völkerrechtlichen Verträgen, ein Nationalstaat ist der Ausdruck des natürlichen Rechts eines Volkes, sich selbstbestimmt zu einem Staat zusammenzuschließen. Falls sich die EU-Bewohner irgendwann einmal als ein Volk (im Sinne des Staatsrechts) ansehen und die EU zu einem Nationalstaat machen wollen, erst dann wird die EU zu einem Nationalstaat.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von H2O »

Tom Bombadil hat geschrieben:(22 Oct 2019, 11:53)

Die Frage von PeterK deutete so etwas an und es gibt in der Staatenlehre auch keinen "teilweisen Nationalstaat". Die EU ist ein supranationales Konstrukt basierend auf völkerrechtlichen Verträgen, ein Nationalstaat ist der Ausdruck des natürlichen Rechts eines Volkes, sich selbstbestimmt zu einem Staat zusammenzuschließen. Falls sich die EU-Bewohner irgendwann einmal als ein Volk (im Sinne des Staatsrechts) ansehen und die EU zu einem Nationalstaat machen wollen, erst dann wird die EU zu einem Nationalstaat.
Natürlich liegt dieses Ziel der Gemeinschaftsverträge noch weit vor uns; so sehr ich mir auch wünschte, wir wären schon am Ziel. Ein gutes Stück des Wegs kann man durch Übertragung oder Vergemeinschaftung von Hoheitsrechten zurück legen. Das hat die EU ganz gut hinbekommen. Aber die letzten Meter zum Ziel werden sehr schwer, weil dann tatsächlich eine politische Führungsfunktion nur auf der Höhe der Gemeinschaft möglich ist... für 28 Staaten also nur 1/28 der Funktionen auf höchster Ebene verfügbar sind. Ein typisches Sättigungverfahren: Die letzten 5% zum Ziel kosten 95% des Aufwands.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Tom Bombadil »

Die letzten Meter? Ich sehe die EU noch meilenweit von einer politischen Einigung in Richtung Nationalstaat entfernt.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Dark Angel »

H2O hat geschrieben:(22 Oct 2019, 10:58)

Im Fall EU gibt es aber eine Vielzahl von verbindlichen Verträgen, die die Mitglieder miteinander geschlossen haben, auch hinsichtlich der Zusammenarbeit der Sicherheitskräfte. Wirtschaftlich, gesellschaftspolitisch, Grundfreiheiten der EU, Parlament, Ministerrat, Kommission. Das gibt es weltweit nicht so oft. Wenn Bolivien und Paraguay solche Verträge miteinander schließen, dann nähern sie sich schon einer sehr engen Gemeinschaft an.
Natürlich gibt es in der EU eine Vielzahl von Verträgen und alle diese Verträge basieren auf Völkerrecht = internationalem Recht.
Was die EU von einem demokratischen Nationalstaat unterscheidet sind a) die Souveränitätsrechte der einzelnen Staaten, die Interessen ihrer Bevölkerung/ihres Staatsvolkes zu vertreten haben b) das Vorhandensein einer Gewaltenteilung ==> Legislative, Exekutive, Judikative, die es in der EU nicht gibt, c) ist die EU ein supranationales Gebilde, welches NICHT demokratisch regiert wird bzw regiert werden kann, weil je größer der Rahmen, um so geringer die Möglichkeiten einer demokratischen Mitgestaltung/Mitbestimmung etc
Vergl. hierzu: Prof. Wolfgang Merkel "Kosmopolitismus versus Kommunitarismus: Ein neuer Konfl ikt in der Demokratie"

Aber immer wieder interessant, wie leichtfertig die Befürworter supranationaler Gebilde bzw Orgnisationen/Regime die Demokratie zur Disposition stellen.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von H2O »

Dark Angel hat geschrieben:(22 Oct 2019, 13:17)

Natürlich gibt es in der EU eine Vielzahl von Verträgen und alle diese Verträge basieren auf Völkerrecht = internationalem Recht.
Was die EU von einem demokratischen Nationalstaat unterscheidet sind a) die Souveränitätsrechte der einzelnen Staaten, die Interessen ihrer Bevölkerung/ihres Staatsvolkes zu vertreten haben b) das Vorhandensein einer Gewaltenteilung ==> Legislative, Exekutive, Judikative, die es in der EU nicht gibt, c) ist die EU ein supranationales Gebilde, welches NICHT demokratisch regiert wird bzw regiert werden kann, weil je größer der Rahmen, um so geringer die Möglichkeiten einer demokratischen Mitgestaltung/Mitbestimmung etc
Vergl. hierzu: Prof. Wolfgang Merkel "Kosmopolitismus versus Kommunitarismus: Ein neuer Konfl ikt in der Demokratie"

Aber immer wieder interessant, wie leichtfertig die Befürworter supranationaler Gebilde bzw Orgnisationen/Regime die Demokratie zur Disposition stellen.
Ich weiß ja aus vorangehenden Beiträgen, daß Sie nichts von einer stetig sich vertiefenden Union in Europa halten. Darauf können Europäer aber keine Rücksicht nehmen. Wir entwickeln unsere europäische Union Schritt für Schritt mit allen guten Zutaten einer Demokratie dieser Größe. Es ist ja nicht so, daß alle Menschen einfältig und international unerfahren sind, die diesen Weg als den richtigen erkannt haben und ihn verfolgen. Verdächtigungen der vorgefundenen Art sind völlig haltlos; die weise ich zurück.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Keoma »

H2O hat geschrieben:(22 Oct 2019, 13:35)

Ich weiß ja aus vorangehenden Beiträgen, daß Sie nichts von einer stetig sich vertiefenden Union in Europa halten. Darauf können Europäer aber keine Rücksicht nehmen. Wir entwickeln unsere europäische Union Schritt für Schritt mit allen guten Zutaten einer Demokratie dieser Größe. Es ist ja nicht so, daß alle Menschen einfältig und international unerfahren sind, die diesen Weg als den richtigen erkannt haben und ihn verfolgen. Verdächtigungen der vorgefundenen Art sind völlig haltlos; die weise ich zurück.
Dass Juncker selbst zugegeben hat, dass die EU von einer Krise in die nächste taumelt, hast du aber schon mitbekommen?
Der Gescheitere gibt nach!
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Alpha Centauri »

Keoma hat geschrieben:(22 Oct 2019, 13:43)

Dass Juncker selbst zugegeben hat, dass die EU von einer Krise in die nächste taumelt, hast du aber schon mitbekommen?

