Volksentscheide, direkte Demokratie: Pro & Contra

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pikant
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von pikant »

Elvis Domestos hat geschrieben:(25 Feb 2016, 16:40)

Die direkte Demokratie ist in Deutschland gestärkt worden, so manch ein Bauvorhaben wurde dadurch verhindert. Die Grünen haben tatsächlich in ihren Reihen erhebliches Potenzial das diesen Fortschritt entgegentritt, als Beispiel nenne ich hier die Energiewende!
die Energiewende ist von der grossen Mehrheit der Deutschen laut Umfragen begruesst worden und ist im Bundestag mit grosser Mehrheit verabschiedet worden.
wenn man fuer direkte Demokratie ist, dann sollte man dies einfach zur Kenntnis nehmen.
Elvis Domestos

Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von Elvis Domestos »

bakunicus hat geschrieben: da muß der kategorische imperativ als leitmotiv erhalten bleiben.

„Alle Imperative werden durch ein Sollen ausgedrückt und zeigen dadurch das Verhältnis eines objektiven Gesetzes der Vernunft zu einem Willen an, der seiner subjektiven Beschaffenheit nach dadurch nicht notwendig bestimmt wird (eine Nötigung).“

Immanuel Kant: AA IV, 413

Ich hoffe mit dir das er erhalten bleibt
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von pikant »

Elvis Domestos hat geschrieben:(24 Feb 2016, 22:00)


97 % der CDU- Mitglieder auf dem Parteitag unterstützen Merkels Kurs, ein paar Tage später stehen die Landtagswahlen vor der Tür und Klöckner redet wie Seehofer. Sorry, ich kann mich einfach nicht mehr orientieren, es sind alle unberechenbar und beliebig geworden,
nein,
nur Kloeckner und dieser Spitzenkandidat aus BAWUE - Name entfallen.

man darf da nicht alle ueber einen Kamm scheren
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von Elvis Domestos »

pikant hat geschrieben:(25 Feb 2016, 17:13)

die Energiewende ist von der grossen Mehrheit der Deutschen laut Umfragen begruesst worden und ist im Bundestag mit grosser Mehrheit verabschiedet worden.
wenn man fuer direkte Demokratie ist, dann sollte man dies einfach zur Kenntnis nehmen.
Und damit unangreifbar, alternativlos und nicht korregierbar?
Ich lach mich tot
Wenn du zu dumm bist, zu checken das das Instrument der Energiewende gleichzeitig ein Instrument der Umverteilung von arm zu reich ist, dann ist das wohl so, beschlossen ist beschlossen.

Volkes Stimme in bare Münze verwandeln.

Nein Danke!
Elvis Domestos

Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von Elvis Domestos »

pikant hat geschrieben:(25 Feb 2016, 17:16)

nein,
nur Kloeckner und dieser Spitzenkandidat aus BAWUE - Name entfallen.

man darf da nicht alle ueber einen Kamm scheren
Und Merkel!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!1

Das haben Merkel und Klöckner doch abgesprochen! Natürlich habe ich keine Beweise dafür, die hat man nie bei Merkel.
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von pikant »

[quote="Elvis Domestos"](25 Feb 2016, 17:23)

Und damit unangreifbar, alternativlos und nicht korregierbar?
/quote]

wer hat das behauptet?

es gibt dafuer nicht den Ansatz einer Mehrheit bei der Bevoelkerung und auch nicht im Bundestag.
Minderheitenmeinungen gibt es immer und die sind zu respektieren.
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bakunicus
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von bakunicus »

Elvis Domestos hat geschrieben:(25 Feb 2016, 17:23)

Und damit unangreifbar, alternativlos und nicht korregierbar?
Ich lach mich tot
Wenn du zu dumm bist, zu checken das das Instrument der Energiewende gleichzeitig ein Instrument der Umverteilung von arm zu reich ist, dann ist das wohl so, beschlossen ist beschlossen.

Volkes Stimme in bare Münze verwandeln.

Nein Danke!
heul doch ...
es gehört zur demokratie auch dazu mehrheitsentscheidungen die einem nicht passen mit fassung zu tragen.

was glaubst du wie es mir und vielen anderen grün-linken wählern ging, als in der konsequenz des energiewirtschaftsgesetz von 1998 der deutsche strommarkt an die 4 großen konzerne Eon, RWE, vattenfall und EnBW aufgeteilt wurde, in einem staatsmächtigen akt der oligopolisierung ...

glaubst du wir fanden das lustig ?
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von pikant »

Elvis Domestos hat geschrieben:(25 Feb 2016, 17:26)

Und Merkel!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!1

Das haben Merkel und Klöckner doch abgesprochen! Natürlich habe ich keine Beweise dafür, die hat man nie bei Merkel.
an Spekulationen beteilige ich mich nicht.
aber ich kann ihnen versichern, dass der Plan A2 von der Bundesregierung nicht aufgegriffen worden ist.
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von Elvis Domestos »

bakunicus hat geschrieben:(25 Feb 2016, 17:30)

heul doch ...
es gehört zur demokratie auch dazu mehrheitsentscheidungen die einem nicht passen mit fassung zu tragen.
Auch Hitler war eine Mehrheitsentscheidung!
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von bakunicus »

Elvis Domestos hat geschrieben:(25 Feb 2016, 17:39)

Auch Hitler war eine Mehrheitsentscheidung!
blah blah blah ...
alles was dir gegen den strich geht ist also hitler ...

das nenne ich mal eine veritable nazikeule ...
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von d'Artagnan »

Elvis Domestos hat geschrieben:(25 Feb 2016, 16:40)

Die direkte Demokratie ist in Deutschland gestärkt worden, so manch ein Bauvorhaben wurde dadurch verhindert. Die Grünen haben tatsächlich in ihren Reihen erhebliches Potenzial das diesen Fortschritt entgegentritt, als Beispiel nenne ich hier die Energiewende! Das geht so weit das man offen fordert, sog. Energiewendegegnern (was für ein Wort!), den Strom abzustellen! Hier wird also voll auf die Staatsgewalt gesetzt! Oder soll ich lieber staatliche Gewalt schreiben!
Nun, die direkte Demokratie muss ja nicht eine parlamentarische Demokratie ersetzen, sie kann aber die direkte Bürgerbeteiligung mehr Gewicht verleihen. Auch wäre es mMn sehr wichtig die innerparteiliche Demokratie zu stärken, um die Repräsentative Willensbildung- und Bekundung zu wahren! Also mehr Demokratie durch mehr innerparteiliche Demokratie. Dazu ein Wikilink;
https://de.wikipedia.org/wiki/Innerpart ... Demokratie
Genau hier möchte ich bei der CDU ansetzen und aufzeigen, dass eher SED- anmutende Gefolgsschaftstreue ihren Charakter abbildet, als Umsetzung größtmöglicher Willensbekundungen! Wie funktioniert das? Merkels Freundin stimmt auf dem Parteitag "natürlich" für den Merkelkurs, um ein paar Tage später, "natürlicherweise" eine Kurskorrektur einzufordern. Man könne es schizophren nennen, oder doch lieber Taktik um den Wahlverein zu lenken?
In deren Fall trifft meiner Meinung nach der Vorwurf "Populismus" voll zu. Also der Versuch populäre Meinungen nachzuäffen, ohne diese nach der Wahl wirklich zu vertreten.
Klöckner, auf die Du sicher anspielst, darf halt ein bisschen bellen, weil sie sich gerade im Wahlkampf befindet. Mich wundert dass die Medien dieses durchsichtige Spiel mitmachen und sie nicht festnageln.
Nach der Wahl wird von ihr jedenfalls nichts mehr Merkelkritisches zu hören sein. Da gehe ich jede Wette ein.

Aber zurück zu Deinem -sehr wichtigen- Punkt der innerparteilichen Demokratie:
Die AfD ist auf Grund mangelnder innerparteilicher Demokratie der CDU ja erst entstanden. (Man erinnere sich an die "alternativlosen" Kanzlerinnenleitlinien.)
Natürlich muss man in einer regierungsfähigen Partei eine gewisse Disziplin walten lassen - aber wie man innerparteiliche Kritker in der CDU (und auch in der FDP) behandelt hat war sicherlich kein Glanzstück demokratischer Kultur. "Ich kann Deine Fresse nicht mehr sehen" Pofalla lässt grüßen.

Wir dürfen nicht vergessen dass es hier um eine der mächtigsten Drogen überhaupt geht: MACHT
Gegen diese ist praktisch jeder anfällig. Macht verändert praktisch jeden, Idealist oder nicht. (Außer evtl. einen Gandhi.)
Demokratien basieren ja darauf Macht einzudämmen und zu befristen, es handelt sich immer um ein Spiel der Balance zwischen Effizienz und Pluralismus, Machtfülle und Machtkontrolle.

Der Bürger sollte mEn eine Chance bekommen das letzte Wort zu haben, insbesondere wenn eine Überkoalition an der Macht ist und die parlamentarische Opposition ihren Job nicht macht.
Ich halte das Schweizer Modell, das ja Parteien auf der einen und direktdemokratische Elemente auf der anderen Seite miteinander verbindet für sehr gelungen.

(Sehr langfristig glaube ich dass ein Modell ähnlich dem der Piraten (liquid democracy) eine Chance bekommen wird, vorausgesetzt die Menschheit überlebt so lange.^^)

Aber ansonsten stimme ich Dir zu:
Die Stärkung innerparteilicher Demokratie in etablierten Parteien würde schon mal einen enormen Fortschritt darstellen und würde keinerlei Änderung des GG erfordern.
Nur die der Geisteshaltung der Parteienspitzen und Medien(!).
Leider scheint dieses wohl noch eine deutlich schwierigere Hürde darzustellen...
Dein Argument >>
Was mich ärgert ist dass häufg eine arrogante bürgerabwertende Denke dahinter steckt die man bereits zu Feudalzeiten pflegte. Tenor: Das Volk, "der große Lümmel", sei dumm und leicht verhetzbar, und brauche die Edlen und Auserwählten die sich in den Parteienzirkeln etabliert haben, zu ihrer Lenkung, sonst regiere das Chaos.<< möchte ich insofern beistimmen wollen, wenn ich diese Argumentation als Gesellschaftskritik im allgemeinen verstehen darf. Auf Parteien und deren Spitzen möchte ich dieses nicht reduzieren wollen. Ich erinnere an den Dr. aus dem Süden der den Boulevard füllte und eher einen Prinzen abbildete als einen Politiker. Insofern möchte man eher Glaubwürdigkeit projizieren, statt sie wirklich zu empfinden...
Ja, da gehe ich d'accord.
Man kann die skizzierte Kritik gerne auf das "juste milieu" erweitern.
Dass der konservative Teil des politischen Spektrums traditionell obrigkeitsgläubig ist, kann zu irrationaler Nibelungentreue führen. Vor allem wenn diese Machthabenden dann noch die Medien im Rücken haben (und nicht nur der Boulevard, auch unser Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk ist für Hofberichterstattung sehr anfällig, insbesondere in Zeiten großer und übergroßer Koalitionen!). Nur: ohne seine Parteifreunde wäre der Dr. plag. nie an die Spitze gekommen. Auch nicht mit der Bild im Rücken.
Was hingegen eine Groteske der Geschichte ist, ist dass, seit sie sich im juste milieu etabliert haben, auch Vertreter des "linken Teils" des politischen Spektrums, der einmal aus der Arbeiterschaft und dem Proletariat (von der Rechten als "Lumpenproletariat" geschmäht) entstand, sich nun ebenfalls moralisch und geistig "dem Pöbel" überlegen fühlt und meint diesem per toto seine Entscheidungsfähigkeit absprechen (oder mit mahnendem Zeigefinger diktieren) zu müssen.
Mir scheint es so, als hätte der Bürger, nach GG ja eigentlich der Souverän in diesem Land, in den Parteien, wenn sie sich mal etabliert haben, viel zuwenig Fürsprecher.
Daher mein Plädoyer fürs Schweizer Modell.
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von d'Artagnan »

bakunicus hat geschrieben:(25 Feb 2016, 17:00)

woher hast du denn den unsinn ...
meines wissens fordern die grünen nach wie vor mehr volksabstimmungen, auch wenn sie bei der hamburger schulreform eine krachende niederlage erfahren haben.
Ok.
Fairerweise muss ich zugeben, dass ich da falsch lag.
Diese Partei ist tatsächlich für mehr direkte Demokratie auf Bundesebene.
https://www.mehr-demokratie.de/volksent ... estag.html
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von d'Artagnan »

pikant hat geschrieben:(25 Feb 2016, 17:33)

an Spekulationen beteilige ich mich nicht.
aber ich kann ihnen versichern, dass der Plan A2 von der Bundesregierung nicht aufgegriffen worden ist.
und nicht wird.
Was Klöckner weiß. Insofern: Purer Populismus!
Wer CDU wählt, wählt Merkel.
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von d'Artagnan »

Elvis Domestos hat geschrieben:(25 Feb 2016, 17:39)

Auch Hitler war eine Mehrheitsentscheidung!
Genaugenommen war Hitler keine Mehrheitsentscheidung des Volkes, sondern eine des "alternativlos" regierenden Präsidialkabinetts Hindenburg.
Selbst in den sicherlich nicht mehr demokratisch zu nennenden Wahlen 1933 bekamen die Hitleristen keine absolute Mehrheit.
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von frems »

d'Artagnan hat geschrieben:(25 Feb 2016, 17:46)
Daher mein Plädoyer fürs Schweizer Modell.
Was meinst Du damit denn konkret? Irgendwie wird mir das nicht ganz klar. "Nur" Volksentscheide auf Bundesebene? :?:
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von Elvis Domestos »

d'Artagnan hat geschrieben:(25 Feb 2016, 17:46)

