Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

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Kardux
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Kardux »

Die Apathie, mit der diese Entwicklung im Westen aufgenommen wird, hat bei manchen Beobachtern zur Überzeugung geführt, dass es sich um einen Deal zwischen der US-Regierung und Saudi-Arabien & Co handelt. Er soll so aussehen: In Camp David habe US-Präsident Barack Obama beim Treffen mit Vertretern der Golfkooperationsstaaten Saudi-Arabien bei dessen Kampf gegen den Iran und dessen Verbündete freie Hand gelassen - im Tausch dafür, dass die Golfaraber den Atomdeal mit dem Iran tolerieren. Obama habe die Golfmonarchen lediglich aufgefordert, ihre Klienten unter Kontrolle zu halten.

Der frühere US-Botschafter bei der Uno, John Bolton, ein Neocon, sagte in einem Interview mit Fox News: "Unser Ziel sollte ein neuer sunnitischer Staat im Westirak und in Ostsyrien sein, unter einer moderaten oder zumindest unter einer autoritären Führung, bei der es sich nicht um radikale Islamisten handelt." Der erste Teil des Satzes dürfte leichter umzusetzen sein als der zweite.
Eines ist halt klar, die USA agieren nicht konsequent gegen den IS. Das ist eine Tatsache die niemand abstreiten kann. Die Ausreden das die USA am Irak nicht interessiert ist bzw. ihnen es an Geld für eine Unterstützung fehlt sind völliger Unsinn. Die USA haben seit August 2014 jede Menge Geld im Kampf gegen den IS ausgegeben. Auf wessen Kosten ? Das wissen wir noch nicht genau. Ich bin mir aber sicher das am Ende wieder die dummen Orientalier dafür bezahlen müssen.

Wenn es stimmt, was in diesem Bericht steht, weshalb halten sich dann die USA bis heute noch an die Grenzen von Sykes- Picot ? Weshalb verhindern sie den Kurdenstaat ? Die These das die USA für einen neuen moderaten sunnitischen Staat ist, halte ich anhand der Ereignisse und Aussagen des Pentagons diesbezüglich für ausgeschlossen. Es stimmt zwar das amerikanische Offiziere vor einigen Jahren eine Neuordnung des Nahen Ostens skizziert haben, eben mit einem solchen sunnitischen Staat, der jedoch nur die sunnitischen Gebiete im Irak miteinzählt. In dieser Neuordnung wurde Syrien, komischerweise, nicht wirklich verändert, nur wenige Teile Nordostsyriens sollen angbelich an einen Kurdenstaat angehängt werden.

Die Wahrheit sieht aber so aus, dass die USA mit Biegen und Brechen versuchen den Status quo zu erhalten. Ich sehe überhaupt keine Ambitionen der USA in Sezessionen, bzw. die ethnischen und konfessionellen Probleme im Nahen Osten zu lösen. Ganz im Gegenteil ! Die Konflikte dienen dem westlichen Imperialismus. Je mehr die dummen Orientalier mit sich beschäftigt sind, desto weniger Zeit haben sie sich mit ihren eigentlichen Problemen zu beschäftigen.

Die hat der Shah vom Iran vor langer Zeit deutlich hervor gehoben. Danach musste er bekanntlich abdanken. ;)
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Kardux »

The Collapse of the Modern Middle East
So far, the post-Ottoman Middle Eastern order, fashioned by wartime, imperialist ambitions, and ignorance of local identities. This order has survived independence, revolutions, and wars. A political map of the region sketched in 1930 looks nearly identical to one drawn in 2010. Even as the ongoing Arab revolution exposes submerged seams, Washington remains committed to defending the cartographic status quo.

In contrast, the geopolitical evolution of modern Europe has entailed the gradual emergence of nation-states out of the ashes of numerous multi-ethnic European empires. Just as the concept of self-determination eventually led to the greatest period of peace in Europe’s history, the Balkanization of the Middle East could lead to a more peaceful region in the future.
http://kurdistantribune.com/2015/the-co ... ddle-east/

Ein sehr lesenswerter Artikel, der einen Einblick auf die derzeitigen territorialen Probleme im Nahen Osten gibt.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von tabernakel »

Kardux » Fr 29. Mai 2015, 09:04 hat geschrieben:Eines ist halt klar, die USA agieren nicht konsequent gegen den IS. Das ist eine Tatsache die niemand abstreiten kann.
Das ist denke ich korrekt beobachtet, was nicht schwer fällt wenn die USA zu Beginn des Irak-Kriegs 2775 Luftschläge (z.T. mit schweren Bombern) pro Tag durchführten, und aktuell 1-2 Dutzend mit (deutlich leichteren) Mehrzweckjets ...

Die Schlussfolgerungen allerdings halte ich für einerseits hahnebüchen, andererseits naiv. Denn am Ende gibt es eine einfache Logik die das aktuelle US-Dilemma erklärt: Wenn sie den IS vernichten, dann öffnen sie den iranischen Milizen Tür und Tor die sunnitischen Gebiete zu fluten, die Bewohner zu vertreiben bzw. zu massakrieren, und die Religionsrivalität im mittleren Osten auf lange lange Zeit zu "gewinnen". Verantwortlich gemacht für das Massaker würden dann selbstredend die Amerikaner. Wenn die USA dagegen nichts gegen den IS unternehmen, dann massakrieren diese u.A. die Kurden (am besten noch mit Hilfe der NATO-Alliierten Türken), und Schuld sind wieder die Amerikaner. Oh, und die Iraner würden natürlich auch nicht lange fackeln sich den Kurdenstaat einzuverleiben, immerhin hat man selbst eine Kurdische Minderheit, und die sollte nicht auf komische Ideen kommen ....

Daher spielt Obama offensichtlich auf Zeit: Die Luftschläge sind akkut genug den IS zu schmerzen, und größere Offensiven in Schia oder Kurdischen Gebieten zu stoppen. Sie sind nicht hart genug den IS auszuschalten, und damit wird der Konflikt verlangsamt ausgetragen. Obama wird hoffen dass sich der IS auf Dauer mäßigt, oder er von innen überworfen wird. Und wenn dann auch klar ist wie es mit dem Iran weiter geht, dann kann man über eine Aufteilung des Irak, z.B. in einen souveränen Sunni-Staat, einen Kurdenstaat, und einen Shia-Restirak nachdenken. Wobei zu beachten ist dass bei Syrischen Gebieten neben Assad auch Russland noch ein Wörtchen mitzureden hat, die USA haben sich aus diesem Konflikt vor allem deshalb weitgehend raus gehalten weil hier eine Konfrontation der Supermächte drohte, und Syrien diese schlicht nicht Wert erschien ...

p.s: Ich denke gerade die Kurden sind gut beraten die aktuelle Situation zu nutzen, und statt Reden über Unabhängigkeit zu halten vor allem anderen massiv Waffen für kommende Konflikte einzukaufen. Die Unabhängigkeit kommt quasi von selbst, aber die Souveränität werden die Kurden im Anschluss wohl hart verteidigen müssen, auch weil ne Menge Öl involviert ist ...
Zuletzt geändert von tabernakel am Mittwoch 10. Juni 2015, 10:47, insgesamt 4-mal geändert.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Kardux »

tabernakel hat geschrieben:Die Schlussfolgerungen allerdings halte ich für einerseits hahnebüchen, andererseits naiv. Denn am Ende gibt es eine einfache Logik die das aktuelle US-Dilemma erklärt: Wenn sie den IS vernichten, dann öffnen sie den iranischen Milizen Tür und Tor die sunnitischen Gebiete zu fluten, die Bewohner zu vertreiben bzw. zu massakrieren, und die Religionsrivalität im mittleren Osten auf lange lange Zeit zu "gewinnen". Verantwortlich gemacht für das Massaker würden dann selbstredend die Amerikaner. Wenn die USA dagegen nichts gegen den IS unternehmen, dann massakrieren diese u.A. die Kurden (am besten noch mit Hilfe der NATO-Alliierten Türken), und Schuld sind wieder die Amerikaner. Oh, und die Iraner würden natürlich auch nicht lange fackeln sich den Kurdenstaat einzuverleiben, immerhin hat man selbst eine Kurdische Minderheit, und die sollte nicht auf komische Ideen kommen ....
Erstmal, danke für Ihren Beitrag. Ich finde ihn informativ, aber inhaltlich habe ich doch einiges auszusetzen.