Und warum ist dass wohl so?
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Keoma »

Alpha Centauri hat geschrieben:(22 Oct 2019, 13:46)

Und warum ist dass wohl so?
Da gibt es keine einfachen Erklärungen, aber ich wollte die Euphorie des Vorposters ein wenig dämpfen.
Von einem geeinten Europa sind wir noch ein schönes Stück entfernt, auch wenn vieles geschafft wurde, bleibt noch genug zu tun.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von streicher »

Tom Bombadil hat geschrieben:(22 Oct 2019, 12:12)

Die letzten Meter? Ich sehe die EU noch meilenweit von einer politischen Einigung in Richtung Nationalstaat entfernt.
Will sie das denn überhaupt selbst? Ich habe nicht das Gefühl, dass sie genau dahin strebt.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Dark Angel »

H2O hat geschrieben:(22 Oct 2019, 13:35)

Ich weiß ja aus vorangehenden Beiträgen, daß Sie nichts von einer stetig sich vertiefenden Union in Europa halten. Darauf können Europäer aber keine Rücksicht nehmen. Wir entwickeln unsere europäische Union Schritt für Schritt mit allen guten Zutaten einer Demokratie dieser Größe. Es ist ja nicht so, daß alle Menschen einfältig und international unerfahren sind, die diesen Weg als den richtigen erkannt haben und ihn verfolgen. Verdächtigungen der vorgefundenen Art sind völlig haltlos; die weise ich zurück.
Überlegst du überhaupt bei dem, was du so von dir gibst?
Ich habe den Text eines Politwissenschaftlers, der zudem noch Professor für Vergleichende Politikwissenschaft und Demokratieforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin ist, verlinkt und dir fällt nichts Besseres als irgendwelche realitätsfernen Utopien ein.
Den verlinkten Text hast du offensichtlich NICHT gelesen, andernfalls hättest du nachdenken müssen, statt so schnell zu antworten, aber ich gebe gerne Nachhilfe zum Thema - ich zitiere aus meinem Link:

"Kosmopoliten reklamieren nicht zu Unrecht eine moralische Überlegenheit ihrer Sensibilität in Menschenrechts- und Flüchtlingsfragen. Haben sie aber auch das bessere Demokratiekonzept? Daran ist zu zweifeln. Kosmopoliten optieren,
wenn sie nicht realitätsentrückt für eine demokratische Weltregierung, Weltparlamente und eine Weltzivilgesellschaft votieren, für eine bereitwillige Abgabe nationalstaatlicher Souveränitätsrechte an internationale Organisationen und
supranationale Regime. Dies gilt von den Vereinten Nationen bis zur Europäischen Union, ...

Der Nationalstaat müsse sich abfinden, in ein Mehrebenensystem effizienten Regierens eingebunden zu werden. Effizienz und
Effektivität überstaatlichen Handelns werden zum legitimatorischen Fluchtpunkt der Souveränitätsteilung. ...

Kelsen benutzt dieses Argument explizit dazu, um nationalstaatliche Demokratien von Diktaturen abzugrenzen. Im
Extremfall würde das Betroffenheitsargument in der vernetzten Welt des 21. Jahrhunderts dazu führen, dass der ganze Rest der Welt stets auch bei den Entscheidungen der USA mit zu reden hat, da diese meist auch den Rest der Welt betreffen. Die Forderung mag normativ begründbar sein, politisch ist sie ebenso sinnlos wie naiv.

Die supranationale Ausdehnung der Demokratie hat Kosten. Je größer und komplexer politische Räume sind, umso weniger lassen sie sich demokratisch regieren, wie der Doyen der Demokratieforschung, Robert Dahl, überzeugend darlegte. Zentrale normative Güter der Demokratie wie die gleichberechtigte Partizipation der Bürger, die Transparenz und Zurechenbarkeit politischer Ent-
scheidungen, der Parlamentsvorbehalt oder die vertikale und horizontale Herrschaftskontrolle lassen sich in der Tat weit weniger überzeugend jenseits des Nationalstaats als in seinen Grenzen realisieren. Auch Kosmopoliten würden dies wohl nicht abstreiten.
...


Wir entwickeln gar nichts, vor allem KEINE "guten Zutaten einer Demokratie dieser Größe."!
Was sich da ergibt sind "Zutaten zu einer Diktatur", genau wie Merkel das in Bezug auf Dahl erklärt.
NICHT zu erkennen/nicht erkennen zu wollen, dass Demokratie in einem Gebilde wie der EU - in dem zu viele unterschiedliche Interessen aufeinander prallen - nicht funktionieren kann, muss man schon ziemlich blind und/, ideologisch verkleistert oder ein welt- und realitätsferner Traumtänzer sein.

Ich bin durchaus für eine demokratische EU, in der Reisefreiheit garantiert wird, in der wirtschaftliche Zusammenarbeit ohne Zollschranken funktioniert, in der die Souveränitätsrechte der Mitgleidsstaaten geachtet werden und unangetastet bleiben - genau in der Art, wie von den "Vätern der EU" ursprünglich angedacht und geplant.
Von diesem "Traum" eines, auf völkerrechtlich verbindlichen Regeln funktionierenden Staatenbundes, der in seinen Mitgliedsländern demokratische Prinzipien durchsetzt und gewährleistet, entfernt sich die heutige EU immer mehr.
Souverränitätsrechte der Mitgliedsstaaten werden zugunsten von Ver- und Geboten, Regularien und Bevormundungen immer weiter ausgehebelt. Mit Demokratie hat das nichts zu tun, dafür umso mehr mit Diktatur.