In deren Fall trifft meiner Meinung nach der Vorwurf "Populismus" voll zu. Also der Versuch populäre Meinungen nachzuäffen, ohne diese nach der Wahl wirklich zu vertreten.
Klöckner, auf die Du sicher anspielst, darf halt ein bisschen bellen, weil sie sich gerade im Wahlkampf befindet. Mich wundert dass die Medien dieses durchsichtige Spiel mitmachen und sie nicht festnageln.
Nach der Wahl wird von ihr jedenfalls nichts mehr Merkelkritisches zu hören sein. Da gehe ich jede Wette ein.
Man muss wohl diese Praxis Populismus nennen ohne zu übertreiben. Und da es ihre Freundin ist, erspare ich mir weitere Spekulationen an dieser Stelle...
d'Artagnan hat geschrieben:(25 Feb 2016, 17:46)
Aber zurück zu Deinem -sehr wichtigen- Punkt der innerparteilichen Demokratie:
Die AfD ist auf Grund mangelnder innerparteilicher Demokratie der CDU ja erst entstanden. (Man erinnere sich an die "alternativlosen" Kanzlerinnenleitlinien.)
Natürlich muss man in einer regierungsfähigen Partei eine gewisse Disziplin walten lassen - aber wie man innerparteiliche Kritker in der CDU (und auch in der FDP) behandelt hat war sicherlich kein Glanzstück demokratischer Kultur. "Ich kann Deine Fresse nicht mehr sehen" Pofalla lässt grüßen.
Und dieser Punkt betrifft die Parteiführung! Vlt sollten wir Fr. Dr. Merkel die kommentierte Ausgabe des Parteiengesetzes zukommen lassen, leider sehr teuer....
Natürlich trifft dieses nicht nur auf die CDU zu, sondern auf alle Parteien, daher ist es für mich auch eine Gesellschaftskritik an sich.
d'Artagnan hat geschrieben:(25 Feb 2016, 17:46)
Wir dürfen nicht vergessen dass es hier um eine der mächtigsten Drogen überhaupt geht: MACHT
Gegen diese ist praktisch jeder anfällig. Macht verändert praktisch jeden, Idealist oder nicht. (Außer evtl. einen Gandhi.)
Demokratien basieren ja darauf Macht einzudämmen und zu befristen, es handelt sich immer um ein Spiel der Balance zwischen Effizienz und Pluralismus, Machtfülle und Machtkontrolle.
Die Explorative ist eine Begriffserweiterung um die Legislative, Exekutive und Judikative zu stärken. Diesen Begriff habe ich erst heute hier im Forum aufgegriffen.
http://politik-forum.eu/viewtopic.php?f ... 5#p3452583


d'Artagnan hat geschrieben:(25 Feb 2016, 17:46)
Aber ansonsten stimme ich Dir zu:
Die Stärkung innerparteilicher Demokratie in etablierten Parteien würde schon mal einen enormen Fortschritt darstellen und würde keinerlei Änderung des GG erfordern.
Nur die der Geisteshaltung der Parteienspitzen und Medien(!).
Leider scheint dieses wohl noch eine deutlich schwierigere Hürde darzustellen...
Diese Argumentation würde ich über die Möglichkeit eines Schweizer Modells stellen wollen. Mehr innerparteiliche Demokratie einfordern um damit die Basis zu stärken.
d'Artagnan hat geschrieben:(25 Feb 2016, 17:46)
Ja, da gehe ich d'accord.
Man kann die skizzierte Kritik gerne auf das "juste milieu" erweitern.
Dass der konservative Teil des politischen Spektrums traditionell obrigkeitsgläubig ist, kann zu irrationaler Nibelungentreue führen. Vor allem wenn diese Machthabenden dann noch die Medien im Rücken haben (und nicht nur der Boulevard, auch unser Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk ist für Hofberichterstattung sehr anfällig, insbesondere in Zeiten großer und übergroßer Koalitionen!). Nur: ohne seine Parteifreunde wäre der Dr. plag. nie an die Spitze gekommen. Auch nicht mit der Bild im Rücken.
Was hingegen eine Groteske der Geschichte ist, ist dass, seit sie sich im juste milieu etabliert haben, auch Vertreter des "linken Teils" des politischen Spektrums, der einmal aus der Arbeiterschaft und dem Proletariat (von der Rechten als "Lumpenproletariat" geschmäht) entstand, sich nun ebenfalls moralisch und geistig "dem Pöbel" überlegen fühlt und meint diesem per toto seine Entscheidungsfähigkeit absprechen (oder mit mahnendem Zeigefinger diktieren) zu müssen.
Mir scheint es so, als hätte der Bürger, nach GG ja eigentlich der Souverän in diesem Land, in den Parteien, wenn sie sich mal etabliert haben, viel zuwenig Fürsprecher.
Daher mein Plädoyer fürs Schweizer Modell.
Der Souverän ist der Wille des Volkes und lässt sich wunderbar in bare Münze verwandeln!

Deswegen muss die Demokratie sich stets und fortlaufend daran messen, inwieweit sie in der Lage ist, Konflikte friedlich aus zutragen. Auch Volkes Wille ist heute so und Morgen so. Natürlich kann man eine Energiewende beschließen, aber man muss sie auch fortlaufen hinterfragen dürfen.
Natürlich ist es eine Errungenschaft der Linken in D. mehr Basisdemokratie zu haben, aber die gleichen Kräfte bauen sie wieder ab, wenn es um die Umsetzung ihrer politischen Ziele geht. Die Energiewende ist dafür das Beispiel schlechthin.
Und wer greift dieses Thema auf? Die Rechtspopulisten!
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von Brainiac »

[MOD] Spam entsorgt. Bitte beim Thema bleiben, im Kern: Kritik der (nur) parlamentarischen Demokratie.
Edit: Wer unbedingt die Energiewende kritisieren will, kann dazu einen eigenen Strang aufmachen oder zB diesen fortführen: http://www.politik-forum.eu/viewtopic.php?f=70&t=56380
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von d'Artagnan »

frems hat geschrieben:(25 Feb 2016, 18:13)

Was meinst Du damit denn konkret? Irgendwie wird mir das nicht ganz klar. "Nur" Volksentscheide auf Bundesebene? :?:
Ich meine damit alle drei direktdemokratischen Instrumente, über die die Schweizer Eidgenossen verfügen:

In Wikipedia ist es sehr schön zusammengefasst:
Zu einer Volksabstimmung kann es in der Schweiz auf Bundesebene auf drei möglichen Wegen kommen.

1. Über den Weg einer zustande gekommenen Volksinitiative, das heisst, wenn 100'000 Stimmberechtigte innerhalb von 18 Monaten mit ihrer Unterschrift eine Änderung oder Totalrevision der Verfassung verlangen.[12] Das Parlament kann einen Gegenentwurf erarbeiten. Falls die Initiative nicht zu dessen Gunsten zurückgezogen wird, werden dem Volk seit 1987 drei Fragen vorgelegt: die Initiative, der Gegenentwurf sowie die Stichfrage, welcher Vorlage Vorrang zu geben ist, wenn beide angenommen werden. Die Stichfrage kann unabhängig von den Vorlagen beantwortet werden, so kann ein Stimmender beide Vorlagen ablehnen, mit der Stichfrage aber eine davon vorziehen. Vor 1987 gab es keine Stichfrage und der Stimmende durfte nur einer der beiden Vorlagen zustimmen, konnte aber beide ablehnen.[13]

2. Als obligatorisches Referendum über eine vom Parlament beschlossene Verfassungsänderung, über einen Beitritt zu Organisationen für kollektive Sicherheit oder zu supranationalen Gemeinschaften sowie über dringlich erklärte Bundesgesetze, die keine Verfassungsgrundlage haben und deren Geltungsdauer ein Jahr übersteigt.

3. Auf dem Weg des fakultativen Referendums über einen vom Parlament verabschiedeten, referendumsfähigen Erlass (u. a. Bundesgesetze, wichtige völkerrechtliche Verträge).[14] Wenn mindestens 50'000 Stimmberechtigte oder acht Kantone innerhalb von 100 Tagen nach der amtlichen Veröffentlichung dies verlangen, wird die bereits verabschiedete Vorlage in einer Volksabstimmung überprüft. Bei einer Ablehnung durch die Mehrheit der Stimmenden tritt der entsprechende Erlass nicht in Kraft, bezw. dringlich erklärte Bundesgesetze laufen ein Jahr nach Annahme durch das Parlament aus und können nicht erneuert werden
Finde ich sehr vernünftig, alle drei Punkte, insbesondere die letzten beiden, denn sie geben dem Bürger echte Mittel zur Teilhabe.
Ich erinner an gewisse Gesetze die heimlich still und leise hinter dem Rücken der Bevölkerung zu später Stunde während einer Fußballweltmeisterschaft erlassen werden.
Und an Auslandseinsätze die völlig unpopulär sind, aber regelmäßig mit größten Mehrheiten verabschiedet werden.
Mit breitester Zustimmung erlassene Gesetze über automatische Diätenanpassungen an Richtergehälter für Bundestagsabgeordnete. Etc. pp.
Solche Missstände wären in der Schweiz wohl praktisch ausgeschlossen.
Was ich an der Schweiz hingegen skurril finde ist die traditionelle Allparteienregierung.
Wobei Merkel mit ihrer Jubel"opposition" im Bundestag ja dieser Skurrilität nicht nachsteht :p
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von frems »

Was ich an der Schweiz hingegen skurril finde ist die traditionelle Allparteienregierung.

Ja, danke, genau das war nämlich meine Frage. Die "Notwendigkeit" für Referenden sind in der Schweiz schon völlig andere ob ihrer Konkordanzdemokratie, die man aus der Diskussion nicht weglassen sollte, wenn man sich an der Schweiz orientieren möchte. Ohne Koalition und der (faktischen) Möglichkeit, Regierungen abzuwählen, sieht das eben noch einmal etwas anderes aus. Davon abgesehen fänd ich's persönlich, rein demokratietheoretisch, etwas bedenklich, wenn die Wahlbeteiligungen bei uns so weit in den Keller rutschen wie in der Schweiz. Warum manche Zeitgenossen meinen, gegen eine angeblich niedrige Beteiligung respektive hohe Verdrossenheit seien Volksentscheide sinnvoll, konnte mir noch keiner schlüssig erklären. Man könnte auch gegenteilig argumentieren und davon ausgehen, dass Referenden die Beteiligung bei Parlamentswahlen weiter sinken lässt. Aber darauf kann man natürlich auch pfeifen.
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von d'Artagnan »

frems hat geschrieben:(25 Feb 2016, 20:08)

Was ich an der Schweiz hingegen skurril finde ist die traditionelle Allparteienregierung.

Ja, danke, genau das war nämlich meine Frage. Die "Notwendigkeit" für Referenden sind in der Schweiz schon völlig andere ob ihrer Konkordanzdemokratie, die man aus der Diskussion nicht weglassen sollte, wenn man sich an der Schweiz orientieren möchte. Ohne Koalition und der (faktischen) Möglichkeit, Regierungen abzuwählen, sieht das eben noch einmal etwas anderes aus.
Ja, also diesen Teil der Schweizer Demokratie sollten wir nicht kopieren.

Man muss aber schon zwischen Ursache und Folge unterscheiden:
Diese Konkordanzdemokratie ist ja keine Folge sondern die Ursache dafür dass es seit 1987 diese direktdemokratischen Möglichkeiten gibt.

Um nun den Bogen zu uns zu schlagen:
Aktuell ist die Notwendigkeit dieser direktdemokratischen Beteiligung stärker denn je, meiner Meinung nach.
De facto haben wir ja auch keine Möglichkeit die Merkelregierung abzuwählen. Höchstens ob Merkels Koalitionspartner rot, gelb oder grün ist. Letztlich egal, denn die Kanzlerin macht als Regierungschefin ja eh was sie will.
Die Ursache ist in erster Linie, dass die SPD quasi ein schwindsüchtiger Schatten ihrer selbst geworden ist, (auch wenn ihr großer Vorsitzender nicht so aussieht :D ) Die zahlt den Preis für die Merkelehe. Die FDP träumt in der Gruft liegend von einer schwarz-gelben Neuauflage nach Wunderheilung. Und die Grünen sind von Merkels Politik (mit einiger Berechtigung aus ihrer Sicht) mittlerweile auch so begeistert, dass sie sich sofort in das noch warme Ehebett der schwarzen Witwe legen würde sobald die schwindsüchtige alte Tante dort hinausgeworfen wurde. :p
Gut- Linke oder AfD kann man wählen wenn man seine Unzufriedenheit an Merkel Ausdruck verleihen möchte - aber solange das nicht mit dramatischen Mehrheiten geschieht, können die am Merkelkurs auch nix ändern.
Oder man kann einfach nix wählen. Superlösung... :|
Dann doch lieber mehr direkte Demokratie nach der Schweizer Methode, da entscheidet man nach Sachthemen welchen Kurs man mitträgt, und welchen nicht. Und die Parteien müssen aus dem deutlich detaillierter vorformulierten Bürgerwillen eine zukunftsfähige Politik gestalten.
Ich lege mich fest:
Hätten wir das Schweizer System gäbe es mit einiger Wahrscheinlichkeit noch die DM, mit Sicherheit keine Merkelsche "alternativlose" Verschlimmbesserungspolitik namens "Griechenlandrettung", keinen ESM. Für die Gründung einer AfD hätte es somit keinen Anlass gegeben. (Und somit passt mein Beitrag perfekt in den Themenstrang^^)
Davon abgesehen fänd ich's persönlich, rein demokratietheoretisch, etwas bedenklich, wenn die Wahlbeteiligungen bei uns so weit in den Keller rutschen wie in der Schweiz. Warum manche Zeitgenossen meinen, gegen eine angeblich niedrige Beteiligung respektive hohe Verdrossenheit seien Volksentscheide sinnvoll, konnte mir noch keiner schlüssig erklären. Man könnte auch gegenteilig argumentieren und davon ausgehen, dass Referenden die Beteiligung bei Parlamentswahlen weiter sinken lässt. Aber darauf kann man natürlich auch pfeifen.
Die niedrige Wahlbeteiligung dürfte ziemlich sicher eine Folge eben jener Allparteienregierungsskurrilität sein. Das "Argument" der Nichtwähler in der Schweiz: "warum soll ich wählen gehen, es kommen doch eh alle an die Regierung" ähnelt dabei denen unserer Nichtwähler ("ist doch eh alles die gleiche Soße").
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von Brainiac »

d'Artagnan hat geschrieben:(25 Feb 2016, 21:34)Diese Konkordanzdemokratie ist ja keine Folge sondern die Ursache dafür dass es seit 1987 diese direktdemokratischen Möglichkeiten gibt.
Ich bin kein tiefer Kenner der Schweiz, habe aber zumindest ein Jahr für die Credit Suisse gearbeitet und in Zürich gelebt.