Zunächst verstehe ich nicht weshalb die Schlussfolgerungen hahnebüchen sein sollen. Die Amerikaner haben es doch erst möglich gemacht das Maliki im Jahr 2013 sunnitische Städte (speziell in der Provinz Anbar) mit schiitischen Killerbrigaden überflutete und so überhaupt erst dieser Riesenkonflikt entstehen konnte. Die USA sind für das Erstarken von Maliki verantwortlich - die Notbremse wurde viel zu spät gezogen. Das Argument das die USA eine schiitische Übermacht im Irak verhindern wollen stimmt so nicht. Zumindest handeln die USA nicht dementsprechend. Die Schiitisierung Baghdads begann schon ab 2004, da hielten noch die USA die Zügel im Irak. Die sogenannte Entbaathifizierung wurde für ethnische Säuberungen genutzt, genauso wie die Ausschliessung der sunnitischen Bevölkerung in der irakischen Politik. Die USA haben genau gewusst das die Schiiten im Irak auf einen Rachefeldzug aus sind - das war offensichtlich. Das man die Schiiten, welche genauso wie Sunniten amerikanische Soldaten töteten, gewähren ließ war eine fatale Fehlentscheidung. Die USA hatten keine effektive Strategie für den Irak nach Saddam. Das der Iran großen Einfluß auf den Irak ausüben wird, war so klar wie das Amen in der Kirche.
tabernakel hat geschrieben:Daher spielt Obama offensichtlich auf Zeit: Die Luftschläge sind akkut genug den IS zu schmerzen, und größere Offensiven in Schia oder Kurdischen Gebieten zu stoppen. Sie sind nicht hart genug den IS auszuschalten, und damit wird der Konflikt verlangsamt ausgetragen. Obama wird hoffen dass sich der IS auf Dauer mäßigt, oder er von innen überworfen wird.
Genau hier sehe ich einen großen Fehler in Ihrer Argumentation. Wie soll sich bitte der IS mäßigen ? Der IS lebt von seinem Extremismus, ansonsten wäre er nicht so erfolgreich gewesen. Abgesehen davon sind wichtige Kader des IS nicht einmal Iraker, sondern Pakistaner, Belutschen, Uzbeken, Paschtunen, Araber aus dem Golf, Nordafrika, oder dem Westen, Türken, Tschetschenen, usw. Diese Leute haben gar kein Interesse an einer Mäßigung. Diese Menschen haben ihr Leben dem Jihad gewidmet. Die sunnitischen Iraker könnte man schon mäßigen, immerhin handelt es sich um ihre Siedlungsgebiete, um ihre Familien, usw. Aber einem Paschtunen aus Kandahar ist die Zukunft Ramadis, Samarras, Mosuls, schnurzpiepegal. Der will nur seinen Gottesstaat, das wars.

Wenn die USA wirklich den Vormarsch der Schiiten stoppen wollten, dann hätten sie die Sunniten im Land schon längst formiert bzw. eine sogenannte Autonomieregion für sie nach 2003 installiert. Gemäßigte Sunniten hätte es genügend gegeben.
tabernakel hat geschrieben:Und wenn dann auch klar ist wie es mit dem Iran weiter geht, dann kann man über eine Aufteilung des Irak, z.B. in einen souveränen Sunni-Staat, einen Kurdenstaat, und einen Shia-Restirak nachdenken.
Man soll also darauf warten bis sich die Halsabschneider mäßigen ? Darauf warten die USA ? Abgesehen davon ist nirgendswo die Rede von einer Aufteilung. Die USA lehnen dies strikt ab. Sie lehnen die einzige Lösung des Problems strikt ab, und beharren lieber auf die imperialistischen Grenzen von Sykes- Picot.
tabernakel hat geschrieben:Ich denke gerade die Kurden sind gut beraten die aktuelle Situation zu nutzen, und statt Reden über Unabhängigkeit zu halten vor allem anderen massiv Waffen für kommende Konflikte einzukaufen. Die Unabhängigkeit kommt quasi von selbst, aber die Souveränität werden die Kurden im Anschluss wohl hart verteidigen müssen, auch weil ne Menge Öl involviert ist ...
Die Kurden im Irak sind nicht imstande ihre Souveränität zu verteidigen. Dies hat viele Gründe. Erstens fehlt es an Kapazitäten, zweitens sind die Feinde zu mächtig, und drittens ist man organisatorisch unfähig sowas aufzubauen. Ohne die USA geht nichts. Ich teile Ihre Meinung, nur entspricht es nicht den Realitäten vorort. Wären die USA nicht herbei geeilt, dann würden wir heute nicht mehr von den Kurden im Irak sprechen. Als die Türkei nach dem Fall von Saddam von den USA an der Reißleine gehalten wurden um nicht in Kurdistan einzufallen war jedem klar, das die Türkei innerhalb von 24 Stunden alles erobern würde. Dasselbe gilt auch für den Iran.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von tabernakel »

Kardux » Do 11. Jun 2015, 16:21 hat geschrieben:Die USA haben genau gewusst das die Schiiten im Irak auf einen Rachefeldzug aus sind - das war offensichtlich. Das man die Schiiten, welche genauso wie Sunniten amerikanische Soldaten töteten, gewähren ließ war eine fatale Fehlentscheidung. Die USA hatten keine effektive Strategie für den Irak nach Saddam. Das der Iran großen Einfluß auf den Irak ausüben wird, war so klar wie das Amen in der Kirche.
Ich denke es gilt durchaus anzuerkennen dass die USA aktuell eben nicht blind in eine Richtung feuern, sondern es bei einem Abnutzungskampf auf niedrigem Niveau belassen, den Konflikt damit anfrieren, und sich ansehen wie sich die Sache entwickelt. Saddam Husseins Heimatstadt Tikrit z.B. ist seit einem Monat vom IS befreit, aber auch seit einem Monat praktisch eine Geisterstadt. Und es ist absehbar dass es nach einer Einnahme von Mosul nicht anders aussehen wird. Wenn sich der Trend fortsetzt, dann werden die USA (und in der Folge der Westen) am Ende ihr Engagement auf die Kurden beschränken.
Kardux » Do 11. Jun 2015, 16:21 hat geschrieben:Wenn die USA wirklich den Vormarsch der Schiiten stoppen wollten, dann hätten sie die Sunniten im Land schon längst formiert bzw. eine sogenannte Autonomieregion für sie nach 2003 installiert. Gemäßigte Sunniten hätte es genügend gegeben.
Sehe ich absolut genauso, damals hätte dem Irak eine Konföderationstruktur aufgedrückt werden müssen. Aber wer war damals nochmal an der Macht in den USA? Vielleicht derselbe Trottel der, trotz zahlreicher Warnung vor einem Zerfall des Irak (u.a. aus Deutschland und Frankreich), meinte es reiche aus auf Flugzeugträgern große Reden zu schwingen, "French Fries" in "Freedom Fries" umzubenennen, und sich nach erfolgreichem Einmarsch im Irak als Befreier und "Heilsbringer der Demokratie" feiern zu lassen? Und das obwohl historisch gesehen unter ähnlichen Umständen (wie in den 1920ern in Deutschland) am Ende alles andere als eine friedliche Demokratie raus kam?

Fairerweise, ob eine solche Konföderation überlebt hätte kann auch keiner garantieren, alleine schon weil die Konfessionen im Zentalirak wie in einem Flickenteppich durchmischt sind. Sie hätte am Ende nur eine höhere Chance ergeben dass der Konlikt nicht dermaßen ausartet, gerade weil die Sunniten ein (relativ) sicheres Rückzugsgebiet gehabt hätten, statt schutzlos in einem Bürgerkrieg ums Überleben zu stecken, und dabei den Gegnern die Schlüssel zum Panzerparkplatz anvertrauen zu müssen. Nicht mehr, nicht weniger. Und die Zeit es zu versuchen ist lange passe.
Kardux » Do 11. Jun 2015, 16:21 hat geschrieben:Man soll also darauf warten bis sich die Halsabschneider mäßigen ? Darauf warten die USA ? Abgesehen davon ist nirgendswo die Rede von einer Aufteilung. Die USA lehnen dies strikt ab. Sie lehnen die einzige Lösung des Problems strikt ab, und beharren lieber auf die imperialistischen Grenzen von Sykes- Picot.
Die USA lehnen JEDE Grenzänderung ab, und das aus gutem Grund: Jede die sie akzeptieren (wie z.B. im Kosovo) nutzen die Russen und/oder Chinesen sofort dazu eigene ihnen genehme Grenzänderung zu begründen und flugs umzusetzen. Und daher sind die USA nicht bereit den geopolitischen Preis für solche Änderungen zu bezahlen. Zudem, "imperialistische Grenzen" hin- oder her: Wenn Grenzen erst mal wackeln, dann gibt es kein Halten mehr, und es beginnt das große Fressen. Und dann bedienen sich am Ende genau diejenigen an der Tafel die man dort nicht haben wollte, Grenzen die nicht mehr sakrosankt sind können schnell eine scheussliche Eigendynamik entwickeln.