Und NEIN, eine Diktatur werden die Europäer (hoffentlich) nicht zulassen und auf solche realitätsfernen Träumereien, wie Du sie hier von Dir gibst, keine Rücksicht nehmen.

Ich bin sehr wohl für eine EU - für eine EU wie sie nachfolgend (zitiert) skizziert wird:

"Dani Rodrik, Ökonom an der Harvard University, hat jüngst zumindest die Richtung angedeutet. „Dünne supranationale Regeln“, schreibt der Ökonom, müssen mit den „dicken Regeln des demokratischen Nationalstaats“ verbunden werden. Es sollen durchaus supranationale Rahmenregulierungen etabliert werden, die dann aber nationalstaatlich von jedem Land spezifiziert werden können."
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Tom Bombadil »

streicher hat geschrieben:(22 Oct 2019, 14:36)

Ich habe nicht das Gefühl, dass sie genau dahin strebt.
Ich auch nicht und je mehr Mitglieder man aufnimmt, umso weiter weg rückt die politische Einigung. Ich persönlich hätte nicht dagegen, wenn man ein politisches Kerneuropa als neuen Staat bilden würde: Dänemark, Benelux, Frankreich und Deutschland, evtl. noch Österreich, vereint zu einem Staat, das wäre mal ein Ausrufezeichen. Aber wohl auch vollkommen realitätsfern.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von H2O »

Keoma hat geschrieben:(22 Oct 2019, 13:43)

Dass Juncker selbst zugegeben hat, dass die EU von einer Krise in die nächste taumelt, hast du aber schon mitbekommen?
Ich vermute aber, daß die EU und ihre Vorläufer ab 1956 nie einfache Vereine waren. Frei nach Adenauer: "Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Lage war noch nie so ernst!" Und dann, daran erinnert, einige Jahre später: "Ach, was kümmert mich mein dummes Geschwätz von gestern!"

Das Problem der heutigen EU scheint mir zu sein, daß sie jedem Mitglied so viele Vorteile bietet, daß jedes Mitglied vor dem Gedanken zurück prallt, sich aus der EU zu verabschieden. Aber meckern kost' ja nix.

Das Ziel ist klar; den Kurs dahin wollen wir Europäer geduldig verfolgen. Wir haben es doch schon sehr weit auf diesem Wege gebracht. Da kann es auch einmal einen Rückschlag geben, so wie jetzt der Brexit... Energie- und Zeitverschwendung. Schade!
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von H2O »

Tom Bombadil hat geschrieben:(22 Oct 2019, 14:46)

Ich auch nicht und je mehr Mitglieder man aufnimmt, umso weiter weg rückt die politische Einigung. Ich persönlich hätte nicht dagegen, wenn man ein politisches Kerneuropa als neuen Staat bilden würde: Dänemark, Benelux, Frankreich und Deutschland, evtl. noch Österreich, vereint zu einem Staat, das wäre mal ein Ausrufezeichen. Aber wohl auch vollkommen realitätsfern.


Liegt doch in der Natur der Sache: Je weiter wir uns vom Kern entfernen, desto größer wird auch der Auffassungsunterschied von dem, was uns wichtig ist. Insofern ist der Gedanke an einen Schrittmacher Kerneuropa nur vernünftig. Wer will, der kann ja immer nachfolgen, oder er läßt es. Präsident Juncker und die Kanzlerin hatten immer das große Europa vor Augen, nachdem Präsident Juncker "sein Weißbuch" mit den 5 verschiedenen Möglichkeiten zur Fortentwicklung der EU heraus gegeben hatte. Das ganze Gehampel, das wir in den letzten Jahren erlebt haben, wurde von diesem großen Ziel bestimmt. Die mentalen Voraussetzungen dafür waren aber bei etlichen Mitgliedern nicht vorhanden.

Möglicherweise wird mit Frau von-der-Leyen und einer Nachfolge im Kanzleramt der Europakurs neu abgesteckt.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Dark Angel »

H2O hat geschrieben:(22 Oct 2019, 15:12)
Möglicherweise wird mit Frau von-der-Leyen und einer Nachfolge im Kanzleramt der Europakurs neu abgesteckt.
Ach - bestimmt das jetzt auf einmal ein Land bzw eine Frau, welchen Kurs die EU einzuschlagen hat und alle anderen (immer noch souveränen) Staaten haben nach deren Pfeife zu tanzen?
Sind DAS deine Vorstellungen von Demokratie - einem demokratischen Europa?
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Adam Smith »

Dark Angel hat geschrieben:(22 Oct 2019, 16:19)

Ach - bestimmt das jetzt auf einmal ein Land bzw eine Frau, welchen Kurs die EU einzuschlagen hat und alle anderen (immer noch souveränen) Staaten haben nach deren Pfeife zu tanzen?
Sind DAS deine Vorstellungen von Demokratie - einem demokratischen Europa?
Demokratie bedeutet Mehrheit. Und Deutschland hat früher gemeinsam mit Frankreich sich Mehrheiten beschafft.
Das ist Kapitalismus:

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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Dark Angel »

Adam Smith hat geschrieben:(22 Oct 2019, 16:35)

Demokratie bedeutet Mehrheit. Und Deutschland hat früher gemeinsam mit Frankreich sich Mehrheiten beschafft.
Ja "früher" - früher hatten wir auch nen Kaiser.
Demokratie bedeutet NICHT Mehrheit, sondern Herrschaft des Volkes. Ein himmelweiter Unterschied!

