Schwarz-gelbe Misere ohne Ende
Die Wirtschaft brummt, die Arbeitslosenzahlen sinken - doch die schwarz-gelbe Bundesregierung findet einfach keine Linie. Jetzt erwägt sie sogar, ihren geplanten Friedensgipfel platzen zu lassen. Nur noch die schiere Angst vor dem Koalitionsbruch kettet Union und FDP aneinander.
Berlin - Es sollte eine Art Friedensgipfel werden. Im kleinen Kreis wollten die Spitzen der schwarz-gelben Koalition einige Dauerkonflikte abräumen, sich neue Ziele stecken und vor allem der gegenseitigen Zuneigung vergewissern. Das alles möglichst bald, noch bevor sich das politische Berlin in zehn Tagen in die Sommerpause verabschiedet.
Doch daraus wird wohl nichts. "Der Termin ist noch offen", heißt es seit Tagen aus der Regierung. An diesem Dienstag nun mehren sich in Koalitionskreisen die Signale, dass es bis zum 8. Juli gar kein Treffen der drei Partei- und drei Fraktionsvorsitzenden mehr geben wird. Nicht dass es nichts zu besprechen gibt. Im Gegenteil: Der Steuerstreit bestätigt einmal mehr, dass zwischen Union und FDP Misstrauen herrscht. Mehr noch: Der Frust ist bei vielen Koalitionären so tief, dass nicht einmal ein Bruch der Koalition mehr ausgeschlossen scheint.
Dennoch wird wohl vorerst nichts aus einem schwarz-gelben Versöhnungspaket. Denn Angela Merkel ist offenbar zu dem Schluss gekommen, dass die Spitzenrunde in diesen Tagen zu früh käme. Sie will den Eindruck vermeiden, ihre Entscheidungen jetzt übers Knie zu brechen, nur weil die FDP ihren Anhängern versprochen hat zu liefern. Plötzlich ist in der Union von Entschleunigung die Rede.
Tatsächlich scheint vor allem in der Steuerdebatte ein belastbarer Konsens in weiter Ferne. Ein Gipfel würde jetzt wohl nicht mehr zutage bringen als einen Mini-Konsens oder eine schwammige Absichtserklärung. "Wir werden vor der Sommerpause nicht zu definitiven Beschlüssen kommen", sagt Unionsfraktionsmanager Peter Altmaier und kündigt stattdessen ein Gesamtkonzept bis zum Herbst an. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt pflichtet ihm bei: Man wolle keinen "Schnellschuss".
Keine Ruhe im Sommer
Mit einem Verzicht auf ein Extratreffen abseits der normalen Regierungsroutine ersparen sich Merkel und Co. zwar den Spott über ein inhaltsleeres Versöhnungs-Date. Die Diskussionen über Steuersenkungen, Soli-Zuschlag und Sozialabgaben werden aber noch an Fahrt aufnehmen. Dabei könnte die Koalition etwas Ruhe und Entspannung im Sommer gut gebrauchen.
Denn auch kurz vor der Halbzeit ihrer eigentlich auf vier Jahre anberaumten Regierungszeit haben die einstigen "Wunschpartner" nicht zueinander gefunden. Inhaltlich ist keine Orientierung zu erkennen. Obwohl das Land gut aus der Krise gekommen ist, die Arbeitslosenzahlen sinken und die Wirtschaft brummt, hat Schwarz-Gelb die bürgerlichen Wähler verprellt. Seit Wochen hinken Union und FDP in den Umfragen mit großem Abstand dem linken Lager hinterher.
Aussicht auf Besserung besteht nicht. Und vielleicht steht noch in der kommenden Woche im Bundestag eine echte Belastungsprobe für die Koalition an. Dann könnte über die neuen Griechenland-Hilfen abgestimmt werden, und die Kanzlermehrheit ist trotz aller Beteuerungen aus dem Koalitionslager nicht sicher. Die SPD sieht Merkel vor "kurz vor ihrer größten Krise". Das sei natürlich Quatsch, kommt es pflichtgemäß aus der Union zurück.
Doch echte Begeisterung für den Partner ist auch in den Reihen von CDU und CSU längst nicht mehr zu spüren - allein die Angst vor dem Absturz scheint die Koalition noch zusammenzuhalten. Dabei spielt insgeheim schon so mancher durch, was passieren würde, wenn wirklich zerbricht, was offensichtlich nicht zusammengehört. Nur, vielversprechend sind die Ausstiegszenarien nicht.
[...]
http://www.spiegel.de/politik/deutschla ... 95,00.html