Was die USA offiziell anstreben sind autonome Regionen, die Kurden haben ja bereits seit längerem eine. Ob eine solche Vision nach all dem Blutvergießen für Syrien und den Irak noch realistisch ist, darf gerne bezweifelt werden. Aber falls am Ende doch separate Kleinstaaten raus kommen ohne dass die USA diese gefordert oder gefördert haben, dann werden sie diese sicherlich nicht alleine dafür angreifen. Nur werden sie für eine solche Aufteilung sicherlich auch nicht den kleinen Finger krümmen, denn sie verspricht letztlich vor allem anderen dass das Massensterben weiter geht: dann im (organisierten) Konflikt dieser Nachfolgestaaten untereinander um Ressourcen, und dann auch unter direkter Einmischung der größeren Nachbarn die "ihren" Teil des Kuchens abhaben wollen.
Kardux » Do 11. Jun 2015, 16:21 hat geschrieben:Die Kurden im Irak sind nicht imstande ihre Souveränität zu verteidigen. Dies hat viele Gründe. Erstens fehlt es an Kapazitäten, zweitens sind die Feinde zu mächtig, und drittens ist man organisatorisch unfähig sowas aufzubauen.
Was die Kurden brauchen ist etwas Zeit, sowie die Einsicht dass sie in einer ähnlichen Lage wie Israel zu Beginn stecken: Keiner der Nachbarn hat Lust auf die Existenz eines Kurdenstaats. Sie müssen eigentlich JETZT die nötigen Verteidigungsressourcen beschaffen statt sich im Kampf mit dem IS aufreiben zu lassen. Und zu was sie dabei fähig oder unfähig sind wird man sehen; das unwegsame Gelände hilft, und am Ende haben auch in Europa - dem Kontinent der jahrhundertelang unter Dauerkonflikt litt - kleinere Staaten unter ähnlichen Bedingungen (wie Holland/Belgien mit seinen Flutgebieten, oder die Schweiz mit den Alpen) lange überlebt solange sie weise vorgegangen sind.

Die richtigen Bündnisse und eine massive Rüstung können hier vieles kompensieren, und einen Angriff für die größeren Nachbarn so teuer machen dass es das Risiko nicht mehr wert ist. Und die Kurden haben neben den USA mit Deutschland und Israel aktuell durchaus interessante Optionen was (stillschweigende) Unterstützer und Lieferanten betrifft ...
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Kardux »

tabernakel hat geschrieben:Ich denke es gilt durchaus anzuerkennen dass die USA aktuell eben nicht blind in eine Richtung feuern, sondern es bei einem Abnutzungskampf auf niedrigem Niveau belassen, den Konflikt damit anfrieren, und sich ansehen wie sich die Sache entwickelt. Saddam Husseins Heimatstadt Tikrit z.B. ist seit einem Monat vom IS befreit, aber auch seit einem Monat praktisch eine Geisterstadt. Und es ist absehbar dass es nach einer Einnahme von Mosul nicht anders aussehen wird. Wenn sich der Trend fortsetzt, dann werden die USA (und in der Folge der Westen) am Ende ihr Engagement auf die Kurden beschränken.
Man hat das aber doch sehen kommen. Wem nützt der Abnützungskampf ? Werden die Schiiten dadurch wirklich geschwächt ? Ich behaupte das die USA nach 2003 überhaupt keine Strategie für den Irak hatten. Man wollte Saddam loswerden und im irakischen Ölgeschäft wieder ein wenig mitmischen. Nicht mehr, nicht weniger. Hört sich nach Mainstream an, ist aber so. Ich kann es, 12 Jahre nach "Operation Iraqi Freedom" nicht anders analysieren. Was sonst haben die USA im Irak erreicht ? Was mich nur so stutzig macht ist weshalb die USA Maliki derart unterstützten. Was hat man sich davon wirklich erhofft ? Weshalb hat man einen neuen irakischen Diktator vorbereitet ? Um ihn dann 2014 gerade noch so abzusetzen...

Ich erkenne keine wirkliche Linie in dieser Politik, außer die Erhaltung eines Chaos im Irak.
tabernakel hat geschrieben:Sehe ich absolut genauso, damals hätte dem Irak eine Konföderationstruktur aufgedrückt werden müssen. Aber wer war damals nochmal an der Macht in den USA? Vielleicht derselbe Trottel der, trotz zahlreicher Warnung vor einem Zerfall des Irak (u.a. aus Deutschland und Frankreich), meinte es reiche aus auf Flugzeugträgern große Reden zu schwingen, "French Fries" in "Freedom Fries" umzubenennen, und sich nach erfolgreichem Einmarsch im Irak als Befreier und "Heilsbringer der Demokratie" feiern zu lassen? Und das obwohl historisch gesehen unter ähnlichen Umständen (wie in den 1920ern in Deutschland) am Ende alles andere als eine friedliche Demokratie raus kam?
Geht es denn wirklich nur um Bush ? Obama hatte doch genügend Zeit um die Wogen zu glätten. Der Einmarsch in den Irak wurde von den Demokraten auch nicht verhindert. Wurde er im Vorfeld des Kriegs überhaupt von den Demokraten verneint ? Viel eher sollte man sich die Frage stellen weshalb Joe Biden als Senator noch für eine Balkanisierung des Iraks plädierte, aber als er an die Macht kam, auf einmal von dieser Idee abwich ? Es wirft viele Fragen auf.
tabernakel hat geschrieben:Fairerweise, ob eine solche Konföderation überlebt hätte kann auch keiner garantieren
Es wäre aber gewiss besser gewesen, wenn man die Sunniten nicht den schiitischen Milizen überlassen hätte. Der Bürgerkrieg den wir heute sehen, war absehbar. Das war nur eine Frage der Zeit.
tabernakel hat geschrieben:Die USA lehnen JEDE Grenzänderung ab, und das aus gutem Grund: Jede die sie akzeptieren (wie z.B. im Kosovo) nutzen die Russen und/oder Chinesen sofort dazu eigene ihnen genehme Grenzänderung zu begründen und flugs umzusetzen. Und daher sind die USA nicht bereit den geopolitischen Preis für solche Änderungen zu bezahlen. Zudem, "imperialistische Grenzen" hin- oder her: Wenn Grenzen erst mal wackeln, dann gibt es kein Halten mehr, und es beginnt das große Fressen. Und dann bedienen sich am Ende genau diejenigen an der Tafel die man dort nicht haben wollte, Grenzen die nicht mehr sakrosankt sind können schnell eine scheussliche Eigendynamik entwickeln.
Eine Grenzänderung im Irak, in Syrien und allgemein im Nahen Osten kann nicht alleine von den USA abgesegnet werden. Hier sind die Vereinten Nationen gefordert. Wenn sich jedoch die USA und ihre Freunde schon im Vorfeld dagegen stellen, nur um die britisch- französischen Grenzen im Nahen Osten zu wahren, dann braucht man sich nicht wundern wenn es weiter kracht. Die USA brauchen keinen Alleingang machen.
tabernakel hat geschrieben:Was die USA offiziell anstreben sind autonome Regionen, die Kurden haben ja bereits seit längerem eine.
Ja eine autonome Region, der seit Januar 2014 kein entsprechender Haushalt zur Verfügung gestellt wird. Im selbem Atemzug verweigern die USA den Kurden auch die eigenständige Finanzpolitik. Solche autonomen Regionen werden also angestrebt...
tabernakel hat geschrieben:Was die Kurden brauchen ist etwas Zeit, sowie die Einsicht dass sie in einer ähnlichen Lage wie Israel zu Beginn stecken: Keiner der Nachbarn hat Lust auf die Existenz eines Kurdenstaats. Sie müssen eigentlich JETZT die nötigen Verteidigungsressourcen beschaffen statt sich im Kampf mit dem IS aufreiben zu lassen. Und zu was sie dabei fähig oder unfähig sind wird man sehen; das unwegsame Gelände hilft, und am Ende haben auch in Europa - dem Kontinent der jahrhundertelang unter Dauerkonflikt litt - kleinere Staaten unter ähnlichen Bedingungen (wie Holland/Belgien mit seinen Flutgebieten, oder die Schweiz mit den Alpen) lange überlebt solange sie weise vorgegangen sind.