So wie ich es wahrgenommen habe, fusst die direkte Demokratie in der Schweiz vor allem auf dem tief verwurzelten Grundkonsens, dass dieses System nicht mißbraucht werden darf. Beispiel Credit Suisse - das direktdemokratische Prinzip ist auch erstaunlich weitgehend in den Unternehmen verankert -, dort konnte theoretisch jeder Pförtner jede Vorstandsentscheidung in Frage stellen und Klärungsprozesse dazu erzwingen. Dieses Recht wird jedoch so gut wie nie in Anspruch genommen. Wer dies täte, wäre ein Outlaw.

Ich bin für mehr direktdemokratische Elemente in Deutschland auch auf Bundesebene. Man sollte jedoch sehr vorsichtig beginnen und keine Wunderdinge erwarten. Diese über viele Jahrzehnte gewachsene "Weisheit" der Schweizer Bürger im Umgang mit diesem Instrument wird nicht von selbst kommen, sondern ihre Zeit brauchen, lange Zeit.
Ich lege mich fest:
Hätten wir das Schweizer System gäbe es mit einiger Wahrscheinlichkeit noch die DM, mit Sicherheit keine Merkelsche "alternativlose" Verschlimmbesserungspolitik namens "Griechenlandrettung", keinen ESM.
Ich lege mich auch fest, aber andersherum, wir hätten genau das was heute Fakt ist (Euro, ESM), nur besser legitimiert. Weil die Leute, statt zu schimpfen, ernsthaft die Alternativen bewerten müssten.
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von pikant »

d'Artagnan hat geschrieben:(25 Feb 2016, 17:55)

und nicht wird.
Was Klöckner weiß. Insofern: Purer Populismus!
Wer CDU wählt, wählt Merkel.
bei der Landtagswahl steht Merkel auf keinem Wahlzettel.
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von frems »

d'Artagnan hat geschrieben:(25 Feb 2016, 21:34)

Ja, also diesen Teil der Schweizer Demokratie sollten wir nicht kopieren.

Man muss aber schon zwischen Ursache und Folge unterscheiden:
Diese Konkordanzdemokratie ist ja keine Folge sondern die Ursache dafür dass es seit 1987 diese direktdemokratischen Möglichkeiten gibt.
Absolut richtig. Ich nutz das Wort jetzt ungern nochmal, aber mir fällt kein anderes ein: die direkte Demokratie in der Schweiz ist ein Korrektiv zu genau jenem Regierungsprinzip.
Um nun den Bogen zu uns zu schlagen:
Aktuell ist die Notwendigkeit dieser direktdemokratischen Beteiligung stärker denn je, meiner Meinung nach.
Das Problem ist immer, wenn man sich nicht allgemein für direkte Demokratie einsetzt, sondern nur themenbezogen. Das trifft man bei AfD wie bei den Grünen an, wobei man fairerweise letzteren eingestehen muss, dass sie 2002 für eine Mehrheit pro Referenden sorgten, obwohl es keinen aktuellen Anlass gibt. Die braunen AfD-Horden denken nur, sie könnten in einem Randthema mit Stimmungsmache vielleicht eine Mehrheit kriegen. Ansonsten möchten sie davon nichts wissen, erst recht nicht, wenn es zu ihrem Nachteil sein könnte. Frag mal eine Petry nach Volksentscheiden zur Homosexualität wie in Irland, nach der Trennung von Kirche und Staat, nach Wehrpflicht, Drogenlegalisierung oder auch Verbot von extremistischen Parteien und Gruppen. Daran erkennst Du die Teilzeitdemokraten. Davon abgesehen: schon die NPD forderte Volksentscheid nach "Schweizer Vorbild". Will jetzt irgendwer der NPD abnehmen, dass sie doch nur "kritisiert" wird, weil sie für direkte Demokratie sei? Das ist doch eine unglaublich billige Masche.

Man sollte sich auch von der Idee lösen, dass Volksentscheide "demokratischer" seien als parlamentarische Abstimmungen. Das sind sie nicht. Gerade deshalb sehen es viele Demokratieforscher auch kritisch, wie die SVP peu a peu die Gewaltenteilung zersetzt. Parlament und Gerichte verlieren stark an Einfluss, während die Regierung allmächtig wird und nur gelegentlich vom Souverän (= Volk) leicht gebremst, aber nicht aufgehalten werden könnte.
De facto haben wir ja auch keine Möglichkeit die Merkelregierung abzuwählen. Höchstens ob Merkels Koalitionspartner rot, gelb oder grün ist. Letztlich egal, denn die Kanzlerin macht als Regierungschefin ja eh was sie will.
Steinbrück wär 2013 leichter zum Kanzler zu machen als die CDU-Politik nach Schweizer Vorbild zu beseitigen. Aktuelle Stagnation in Umfragen war ja kein Maßstab für die theoretische Grundlage der jeweiligen Systeme.
Hätten wir das Schweizer System gäbe es mit einiger Wahrscheinlichkeit noch die DM, mit Sicherheit keine Merkelsche "alternativlose" Verschlimmbesserungspolitik namens "Griechenlandrettung", keinen ESM. Für die Gründung einer AfD hätte es somit keinen Anlass gegeben. (Und somit passt mein Beitrag perfekt in den Themenstrang^^)
Die AfD lebt ja nicht mehr vom Euro-Thema, sondern von ihrem Rassismus in Sachen Flüchtlinge. Und eine spontane Regierungsentscheidung, wie jene letzten Sommer (Schäuble sprach von Lawinen und so), kann man nicht per Volksentscheid absegnen. Und ja, vermutlich hätten wir noch die Reichsmark und nicht den Euro. Wir hätten auch keine Agenda 2010, keine Wiedervereinigung, keine Ostpolitik, keinen NATO-Doppelbeschluss, keine offenen Grenzen zu unseren Nachbarn, keine Freizügigkeit in Europa. Das liegt gar nicht daran, dass der Wähler "dumm" sei, sondern jeder Mensch -- in unterschiedlichem Ausmaß -- dazu neigt, lieber den Status Quo statt Veränderungen zu nehmen. Nachteile mit Gewissheit sind lieber als Ungewissheit mit Risiken sowie Chancen. (Mal abgesehen von Sachsen, die brennende Asylheime als "direkte Demokratie" bezeichnen und offensichtlich nicht ganz verstehen, was dieses Fabelwesen bedeutet)
Die niedrige Wahlbeteiligung dürfte ziemlich sicher eine Folge eben jener Allparteienregierungsskurrilität sein. Das "Argument" der Nichtwähler in der Schweiz: "warum soll ich wählen gehen, es kommen doch eh alle an die Regierung" ähnelt dabei denen unserer Nichtwähler ("ist doch eh alles die gleiche Soße").
Beim Nationalrat waren seit den 70er nicht mehr über 50% bei der Wahlurne und Volksentscheide kommen so gut wie nie auf über 40%, obwohl man drei und mehr Themen bündelt, weil man hofft, dass so möglichst viele Wähler ein (für sie interessantes) Thema finden und gleich bei den anderen Punkten auch ein Kreuz setzen. Und warum soll man die Linke oder SPD wählen, wenn der Mindestlohn und die Gerontokratie per Volksentscheid schon kommen?
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von d'Artagnan »

frems hat geschrieben:(26 Feb 2016, 16:13)

Absolut richtig. Ich nutz das Wort jetzt ungern nochmal, aber mir fällt kein anderes ein: die direkte Demokratie in der Schweiz ist ein Korrektiv zu genau jenem Regierungsprinzip.


Das Problem ist immer, wenn man sich nicht allgemein für direkte Demokratie einsetzt, sondern nur themenbezogen. Das trifft man bei AfD wie bei den Grünen an, wobei man fairerweise letzteren eingestehen muss, dass sie 2002 für eine Mehrheit pro Referenden sorgten, obwohl es keinen aktuellen Anlass gibt. Die braunen AfD-Horden denken nur, sie könnten in einem Randthema mit Stimmungsmache vielleicht eine Mehrheit kriegen. Ansonsten möchten sie davon nichts wissen, erst recht nicht, wenn es zu ihrem Nachteil sein könnte. Frag mal eine Petry nach Volksentscheiden zur Homosexualität wie in Irland, nach der Trennung von Kirche und Staat, nach Wehrpflicht, Drogenlegalisierung oder auch Verbot von extremistischen Parteien und Gruppen. Daran erkennst Du die Teilzeitdemokraten.
Ja, frag mal die Petry. Ich bin mir sicher, dass sie Volksentscheide über Schwulenehe etc. NICHT ablehnt.
Die giftigsten Debatten sind solche, die davon geprägt sind, dass beide Lager ihre Meinung als Mehrheitsmeinung sehen.
Eine Abstimmung darüber bringt da sehr schnell Klarheit.

(Und Irland ist ja das Land, das zum Ärger der EU abstimmen durfte und dann das auch noch aus EU-Sicht "falsch" tat, weshalb es gezwungen wurde sein Referendum zu wiederholen.
"Teilzeitdemokraten" passt auf die EU-Funktionäre wie Juncker in der Tat.)
Es ist logisch, dass wenn man direkte Demokratie einführt, dieses früher oder später mit einigen Vorstellungen JEDER Partei kollidiert. Genau das ist ja das reizvolle: Das die Parteien viel mehr Überzeugungsarbeit leisten müssen und sehr viel weniger anfällig für die Einflüsterungen von Lobbys sind.
Davon abgesehen: schon die NPD forderte Volksentscheid nach "Schweizer Vorbild". Will jetzt irgendwer der NPD abnehmen, dass sie doch nur "kritisiert" wird, weil sie für direkte Demokratie sei? Das ist doch eine unglaublich billige Masche.
Wieso Du nun ausgerechnet die NPD anschleppst, ist mir nicht begreiflich. Die kriegt vielleicht mal 100 Leute auf ner Demo zusammen, wenn der Verfassungssschutz will. An ihrer Attraktivität für Wähler würden auch Freibierwochen als Wahlversprechen nichts dran ändern. Sowieso ist das ein Pappdrachen auf den Du da mit der NPD-Keule eindrischst.
Dass die Altparteienfunktionäre die Angst vor den direktdemokratischen Ansätzen der AfD treibt, behauptet niemand. Deren Motive sind viel profaner.
Die unfairen Attacken auf die AfD von Seiten der Altparteien und ihrer teilweise gewalttätigen Zuarbeiter (die selbst vor steuermittelalimentierten Mordaufrufen nicht halt machen) sind Ausfluss reiner Angst, da man um Macht und Pfründe fürchtet.
Ist so wie bei den Piraten: Kaum waren die erfolgreich, schon kam die rechte Keule. Es ist einfach eine unglaublich billige Masche der Machthabenden, die aber zunehmend abgenutzt wirkt.
Ironischerweise wirken hier ganz ähnliche Konkurrenzangst-Mechanismen wie bei jenen, die erstere als "Dunkeldeutsche" und "Pack" bezeichnen.
Man sollte sich auch von der Idee lösen, dass Volksentscheide "demokratischer" seien als parlamentarische Abstimmungen. Das sind sie nicht. Gerade deshalb sehen es viele Demokratieforscher auch kritisch, wie die SVP peu a peu die Gewaltenteilung zersetzt. Parlament und Gerichte verlieren stark an Einfluss, während die Regierung allmächtig wird und nur gelegentlich vom Souverän (= Volk) leicht gebremst, aber nicht aufgehalten werden könnte.
Naja, vielleicht "Demokratieforscher" von einer der parteinahen Stiftungen. :D
Gerade wenn es "gewaltenteilungszersetzende Gesetze" einer "immer allmächtiger werdenden Regierung" gibt, ist es gut dass das Volk obligatorische Referenden abhält.
Erkläre mir mal bitte wieso letzteres nun zu ersterem beitragen soll.
Meiner Meinung nach steckt hinter dem Erfolg der SVP die jahrelange Arroganz der anderen Parteien. Die übliche Folge zunehmender Bürgerferne. Wenn direktdemokratische Werkzeuge dazu beitragen diese schneller zu bestrafen umso besser.
Steinbrück wär 2013 leichter zum Kanzler zu machen als die CDU-Politik nach Schweizer Vorbild zu beseitigen. Aktuelle Stagnation in Umfragen war ja kein Maßstab für die theoretische Grundlage der jeweiligen Systeme.