Was unserem User "Wasser" da vorschwebt, hat allerdings gar nix mit Demokratie zu tun, sondern geht in Richtung Diktatur, wenn nicht gar Tyrannis.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von H2O »

Dark Angel hat geschrieben:(22 Oct 2019, 16:19)

Ach - bestimmt das jetzt auf einmal ein Land bzw eine Frau, welchen Kurs die EU einzuschlagen hat und alle anderen (immer noch souveränen) Staaten haben nach deren Pfeife zu tanzen?
Sind DAS deine Vorstellungen von Demokratie - einem demokratischen Europa?
Au ja, gute Idee! Ist Ihnen jetzt wieder besser?
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von PeterK »

Tom Bombadil hat geschrieben:(21 Oct 2019, 22:12)
Was die EU prinzipiell von einem Nationalstaat (egal ob föderal oder zentralistisch): die EU hat kein Staatsvolk, kein Staatsgebiet und keine eigene Staatsgewalt, nur von Gnaden der Mitgliedsstaaten.
Vielen Dank, das ist mal eine Antwort auf meine Frage. Ein Nationalstaat (wie z.B. D) "herrscht" also über seine Regionen/Länder, die EU über ihre Mitgliedsstaaten jedoch nicht. Korrekt?
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Tom Bombadil »

PeterK hat geschrieben:(22 Oct 2019, 17:52)

Korrekt?
Kommt drauf an, was du unter "herrschen" verstehst. Die Bundesregierung ist Teil der Staatsgewalt und übt ihre verfassungsmäßigen Aufgaben und Rechte auf dem Staatsgebiet aus. Die EU hat auch Rechte, aber eben nur solche, die ihr die Mitgliedsstaaten zugestanden haben und oft werden EU-Verordnungen und -Verträge auch ignoriert oder schlicht und einfach gebrochen, nicht zuletzt von Deutschland.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Adam Smith »

Tom Bombadil hat geschrieben:(22 Oct 2019, 18:12)

Kommt drauf an, was du unter "herrschen" verstehst. Die Bundesregierung ist Teil der Staatsgewalt und übt ihre verfassungsmäßigen Aufgaben und Rechte auf dem Staatsgebiet aus. Die EU hat auch Rechte, aber eben nur solche, die ihr die Mitgliedsstaaten zugestanden haben und oft werden EU-Verordnungen und -Verträge auch ignoriert oder schlicht und einfach gebrochen, nicht zuletzt von Deutschland.
Die Bundesregierung kann in Bezug auf die Länder auch nur so soweit regieren wie es jetzt in der Verfassung steht.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Tom Bombadil »

Adam Smith hat geschrieben:(22 Oct 2019, 18:16)

Die Bundesregierung kann in Bezug auf die Länder auch nur so soweit regieren wie es jetzt in der Verfassung steht.
Wie ich ja bereits schrieb: "ihre verfassungsmäßigen Aufgaben und Rechte". Das ist der Unterschied zwischen einem föderalen Bundesstaat und einem zentralistischen Einheitsstaat.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von H2O »

Adam Smith hat geschrieben:(22 Oct 2019, 18:16)

Die Bundesregierung kann in Bezug auf die Länder auch nur so soweit regieren wie es jetzt in der Verfassung steht.
Wir können uns hier gegenseitig beliebig matt setzen. Ein Staat und ein politisches Gebilde wie die EU haben eben viele Gemeinsamkeiten und viele Unterschiede. Die kann man heraus picken und beweisen, wie sehr die EU schon "Staat" ist oder wie wenig sie erst "Staat" ist. Nein, die EU ist kein Staat, aber ihr wurden viele staatenähnliche Aufgaben von ihren Mitgliedern übertragen. Beispiele: Gestaltung der Handelsverträge mit Drittstaaten, Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in Mitgliedsstaaten.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von schokoschendrezki »

Tom Bombadil hat geschrieben:(21 Oct 2019, 16:20)

Dann wirst du von globalen Konzernen beherrscht. Dass dir das besser gefallen wird, wage ich zu bezweifeln.
Wenn es denn nur diesen binären Entscheidungsraum gäbe: Nationalstaat oder globales Unternehmen ... so ist es aber doch nicht.

Erst einmal ist zu konstatieren, dass das Konzept "Nationalstaat" gescheitert ist. Es ist vollkommen gescheitert. Die Erzählungen rund um die Nationenformungen und -Behauptungen ab Mitte/Ende des 19, Jahrhunderts haben bereits den Ersten WK, die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts bewirkt.

Fast ebenso verheerend, nur diesmal als irgendwie unter "politisch links" verbucht: Die (sogenannen) nationalen Befreiungsbewegungen der Nachkriegszeit. VOn Frelimo über PLO bis zu den Sandinisten. Eine einzige Geschichte von Verheerungen, Brutalisierungen, Korruptiion und Lügen. Immer stand die "Befreiung der Nation" als Erzählung im Mittelpunkt. Vielleicht hätte man mal aufpassen und genau hinhören sollen. Warum eigentlich sollten nicht eher die Menschen, die Bevölkerung anstelle der "Nation" befreit werden. Die Erzählung von der "Nation" ist und war immer einfach nur ein billiges Lutschbonbon, hingeschmissen für die Dummen. Kloppt euch darum, beißt euch daran fest ... dass ihr nur ja nicht für eure eigenen Interessen eintretet und dass ihr vor allem ja nicht zu genau hinschaut, was die wirklich Mächtigen machen. Die die "Nation" in Wirklichkeit einen Scheißdreck interessiert. Die, die als Kriegsverbrecher verurteilt wurden ... serbische oder kroatische Politiker zum Beispiel ... genießen bei den Dummen daheim in der Heimat wieder großes Ansehen. Und wenn jemand bei den Festveranstaltungen zu Ehren dieser Kriegsverbrecher an die Opfer der Gegenseite erinnert ... dann wird er als Vaterlandsverräter beschimpft. Geht doch nach Serbien oder Kroatien ... ihr "Nationenversteher"!
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Oct 2019, 13:13)

Wenn es denn nur diesen binären Entscheidungsraum gäbe: Nationalstaat oder globales Unternehmen ... so ist es aber doch nicht.