Die richtigen Bündnisse und eine massive Rüstung können hier vieles kompensieren, und einen Angriff für die größeren Nachbarn so teuer machen dass es das Risiko nicht mehr wert ist. Und die Kurden haben neben den USA mit Deutschland und Israel aktuell durchaus interessante Optionen was (stillschweigende) Unterstützer und Lieferanten betrifft ...
Ich schätze Ihren Optimismus, kann ihn aber nicht so sehr teilen. Liegt vielleicht an meiner Natur. Es stimmt zwar das sowohl Israel wie auch Kurdistan von Feinden umgeben sind, aber das wars dann mit den Gemeinsamkeiten. Das Menschenmaterial in Israel kann man nicht mit Kurdistan vergleichen. Israel besaß qualifizierte Akademiker und Facharbeiter die ihre Erfahrungen aus aller Welt mitnahmen. Dann auch noch die einflußreiche Lobby in Europa und den USA gepaart mit dem Patriotismus aus dem Nichts ein fähiges Land aufzubauen. Ich lebe nun seit einiger Zeit in Südkurdistan, kann jedoch solch eine Entwicklung nicht erkennen. Es liegt nicht so sehr an den kurdischen Führern, sondern mehr an den einfachen Leuten. Ich erkenne den wirklichen Patriotismus nicht, welcher in unserer Lage wichtig wäre. Ich bin zwar kein Psychologe, sehe jedoch einen Grund dafür in der kurdischen Geschichte. Man ist es nicht gewohnt selber über sich zu herrschen. Der Staat wurde von den Menschen immer als Feindbild betrachtet, da man von Fremden regiert wurde. Man fühlt sich auch heute noch überall vom Staat ausgebeutet und betrogen. Die kurdischen Führer haben es nicht leicht zu regieren.

Ein weiterer großer Unterschied zwischen Israel und Kurdistan ist unsere geographische Lage. Israel hat Zugang zum Meer - Kurdistan hingegen ist abhängig vom Iran und der Türkei. Die beiden Staaten bräuchten Kurdistan nicht einmal militärisch bekämpfen. Ein Embargo würde reichen...

Auf der anderen Hand ist es aber nicht möglich mit den Arabern in einem Staat zusammen zu leben. Die Gräben sind zu tief.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Hassad »

[quote="Kardux » Mi 17. Jun 2015, 19:47"][/quote]

Aber Kurdistan würde über riesige Mengen von Süßwasser verfügen, davon wären die Türkei und Iran ebenfalls abhängig.
Es gibt ja noch 2 weitere nachbarn, Irak und Syrien.
Mit Westsyrien, oder wir immer sich das dann nennen wird, sind gute beziehungen wahrscheinlich. Assad hat ja schon vor Jahren den Kurden freie Hand gelassen.
Ein Kurdenstaat ist schon wegen der bedrohung des IS für viele wünschenswert.
Es fehlen noch mächtige Sponsoren,die die Kurden unterstützen; so wie Saudi, Katar und die Türkei (+USA) Terrorristen wie Al Nusra und den IS gefördert haben.
Zuletzt geändert von Hassad am Samstag 20. Juni 2015, 13:39, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Kardux »

Hassad » Sa 20. Jun 2015, 13:38 hat geschrieben:
Aber Kurdistan würde über riesige Mengen von Süßwasser verfügen, davon wären die Türkei und Iran ebenfalls abhängig.
Es gibt ja noch 2 weitere nachbarn, Irak und Syrien.
Mit Westsyrien, oder wir immer sich das dann nennen wird, sind gute beziehungen wahrscheinlich. Assad hat ja schon vor Jahren den Kurden freie Hand gelassen.
Ein Kurdenstaat ist schon wegen der bedrohung des IS für viele wünschenswert.
Es fehlen noch mächtige Sponsoren,die die Kurden unterstützen; so wie Saudi, Katar und die Türkei (+USA) Terrorristen wie Al Nusra und den IS gefördert haben.
Ja, wenn Sie Groß-Kurdistan meinen, dann stimme ich Ihnen noch teils zu. Die riesigen Vorkommen von Süßwasser befinden sich nämlich in Nordkurdistan (Südosttürkei), ich sprach aber eher von Südkurdistan (Nordirak), weil eine kurdische Unabhängigkeit in der Türkei Stand heute noch nicht realisierbar ist, im Nordirak hingegen schon - wenn es die USA dann endlich zulassen würde. Die zwei weiteren Nachbarn der Kurden unterscheiden sich kaum von der Türkei und dem Iran. Ohne Zugang zum Meer werden die Kurden immer mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben.

Wenn Sie mit Westsyrien die alawitischen Siedlungsgebiete meinen, so würde ich sagen, das man sich aus kurdischer Sicht noch weniger auf Assad verlassen darf. Wir erinnern uns sehr gut an den Umgang von Hafez Assad und seinem Sohn Bashar Assad gegenüber den Kurden. Vielleicht haben Sie ja das Jahr 2004 ausgeblendet, oder die jahrzehntelange Arabisierungspolitik der syrischen Baath- Partei (siehe Arabischer Gürtel).

Ich kann mir auch kaum vorstellen das die Türkei ein Sponsor für einen zukünftigen Kurdenstaat wäre. Vielleicht werden sie ihn unter einigen Umständen akzeptieren müssen, aber wirklich froh werden sie damit nie sein - weil ein Kurdenstaat im Nordirak der türkischen Kolonialpolitik in Nordkurdistan ein Dorn im Auge wäre. Dasselbe gilt ja auch für die Kurden im Iran.

Die Saudis könnte ich mir noch am ehesten als Sponsor vorstellen, aber auch nur um den sunnitischen Kurdenstaat als Bollwerk gegen den Iran zu verwenden. Das Problem ist jedoch das auch die Saudis wissen das es Kreise unter den Südkurden gibt die sehr enge Kontakte zum Iran pflegen. Die Situation ist sehr kompliziert.

Eigentlich können die Kurden nur auf den Westen zählen. Kurdistan wäre so oder so ein zweites Israel, nur eben nicht so erfolgreich, weder von den demokratischen Verhältnissen noch den ökonomischen. Der Westen sieht derzeit jedoch nicht den Vorteil den ein Kurdenstaat bieten könnte.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Hassad »

Kardux » So 21. Jun 2015, 16:39 hat geschrieben:
Ja, wenn Sie Groß-Kurdistan meinen, dann stimme ich Ihnen noch teils zu. Die riesigen Vorkommen von Süßwasser befinden sich nämlich in Nordkurdistan (Südosttürkei), ich sprach aber eher von Südkurdistan (Nordirak), weil eine kurdische Unabhängigkeit in der Türkei Stand heute noch nicht realisierbar ist, im Nordirak hingegen schon - wenn es die USA dann endlich zulassen würde. Die zwei weiteren Nachbarn der Kurden unterscheiden sich kaum von der Türkei und dem Iran. Ohne Zugang zum Meer werden die Kurden immer mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben.

Wenn Sie mit Westsyrien die alawitischen Siedlungsgebiete meinen, so würde ich sagen, das man sich aus kurdischer Sicht noch weniger auf Assad verlassen darf. Wir erinnern uns sehr gut an den Umgang von Hafez Assad und seinem Sohn Bashar Assad gegenüber den Kurden. Vielleicht haben Sie ja das Jahr 2004 ausgeblendet, oder die jahrzehntelange Arabisierungspolitik der syrischen Baath- Partei (siehe Arabischer Gürtel).

Ich kann mir auch kaum vorstellen das die Türkei ein Sponsor für einen zukünftigen Kurdenstaat wäre. Vielleicht werden sie ihn unter einigen Umständen akzeptieren müssen, aber wirklich froh werden sie damit nie sein - weil ein Kurdenstaat im Nordirak der türkischen Kolonialpolitik in Nordkurdistan ein Dorn im Auge wäre. Dasselbe gilt ja auch für die Kurden im Iran.

Die Saudis könnte ich mir noch am ehesten als Sponsor vorstellen, aber auch nur um den sunnitischen Kurdenstaat als Bollwerk gegen den Iran zu verwenden. Das Problem ist jedoch das auch die Saudis wissen das es Kreise unter den Südkurden gibt die sehr enge Kontakte zum Iran pflegen. Die Situation ist sehr kompliziert.