Die AfD lebt ja nicht mehr vom Euro-Thema, sondern von ihrem Rassismus in Sachen Flüchtlinge. Und eine spontane Regierungsentscheidung, wie jene letzten Sommer (Schäuble sprach von Lawinen und so), kann man nicht per Volksentscheid absegnen.
Wie Du vielleicht bemerkt hast habe ich die Flüchtlingskrise bewusst nicht im Zusammenhang mit Volksentscheiden erwähnt. Und zwar weil sich in diesem Fall eine Regierungschefin dazu entschieden hat ohne jeglichen parlamentarischen Entschluss geltendes Recht auszusetzen. Dies ist in der Tat eher ein Fall für die Judikative.
Dass es besser gewesen wäre es hätte diese "spontane Regierungsentscheidung" nie gegeben sehen mittlerweile ja selbst Kabinettsmitglieder ein.
Dass Volksentscheide ein Wundermittel gegen das Wüten eines/r Irren an der Regierungsspitze (für die Deutschland irgendwie anfällig zu sein scheint) ist, würde ich also gar nicht behaupten wollen.
Und ja, vermutlich hätten wir noch die Reichsmark und nicht den Euro. Wir hätten auch keine Agenda 2010, keine Wiedervereinigung, keine Ostpolitik, keinen NATO-Doppelbeschluss, keine offenen Grenzen zu unseren Nachbarn, keine Freizügigkeit in Europa. Das liegt gar nicht daran, dass der Wähler "dumm" sei, sondern jeder Mensch -- in unterschiedlichem Ausmaß -- dazu neigt, lieber den Status Quo statt Veränderungen zu nehmen. Nachteile mit Gewissheit sind lieber als Ungewissheit mit Risiken sowie Chancen.
Bei der Wiedervereinigung widerspreche ich Dir. Da gab es eine starke befürwortende Mehrheit. Sehr zum Leidwesen der Grünen und der SPD. Also genau dem ossihassenden Pack die nun plötzlich das Lied der Willkommenskultur singen.
Und warum soll man die Linke oder SPD wählen, wenn der Mindestlohn und die Gerontokratie per Volksentscheid schon kommen?
Die müssten sich dann halt programmatisch neu ausrichten.
Ich hab Respekt vor älteren Leuten, insbesondere wenn sie Kinder und Enkel haben. Die haben ein besseres Gespür dafür was langfristig wichtig sein wird und was nicht. Besser jedenfalls als eine kinderlose Jungfer die sinngemäß äußert "mir egal was ich eingbrockt habe, jetzt müsst ihr es gefälligst auslöffeln."
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von frems »

d'Artagnan hat geschrieben:(26 Feb 2016, 17:32)

Ja, frag mal die Petry. Ich bin mir sicher, dass sie Volksentscheide über Schwulenehe etc. NICHT ablehnt.
Die giftigsten Debatten sind solche, die davon geprägt sind, dass beide Lager ihre Meinung als Mehrheitsmeinung sehen.
Eine Abstimmung darüber bringt da sehr schnell Klarheit.
Doch, haben andere aus ihrer Partei schon abgelehnt. Da würde es mich wundern, wenn es die Dame anders sieht. Wobei der Wandel ihres Lebensstils vielleicht für etwas mehr Toleranz sorgte, das kann natürlich sein. Aber bei einem Pegida-Verbots-Entscheid wird ihr sicherlich einfallen, warum Rechte von politischen Minderheiten nicht der Willkür der Mehrheit ausgesetzt sind und warum wir einen Rechtsstaat benötigen.
(Und Irland ist ja das Land, das zum Ärger der EU abstimmen durfte und dann das auch noch aus EU-Sicht "falsch" tat, weshalb es gezwungen wurde sein Referendum zu wiederholen.
"Teilzeitdemokraten" passt auf die EU-Funktionäre wie Juncker in der Tat.)
Es ist logisch, dass wenn man direkte Demokratie einführt, dieses früher oder später mit einigen Vorstellungen JEDER Partei kollidiert. Genau das ist ja das reizvolle: Das die Parteien viel mehr Überzeugungsarbeit leisten müssen und sehr viel weniger anfällig für die Einflüsterungen von Lobbys sind.
Der Volksentscheid der Iren ist übrigens ein sehr schönes Beispiel dafür, warum Volksentscheide zwar funktionieren, aber nicht immer das geeignetste Mittel sind. Es gibt nämlich nur Ja oder Nein. Statt sich nur das Ergebnis anzuschauen, sollte man den Blick auf die Debatte werfen statt den Aluhut aufzusetzen. Die Iren störten sich nicht insgesamt am Vertrag, sondern an einzelnen Punkten, u.a. bei Frauenrechten. Eine Kompromisslösung konnten sie aber nicht wählen, da das Volk nicht direkt verhandeln kann. Also lehnten sie es ab. Eine Wiederholung war auch nicht aufgezwungen worden, sondern von der souveränen irischen Regierung erneut hingestellt worden. Und weißt Du, warum? Weil sich die Verträge änderten. Man ging auf die irischen Wehwehchen ein, änderte ein paar Sätze und billigte Opt-Outs zu. Und diese veränderten Verträge gab man den Iren noch einmal zur Wahl, weil das irische Volk per Verfassung dazu verpflichtet ist und sonst durch niemanden. Bei einer gestiegenen Wahlbeteiligung nahmen sie das an, weil die Hauptkritikpunkte entfernt wurden. Nun so zu tun als würde man sie so oft abstimmen lassen über die selbe Sache bis es passt, mag AfD-Wähler überzeugen, aber bitte versuch die Spielchen nicht bei mir. Du weißt es doch selbst besser.

Überzeugungsarbeit bringt wenig, wenn es den Gegnern eines Volksentscheids gar nicht um das Thema der Abstimmung geht, sondern um was ganz anderes. Hab ich selbst als Wähler schon mehrmals mitgemacht bzw. -erlebt.
Wieso Du nun ausgerechnet die NPD anschleppst, ist mir nicht begreiflich. Die kriegt vielleicht mal 100 Leute auf ner Demo zusammen, wenn der Verfassungssschutz will. An ihrer Attraktivität für Wähler würden auch Freibierwochen als Wahlversprechen nichts dran ändern. Sowieso ist das ein Pappdrachen auf den Du da mit der NPD-Keule eindrischst.
Dass die Altparteienfunktionäre die Angst vor den direktdemokratischen Ansätzen der AfD treibt, behauptet niemand. Deren Motive sind viel profaner.
Die unfairen Attacken auf die AfD von Seiten der Altparteien und ihrer teilweise gewalttätigen Zuarbeiter (die selbst vor steuermittelalimentierten Mordaufrufen nicht halt machen) sind Ausfluss reiner Angst, da man um Macht und Pfründe fürchtet.
Ist so wie bei den Piraten: Kaum waren die erfolgreich, schon kam die rechte Keule. Es ist einfach eine unglaublich billige Masche der Machthabenden, die aber zunehmend abgenutzt wirkt.
Ironischerweise wirken hier ganz ähnliche Konkurrenzangst-Mechanismen wie bei jenen, die erstere als "Dunkeldeutsche" und "Pack" bezeichnen.
Weil die NPD ein Beispiel dafür ist, warum man manchen die neue Liebe zur Demokratie eben nicht abnimmt, wenn sie unglaubwürdig sind. Es steht ja jedem frei sich in Vereinen wie "Mehr Demokratie e.V." zu organisieren, dafür zu werben, Druck auf Direktmandaten etc. auszuüben. Nur so wird es zu diesem Instrument kommen. Und nicht durch die Wahl von Demokratiegegnern, die noch nicht einmal ein Parteiprogramm haben, was sie sich genau vorstellen. Was ist mit Quoren? Werden Themen ausgenommen? Wie kommt's von Initiative über Begehren bis zum Entscheid? Nichts. Ist halt nur chic für kleine Randparteien, sich dies auf die Fahne zu schreiben, um mit besagter Masche abzulenken.
Naja, vielleicht "Demokratieforscher" von einer der parteinahen Stiftungen. :D
Gerade wenn es "gewaltenteilungszersetzende Gesetze" einer "immer allmächtiger werdenden Regierung" gibt, ist es gut dass das Volk obligatorische Referenden abhält.
Erkläre mir mal bitte wieso letzteres nun zu ersterem beitragen soll.
Meiner Meinung nach steckt hinter dem Erfolg der SVP die jahrelange Arroganz der anderen Parteien. Die übliche Folge zunehmender Bürgerferne. Wenn direktdemokratische Werkzeuge dazu beitragen diese schneller zu bestrafen umso besser.
Wie Du vielleicht bemerkt hast habe ich die Flüchtlingskrise bewusst nicht im Zusammenhang mit Volksentscheiden erwähnt. Und zwar weil sich in diesem Fall eine Regierungschefin dazu entschieden hat ohne jeglichen parlamentarischen Entschluss geltendes Recht auszusetzen. Dies ist in der Tat eher ein Fall für die Judikative.
Dass es besser gewesen wäre es hätte diese "spontane Regierungsentscheidung" nie gegeben sehen mittlerweile ja selbst Kabinettsmitglieder ein.
Dass Volksentscheide ein Wundermittel gegen das Wüten eines/r Irren an der Regierungsspitze (für die Deutschland irgendwie anfällig zu sein scheint) ist, würde ich also gar nicht behaupten wollen.
Nee, Politologen eidgenössischer Hochschulen, z.B. Michael Hermann. ;)

Die SVP macht ja auch selbst keinen Hehl daraus, dass sie die Gerichte entmächtigen möchte und eine Verschiebung des bewährten Systems der Schweiz haben möchte, dass gerade durch seine Vierteilung so robust gegen Extremismus war.
Die Schweizer Regierung rät, ebenso wie alle anderen Parlamentsfraktionen außerhalb der SVP, dringend davon ab, dem Ansinnen der Rechtspopulisten um den SVP-Übervater Blocher zu folgen, der mal wieder mit dem Kopf durch die Wand will.

Zur Vorsicht gibt es gute Gründe, allen voran eben die Sorge, dass die Durchsetzungsinitiative bewährte Regeln der Schweizer Demokratie aushebelt und die klassische Normenhierarchie durchbricht. Das Stimmvolk ist als Souverän in der Schweiz zwar der oberste Verfassungsgeber; für die konkrete Ausgestaltung einer Verfassungsvorlage jedoch ist das gewählte Parlament zuständig.

Zudem würde gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung verstoßen: Die Gesetzesvorgaben wären so präzise ausformuliert, dass es wohl keiner richterlichen Einzelfallprüfung mehr bedürfte. Die Legislative (das Volk) nähme so der Exekutive (der Regierung) und der Judikative (den Richtern) die Zuständigkeiten weg.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/w ... 08907.html
Bei der Wiedervereinigung widerspreche ich Dir. Da gab es eine starke befürwortende Mehrheit. Sehr zum Leidwesen der Grünen und der SPD. Also genau dem ossihassenden Pack die nun plötzlich das Lied der Willkommenskultur singen.

Die müssten sich dann halt programmatisch neu ausrichten.
Ich hab Respekt vor älteren Leuten, insbesondere wenn sie Kinder und Enkel haben. Die haben ein besseres Gespür dafür was langfristig wichtig sein wird und was nicht. Besser jedenfalls als eine kinderlose Jungfer die sinngemäß äußert "mir egal was ich eingbrockt habe, jetzt müsst ihr es gefälligst auslöffeln."
Nee, es gab eine sehr knappe Mehrheit. Aber die glaubte auch, die Wiedervereinigung wäre durch die Portokasse möglich. Die Zustimmung zum Euro ist heute jedenfalls höher als jene der Wiedervereinigung. Und ohne die positive Stimmung der Jugend wär Deutschland heute wieder geteilt. Aber schön, dass Du in den anderen Punkten nicht widersprichst, obwohl sie zum Teil verantwortlich für die Wende waren.

Und die erwähnte Jungfern ist ja die Regel unter den Babyboomern. Die Schweizer (und Österreicher) wissen ja, was dann passiert: Genau das, was in Deutschland passiert. Die Senioren interessieren sich nicht für die Zukunft, die sie nicht haben.
Für die Schweiz haben zwei Professoren das Abstimmungsverhalten bei 22 Volksentscheiden zu Arbeitsmarktpolitik, Rentenpolitik und Familienpolitik untersucht und in fast allen Fällen das Lebensalter als prägenden Faktor identifiziert. So votierten die Alten signifikant häufiger gegen Arbeitszeitverkürzungen, gegen Reformen in der Rentenversicherung und gegen Entlastungen für Familien. In einer Volksabstimmung in Österreich im Januar 2013 über die Wehrpflicht stimmten 63 Prozent der unter 30-Jährigen für die Abschaffung, aber 71 Prozent der über 60-Jährigen für die Beibehaltung. Damit ist die Abschaffung der Wehrpflicht am Nein der Alten gescheitert. In einer Volksabstimmung in der Schweiz im März 2013 über die Förderung öffentlicher Kinderbetreuung (dem so genannten Familienartikel) stimmte die Mehrheit der Jüngeren dafür, aber die Mehrheit der Alten dagegen.

Mit anderen Worten: Die Alten wollten in ihrer Mehrheit nicht, dass der Staat den jungen Familien mehr öffentliche Kinderbetreuung bietet. Wenn auch in Deutschland künftig auf Bundesebene per Volksentscheid abgestimmt werden soll, wird die Alten-Lobby die Themen dekretieren und die Politik vor sich hertreiben. Die Interessen von Minderheiten – und damit in einer alternden Gesellschaft auch der Jungen – werden in einer Referendumsrepublik der Greise leicht untergebuttert. [...]