Erst einmal ist zu konstatieren, dass das Konzept "Nationalstaat" gescheitert ist. Es ist vollkommen gescheitert. Die Erzählungen rund um die Nationenformungen und -Behauptungen ab Mitte/Ende des 19, Jahrhunderts haben bereits den Ersten WK, die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts bewirkt.
Es ist gaar nichts "zu konstatieren", nur weil DU das behauptest.
Das "Konzept" Nationalstaat funktioniert seit mehr als 1000 Jahren, dieses "Konzept" hat funktionierende Demokratien hervorgebracht und im Umkehrschluss funktioniert Demokratie auch nur MIT dem "Konzept" Nationalstaat.
Darüber hinaus gibt es das Völkerrecht/völkerrechtliche Regelungen, auf deren/dessen Basis Nationalstaaten (weit reichende) bi- und multilaterale Verträge und Vereinbarungen treffen.
Völkerrecht wiederum funktioniert ebenfalls nur MIT dem "Konzept" Nationalstaat.

Ist immer wieder interessant, wie schnell und leichtfertig so genannte Kosmopoliten die Demokratie begraben möchten und die "Herrschaft" an supranationale Organisationen, Regime OHNE demokratische Legitimation übergeben möchten, wie diktatur- und totalitarismusaffin so genannte Kosmopoliten eigentlich sind.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(23 Oct 2019, 13:35)

Es ist gaar nichts "zu konstatieren", nur weil DU das behauptest.
Das "Konzept" Nationalstaat funktioniert seit mehr als 1000 Jahren, dieses "Konzept" hat funktionierende Demokratien hervorgebracht und im Umkehrschluss funktioniert Demokratie auch nur MIT dem "Konzept" Nationalstaat.
Darüber hinaus gibt es das Völkerrecht/völkerrechtliche Regelungen, auf deren/dessen Basis Nationalstaaten (weit reichende) bi- und multilaterale Verträge und Vereinbarungen treffen.
Völkerrecht wiederum funktioniert ebenfalls nur MIT dem "Konzept" Nationalstaat.

Ist immer wieder interessant, wie schnell und leichtfertig so genannte Kosmopoliten die Demokratie begraben möchten und die "Herrschaft" an supranationale Organisationen, Regime OHNE demokratische Legitimation übergeben möchten, wie diktatur- und totalitarismusaffin so genannte Kosmopoliten eigentlich sind.
Wie kommst du darauf, dass "funktionierende Demokratien" ausgerechnet auf dem "Konzept Nationalstaat" basieren? Das erste demokratische Parlament in Europa entstand als Folge des Acts of Union 1707, mit dem die Königreiche England und Schottland sich nicht voneinander abgrenzten sondern, im Gegenteil, zur Union vereinigt wurden. Indem also Souveränitätsrechte an übergeordnete Gebilde abgetreten wurden. Die französische Revolution wurde nicht von der Idee des Nationalstaats befeuert sondern von der Idee der Abschaffung des Ständestaats.

Und die Demokratie geht aktuell genau dort wieder flöten, wo national begründete Souveränitätsrechte zuungunsten eines liberalen Demokratie-Verständnisses eingefordert werden. Die Jugoslawienkriege hätten es eigentlich allen verständigen Europäern zeigen können. Aber nein. Nun wird man irgendwann auch in Katalonien die Messer und Gewehre herausholen.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von schokoschendrezki »

Der Historiker Kersten Knipp bezeichnet in seinem Buch "Im Taumel: 1918 - ein europäisches Schicksalsjahr" (2018 erschienen) die modernen Nationalstaaten, so wie wir sie heute kennen, als ein "Eliteprojekt". Nicht im mindesten hatte die Bevölkerung in den vom Ersten WK betroffenen Gebieten, insbesondere in Osteuropa, ein Interesse an einem eigenen Nationalstaat. Wir rühren die berühmten Worte Wilsons vom "Selbstbestimmungsrecht der Völker" und die zahlreichen Nationalstaatsgründungen nach dem Ende des 1. WKs heute nur zu einem positiven Scheinbild zusammen. In Wirklichkeit wurde nur das eine Elend durch das andere ersetzt. Das russische Zarenreich, der k.u.k.-Vielvölkerstaat usw, also die Herrschaft durch "Häuser" durch das Projekt Nationalstaat.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Keoma »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Oct 2019, 14:24)

Der Historiker Kersten Knipp bezeichnet in seinem Buch "Im Taumel: 1918 - ein europäisches Schicksalsjahr" (2018 erschienen) die modernen Nationalstaaten, so wie wir sie heute kennen, als ein "Eliteprojekt". Nicht im mindesten hatte die Bevölkerung in den vom Ersten WK betroffenen Gebieten, insbesondere in Osteuropa, ein Interesse an einem eigenen Nationalstaat. Wir rühren die berühmten Worte Wilsons vom "Selbstbestimmungsrecht der Völker" und die zahlreichen Nationalstaatsgründungen nach dem Ende des 1. WKs heute nur zu einem positiven Scheinbild zusammen. In Wirklichkeit wurde nur das eine Elend durch das andere ersetzt. Das russische Zarenreich, der k.u.k.-Vielvölkerstaat usw, also die Herrschaft durch "Häuser" durch das Projekt Nationalstaat.
Also wäre das Beibehalten der k.u.k. Monarchie besser gewesen?
Da wirst du bei den Habsburgern offen Türen einrennen.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von schokoschendrezki »

Keoma hat geschrieben:(23 Oct 2019, 14:37)

Also wäre das Beibehalten der k.u.k. Monarchie besser gewesen?
Da wirst du bei den Habsburgern offen Türen einrennen.
Nein! Ich hab' doch geschrieben: Das eine Elend wurde duch ein anderes Elend ersetzt! Die k.u.k.-Monarchie (im weiteren Verlauf) durch die Horthy-Diktatur im Falle Ungarns. Der eine wirklich demokratische Nachfolgestaat der k.u.k.-Monarchie, die Tschechoslowakische Repulbik CSR war bezeichnenderweise selbst ein Mehrvölkerstaat, eine Konföderation.