Eigentlich können die Kurden nur auf den Westen zählen. Kurdistan wäre so oder so ein zweites Israel, nur eben nicht so erfolgreich, weder von den demokratischen Verhältnissen noch den ökonomischen. Der Westen sieht derzeit jedoch nicht den Vorteil den ein Kurdenstaat bieten könnte.
die türkei ist ein sponsor der IS, das ist klar, also das gegenteil vom kurdenfreund. ich führte nur dies als beispiel an.
Sponsoren für einen kurdenstaat könnten sein: "Die Achse des Guten" - Rußland China, vielleicht auch Iran, obwohl der Iran dann wohl angst hätte seine ca. 10 mill. eigenen kurden könnten sich mit den irakischen kurden vereinigen.
Aber die kurden von syrien & Irak sollten sich vereinigen, als bollwerk gegen den IS. Vor einiger zeit waren die sich aber noch uneinig.
Und Westsyrien ist von feinden umzingelt, ich glaube es ist auch in deren interesse, das dieser Staat entsteht.
Von der früheren arabisierungspolitik syriens habe ich gehört, ich glaube das ist kein thema mehr.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Die Türkei wird aktiver bei der Neugestaltung?
Militärschläge in Syrien und Irak: Die Türkei führt Krieg gegen die Feinde des IS

Die Türkei hat nach dem Anschlag von Suruc einen Strategiewechsel gegenüber dem IS verkündet. Doch bislang richten sich Ankaras Luftangriffe vor allem gegen kurdische Milizen - die schlagkräftigsten Gegner der Dschihadisten.

Der türkische Regierungschef wählte markige Worte: "Unsere Militäroperationen in Syrien und im Irak haben die Spielregeln in der Region verändert", sagte Ahmet Davutoglu am Wochenende bei einem Treffen mit Journalisten in Istanbul. Zuvor hatte die türkische Luftwaffe erstmals Angriffe auf Stellungen der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) in Syrien geflogen.

Damit reagierte Ankara auf den Terroranschlag, auf ein Treffen sozialistischer Jugendlicher in Suruc und den Tod eines türkischen Soldaten durch IS-Beschuss im Grenzort Suruc. Doch trotz der zur Schau gestellten Entschlossenheit Davutoglus: Zu einem wirklich entschiedenen militärischen Durchgreifen gegen den IS in Syrien hat sich die Türkei bislang nicht durchringen können. Die Luftangriffe konzentrierten sich bislang auf wenige Ziele im unmittelbaren Grenzgebiet.
Die Dschihadisten zeigen sich davon bislang unbeeindruckt. Laut ihrer Propaganda haben die türkischen Luftschläge bislang kaum Schaden angerichtet, mehrere Raketen sollen auf freier Fläche eingeschlagen sein.

Kurden melden türkischen Angriff auf Kobane

Die türkischen Angriffe auf den IS haben bislang vor allem eines erreicht: Sie lenken davon ab, dass die Armee seit vergangener Woche ungleich härter gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vorgeht. Während Ankaras Luftwaffe darauf achtet, bei ihren Angriffen auf die Dschihadisten den syrischen Luftraum nicht zu verletzen, scheuen die Piloten im Irak nicht davor zurück, in den Luftraum einzudringen, um PKK-Stellungen im Kandilgebirge im Norden des Landes zu bombardieren.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/i ... 45436.html
Sicherlich wird von Ankara versucht im Schatten der IS-Bekämpfung einen "drohenden" Kurdenstaat zu verhindern. Dabei wird dies sicher ein Balanceakt. Denn die USA wird dies wohl nur zu einem gewissen Grad tolerieren. Zudem droht bei einer Eskalationsspirale mit den Kurden nicht nur der Staatenzerfall im Irak oder Syrien. Unruhen kann es auch in der Türkei geben.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Weitere Manöver bei der neuen Staatenbildung? Die Türkei handelt entschiedener im Kontext der kurdischen Autonomiebemühungen. Und Assad zementiert neues Staatsgebiet?

Das die türkische Luftwaffe Stellungen der PKK in den Kandilbergen bombardiert wird Bagdad und Teheran sicher keine schlaflosen Nächte bereiten. Teheran wies zwar pflichtbewußt daraufhin, die syrische Armee nicht zu treffen, aber alles was die IS oder die PKK/PJAK betrifft wird man stillschweigend - vermutlich - hinwegsehen.

Debka meint, daß hinter den Kulissen die USA Teheran und Moskau garantieren, die syrische Armee in Ruhe zu lassen.
To gratify Tehran and Moscow, new US-Turkish anti-ISIS war campaign in Syria skirts Assad’s forces

This name represents a significant US-Turkish concession to Iran of immunity for its allies, Syrian President Bashar Assad and Hizballah, in order to gain Tehran’s cooperation in the campaign Turkey launched against ISIS Friday. Integral to the deal is also a promise to abstain from using the campaign to grant anti-Assad rebel groups any advantages.

The combined US-Turkish action moreover greatly supports the Assad-Hizballah war against ISIS gains in Syria and enhances Iranian and Russian influence in Damascus.

http://debka.com/article/24765/To-grati ... ’s-forces-
Assad kündigte ja an sich auf Kerngebiete zu konzentrieren. Eine Zeichen der Schwäche auf der einen Seite, auf der anderen Seite eine natürliche Entwicklung im Rahmen des neuen nation building in der Region?
Assad in a position of strength after Vienna deal with Iran. Tehran revitalizes his depleted army

Assad finds a winning streak

Syrian President Bashar Assad, in his first public speech in a year, could afford Sunday, July 26, to admit that his overstretched army had been forced to give up “critical areas” in a civil war that was dragging into its fifth year at the cost of hundreds of thousands of lives, because he was confident that he is on a winning streak. This confidence he gained from three recent developments:

1. The nuclear accord Iran signed with the six world powers led by the Unite States on July 14 has granted him and extra lease of life. The Syrian dictator, Tehran’s senior ally, can now count himself safe from US efforts to depose him - never mind if he cheated on his chemical weapons stocks and continues to use them in battle - after the Obama administration effectively anointing Iran leading Middle East power and strategic partner.
In his speech, Assad congratulated his best friend in Tehran for pulling off this feat in Vienna and commended the “positive changes in western attitudes to the {Syrian] conflict.” He noted that the “US and its allies now understood they shared an interest” with his regime “in defeating ISIS-style jihad terrorism.”
From the early days of the Syrian war, Assad claimed he was fighting Islamic terrorism and, if the world failed to understand this point, they too would be attacked.

2. He now feels vindicated by Turkey’s entry to the civil war over the weekend in cooperation with the US. The two powers have declared war on the Islamic State and the Kurdish military amalgam of the Syrian YPG and outlawed Turkish PKK. Since these are the two most powerful fighting forces imperiling his regime in Damascus, this outside intervention in the Syrian war is welcome for taking some of the heavy lifting off the shoulders of the Syrian army.

Furthermore, Washington has promised Tehran to withhold from the third element fighting the Assad regime, the Syrian rebel movements, weapons powerful enough to tilt the scales of the civil war in their favor

http://debka.com/article/24767/Assad-in ... eted-army-
Die Frage wird sein, wie bei der Fortdauer der Geschehnisse die USA reagieren werden. Gerade im Kontext der kurdischen Frage. Der Kriegseintritt der Türkei im Schatten der USA nimmt Assad Druck weg. Die IS und die Kurden.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Wasteland »

Ein verteidigungsfähiges, alawitisch/drusisches Kerngebiet wäre jedenfalls kein schlechter Anfang. Dann sollte es ein sunnitisches Gebiet geben, das sich über Teile Syriens und Anbar im Irak erstreckt und ein kurdisches, das sich über Nordsyrien und den Nordirak erstreckt.
Dann könnte man nochmal bei null anfangen.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Wasteland » Di 28. Jul 2015, 15:29 hat geschrieben:Ein verteidigungsfähiges, alawitisch/drusisches Kerngebiet wäre jedenfalls kein schlechter Anfang. Dann sollte es ein sunnitisches Gebiet geben, das sich über Teile Syriens und Anbar im Irak erstreckt und ein kurdisches, das sich über Nordsyrien und den Nordirak erstreckt.
Dann könnte man nochmal bei null anfangen.
Im Grunde genommen die klassische Aufteilung. Das Problem wird wohl nur sein, daß Anrainer sich bestimmte Sorgen machen (im Kontext Kurdistans, Schiiten, Sunniten usw.) und sich nicht einigen können, wer dort die Macht innehat. Einzig offensiv und "gefährlich" würde ich die IS einsortieren, wenn sie sich im sunnitischen Teil durchsetzen würde. Weil sie expansionistisch orientiert ist.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Wasteland »

Assad scheint wirklich langsam seinem Ende entgegen zu gehen....
Al Qaida und Co. haben eine massive Offensive gegen seine Heimatprovinz gestartet.