Die bedrückende Liste unserer ungedeckten Schecks auf die Zukunft: Klimakatastrophe, Ausbeutung der Rohstoffe, Übersäuerung und Vermüllung der Ozeane, Investitionslücken, anschwellende Staatsverschuldung und gigantische Haftungsrisiken, sich auftürmende Pensionslawinen, Kinderarmut, steigende soziale Immobilität, Stillstand im Bildungssystem, Widerstand gegen den digitalen Wandel.
Angela Merkel thront als Garantin des Status quo über einem eingeschlafenen Land. Die CDU als größte Regierungspartei ist ausgebrannt und verheddert sich im Klein-Klein. Selbst das einzig große Zukunftsprojekt, die Energiewende, droht am Trippelschrittprinzip zu scheitern.
http://www.zeit.de/politik/deutschland/ ... ettansicht

Rate mal, in welchen Kreisen die meisten Merkelwähler zu finden sind. Kleiner Tipp: die Jungen (in unserem Land also alles unter 45) sind es nicht. Kann man natürlich, insb. beim Thema Wehrpflicht und Kinderförderung, einfach sagen "Pech gehabt, Ihr seid noch nicht wahlberechtigt und deshalb lassen wir Euch nicht abstimmen. Und wenn Ihr es irgendwann dürft, macht Ihr Euch lieber keine großen Hoffnungen. Wir sind doppelt so viele pro Jahrgang". In den letzten anderthalb Jahrzehnten verloren die verkehrlichen Infrastrukturen über 500 Milliarden Euro an Wert. Kein Bedarf an Investitionen. Auch nicht in Wohnraum. Macht ja Lärm, verändert das eigene Umfeld und durch die eigenen Altverträge sind steigende Mieten für einen selbst doch eh egal. Vielleicht hat man eh Eigentum, weil die Belastung früher so schön niedrig war, als die demographische Pyramide noch kein Dönerspieß war. Wieso für 2030, 2040 planen? Erlebt man doch eh nicht mehr. Da waren die letzten Koalitionsverhandlungen in der Tat lustig. Kein Ergebnis beim Verkehr (von der "Ausländermaut" mal abgesehen :D ), vielleicht eine minimale Bafög-Anpassung zum nächsten Wahljahr, die nicht einmal die niedrige Inflation ausgleicht. Und bei den Renten? Nehmen wir halt alle Wahlversprechen von SPD, CDU und CSU. Schöner Kompromiss. :)

Da nehmen sich direkte und repräsentative Demokratie nichts, sondern kommen halt aufs gleiche Ergebnis. In letzterem System kann man zumindest auf "die da oben" schimpfen statt resigniert auf seine Nachbarn zu schauen, die einem ins Gesicht traten. Und dass Volksentscheide als sozial ungerecht eingestuft werden, ist ja nun auch allen bekannt, oder? Ich weiß, verspricht man sich für Partikularinteressen mal eine Mehrheit bei einem Thema, kann man darüber hinwegsehen. Aber um die Frage der Ausgestaltung der Grundlagen geht's bei dem Thema in erster Linie. Und nicht "Mir fällt da ein Thema ein, bei dem ...". Und die Wahlbeteiligung sollte man zumindest mal mahnend im Hinterkopf behalten statt sie zu ignorieren.
Labskaus!

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Elvis Domestos

Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von Elvis Domestos »

d'Artagnan hat geschrieben:(25 Feb 2016, 21:34)



Um nun den Bogen zu uns zu schlagen:
Aktuell ist die Notwendigkeit dieser direktdemokratischen Beteiligung stärker denn je, meiner Meinung nach.
De facto haben wir ja auch keine Möglichkeit die Merkelregierung abzuwählen. Höchstens ob Merkels Koalitionspartner rot, gelb oder grün ist. Letztlich egal, denn die Kanzlerin macht als Regierungschefin ja eh was sie will.
Die Ursache ist in erster Linie, dass die SPD quasi ein schwindsüchtiger Schatten ihrer selbst geworden ist, (auch wenn ihr großer Vorsitzender nicht so aussieht :D ) Die zahlt den Preis für die Merkelehe. Die FDP träumt in der Gruft liegend von einer schwarz-gelben Neuauflage nach Wunderheilung. Und die Grünen sind von Merkels Politik (mit einiger Berechtigung aus ihrer Sicht) mittlerweile auch so begeistert, dass sie sich sofort in das noch warme Ehebett der schwarzen Witwe legen würde sobald die schwindsüchtige alte Tante dort hinausgeworfen wurde. :p
Gut- Linke oder AfD kann man wählen wenn man seine Unzufriedenheit an Merkel Ausdruck verleihen möchte - aber solange das nicht mit dramatischen Mehrheiten geschieht, können die am Merkelkurs auch nix ändern.
Oder man kann einfach nix wählen. Superlösung... :|
Dann doch lieber mehr direkte Demokratie nach der Schweizer Methode, da entscheidet man nach Sachthemen welchen Kurs man mitträgt, und welchen nicht. Und die Parteien müssen aus dem deutlich detaillierter vorformulierten Bürgerwillen eine zukunftsfähige Politik gestalten.
Ich lege mich fest:
Hätten wir das Schweizer System gäbe es mit einiger Wahrscheinlichkeit noch die DM, mit Sicherheit keine Merkelsche "alternativlose" Verschlimmbesserungspolitik namens "Griechenlandrettung", keinen ESM. Für die Gründung einer AfD hätte es somit keinen Anlass gegeben. (Und somit passt mein Beitrag perfekt in den Themenstrang^^)


Die niedrige Wahlbeteiligung dürfte ziemlich sicher eine Folge eben jener Allparteienregierungsskurrilität sein. Das "Argument" der Nichtwähler in der Schweiz: "warum soll ich wählen gehen, es kommen doch eh alle an die Regierung" ähnelt dabei denen unserer Nichtwähler ("ist doch eh alles die gleiche Soße").
:thumbup: :thumbup: :thumbup: :thumbup: :thumbup: :thumbup:

Danke, wir amüsieren uns hier gerade köstlich, dass kann man auch mehrmals lesen! Ok, das wäre Kritik aufgrund der Gemengenlage der Parteien, der allesfressenden CDU und den erstarkten Rändern.
Aber ich denke ein weiterer Punkt könnte es Wert sein in die Betrachtung miteinbezogen zu werden. Vertrauen und Misstrauen!
Ich denke an das Tal der Ahnungslosen, wo besonders viele AFD Wähler zu finden sind. Ich glaube die Bürger Sachsens sind wesentlich misstrauischer gegenüber den Etablierten als der Bundesdurchschnitt, ala Merkel ist Stasi und Di Misere sowieso und Europa ist eher ein Synonym für Krise statt für Gemeinschaft. Vlt trifft es auch auf Tillich zu der es nicht schaffte diese Wähler zu binden. Das ist aber nur eine Vermutung meinerseits die ich hiermit in die Wagschale lege.
Und nun lese ich es nochmal :D
Elvis Domestos

Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von Elvis Domestos »

frems hat geschrieben:(26 Feb 2016, 18:17)

Da waren die letzten Koalitionsverhandlungen in der Tat lustig. Kein Ergebnis beim Verkehr (von der "Ausländermaut" mal abgesehen :D ), vielleicht eine minimale Bafög-Anpassung zum nächsten Wahljahr, die nicht einmal die niedrige Inflation ausgleicht. Und bei den Renten? Nehmen wir halt alle Wahlversprechen von SPD, CDU und CSU. Schöner Kompromiss. :)
Eigentlich können wir die meisten Wahlprogramme der letzten Jahre in die Tonne treten, die großen Überraschungen kommen immer erst nach der Wahl, ob Flüchtlingsströme, Energiewende oder EU- Rettungsfond. Mal ehrlich, hätte die CDU die Energiewende im Wahlpogramm überhaupt vertreten können? Oder hätte die rot/grüne Regierung unter Schröder detailliert Auskunft geben sollen über die Agenda?
frems hat geschrieben:(26 Feb 2016, 18:17)
Da nehmen sich direkte und repräsentative Demokratie nichts, sondern kommen halt aufs gleiche Ergebnis. In letzterem System kann man zumindest auf "die da oben" schimpfen statt resigniert auf seine Nachbarn zu schauen, die einem ins Gesicht traten. Und dass Volksentscheide als sozial ungerecht eingestuft werden, ist ja nun auch allen bekannt, oder? Ich weiß, verspricht man sich für Partikularinteressen mal eine Mehrheit bei einem Thema, kann man darüber hinwegsehen. Aber um die Frage der Ausgestaltung der Grundlagen geht's bei dem Thema in erster Linie. Und nicht "Mir fällt da ein Thema ein, bei dem ...". Und die Wahlbeteiligung sollte man zumindest mal mahnend im Hinterkopf behalten statt sie zu ignorieren.
das sind interessante Gedanken, da stimme ich ausnahmsweise mal zu, herzlichen Glückwunsch :p
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von d'Artagnan »

Elvis Domestos hat geschrieben:(26 Feb 2016, 18:35)
Danke, wir amüsieren uns hier gerade köstlich, dass kann man auch mehrmals lesen! Ok, das wäre Kritik aufgrund der Gemengenlage der Parteien, der allesfressenden CDU und den erstarkten Rändern.
Aber ich denke ein weiterer Punkt könnte es Wert sein in die Betrachtung miteinbezogen zu werden. Vertrauen und Misstrauen!
Ich denke an das Tal der Ahnungslosen, wo besonders viele AFD Wähler zu finden sind. Ich glaube die Bürger Sachsens sind wesentlich misstrauischer gegenüber den Etablierten als der Bundesdurchschnitt, ala Merkel ist Stasi und Di Misere sowieso und Europa ist eher ein Synonym für Krise statt für Gemeinschaft. Vlt trifft es auch auf Tillich zu der es nicht schaffte diese Wähler zu binden. Das ist aber nur eine Vermutung meinerseits die ich hiermit in die Wagschale lege.
Ja, Vertrauen/Misstrauen ist ein guter Punkt.

Die DDR war ja geprägt von einer riesigen Kluft zwischen Regierungs- (dort äquivalent mit veröffentlichter) Meinung und der Wirklichkeit. Statt dass auch nur ansatzweise Selbstkritik geübt wurde, wurden Kritiker regelmäßig zum gefährlichen Staatsfeind erklärt. Begründung: Die Äußerung von Kritik am alternativlosen Kurs der Staats- und Parteiführung würde dem Klassenfeind dienen und sei somit unzulässig.
Statt vernunftgeleitete Konsequenzen bei offensichtlich werdenden Fehlentwicklungen gab es plumpe Durchhalteparolen (die dümmsten bestanden aus lediglich drei Wörtern). Trotz geballter Faust in der Tasche feierten die braven Parteimitglieder dann ihre dilletierende Parteiführung - in extremen Fällen sollen die Ovationen sogar bis zu zehn Minuten lang gewesen sein! Das war aber ganz gegen Ende, als die Verzweiflung der Genossen und das nahende Ende der DDR unübersehbar wurde. Anschließend wurde die Parteiführung natürlich mit 98% wiedergewählt. Statt Opposition gab es im Parlament in Berlin sogenannte "Blockparteien", die trotz anderer Parteikürzel dem Kurs der Regierung folgten.
Die DDR-Presse sorgte dafür dass Meldungen über gravierende Missstände im Land nicht erschienen. Jedenfalls nicht bevor die Regierung genügend Zeit hatte sich eine kommunikative Gegenstrategie zu entwickeln und zu kommunizieren. (So beispielsweise der weise Ratschlag vor trunkenen Angehörigen der sowjetischen Besatzungsmächte eine Armlänge Abstand zu halten.) Gegen Ende des DDR-Regimes, als es immer schwieriger wurde mit positiven Nachrichten aufzuwarten, wurde dann lieber ganzseitig über die Befindlichkeit der Regierungsspitze geschrieben.
Facebook gab es ja zum Glück noch nicht - sonst hätte der DDR-Justizminister sicherlich eine verdiente Stasi-Mitarbeiterin damit beauftragt es nach unbotsamen Meinungen zu durchforsten und derartige Kommentare gegebenenfalls zu löschen, bevor sie andere Leser mit negativen Gedanken infizieren.

Tja schon schlimm damals.
Woher aber nun das Misstrauen der "Ossis" gegenüber den heutigen Verhältnissen herkommt?
Völlig klar, denn es kam neulich im DDR2:
Es hat dabei ausschließlich der Klassenfeind - pardon, Rechtspopulist seine Hand im Spiel!
"Folgt denen nicht!"
:D


Ok- die Frage ist allerdings:
Ist die Einführung von direktdemokratischen Elementen eine Möglichkeit für die Politik Vertrauen zurückzugewinnen?
Für die direktdemokratische Instrumente einführende Partei sicherlich.
Nicht gelöst wird aber das oben beschriebene Kernproblem, das ich in den sich immer stärker konzentrierten Meinungskartellen sehe. (Merkels Busenfreundinnen Liz Mohn und Friede Springer lassen grüßen.)
Diesen Missstand kann man nur durch fleißige Gegenaufklärung, schulische (und elterliche) Erziehung zum kritischen Bürger und nötigenfalls Boykott der Erzeugnisse begegnen.
Direkte Demokratie ohne Medienpluralität ist recht witzlos.
Medienkartelle sind eine Gefahr für jede Demokratie, unabhängig ob sie direkt oder repräsentativ gestaltet ist.