Im Weltmaßstab gesehen laufen Entdemokratisierung und Natonalstaatsverfestigung in jüngerer Zeit parallel. Siehe Türkei, siehe Indien, siehe China und weitere Staaten. Ein Staat, eine Ethnie,, eine Sprache, eine Nation, eine Religion, eine "Kulltur".

Das grundlegende wichtige und richtige Prinzip der staatlichen Souveränität wird in Diskussionen wie diesen beständig mit dem Nationalstaatsgedanken durcheinandergeworfen.

Im globalen Maßstab einer der entscheidenden Kipppunkte aus meiner Sicht ist die Frage, ob Russland eine Konföderation bleibt oder ob sich in Moskau Nationalisten durchsetzen und das Land zu einem durchgängig russischen RUssland umgestalten werden.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Oct 2019, 14:54)

Nein! Ich hab' doch geschrieben: Das eine Elend wurde duch ein anderes Elend ersetzt! Die k.u.k.-Monarchie (im weiteren Verlauf) durch die Horthy-Diktatur im Falle Ungarns. Der eine wirklich demokratische Nachfolgestaat der k.u.k.-Monarchie, die Tschechoslowakische Repulbik CSR war bezeichnenderweise selbst ein Mehrvölkerstaat, eine Konföderation.

Im Weltmaßstab gesehen laufen Entdemokratisierung und Natonalstaatsverfestigung in jüngerer Zeit parallel. Siehe Türkei, siehe Indien, siehe China und weitere Staaten. Ein Staat, eine Ethnie,, eine Sprache, eine Nation, eine Religion, eine "Kulltur".

Das grundlegende wichtige und richtige Prinzip der staatlichen Souveränität wird in Diskussionen wie diesen beständig mit dem Nationalstaatsgedanken durcheinandergeworfen.

Im globalen Maßstab einer der entscheidenden Kipppunkte aus meiner Sicht ist die Frage, ob Russland eine Konföderation bleibt oder ob sich in Moskau Nationalisten durchsetzen und das Land zu einem durchgängig russischen RUssland umgestalten werden.
Ist denn Russland kein Nationalstaat? Nach allem was ich weiß, hat das Land eine Amtssprache und ein Staatsvolk, nämlich zu mindestens 80% Russen. Die in der russischen Föderation lebenden 100 Völker sind selbst in ihren Bundesstaaten eine Minderheit (so in Wiki zu lesen). Das, was Sie also als Entwicklung befürchten, ist schon längst abgeschlossen. "Allerdings nimmt die Beherrschung der indigenen Muttersprache unter den betroffenen Volksgruppen ab." Was das für die 2. Amtssprache in den Bundesstaaten mit nichtrussischen Minderheiten bedeutet, das wird man sich an den 5 Fingern abzählen können. Nach dem Ende der Sowjetunion ist die Russische Föderation im wesentlichen der Staat der Russen geworden.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von PeterK »

Tom Bombadil hat geschrieben:(22 Oct 2019, 18:12)
Kommt drauf an, was du unter "herrschen" verstehst. Die Bundesregierung ist Teil der Staatsgewalt und übt ihre verfassungsmäßigen Aufgaben und Rechte auf dem Staatsgebiet aus. Die EU hat auch Rechte, aber eben nur solche, die ihr die Mitgliedsstaaten zugestanden haben und oft werden EU-Verordnungen und -Verträge auch ignoriert oder schlicht und einfach gebrochen, nicht zuletzt von Deutschland.
Dann wäre ja der Nationalstaat das eigentliche Übel, weil er z.B. Friesen und Sachsen viel weitgehender unter einen Hut zwingt als die EU z.B. Esten und Portugiesen.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von H2O »

PeterK hat geschrieben:(23 Oct 2019, 16:15)

Dann wäre ja der Nationalstaat das eigentliche Übel, weil er z.B. Friesen und Sachsen viel weitgehender unter einen Hut zwingt als die EU z.B. Esten und Portugiesen.
Könnte man dieses Argument nicht umdrehen und behaupten, daß Friesen und Sachsen im Verein eher ihre Eigenarten bewahren können, als wenn man sie einem äußeren Gegner überließe, der sich an den Verein aber nicht heran traut?

Ich gehe jetzt noch einen Schritt weiter: Auch Esten und Portugiesen finden unter dem gemeinsamen Dach der EU wirtschaftlich und politisch Schutz vor Mächten, die ihnen an Bevölkerungszahl vielfach überlegen sind. Ich behaupte auch, daß dieser Gesichtspunkt eine der späteren Begründungen für den Zusammenschluß der europäischen Völker ist: Sich der Beherrschung durch andere Weltmächte zu entziehen und möglichst selbst Weltmacht zu werden.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Oct 2019, 13:13)

Wenn es denn nur diesen binären Entscheidungsraum gäbe: Nationalstaat oder globales Unternehmen ... so ist es aber doch nicht.
Ja? Was liegt denn dazwischen, erzähl mal!
Erst einmal ist zu konstatieren, dass das Konzept "Nationalstaat" gescheitert ist. Es ist vollkommen gescheitert.
Vollkommener Unsinn, der Nationalstaat ist ein herausragendes Erfolgsmodell, besonders wenn er demokratisch organisiert ist.