UN Calls Syria Crisis 'Shameful' As Rebels Mount Offensive Toward Assad's Home Province
According to a Syrian military source who spoke with Reuters, the offensive is both large and widespread. The Army of Conquest claimed on Twitter that they now hold several villages on the plain and around the city of Jisr al-Shughour to the north, as well as a nearby power station. The SOHR said that clashes are continuing, and that two suicide bombers from Jabhat al-Nusra have detonated themselves in the area.
https://news.vice.com/article/un-calls- ... vicenewsfb
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Kommt jetzt etwas Struktur in die "Erbmasse"? Teheran ruft die Golfstaaten zusammen. Eingeschworen wird auf den Kampf gegen den IS. Wenn die Unterstützung für die IS wegfällt, wäre das schon erheblich. Mal sehen, was die Könige und Scheichs dazu meinen. Erdogan könnte auch dazukommen. Das wird schwierig. ;)
Iran plant Verhandlungen mit Golfstaaten über Syrien und Jemen

Erste Runde im September geplant

Teheran – Der Iran will seine Differenzen mit den Golfstaaten beilegen. "Wir planen die erste Runde der Verhandlungen mit den sechs Golfstaaten im September", sagte Vizeaußenminister Hussein Amirabdullahian am Freitag. Die Verhandlungen auf Außenministerebene würden in einem der Staaten oder in einem neutralen Land stattfinden, sagte Amirabdullahian der Nachrichtenagentur ISNA.

Hintergrund der Initiative seien die politischen Differenzen über Syrien und Jemen. Diese sollten ausgeräumt werden, um einen effektiven Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) zu ermöglichen.

Ohne eine gemeinsame Politik in den Bürgerkriegsländern Syrien und Jemen wäre dieses Ziel nicht umsetzbar, so die Position Teherans. Neben den sechs Golfstaaten Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate werde sich wahrscheinlich auch die Türkei beteiligen, hieß es. (APA, 14.8.2015)

http://derstandard.at/2000020748851/Ira ... -und-Jemen
Zuletzt geändert von King Kong 2006 am Freitag 14. August 2015, 21:56, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Der IS behauptet sich weiterhin in Libyen. Dieser Staat existiert rein praktisch nicht mehr.
https://en.wikipedia.org/wiki/Islamic_S ... t_in_Libya

Der IS in der Region Nordafrika und Naher/Mittlerer Osten.
http://i.dailymail.co.uk/i/pix/2015/02/ ... 220485.jpg
Bürgerkrieg in Libyen: IS schlägt Aufstand in Sirte nieder

In der libyschen Stadt Sirte haben Hunderte gegen die dort herrschende Terrormiliz "Islamischer Staat" revoltiert. Die Dschihadisten haben den Aufstand rücksichtslos niedergeschlagen, wieder einmal profitieren sie von dem Machtvakuum im Land.
Der IS verlangte von den ehemaligen Staatsbediensteten, dass sie schriftlich Abbitte leisten und einen Treueeid auf den selbsternannten Kalifen des "Islamischen Staats", Abu Bakr al-Baghdadi, abgeben sollten. Bin Rajab soll seine Anhänger in der Moschee ermuntert haben, sich den Dschihadisten zu widersetzen.

Das wurde dem Imam zum Verhängnis: Anfang vergangener Woche töteten IS-Kämpfer den Prediger. Daraufhin griffen Einwohner seines Stadtviertels zu den Waffen. Die meisten Menschen im "Stadtteil Nummer drei" gehörten wie der Imam dem Ferjani-Stamm an, sie wollten den Tod ihres prominenten Verwandten sühnen.

Doch gegen die bestens ausgerüstete IS-Miliz hatten die Aufständischen keine Chance. Laut Augenzeugenberichten beschossen die Kämpfer das Viertel zunächst mit Mörsergranaten, dann rückten sie mit Panzern vor. Die Dschihadisten sollen rücksichtslos gegen Männer, Frauen und Kinder vorgegangen sein. Schließlich setzten sie sogar das Krankenhaus in Brand. 22 Menschen sollen in dem Gebäude bei lebendigem Leib verbrannt sein.
Die international anerkannte Regierung in Tobruk hofft nun auf Hilfe aus dem Ausland. Sie rief die arabischen Staaten auf, "gezielte Luftangriffe gegen die IS-Stellungen in Sirte" zu starten. Am Dienstag kommt die Arabische Liga in Kairo zu einem Krisentreffen zusammen.

Doch dann ist es zu spät: Der IS hat die Revolte inzwischen niedergeschlagen. Als die Menschen in Sirte Hilfe benötigt hätten, wurden sie im Stich gelassen.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/l ... 48397.html
Die arabischen Staaten bekommen koordiniert nichts hin. Zumal sie alles verschiedene Interessen und Beziehungen zur IS pflegen...

Vielleicht kann ein Minimalkonsens bei den geplanten Verhandlungen im September erreicht werden zwischen dem Iran + den arabischen Golfstaaten.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Es könnte sich eine strategische Weichenumstellung abzeichnen. Der Iran hat bis dato parallel zu den USA den Kampf gegen den IS geführt. Zwar sprach man stets davon, daß es Absprachen bei den Kämpfen am Boden und in den Luft gibt, damit us- und iranische Boden-, wie Lufteinheiten sich nicht irrtümlich bekämpfen, aber man führte die Planungen vermutlich unabhängig voneinander aus. Auch gab es unabhängig voneinander Unterstützung für die regulären Streitkräfte und für die Kurden.
War with Isis: Iran seeks to join international coalition battling militants as part of significant shift in its foreign policy

As part of a new diplomatic offensive following the successful negotiations with world powers over its nuclear programme, the predominant Shia state in the Middle East is making a concerted effort at building bridges with neighbouring Sunni states – traditionally regarded as rivals – in a significant shift in the country’s foreign policy.

A projected plan for Tehran to join an alliance alongside the West and Arab states against the Islamist group, with Russia also a member, was discussed during a visit by the Iranian Foreign Minister Mohammad Javad Zarif to Moscow this week.
The deputy foreign minister Hossein Amir-Abdollahian made an unexpected trip to Saudi Arabia recently to speak about Isis. Mr Zarif, meanwhile, has visited Lebanon, Kuwait and also Qatar. After the last meeting, the Qatari Foreign Minister, Khalid al-Attiyah, said there was a need to have a “serious dialogue with the Iranians” over mutual security concerns.
The Americans have been carrying out air strikes while Iranian-backed Shia militias are fighting on the ground.
The Pentagon continues to stress that it is only providing air support for Shia militias under the command of Baghdad, but this line has blurred, most notably since March during the battle to recapture Tikrit. Both the countries insist, however that there is no joint military planning.
Now, Iran wants a more formalised alliance and to extend its role to Syria. A senior Iranian diplomat told The Independent: “There is no border at the moment between Iraq and Syria and Isis has its headquarters in Syria, so it is artificial to keep a campaign just to Iraq. After all, that is why Britain wants to join the Americans in extending bombing from Iraq to Syria. Iran can defeat Isis.”

There would, however, be formidable obstacles to Iran’s taking a prominent role against Isis in Syria. The rebels, who have fought Tehran-backed Hezbollah fighters in the conflict, are bitterly opposed to an Iranian presence in the country.
The US Secretary of State, John Kerry, has spoken about the need “to change the dynamic in Syria” to combat Isis. He added that he would discuss what role Iran can play against the group with Mr Lavrov.

Federica Mogherini, the European Union High Representative for Foreign and Security Policy, believes that the nuclear deal with Tehran “opens the way for a new confidence in combating Isis”.

Egypt, which had quietly bowed out of earlier plans to lead an Arab League ground force into Yemen and finds itself fighting an increasingly violent Isis insurgency in the Sinai, is seeking a strategic security partnership with Iran and offering to mediate between Tehran and Riyadh, according to Mohammed Haykal, the prominent commentator and former adviser to President Gamal Abdel Nasser.

“The time has come to put aside past differences and face the common enemy,” said an Iranian diplomat.