PS:
Danke für die virtuellen Blumen! :)
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von d'Artagnan »

frems hat geschrieben:(26 Feb 2016, 18:17)

Doch, haben andere aus ihrer Partei schon abgelehnt. Da würde es mich wundern, wenn es die Dame anders sieht. Wobei der Wandel ihres Lebensstils vielleicht für etwas mehr Toleranz sorgte, das kann natürlich sein. Aber bei einem Pegida-Verbots-Entscheid wird ihr sicherlich einfallen, warum Rechte von politischen Minderheiten nicht der Willkür der Mehrheit ausgesetzt sind und warum wir einen Rechtsstaat benötigen.
Wie in einem vorigen Beitrag bereits erwähnt wären Gesetzesinitiativen die gegen die Verfassung verstoßen von vorneherein nicht zur Wahl zugelassen. Da hätte das BVerfG das letzte Wort. Von dem Ausgesetztsein "der Willkür der Mehrheit" kann also nicht die Rede sein. Die im GG garantierten Grundrechte sind und bleiben unverhandelbar und geschützt.
Weil die NPD ein Beispiel dafür ist, warum man manchen die neue Liebe zur Demokratie eben nicht abnimmt, wenn sie unglaubwürdig sind. Es steht ja jedem frei sich in Vereinen wie "Mehr Demokratie e.V." zu organisieren, dafür zu werben, Druck auf Direktmandaten etc. auszuüben. Nur so wird es zu diesem Instrument kommen. Und nicht durch die Wahl von Demokratiegegnern, die noch nicht einmal ein Parteiprogramm haben, was sie sich genau vorstellen. Was ist mit Quoren? Werden Themen ausgenommen? Wie kommt's von Initiative über Begehren bis zum Entscheid? Nichts. Ist halt nur chic für kleine Randparteien, sich dies auf die Fahne zu schreiben, um mit besagter Masche abzulenken.
Die Quoren sind in der Schweiz genau geregelt. Wenn man sich also am Schweizer Modell orientiert, wird man sich auch an die (entsprechend skalierten) Quoren halten.
Ebenso wie das Prozedere inklusive juristischer Prüfung im Vorfeld.
Nee, Politologen eidgenössischer Hochschulen, z.B. Michael Hermann. ;)

Die SVP macht ja auch selbst keinen Hehl daraus, dass sie die Gerichte entmächtigen möchte und eine Verschiebung des bewährten Systems der Schweiz haben möchte, dass gerade durch seine Vierteilung so robust gegen Extremismus war.

Finde jetzt die SVP INitiative, soweit sie im Artikel beschrieben wurde, auch nicht den Bringer.
Den Wunsch den Entscheidungsspielraum der Richter einzuschränken kann ich aber durchaus nachvollziehen.
Ich war selbst als Schöffe tätig und weiß wie sehr sich Richter beim Strafmaß von der Abschiebungsgrenze leiten lassen. (Das ist mEn die Hauptursache des offiziell geleugneten "Migrantenbonus" bei Strafprozessen.)
Einen Verstoß gegen die Gewaltenteilung sehe ich in einem "zu präzise ausformulierten Gesetzestext" nicht unbedingt, aber ich kenne ja auch den genauen Wortlaut nicht.
Für diese Diskussion aber entscheidend ist: Jede - auch so eine - Initiative liegt zunächst einem Bundesgericht zur verfassungsrechtlichen Prüfung vor, und die Verfassungsrichter haben das letzte Wort. Der Punkt ist: Alles was nicht verfassungswidrig ist ist zulässig.
Dass es zum Erreichen des Ziels viel vernünftiger wäre die Mindestgrenze des Strafrahmens anzuheben, sei dahingestellt.

Da nehmen sich direkte und repräsentative Demokratie nichts, sondern kommen halt aufs gleiche Ergebnis. In letzterem System kann man zumindest auf "die da oben" schimpfen statt resigniert auf seine Nachbarn zu schauen, die einem ins Gesicht traten. Und dass Volksentscheide als sozial ungerecht eingestuft werden, ist ja nun auch allen bekannt, oder? Ich weiß, verspricht man sich für Partikularinteressen mal eine Mehrheit bei einem Thema, kann man darüber hinwegsehen. Aber um die Frage der Ausgestaltung der Grundlagen geht's bei dem Thema in erster Linie. Und nicht "Mir fällt da ein Thema ein, bei dem ...". Und die Wahlbeteiligung sollte man zumindest mal mahnend im Hinterkopf behalten statt sie zu ignorieren.
So schaut man halt resigniert auf seine Nachbarn die einen mit ihrer Merkelstimme ins Gesicht treten. Da ist die gesellschaftliche Stimmung gleich viel besser. :|
Grundlagen sind im Grundgesetz festgelegt. Dazu haben wir dieses ja. Und die Schweizer haben ja eine Mischform. Eine (ich bleibe dabei) bewährte und gelungene Mischung aus beiden Demokratieformen. Ich bin ja nicht für einen sofortigen Umbau der bundesrepublikanischen Legislative, aber langfristig hätte eine entsprechende Reformierung seinen Reiz.
Inwiefern von Lobbyisten beeinflusste und parteipolitischen Interessen folgende Parteienfunktionäre sozialer sein sollen als die zur Abstimmung eilenden Bürger ist zumindest streitbar.
Dein Beispiel mit der Rente sehe ich ja durchaus ein.
Die entscheidende Frage ist nur: Welches der beiden Systeme (CH oder D) bietet mehr Vorteile? Die aktuelle Lage und ihre Weiterentwicklung wird ein ziemlicher Härtetest für das deutsche System werden, fürchte ich...
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von Elvis Domestos »

d'Artagnan hat geschrieben:(27 Feb 2016, 03:09)

Ja, Vertrauen/Misstrauen ist ein guter Punkt.
....


Ok- die Frage ist allerdings:
Ist die Einführung von direktdemokratischen Elementen eine Möglichkeit für die Politik Vertrauen zurückzugewinnen?
Für die direktdemokratische Instrumente einführende Partei sicherlich.
Nicht gelöst wird aber das oben beschriebene Kernproblem, das ich in den sich immer stärker konzentrierten Meinungskartellen sehe. (Merkels Busenfreundinnen Liz Mohn und Friede Springer lassen grüßen.)
Diesen Missstand kann man nur durch fleißige Gegenaufklärung, schulische (und elterliche) Erziehung zum kritischen Bürger und nötigenfalls Boykott der Erzeugnisse begegnen.
Direkte Demokratie ohne Medienpluralität ist recht witzlos.
Medienkartelle sind eine Gefahr für jede Demokratie, unabhängig ob sie direkt oder repräsentativ gestaltet ist.

PS:
Danke für die virtuellen Blumen! :)
Vertrauen wird gerade dann projiziert, wenn Misstrauen herrscht.

ich habe das gute Argument von frems noch im Hinterkopf, Volksentscheide beschränken sich zumeist auf ja oder nein, weswegen ich eher eine Stärkung der direktdemokratischen Instrumente innerhalb der Parteien bevorzugen würde um die negativen Erscheinungen wie zB Meinungskartelle entgegen zu wirken. In den beiden großen Parteien ist man sich bewusst, dass es an Lebendigkeit, an innerorganisatorischer Partizipation und Willensbildung mangelt. Die Parteien haben an Attraktivität gegenüber der Gesellschaft verloren. Vorschläge, die Verkoppelung zur Gesellschaft und lebendige innerparteiliche Demokratie wieder herzustellen, zielen meist darauf ab, Elemente direkter Demokratie einzuführen. Dabei denke ich an zB an die Mitgliederbefragung innerhalb der SPD in Thüringen, die sicherlich Geschichte geschrieben hat.
Quelle: http://www.bpb.de/izpb/165197/streitobj ... atie?p=all

Ich will auch weniger ein Problem der parlamentarischen Demokratie im Zusammenhang mit dem Erstarken der AFD in Zusammenhang bringen, für mich ist die Führungsschwäche von A. Merkel bedeutender. Viele hier werden den F.J. Strauß Ausspruch, >es dürfe keine Partei rechts der CDU/CSU geben< als nicht mehr zeitgemäß empfinden, für mich hat er aber immer noch Gewicht.

ich meine du setzt mehr auf direkte Volksentscheide, ich auf eine Stärkung der innerparteilichen Demokratie. Meine Argumentation hat allerdings eine gewaltige Schwachstelle, die Parteien leiden im allgemeinen am Mitgliederschwund!

gerne mehr
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von jorikke »

Flat hat geschrieben:(23 Feb 2016, 07:28)

Moin,

Volksabstimmungen laufen auf eine ja-nein-Alternative hinaus. Die ist aber bei komplexen politischen Fragestellungen oft gar nicht möglich. Genauso wie es nicht möglich ist, dass sich ein Großteil der Bevölkerung in komplexe Fragestellungen einarbeitet und dazu fundiert Stellung nehmen kann.

Volksabstimmungen sind mehr von Stimmungen und weniger von Wissen beeinflusst.

Nehmen wir mal an, wir würden über Todesstrafe abstimmen.
2 Tage vor der Abstimmung geht ein Fall von einem unschuldig Hingerichteten in den USA durch die Presse -> 80 % Ablehnung
2 Tage vorher geschieht ein bestialischer Mord an einem kleinen Kind durch einen mehrfach Vorbestraften -> 55-60 % Zustimmung

Ich halte es für einen Trugschluss, dass die Masse der Bevölkerung vernünftig entscheidet.

Deshalb halte ich die repräsentative Demokratie als Korrektiv bei allen Problemen für die richtige.
Ich halte Volksabstimmungen aus vielerlei Gründen auch für problematisch.
Wenn aber das Volk vehement diese Abstimmungsform wünscht, überlagert das die Nachteile.
Z.Zt. ist die Meinungslage aber eher uneinheitlich, indifferent ohne klare Priorität.
Lieber nicht in trübes Wasser springen.
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von frems »

d'Artagnan hat geschrieben:(27 Feb 2016, 04:02)

Wie in einem vorigen Beitrag bereits erwähnt wären Gesetzesinitiativen die gegen die Verfassung verstoßen von vorneherein nicht zur Wahl zugelassen. Da hätte das BVerfG das letzte Wort. Von dem Ausgesetztsein "der Willkür der Mehrheit" kann also nicht die Rede sein. Die im GG garantierten Grundrechte sind und bleiben unverhandelbar und geschützt.
Das ist aber schwierig, vor allem bei Volksentscheiden zur Änderung der Verfassung. Nehmen wir mal an, jemand möchte Bildungspolitik zur Bundessache machen. Soll man dann sagen: "Geht nicht, ist per Grundgesetz Ländersache"? Gerade das Volk sollte doch über solche fundamentalen Fragen abstimmen.

Und die Willkür gibt es ja schon, wie man an den Beispielen sieht. Ich persönlich komm da in ein privates Dilemma, weil ich für Volksentscheide und für die Wehrpflicht bin. Da hätte ich mich also über die Abstimmung in Österreich gleich doppelt freuen können. Sie hat mich aber geärgert, weil es gar nicht mehr um den Kern der Frage ging, also den Dienst für die Gesellschaft, der Bürger in Uniform, die Wehrfähigkeit, die Verhinderung eines Staat im Staate etc., sondern nur "Meine Wehrzeit war scheiße, aber es ist unfair, wenn andere das nicht mehr müssen", "Meinem Mann hat's doch auch nicht geschadet", "Dann fällt doch auch der Zivildienst weg und (meine) Pflege wird teurer". Erschwerend kommt hinzu, dass jene, die unmittelbar betroffen sind, in der Regel gar nicht wahlberechtigt waren, obwohl es österreichische Staatsbürger sind, die aufgrund ihrer Nationalität zum Wehrdienst verpflichtet werden.