Mit deinen völlig sinnfreien Ausbrüchen gegen "ihr" und "euch" lockst du auch keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor, bleib sachlich.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Tom Bombadil »

PeterK hat geschrieben:(23 Oct 2019, 16:15)

Dann wäre ja der Nationalstaat das eigentliche Übel, weil er z.B. Friesen und Sachsen viel weitgehender unter einen Hut zwingt als die EU z.B. Esten und Portugiesen.
Inwiefern?
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Adam Smith »

PeterK hat geschrieben:(23 Oct 2019, 16:15)

Dann wäre ja der Nationalstaat das eigentliche Übel, weil er z.B. Friesen und Sachsen viel weitgehender unter einen Hut zwingt als die EU z.B. Esten und Portugiesen.
Die Friesen leben in den Niederlanden und in Deutschland.
Das ist Kapitalismus:

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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von PeterK »

Adam Smith hat geschrieben:(23 Oct 2019, 17:40)
Die Friesen leben in den Niederlanden und in Deutschland.
Na und? Die in D lebenden Friesen müssen mit den Sachsen in einem (National-)Staat leben.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Adam Smith »

PeterK hat geschrieben:(23 Oct 2019, 18:05)

Na und? Die in D lebenden Friesen müssen mit den Sachsen in einem (National-)Staat leben.
Begehen die Sachsen Angriffe in Friesland?
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Tom Bombadil »

PeterK hat geschrieben:(23 Oct 2019, 18:05)

Die in D lebenden Friesen müssen mit den Sachsen in einem (National-)Staat leben.
Sie könnten doch auswandern, wenn es denn so furchtbar ist. Dass die völkische Karte jetzt ausgerechnet von links gespielt wird, ist aber doch ganz witzig :D
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von schokoschendrezki »

Tom Bombadil hat geschrieben:(23 Oct 2019, 17:34)

Ja? Was liegt denn dazwischen, erzähl mal!


Vollkommener Unsinn, der Nationalstaat ist ein herausragendes Erfolgsmodell, besonders wenn er demokratisch organisiert ist.

Mit deinen völlig sinnfreien Ausbrüchen gegen "ihr" und "euch" lockst du auch keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor, bleib sachlich.
Ich versuche, sachlich zu bleiben. Die "Nationalstaatsidee", nicht unbedingt die Nation, so heißt es, sei - abgesehen von einigen historischen Vorläufern wie dem alten China - eine "Entwicklung der europäischen Neuzeit". Man müsste zunächst einmal fragen, inwiefern und ob überhaupt eindeutig positiv konnotierte Entwicklungen dieser Neuzeit wie etwa Aufklärung, Demokratie, Humanismus mit dieser Nationalstaatsidee verkoppelt sind. Sind sie es wirklich? Finden wir Gedanken zum Nationalstaat bei Voltaire, Montesqiueu, DIderot, Rosseau?

Rosseau unterscheidet zwischen einem "volonté général", einem Gemeinwillen, einem "volonté de tous", einer Summe der Einzelinteressen und einem "volonté de la majorite", einem Mehrheitswillen. Seine Demokratietheorie behandelt die Abstimmung dieser Interessensausrichtungen auf ziemlich rationale Weise. Der Nationalstaat ist dort einfach gewissermaßen eine sinnvolle und vernünftige Gliederungseinheit. Kulturelle Überhöhungen dieser Nationalstaatsidee kamen eigentlich erst im 19. Jahrhundert auf. Für Humanisten und AUfklärer wie Goethe, Herder oder Schiller war die Nationalstaatsidee ein Unding. Ganz explizit. Es widersprach ihren menschheitlich ausgerichteten Humanismus-Idealen. ABsolut bezeichnend für diese Auseinandersetzungen im 18. und 19. Jahrhundert ist der sogenannte Antiqua-Fraktur-Streit. Die Neuhumanisten wollten keine "Deutschen" sein, auch wenn sie in deutscher Sprache dichteten. Garibalidi, Kossuth, Bem, Arndt usw. waren die Väter der Natiionalstaatsidee. Nicht die klassischen Neuhumanisten, Aufklärer und Demokratie-Vordenker.

Klassische europäische Nationalstaaten wie Frankreich oder die Niederlande oder Portugal sind mit dem Entstehen von riesigen Kolonialreichen verknüpft. Schon vergessen? Bei allen "neuen" Nationalstaaten war und ist die Nationalstaatsidee stets eigentlich nur eine Staats-Ideologie für die Dummen. Eine Taumelei und Tümelei. Serbentum, Türkentum.

Nach wie vor, nicht anders als bei Rosseau ist die Idee staatlicher Gliederungen und staatlicher Souveränität vor allem eines: Vernünftig. Stichwort Subsidiarität. Und ebenso vernünftig ist es, staatliche Einheiten nicht komplett neu auszuwürfeln sondern sie an den schon historisch bestehenden Sprachgrenzen auszurichten. Alles, was darüber hinaus geht: Ethnische, kulturelle, religiöse Homogenität, Nationentum ist Ideologie und zu verachten.

Das Strang-Thema an sich ist widersprüchlich: Grenzenlosigkeit und Nationalstaat sind überhaupt keine sich gegenseitig ausschließenden Alternativen. Das Ende des Nationalstaats bedeutet keineswegs zwangsläufig das Ende staatlicher Souveränität.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(23 Oct 2019, 15:55)

Ist denn Russland kein Nationalstaat? Nach allem was ich weiß, hat das Land eine Amtssprache und ein Staatsvolk, nämlich zu mindestens 80% Russen. Die in der russischen Föderation lebenden 100 Völker sind selbst in ihren Bundesstaaten eine Minderheit (so in Wiki zu lesen). Das, was Sie also als Entwicklung befürchten, ist schon längst abgeschlossen. "Allerdings nimmt die Beherrschung der indigenen Muttersprache unter den betroffenen Volksgruppen ab." Was das für die 2. Amtssprache in den Bundesstaaten mit nichtrussischen Minderheiten bedeutet, das wird man sich an den 5 Fingern abzählen können. Nach dem Ende der Sowjetunion ist die Russische Föderation im wesentlichen der Staat der Russen geworden.
Es ist zunächst einmal allgemeiner Konsens, dass der Begriff "Nationalstaat" immer auch bis zu einem gewissen Grad mit der Vorstellung und Idee ethnischer, kultureller, religiöser, sprachlicher Hiomogenität verknüpft ist. Insofern ist der Nationalstaat kein oder nicht nur ein natürlicher Zustand sondern ein Konstrukt. Staatliche Souveräntität dagegen ist ein Begriff der internationalen, überstaatlichen Rechtsordnung. Nebenbei bemerkt: Den Begriff "Völkerrecht" dafür halte ich für historisch überholt. Ebenso wie "Völkerkunde" durch den Begriff "Kulturanthropologie" ersetzt wurde, bedürfte es hier einer Revision.