“We managed to reach an agreement on the very complex nuclear issue. Why can’t we form an agreement to fight the terrorists of Isis?”

http://www.independent.co.uk/news/world ... 61307.html
Teherans Einsatz gegen die IS in Syrien und Irak ist mittlerweile "massiv". Es wäre ein signifikanter Schritt, dieses Engagement in das westliche und regionale Einsatzkonzept (falls es sowas überhaupt gibt...) einzubinden. Das eröffnet auch Chancen der Einflußnahme durch die USA. Das würde nicht einfach werden, da die Zielsetzungen aller Beteiligten z.T. erheblich von einander abweichen, aber es wäre ein weiterer Schritt in Harmonisierung der politischen Zielsetzungen der USA und Irans. Zumal für Washington die Chance besteht Russland dabei mehr an den Rand zu drängen, wenn man sich mehr mit Teheran abspricht.
Iran and ISIL

Iran is an opponent of Islamic State of Iraq and the Levant (ISIL), fighting the group in Syria and Iraq.

https://en.wikipedia.org/wiki/Iran_and_ISIL
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Kardux »

In den Medien wird zwar nichts darüber geschrieben, aber im Moment befinden sich einige kurdische Ortschaften und sogar Städte (seit heute Cizire) unter der Kontrolle der PKK.

https://twitter.com/MevanAkreyi/status/ ... 00/photo/1
Zuletzt geändert von Kardux am Donnerstag 20. August 2015, 22:01, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Kardux » Do 20. Aug 2015, 21:54 hat geschrieben:In den Medien wird zwar nichts darüber geschrieben, aber im Moment befinden sich einige kurdische Ortschaften und sogar Städte (seit heute Cizire) unter der Kontrolle der PKK.

https://twitter.com/MevanAkreyi/status/ ... 00/photo/1
Das wäre bemerkenswert im Falle von Cizire.

Teheran hat seine Bürger angewiesen Vorsicht beim Reisen über Land in der Osttürkei walten zu lassen. Es gab Schusswaffen und Bombeneinsatz gegen Trucks und Reisebusse, auch in Falle des Schienenverkehrs. Darunter Tote. Urheber unbekannt. Es könnte die IS, die PKK/PJAK oder die vielen anderen Gruppen dort sein, die dahinterstecken.
Iran advises citizens to avoid land travel to Turkey
http://news.yahoo.com/iran-advises-citi ... 30913.html
Der türkische Botschafter wurde einbestellt.
Iran has expressed its concerns to Turkey's ambassador over a recent spate of attacks on its citizens in the neighbouring country, news media reported Thursday.

Nine Iranian trucks and a bus have been attacked or torched in Turkey since late July, Tabnak news agency quoted a transport official as saying Tuesday.

In one of the attacks, none of which have been claimed, an Iranian was killed.

The ambassador then received a note from the ministry urging Ankara “to identify those involved, compensate the victims and take more measures to prevent such attacks,” the report said.
Die Südosttürkei wird "erfasst"? Hauptakteure sind die Türkei, IS und die PKK/PJAK?
Unrest started in Turkey with a series of attacks including a devastating suicide bombing blamed on Islamic State group jihadists. Turkish President Recep Tayyip Erdogan then ordered air strikes on IS targets in Syria and on PKK fighters based in northern Iraq.

http://english.alarabiya.net/en/News/mi ... rkey-.html
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von palulu »

King Kong 2006 » Do 20. Aug 2015, 22:38 hat geschrieben:
Das wäre bemerkenswert im Falle von Cizire.
So einseitig, wie es Kardux schrieb, ist die Situation nicht. Warum aber wäre es bemerkenswert im Falle Cizres?
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Kardux »

palulu hat geschrieben:So einseitig, wie es Kardux schrieb, ist die Situation nicht. Warum aber wäre es bemerkenswert im Falle Cizres?
Wie ist denn die Situation im Südosten ?

Ein interessanter Artikel aus "Der Welt":

http://www.welt.de/politik/ausland/arti ... ltung.html

Vielleicht ist es bemerkenswert weil Cizire keine kleine Ortschaft ist...

----

Der Nahe Osten ist derzeit ein einziger Trümmerhaufen. Die einzig wirklich sicheren Staaten im Moment sind die VAE und Katar, vielleicht kann man auch den Iran dazu zählen obwohl auch dort im Westen des Landes jederzeit Unruhen ausbrechen können, dasselbe gilt für den Osten Saudi Arabiens.

Sykes- Picot verabschiedet sich so langsam. Vielleicht auch in absehbarer Zukunft der Vertrag von Lausanne ?
Zuletzt geändert von Kardux am Freitag 21. August 2015, 08:40, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

palulu » Fr 21. Aug 2015, 00:41 hat geschrieben:
So einseitig, wie es Kardux schrieb, ist die Situation nicht. Warum aber wäre es bemerkenswert im Falle Cizres?

Weil nicht die türkische Staatsmacht ihr Territorium kontrollieren würde, sondern eine andere Macht. Ich finde das schon bemerkenswert. Im Falle Iraks, oder Syriens ist das nichts mehr besonderes.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von palulu »

Kardux » Fr 21. Aug 2015, 08:40 hat geschrieben:
Wie ist denn die Situation im Südosten ?

Ein interessanter Artikel aus "Der Welt":

http://www.welt.de/politik/ausland/arti ... ltung.html

Vielleicht ist es bemerkenswert weil Cizire keine kleine Ortschaft ist...

----

Der Nahe Osten ist derzeit ein einziger Trümmerhaufen. Die einzig wirklich sicheren Staaten im Moment sind die VAE und Katar, vielleicht kann man auch den Iran dazu zählen obwohl auch dort im Westen des Landes jederzeit Unruhen ausbrechen können, dasselbe gilt für den Osten Saudi Arabiens.

Sykes- Picot verabschiedet sich so langsam. Vielleicht auch in absehbarer Zukunft der Vertrag von Lausanne ?
Weil die Gesamtsituation in der Türkei eine Rolle spielt. Diese "Selbstverwaltungen" sind natürlich in erster Linie Propaganda, denn in diesen Städten regiert die HDP bereits mit extremer Mehrheit, in Cizre z.B. 95%. An der Lage in jenen Ortschaften ändert sich also faktisch nichts. Sie gelten als die Peripherie der Türkei, sind unterentwickelt, verarmt, die Gesellschaften sind patriarchal, Zukunftsperspektive ist ein Fremdwort für die Menschen dort und es sind relativ bildungsferne Schichten, auf die man trifft. Viele Ü-30er können nicht einmal richtig lesen oder schreiben. Weder auf Kurdisch noch auf Türkisch. Selbst ihre Kurdischkenntnisse sind ironischerweise schlechter als die der irakischen KurdInnen - davon konnte ich mich selbst überzeugen. In Cizre war ich 2009.

Dort liegt die offizielle Arbeitslosigkeit bei 70%, wenn ich mich richtig erinnere. Wer dort war und die Menschen fragt, bekommt eher den Eindruck, dass nur 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung überhaupt einer geregelten Arbeit nachgehen - davon ein nicht gerade kleiner Teil angestellt bei der Gemeinde. Bei den Jugendlichen liegt die Rate mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei 90 Prozent oder mehr. D.h., aus soziologischer Warte bietet die Stadt den idealen Nährboden für Konflikte. Aus diesen sozioökonomischen Belastungsumständen zieht die PKK ihre größte Attraktivität. Das wirst Du verneinen, ich weiß. Natürlich gibt es auch ideologisch überzeugte Menschen vorort. Dort ist z.B. Hasim Zana getötet worden, PKK-Prominenz und -Kommandeur.

Dennoch, viele der Probleme sind "unkurdisch", sondern viel mehr "menschlich". Das unterscheidet den Konflikt in der Türkei von dem in Syrien oder Irak und teils im Iran. Denn prinzipiell haben die sunnitischen Türken und Kurden langfristig gesehen bessere Chancen, was eine Aussöhnung angeht. Man ist sich kulturell und traditionell ähnlicher. Zudem verliert mit steigendem Wohlstand die PKK Mitglieder - das lässt sich auch empirisch belegen, wenn man die Karte der Arbeitslosigkeitsrate in Ost- und Südostanatolien mit der der Stimmenanteile für die HDP übereinanderlegt, wird deutlich, was ich meine.

In Cizre werden die Probleme also durch regionale Faktoren multipliziert. Von dort auf den gesamten Südosten zu schließen, ist in etwa so, als würde man Dresden mit seiner PEGIDA-Bewegung auf westdeutsche Städte übertragen. Nicht repräsentativ. Abgesehen von der Tatsache, dass in einem "echten" Bürgerkrieg diese Städte samt ihrer EinwohnerInnen in Handumdrehen eliminiert würden durch Luftangriffe, weil klein, kompakt, weit entfernt von der Westtürkei, hat der Staat dort nicht die Kontrolle verloren.

Zusammengefasst: Cizre ist ein Sonderfall.