Auch waren keine Kompromisslösungen möglich. Zum Beispiel könnte man sich ja darauf einigen, dass junge Männer die dreimonatige Grundausbildung durchmachen, um den Militärdienst und Umgang mit Waffen zu lernen. Für spätere Tätigkeiten muss man Zeit- bzw. Berufssoldaten heranziehen. Darauf könnten sich auch Ausbildungsbetriebe und Hochschulen einstellen und den Beginn der Ausbildung so hinlegen, dass die angehenden Azubis/Studenten kein ganzes Jahr verlieren. Aber das ging ja nicht. Entweder komplette Abschaffung oder Beibehalt des Status Quo. Und in absehbarer Zeit wird sich niemand mehr an das Thema heranwagen, weil ja Volk und so.
Die Quoren sind in der Schweiz genau geregelt. Wenn man sich also am Schweizer Modell orientiert, wird man sich auch an die (entsprechend skalierten) Quoren halten.
Ebenso wie das Prozedere inklusive juristischer Prüfung im Vorfeld.
Naja, mittlerweile hat jedes Bundesland eine Volksgesetzgebung. An denen könnte man sich auch orientieren. Ist ja nicht so als gäbe es keine Volksentscheide in Deutschland. Jedes Jahr gibt es mehrere. Nur halt nicht auf Bundesebene. Ich weiß aus dem Stegreif gar nicht, an wie vielen Volks- und Bürgerentscheiden ich selbst schon teilgenommen habe. Letztere sind sogar komplett ohne Quorum. Da gibt es aber auch ärgerliche Beispiele, z.B. zur Bildungsreform in Hamburg. In der öffentlichen Debatte ging es gar nicht mehr um die eigentliche Reform, sondern darüber, dass viele Bürger mit der Politik des schwarz-grünen Senats -- das waren richtige Horrorjahre! -- unzufrieden waren. Steigende Mieten, Schlamassel Elbphilharmonie, Verkehrswege vernachlässigt, Studiengebühren, Versagen in der Innenpolitik, Wahlversprechen nicht eingehalten (Kohlekraftwerk etc.) und so weiter. Da wollte man dem Senat mal eins auswischen, selbst wenn man prinzipiell für die Reform ist, der alle Parteien der Bürgerschaft zugestimmt haben. Also werden völlig andere Themen auf Rücken der Kinder ausgetragen, die unmittelbar betroffen wären. Ergebnis: Klare Absage der Reform und das Ziel der Gegner ging auf. Bürgermeister von Beust dankte ab und nach wenigen Monaten zerbrach die Koalition, sodass es Neuwahlen gab. Aber ist das Sinn der Sache? Und auch hier könnte ich's mir bequem machen, weil ich sowohl gegen die Reform war als auch gegen den cauchemar des coalitions. Verärgert hat es mich trotzdem.
Finde jetzt die SVP INitiative, soweit sie im Artikel beschrieben wurde, auch nicht den Bringer.
Den Wunsch den Entscheidungsspielraum der Richter einzuschränken kann ich aber durchaus nachvollziehen.
Die Richter sollen ja gar nicht mehr entscheiden können. Fährst drei km/h zu schnell und vergisst fünf Jahre später dem Staat fristgerecht mitzuteilen, dass Dein Sohn nun eine Ausbildung macht. Peng, zwei Straftaten im gesetzlich festgelegten Zeitraum und Du wirst mit Deiner Familie abgeschoben. Ob das angemessen ist oder ein Härtefall vorliegt, wird nicht mehr von Richtern entschieden, sondern die Polizei besucht Dich. Genau deshalb läuft ja auch die Kampagne so ziemlich aller Schweizer Rechtswissenschaftler, die hier Schritt für Schritt eine Abschaffung des Rechtsstaats befürchten, während dem Parlament auch die Hände gebunden sind.
So schaut man halt resigniert auf seine Nachbarn die einen mit ihrer Merkelstimme ins Gesicht treten. Da ist die gesellschaftliche Stimmung gleich viel besser. :|
Die Wahl kann ja viele Gründe haben. Aber wie gesagt, für mich sind die Unterschiede zwischen direkter und repräsentativer Demokratie nicht so groß im Ergebnis. Mag ja sein, dass manch wichtige Reform dann gescheitert wäre und man das dann hinnimmt, weil man es für demokratisch hält.
Inwiefern von Lobbyisten beeinflusste und parteipolitischen Interessen folgende Parteienfunktionäre sozialer sein sollen als die zur Abstimmung eilenden Bürger ist zumindest streitbar.
Dein Beispiel mit der Rente sehe ich ja durchaus ein.
Ich zitiere da mal einen Politologen:

Nach dem alten Spruch: Demokratie bevorteiligt den Aktiven. Das Problem an diesem lapidaren Satz ist nur, dass das Aktiv-Sein-Können sozial ungleich verteilt ist.
http://www.taz.de/!5215473/

Ob Parlamente die Rechte von Minderheiten, Schwachen etc. besser vertreten, weiß ich nicht, aber sie haben die Möglichkeit. Bei Volksentscheiden fehlen ihnen aber die Mittel (Geld, Netzwerke, Bildung, ...). Erschwerend kommt hinzu, dass eine aufgekochte Stimmung nicht immer die beste Situation ist. Ich kann mich noch an ein paar schreckliche Vorfälle in Belgien gut erinnern, die das Land so schockierte, dass es für einige Wochen eine Mehrheit für die Wiedereinführung der Todesstrafe gab. Nach mehreren Monaten ging die Zustimmung fast wieder auf das Niveau vor den Vorfällen zurück. Klar, die Todesstrafe kann man ausklammern, aber wenn es um Strafgesetzgebung geht, können Einzelfälle schnell ausschlaggebend sein.
Die entscheidende Frage ist nur: Welches der beiden Systeme (CH oder D) bietet mehr Vorteile? Die aktuelle Lage und ihre Weiterentwicklung wird ein ziemlicher Härtetest für das deutsche System werden, fürchte ich...
Das glaub ich nicht. Wir sind es vermutlich einfach nicht gewohnt, dass es mal etwas aggressiver und weniger harmonisch abläuft. Da gab's in der Geschichte der Bundesrepublik ganz andere Streitthemen.

btw: http://www.rolandtichy.de/kolumnen/herl ... ten-uebel/ :p
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von d'Artagnan »

frems hat geschrieben:(27 Feb 2016, 20:45)

Die Richter sollen ja gar nicht mehr entscheiden können. Fährst drei km/h zu schnell und vergisst fünf Jahre später dem Staat fristgerecht mitzuteilen, dass Dein Sohn nun eine Ausbildung macht. Peng, zwei Straftaten im gesetzlich festgelegten Zeitraum und Du wirst mit Deiner Familie abgeschoben. Ob das angemessen ist oder ein Härtefall vorliegt, wird nicht mehr von Richtern entschieden, sondern die Polizei besucht Dich. Genau deshalb läuft ja auch die Kampagne so ziemlich aller Schweizer Rechtswissenschaftler, die hier Schritt für Schritt eine Abschaffung des Rechtsstaats befürchten, während dem Parlament auch die Hände gebunden sind.
Zu diesem Punkt ganz kurz, da vom Thema wegführend:
Eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 3km/h ist auch in der Schweiz keine Straftat.
Ein Straftatsbestand ist gegeben wenn innerorts die Geschwindigkeit um 50km/h, außerorts um 60km/h und auf Autobahnen um 80km/h überschritten wird.
http://www.bussgeldkataloge.eu/geschwin ... hweiz.html
Und, sorry, jemand der mit 100 durch ne Ortschaft rast der setzt fahrlässig Menschenleben aufs Spiel! Das zweite Beispiel spielt auf Leistungserschleichung an, da kenne ich mich im Schweizer Strafrecht nicht aus. Ich nehme aber an, dass eine wesentliche Zeit Leistungen erschlichen werden musste, bevor es zu einer strafrechtlichen Verurteilung kommt. In beiden Fällen gibt es einen Strafprozess und es entscheidet ein Richter. Es ist lediglich ein dritter Prozess (Ausschaffung oder nicht) - der durch einen Automatismus ersetzt wird.
Wenn "ziemlich alle Schweizer Rechtswissenschaftler" obiges Schauermärchen mit den 3km/h zum Besten geben, dann hat die Schweiz wohl ein echtes Problem mit der Qualität ihrer Juristen, was die Stoßrichtung der SVP nachvollziehbar macht... :p
Wobei ich mich nicht gegen Härtefallregelungen ausspreche. Problem ist nur, dass die sehr schnell zum Regelfall werden, was das Gesetz im Grunde unterläuft. De facto wird dann jeder zum Härtefall erklärt, selbst der zweifache Vergewaltiger. Zumindest ist es so bei uns, und ich nehme an, DAS ist der Grund der Initiative.

Um zum Thema (und einen wichtigen Punkt den Du erwähnt hast- man könne nur mit "Ja" und "Nein" abstimmen) zurückzukommen:
Nach Schweizer Gesetz wäre es (wenn ich das richtig gelesen habe) durchaus möglich einen Alternativvorschlag von Seiten der Regierung zur Abstimmung vorzulegen. Die Bürger stimmen dann über Vorschlag 1 und Vorschlag 2 jeweils mit "Ja" oder "Nein" ab, des weiteren darüber welchen von beiden sie präferieren würden.
(Für den Fall dass beide Vorschläge eine qualifizierende Stimmmehrheit bekommen.)
Die Regierung hat also durchaus die Möglichkeit eine Kompromisslösung anzustreben - und wird das in der Regel auch versuchen, sobald sie sich einer ablehnenden Mehrheit der Ursprungsinitiative nicht sicher ist.
Das Schweizer System bietet also mehr als nur "Ja" oder "Nein", sondern ist bei genauerer Betrachtung ziemlich ausgefuchst. :)
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von frems »

d'Artagnan hat geschrieben:(28 Feb 2016, 12:07)

Zu diesem Punkt ganz kurz, da vom Thema wegführend:
Kannst ja was zum Thema sagen, z.B. Irland. :p
Eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 3km/h ist auch in der Schweiz keine Straftat.
Ein Straftatsbestand ist gegeben wenn innerorts die Geschwindigkeit um 50km/h, außerorts um 60km/h und auf Autobahnen um 80km/h überschritten wird.
http://www.bussgeldkataloge.eu/geschwin ... hweiz.html
Und, sorry, jemand der mit 100 durch ne Ortschaft rast der setzt fahrlässig Menschenleben aufs Spiel! Das zweite Beispiel spielt auf Leistungserschleichung an, da kenne ich mich im Schweizer Strafrecht nicht aus. Ich nehme aber an, dass eine wesentliche Zeit Leistungen erschlichen werden musste, bevor es zu einer strafrechtlichen Verurteilung kommt. In beiden Fällen gibt es einen Strafprozess und es entscheidet ein Richter. Es ist lediglich ein dritter Prozess (Ausschaffung oder nicht) - der durch einen Automatismus ersetzt wird.
Wenn "ziemlich alle Schweizer Rechtswissenschaftler" obiges Schauermärchen mit den 3km/h zum Besten geben, dann hat die Schweiz wohl ein echtes Problem mit der Qualität ihrer Juristen, was die Stoßrichtung der SVP nachvollziehbar macht... :p
Wobei ich mich nicht gegen Härtefallregelungen ausspreche. Problem ist nur, dass die sehr schnell zum Regelfall werden, was das Gesetz im Grunde unterläuft. De facto wird dann jeder zum Härtefall erklärt, selbst der zweifache Vergewaltiger. Zumindest ist es so bei uns, und ich nehme an, DAS ist der Grund der Initiative.

Um zum Thema (und einen wichtigen Punkt den Du erwähnt hast- man könne nur mit "Ja" und "Nein" abstimmen) zurückzukommen:
Nach Schweizer Gesetz wäre es (wenn ich das richtig gelesen habe) durchaus möglich einen Alternativvorschlag von Seiten der Regierung zur Abstimmung vorzulegen. Die Bürger stimmen dann über Vorschlag 1 und Vorschlag 2 jeweils mit "Ja" oder "Nein" ab, des weiteren darüber welchen von beiden sie präferieren würden.
(Für den Fall dass beide Vorschläge eine qualifizierende Stimmmehrheit bekommen.)
Die Regierung hat also durchaus die Möglichkeit eine Kompromisslösung anzustreben - und wird das in der Regel auch versuchen, sobald sie sich einer ablehnenden Mehrheit der Ursprungsinitiative nicht sicher ist.
Das Schweizer System bietet also mehr als nur "Ja" oder "Nein", sondern ist bei genauerer Betrachtung ziemlich ausgefuchst. :)
Nach dem Vorschlag der SVP reichen Bagatellen schon aus. Jede Geldstrafe (und somit auch kleine Bußgelder) sollte da genügen für die "Ausschaffung".
Eine italienische Putzfrau bezieht Sozialhilfe und vergisst, eine Einnahme von ein paar hundert Franken zu deklarieren (ohne aktiv zu lügen). Sie soll nach der Durchsetzungsinitiative künftig automatisch abgeschoben werden. Ein Deutscher, der mit einer Schweizerin verheiratet ist und mit ihr zwei Kinder hat, gerät in eine Schlägerei, weil er einer Frau helfen will, die belästigt wird. Weil er dabei jemanden verletzt, wird er wegen Körperverletzung verurteilt.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/w ... 81629.html

Und SVP-Sprech an AfD-Ideologie zu koppeln: Ein Asylbewerber versucht eine arische Frau zu vergewaltigen. Ein Deutscher schreitet heldenhaft ein und gibt dem Eritreer eins auf die Nase. Der Täter wird für versuchte Vergewaltigung verurteilt, aber nicht abgeschoben, weil in seinem Heimatland Folter anzutreffen ist. Der Deutsche muss mit seiner Familie die Schweiz für viele Jahre verlassen, weil er für die Körperverletzung verantwortlich ist.

Aber ist ja nun egal. Die Schweizer fielen diesmal nicht auf die SVP herein.
Offenbar hat die Partei den Bogen dieses Mal deutlich überspannt. Denn selbst in Kantonen, in denen die SVP jüngst noch Wahlerfolge feiern konnten, versagten viele Stimmende in dieser Sachfrage der Partei die Gefolgschaft. "Ein Sieg für die Schweiz, ich bin stolz auf die Schweiz", twitterten Gegner der Durchsetzungsinitiative. Tatsächlich hat eine Mehrheit der Schweizer eine Vorlage abgelehnt, die das Gleichgewicht der Gewaltentrennung aus dem Lot gebracht hätte. [...]

Angesichts der guten Umfragewerte für die Initiative begann vor wenigen Wochen eine bisher nie gesehene Mobilisierung der Zivilgesellschaft. Da meldeten sich mehr als 100 Rechtsprofessoren zu Wort, die in einem Appell unter anderem einen Verstoß der Initiative mit der Europäischen Menschenrechtskonvention anprangerten. Eine Gruppe um den ehemaligen Chefredakteur des Schweizer Fernsehens, Peter Studer, lancierte einen dringenden Aufruf, in dem die Initiative als "barbarisch" abgestempelt wurde. Denn von einer Abschiebung seien auch etliche Ausländer betroffen, die in der Schweiz geboren seien, die sogenannten Secondos. Die Schweiz hat einen Ausländeranteil von rund 25 Prozent. Mehr als 50.000 Unterschriften kamen in Kürze zusammen sowie mehr als eine Million Franken an Spenden für eine Nein-Plakatkampagne. "So etwas habe ich noch nie erlebt", freute sich Studer.
http://www.welt.de/politik/ausland/arti ... pannt.html
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von d'Artagnan »

frems hat geschrieben:(28 Feb 2016, 16:04)

Kannst ja was zum Thema sagen, z.B. Irland. :p


Nach dem Vorschlag der SVP reichen Bagatellen schon aus. Jede Geldstrafe (und somit auch kleine Bußgelder) sollte da genügen für die "Ausschaffung".


http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/w ... 81629.html

Und SVP-Sprech an AfD-Ideologie zu koppeln: Ein Asylbewerber versucht eine arische Frau zu vergewaltigen. Ein Deutscher schreitet heldenhaft ein und gibt dem Eritreer eins auf die Nase. Der Täter wird für versuchte Vergewaltigung verurteilt, aber nicht abgeschoben, weil in seinem Heimatland Folter anzutreffen ist. Der Deutsche muss mit seiner Familie die Schweiz für viele Jahre verlassen, weil er für die Körperverletzung verantwortlich ist.