So wie sie richtig schreiben, existiert in Russland ein starker Bezug zu einem russischen Russland als Nation. Wenn wir aber den Druck, der momentan in der Türkei auf Kurden, in Indien auf Nicht-Hindus oder auch die kulturellen Homogenisierungsbestrebungen in eigentlich demokratischen Ländern wie Japan oder Australien hernehmen und dann betrachten, dass es in Russland starke politische Kräfte weit rechts von der gegenwärtigen Regierung gibt (Stichwort Alexander Dugin) und wenn wir ferner den großen internationalen Einfluss Russlands hernehmen ... dann halte ich es schon für gerechtfertigt in dieser Hinsicht von einer Art Bastion zu sprechen. Noch wird in Russland niemand staatlicherseits daran gehindert, seinem Kind einen jakutischen oder baschkirischen Vornamen zu geben. Noch lautet die offizielle Staatsbezeichnung "Russische Föderation". Das Gegenmodell dazu in der Nachrkriegsära wäre der Atatürk-Staat. Die Nationenbildung von oben. Die unbedingte Nationenbildung. Das Türkentum als Staatsideologie. Ägypten, Indien, Iran waren Nachfolgemodelle. Die Nation sei alles.

Das muss nicht eins-zu-eins mit Demokratie oder Nichtdemokratie korrespondieren. Die baltischen Staaten zum Beispiel sind eins-a-Demokratien. Jedoch auch mit einem starken Druck auf die Bildung ethnisch, sprachlich und kulturell einheitlicher und homogener Natiionen.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von streicher »

Tom Bombadil hat geschrieben:(22 Oct 2019, 14:46)

Ich auch nicht und je mehr Mitglieder man aufnimmt, umso weiter weg rückt die politische Einigung. Ich persönlich hätte nicht dagegen, wenn man ein politisches Kerneuropa als neuen Staat bilden würde: Dänemark, Benelux, Frankreich und Deutschland, evtl. noch Österreich, vereint zu einem Staat, das wäre mal ein Ausrufezeichen. Aber wohl auch vollkommen realitätsfern.
Das konnte ich mir auch vorstellen. Allerdings ist das ein Riesengebilde und noch weniger homogen, daher schwerer regierbar. Man musste es dann sicher föderal strukturieren, anders als es derzeit in Frankreich zum Beispiel der Fall ist.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(24 Oct 2019, 08:28)

Ich versuche, sachlich zu bleiben.
Danke. Leider beantwortet auch das meine Frage nicht, was denn zwischen Nationalstaat und global herrschenden Konzernen liegen würde. Dein Exkurs in die Geschichte der Philosophie und Dichtkunst ist zwar interessant, hilft mir da aber auch nicht weiter. Mir war schon vorher bekannt, dass du Nationalstaaten ablehnst.
Das Ende des Nationalstaats bedeutet keineswegs zwangsläufig das Ende staatlicher Souveränität.
Also wird nur der Nationalstaat ieS. abgelehnt, heißt, heterogene multiethnische Willensnationen sind okay? Dann müsstest du doch eigentlich ein großer Fan der USA sein.

Warum ich den Nationalstaat als Erfolgsmodell bezeichne? Weil die allermeisten Staaten auf dieser Welt so organisiert sind. Selbstverständlich sorgt übersteigerter Nationalismus für Auswüchse, aber sowas liegt mMn. in der Natur des Menschen begründet, das ist nicht die Schuld der eher abstrakten Idee "Nationalstaat". Ob man im Mêlée jetzt "Deus lo vult"/"Allahu Akbar" oder "Pour la France en danger" brüllt ist doch unerheblich.

Der Status Quo ist der Nationalstaat und es sieht mir nicht danach aus, als würde an diesem Status ernsthaft gerüttelt, auch wenn die modernen Wanderungsbewegungen die Völker durchmischen, daher wirst du wohl damit leben müssen, dass die Dummen die Welt beherrschen. Ich persönlich würde auch ein politisch geeintes Europa präferieren, sehe aber ein, dass das zu meinen Lebzeiten nicht mehr Realität werden wird, eher ist das Gegenteil der Fall.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

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H2O hat geschrieben:(23 Oct 2019, 17:07)

Könnte man dieses Argument nicht umdrehen und behaupten, daß Friesen und Sachsen im Verein eher ihre Eigenarten bewahren können, als wenn man sie einem äußeren Gegner überließe, der sich an den Verein aber nicht heran traut?

Ich gehe jetzt noch einen Schritt weiter: Auch Esten und Portugiesen finden unter dem gemeinsamen Dach der EU wirtschaftlich und politisch Schutz vor Mächten, die ihnen an Bevölkerungszahl vielfach überlegen sind. Ich behaupte auch, daß dieser Gesichtspunkt eine der späteren Begründungen für den Zusammenschluß der europäischen Völker ist: Sich der Beherrschung durch andere Weltmächte zu entziehen und möglichst selbst Weltmacht zu werden.
Der Begriff "Weltmacht" ist allerdings nicht nur in seinem imperialen Anspruch überwiegend negativ konnotiert. Auch die reale Geschichte der letzten zweihundert Jahre ist geprägt von dem Phänomen zerfallender Großmächte. Das osmanische Reich, der k.u.k.-Vielvölkerstaat, die kolonialen Großmächte Frankreich, England, Portugal, Spanien. Und nicht zuletzt die Sowjetunion. Da muss das EU-Europa schon ein anderes Ziel dagegensetzen. Und solche Ziele gibt es ja: "Europa von unten" zum Beispiel. Auf der Basis eines rein rechtlich sichergestellten freien Personen- und Güterverkehrs ein Europa der Bürger. Nicht der Staatsführungen. Des Europarats.
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