Aber ist ja nun egal. Die Schweizer fielen diesmal nicht auf die SVP herein.


http://www.welt.de/politik/ausland/arti ... pannt.html
Na siehst Du.
Direkte Demokratie funktioniert also doch. :) ;)
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von frems »

d'Artagnan hat geschrieben:(28 Feb 2016, 16:55)

Na siehst Du.
Direkte Demokratie funktioniert also doch. :) ;)
Hab ich auch nicht bestritten, aber das mach ich nicht davon abhängig, ob mir ein Ergebnis persönlich gefällt oder nicht. :p
Labskaus!

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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von Versutus »

Das wäre eine Katastophe für die Schweizer geworden.
Sie benötigen <ihre Ausländer> nämlich dringend auf dem Arbeitsmarkt
;)
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Re: Flüchtlinge in Hamburg: Volksentscheid gegen rot-grüne "Ghettos" geplant

Beitrag von Kibuka »

Volksentscheide sind gut. Die Schweiz hat heute wieder eindrucksvoll gezeigt, dass die Bürger mündig sind.

Nur die deutschen Politiker fürchten das Volk. Diese Politiker glauben die Weisheit mit dem Löffel gefressen zu haben. Umso eher die Bürger wieder an diesem frechen Selbstbild der Politik rütteln, umso besser. Die Dekadenz dieser Politelite stinkt mittlerweile zum Himmel!
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von garfield336 »

Volksentscheide sind nur dann gut, wenn sie von unten kommen.

Wenn eine Regierung die "Volksbefragungen* durchführt und dabei aber selbst die Fragen festlegt kommt nix gutes dabei raus.
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Re: Flüchtlinge in Hamburg: Volksentscheid gegen rot-grüne "Ghettos" geplant

Beitrag von pikant »

Kibuka hat geschrieben:(28 Feb 2016, 18:21)

Volksentscheide sind gut. Die Schweiz hat heute wieder eindrucksvoll gezeigt, dass die Bürger mündig sind.
bei jedem Ausgang eines Volksentscheides ist der Buerger muendig, denn ansonsten duerfte er gar nicht waehlen gehen.

die Muenigkeit des Buergers oder eines Landes am Wahlverhalten festzumachen ist grotesk.
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Re: Flüchtlinge in Hamburg: Volksentscheid gegen rot-grüne "Ghettos" geplant

Beitrag von garfield336 »

pikant hat geschrieben:(08 Mar 2016, 12:10)

bei jedem Ausgang eines Volksentscheides ist der Buerger muendig, denn ansonsten duerfte er gar nicht waehlen gehen.

die Muenigkeit des Buergers oder eines Landes am Wahlverhalten festzumachen ist grotesk.
Gute Antwort :thumbup:

Volksentscheide sind aber bei komplizierten Fragen nicht sonderlich gut.
Als wir hier das Referendum über den EU-Verfassungsvertrag machten hatten 56% mit ja gestimmt, aber eine Umfrage ergab das nur knapp 5% der Wähler das 120Seiten dicke Dokument überhaupt gelesen haben. :| Da kann man sicherlich nach den Sinn solcher Referenden fragen. :|
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Re: Flüchtlinge in Hamburg: Volksentscheid gegen rot-grüne "Ghettos" geplant

Beitrag von pikant »

garfield336 hat geschrieben:(08 Mar 2016, 12:17)

Gute Antwort :thumbup:

Volksentscheide sind aber bei komplizierten Fragen nicht sonderlich gut.
Als wir hier das Referendum über den EU-Verfassungsvertrag machten hatten 56% mit ja gestimmt, aber eine Umfrage ergab das nur knapp 5% der Wähler das 120Seiten dicke Dokument überhaupt gelesen haben. :| Da kann man sicherlich nach den Sinn solcher Referenden fragen. :|
man darf vor allem nicht vergessen, dass in Deutschland die Haelfte der Bundestagsabgeordneten direkt vom Buerger in seinem Wahlkreis gewaehlt wird.

ich bin fuer direkte Demokratie, aber das jetzt an 2 Themen festmachen zu wollen ohne eine gesetzliche Grundlage und klare Richtlinien ueber was man abstimmen darf, kann und wie das zu haendeln ist, ist reiner Populismus und nicht sachorientiert zu nennen.

man kann zudem kein System eines Landes einem anderern Land einfach so ueberstoepeln.
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von Dampflok94 »

Ein Volksentscheid zu Merkels Flüchtlingspolitik wäre doch Nonsens. Volksentscheide beschäftigen sich mit Gesetzesentwürfen. Über welches Gesetz sollte denn abgestimmt werden? Witziger Weise behaupten ja viele der Merkel-Kritiker diese würde das geltende Recht brechen. Wenn dem so wäre bräuchte man also kein neues Gesetz, denn das alte wäre ja ausreichend.

Viele haben offensichtlich so die Vorstellung einer Fragestellung der Art "Befinden sie die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung für richtig oder falsch" So funktioniert das aber nicht.
Leute kauft mehr Dampflokomotiven!!!
CaptainJack

Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von CaptainJack »

Dampflok94 hat geschrieben:(09 Mar 2016, 14:46)

Ein Volksentscheid zu Merkels Flüchtlingspolitik wäre doch Nonsens. Volksentscheide beschäftigen sich mit Gesetzesentwürfen. Über welches Gesetz sollte denn abgestimmt werden? Witziger Weise behaupten ja viele der Merkel-Kritiker diese würde das geltende Recht brechen. Wenn dem so wäre bräuchte man also kein neues Gesetz, denn das alte wäre ja ausreichend.

Viele haben offensichtlich so die Vorstellung einer Fragestellung der Art "Befinden sie die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung für richtig oder falsch" So funktioniert das aber nicht.
Noch besser: "Finden sie es richtig, dass die Türkei mit uns jetzt Scheibenschießen machen kann?" ;)
Bundesaffe

Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von Bundesaffe »

Watchful_Eye hat geschrieben:(22 Feb 2016, 22:13)

Mich erinnert der aktuelle Aufstieg der AfD ja an eine Debatte, die wir vor 10 Jahren hatten, als unter Schröder die Hartz-Gesetze eingeführt wurden.

Damals machte die SPD damit eine wirtschaftsliberale Politik, die zuvor nicht einmal von der Schwarz-Gelben Kohl-Regierung gewagt worden war. Die Folge war, dass Oskar Lafontaine den Kurs nicht mittrug und die sozialistische radikale Linke erstarkte. Sarah Wagenknecht war ständig in den Talkshows und die Medien stellten sie als populistische Spinnerin dar. Die Leute wollten diese Partei oftmals eigentlich nicht wählen, wussten aber nicht, wie sie ihren Protest zu den Hartz-Gesetzen anderweitig zum Ausdruck bringen sollten.

Nun dasselbe umgekehrt: Die CDU macht eine Asylpolitik, die man bestenfalls von Rot-Grün erwartet hätte. Die Folge ist, dass rechte Kräfte, oftmals ehemalige CDUler, erstarkten. Man sieht irgendwelche rechten in Talkshows, die in den Medien als populistische oder gar gefährliche Spinner dargestellt werden. Die meisten wollen die AfD gar nicht wählen, wissen aber nicht, wie sie ihren Protest zur Asylpolitik von Merkel anders zum Ausdruck bringen sollen.

Ich sehe darin ein Problem der parlamentarischen Demokratie. Dieses System ist zu unflexibel. Wenn eine große Partei eine Politik macht, die eigentlich eher ihrer eigenen Opposition zuzutrauen wäre, fehlt eine sinnvolle Alternative. So bleibt dem wählenden Volk nichts anderes übrig, als irgendwelche radikalen Splitterparteien zu wählen. Wenn man derzeit als Wähler die CDU für die Asylpolitik abstrafen will, muss man "mit Kanonen auf Spatzen schießen" und ein komplett rechtes Paket (inkl. Dinge wie Ablehnung von Abtreibung und Homo-Ehe) wählen, dabei wären die nicht-radikalen Kritiker bereits mit einer restriktiveren Politik á la CSU/Seehofer bereits zufriedenzustellen.

Ich glaube nicht daran, dass die parlamentarische Demokratie für mehr Stabilität sorgt. Zwar rückt der Zwang, sich für ein Paket zu entscheiden, die Wähler zunächst in Richtung Mitte, sobald aber "der Damm gebrochen ist", kann potentiell daraus sogar eine radikalere Politik entstehen, als von den Wählern eigentlich gewünscht ist.
Ich halte es für sehr problematisch, daß die Deutschen sich kaum für Politik interessieren. Es ist auch aus den von dir genanten Gründen sehr einfach, in politische Apathie abzudriften. Viele Deutsche verfolgen jedoch über ihre persönlichen Interessen hinaus keine Ziele. Bestenfalls ist das Wohlergehen des Schrebergartenclubs noch von Bedeutung.
Egal, wie unser System funktioniert: Würde es eine ausreichende Menge von Bürgern geben, die sich politisch engagieren, könnte niemand eine Politik verfolgen, die nicht die Interessen des Volkes vertritt. Jedoch gehen die Leute nur dann auf die Straße, wenn es gilt, mehr Lohn abzugreifen oder der eigene Arbeitsplatz gefährdet ist. Im Großen und Ganzen kann man sagen, daß die nationale Identität der Deutschen so sehr gelitten hat, daß sie im krassen Gegensatz zu anderen Völkern nicht mehr als Bindemittel taugt. Somit gleichen die Deutschen einem Schwarm von Fliegen, die von ihrem Kothaufen in alle Richtungen davonstieben, sobald Gefahr droht.
Demolit

Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von Demolit »

Genau..nix mehr mit Germans to the front.......alles grün oder was ..?

Lach und echt ;)
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von d'Artagnan »

Dampflok94 hat geschrieben:(09 Mar 2016, 14:46)
Viele haben offensichtlich so die Vorstellung einer Fragestellung der Art "Befinden sie die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung für richtig oder falsch" So funktioniert das aber nicht.
Das mag durchaus zutreffen. In diesem Punkt ist es nicht fair parlamentarische gegen direkte Demokratie auszuspielen.
Denn auch der Bundestag wurde nie darüber befragt ob er Merkels "Schleusen auf!" Befehl vom 4.9.15 mitträgt oder nicht.
Eine (echte) parlamentarische Demokratie funktioniert so nun mal nicht.
Dass ehemalige Verfassungsrichter von einem "Akt der Selbstermächtigung Merkels" reden, ist sicherlich nicht ohne Grundlage.
Zuletzt geändert von d'Artagnan am Mittwoch 9. März 2016, 19:11, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von Bundesaffe »

Demolit hat geschrieben:(09 Mar 2016, 16:32)

Genau..nix mehr mit Germans to the front.......alles grün oder was ..?

Lach und echt ;)
Nun, deine Antwort zeigt deutlich, daß viele die Generalmobilmachung als einzige Alternative zum Stillschweigen betrachten. OMG. Hartes Schwarz-Weiß Denken...
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von Dampflok94 »

d'Artagnan hat geschrieben:(09 Mar 2016, 16:51)

Das mag durchaus zutreffen. In diesem Punkt ist es nicht fair parlamentarische gegen direkte Demokratie auszuspielen.
Denn auch der Bundestag wurde nie darüber befragt ob er Merkels "Schleusen auf!" Befehl vom 4.9.15 mitträgt oder nicht.
Eine (echte) parlamentarische Demokratie funktioniert so nun mal nicht.
Dass ehemalige Verfassungsrichter von einem "Akt der Selbstermächtigung Merkels" reden, ist sicherlich nicht ohne Grundlage.
Der Bundestag hat darüber ja auch nicht direkt zu befinden. Das ist Aufgabe der Bundesregierung. Aber indirekt hat der Bundestag natürlich zugestimmt. Denn eines bliebe dem Bundestag ja unbenommen. Frau Merkel durch eine Person zu ersetzen, die eine andere Politik macht. Das tut er aber nicht. Und akzeptiert damit letztlich alles.
Leute kauft mehr Dampflokomotiven!!!
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Re: Am Aufstieg der AfD erkennt man erneut das Problem der parlamentarischen Demokratie

Beitrag von Amtsschimmel »

Dampflok94 hat geschrieben:(09 Mar 2016, 21:33)

Der Bundestag hat darüber ja auch nicht direkt zu befinden. Das ist Aufgabe der Bundesregierung. Aber indirekt hat der Bundestag natürlich zugestimmt. Denn eines bliebe dem Bundestag ja unbenommen. Frau Merkel durch eine Person zu ersetzen, die eine andere Politik macht. Das tut er aber nicht. Und akzeptiert damit letztlich alles.
Darüber hat der Bundestag sehr wohl zu befinden, denn nach der Wesentlichkeitstheorie besteht in einer solch wichtigen politischen Frage ein Parlamentsvorbehalt.
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