Mal bekämpfen sich dort rivalisierende kurdische Gruppierungen (z.B.: http://news.yahoo.com/turkish-teenager- ... 36681.html), ein anderes Mal liefert man sich Kämpfe mit der Staatsmacht. Am Abend werden Gräben ausgehoben, die am morgen von der Staatsmacht wieder aufgefüllt werden (z.B.: http://www.cizrepostasi.com/cizredeki-h ... 33593h.htm). Zudem liegt eine Abwesenheit der staatlichen Sicherheitskräfte nicht vor. Noch immer ist dort Polizei und Militär stationiert und liefert sich in den Nächten Kämpfe mit der PKK-Jugend. Neben Cizre haben 15 weitere Städte/Dörfer/Regionen ihre "Selbstverwaltung" ausgerufen. Strenggenommen nicht deren Kommunen- oder Stadtparlamente, sondern die KCK (https://de.wikipedia.org/wiki/Koma_Civakên_Kurdistan) in deren Namen in Zusammenarbeit mit der kurdischen Kleinstpartei DBP (https://de.wikipedia.org/wiki/Demokrati ... er_Partisi).

Salih Gülenç aus der Partei sagt, dass sie weder einen Autonomiestatus noch Kantone ausgerufen hätten, aber sie müssten das, wenn der "faschistische Staat" nicht den Krieg beende. Das meinte ich oben damit, dass sich faktisch nix ändert, weil diese Regionen ohnehin die Kurdenpartei HDP wählen.

Diese hüllt sich seit Tagen in Stille.

Vermutet wird ein Konflikt innerhalb der Partei, die die Staatsmacht und PKK gleichermaßen kritisierte. Viele dieser Selbstverwaltungserklärungen sind also inhaltsleer und eher Symbolpolitik und Ausdruck eines Missfallens. Die PKK/KCK fordert ein Ende der Bombardements. Das heißt im Umkehrschluss auch, dass diese punktuellen Konflikte so schnell wieder abgeschaltet werden können wie sie entstanden. In der Stadt demonstrierte bereits "die Wirtschaft" (Geschäftsleute, Ladenbesitzer, Handels- und Industriekammer) für Frieden. Im Osten heißt das, dass sie gegen die PKK auf der Straße waren. Das wird von der PKK und den türkischen Medien gleichermaßen so verstanden, weshalb sie diese Demos auch groß aufgreifen: http://www.milliyet.com.tr/cizre-de-stk ... er-934930/

Genau deswegen sagte ich, dass die reale Situation mit deiner Schilderung nicht korrespondiert. JEDE türk. Regierung, die so etwas zuließe, würde von den WählerInnen umgehend bestraft werden. Nicht mal Erdogan würde sich das leisten können.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Kardux »

palulu hat geschrieben:Aus diesen sozioökonomischen Belastungsumständen zieht die PKK ihre größte Attraktivität. Das wirst Du verneinen, ich weiß.
Nein, das verneine ich nicht. Und wie entstanden diese sozioökonomischen Belastungsumstände ? Nicht etwa mit der totalen Vernachlässigung des Ostens ? Man könnte nun sagen das die Türkei nicht bereit war in eine Krisenregion zu investieren. Aber dieses Argument gilt ja nur für die Zeit seit dem Entstehen der PKK. Und was war davor ? Weshalb wurde der Osten und speziell der Südosten total vernachlässigt ? Eine Antwort darauf bekommen Sie wenn Sie sich den Verlauf der Tiflis-Baku-Ceyhan Pipeline betrachten. Dieses zukunftsträchtige Projekt wurde um die kurdischen Siedlungsgebiete herum realisiert. Quasi nach dem Motto, wer weiß ob wir den Südosten für immer kontrollieren werden. Ähnlich wie die Türkei investieren auch Syrien, Irak, und der Iran nicht in die Kurdengebiete und haben es auch fast nie.
palulu hat geschrieben:Selbst ihre Kurdischkenntnisse sind ironischerweise schlechter als die der irakischen KurdInnen - davon konnte ich mich selbst überzeugen. In Cizre war ich 2009.
Wieso ironischerweise ? Das liegt doch auf der Hand. Die irakischen Kurden hatten schon in den 1970er Jahren kurdischen Schulunterricht. Wenn Sie etwas nicht wissen im Bezug auf die Kurden, dann wäre es wohl besser sich nüchterner auszudrücken. Die Assimilationspolitik in der Türkei hat in diesem Ausmass im Irak nicht stattgefunden. Die meisten kurdischen Schriftsteller kamen aus Nordkurdistan, dies hat sich aber nach 1923 verändert.
palulu hat geschrieben:Dennoch, viele der Probleme sind "unkurdisch", sondern viel mehr "menschlich". Das unterscheidet den Konflikt in der Türkei von dem in Syrien oder Irak und teils im Iran. Denn prinzipiell haben die sunnitischen Türken und Kurden langfristig gesehen bessere Chancen, was eine Aussöhnung angeht. Man ist sich kulturell und traditionell ähnlicher. Zudem verliert mit steigendem Wohlstand die PKK Mitglieder
Wo keine Investitionen da auch kein Wohlstand. Und zu Ihrer These:
palulu hat geschrieben:wenn man die Karte der Arbeitslosigkeitsrate in Ost- und Südostanatolien mit der der Stimmenanteile für die HDP übereinanderlegt, wird deutlich, was ich meine.
Man könnte auch behaupten, da wo Kurden leben wird kaum etwas gegen die Arbeitslosigkeit getan. Gebiete im Südosten des Landes, wie Antep, Adana, und auch Urfa wo die Kurden nicht die Bevölkerungsmehrheit stellen oder wo viele Nicht- Kurden leben (dementsprechend verringert sich der HDP- Stimmenanteil) sinkt die Zahl der Arbeitslosen.

Oder wollen Sie ernsthaft behaupten das die kurdische Bevölkerung nicht arbeiten will ?
palulu hat geschrieben:Das meinte ich oben damit, dass sich faktisch nix ändert, weil diese Regionen ohnehin die Kurdenpartei HDP wählen.
Wenn PKK- Kämpfer in Städte und Dörfer eindringen hat der türkische Staat für mich die Kontrolle verloren. Sie können natürlich weiter relativieren und um den heißen Brei reden, aber auch Sie wissen das im Südosten der Ausnahmezustand herrscht.
palulu hat geschrieben:JEDE türk. Regierung, die so etwas zuließe, würde von den WählerInnen umgehend bestraft werden. Nicht mal Erdogan würde sich das leisten können.
Erdogan ist nicht jede türkische Regierung. Erdogan hat das Militär entmachtet, die Türkei leicht islamisiert, wird vllt. bald die Verfassung verändern, und ein eine Diktatur- delight einführen. Hat nicht Davutoglu vor einigen Tagen die Regierungsbildung an Erdogan abgegeben, und hätte dieser nicht den Vorsitzenden der CHP damit beauftagen müssen ? Hat er das ? Nein.

Mein Verdacht ist, das Erdogan den Kurden einen vorläufigen "Sieg" gönnt. Die türkischen Soldaten verschanzen sich in ihren Kasernen. Das türkische Soldaten und Polizisten vorort sind habe ich nirgendwo bestritten, aber viel unternehmen sie ja nicht. Mit der Ausrufung der Selbstverwaltung geraten Politiker der HDP ins Visier der türkischen Justiz. Die HDP wird wahrscheinlich bald verboten werden und die Immunität kurdischer Abgeordneter aufgehoben werden und diese werden dann ebenfalls von der Justiz "gejagt". Somit könnte Erdogan wieder seine absolute Mehrheit erlangen. "Und dann ist endlich Ruhe im Karton".

Darum ging es doch die ganze Zeit.
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King Kong 2006
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Wird Libyen von dem IS zur Drehscheibe für den weiteren Vormarsch ausgebaut?

Im Westen kein Plan B vorhanden

IS baut die Drehscheibe Libyen aus

Bereits drei Filialen des "Islamischen Staates" extistieren in Libyen. Für die Dschihadisten ist das Chaos-Land aber nur eine Zwischenstation. Das ist zwar auch arabischen Nachbarn, Europa und den USA klar. Doch eine Gegenstrategie fehlt.
Die Rekruten des libyschen IS kamen Mattes zufolge seit Herbst 2014 aus Syrien und dem Irak, aus Tunesien, Ägypten und Saudi-Arabien sowie aus Nigeria und anderen Sahel-Staaten. Ihre Anzahl geht nach Schätzungen in die Tausende. Diese Kämpfer, schreibt der Libyen-Experte, sollten zunächst die Provinzen Sirte, Tripolis und Fezzan weiter ausbauen. Danach soll ein vom IS entwickeltes "Strategische Konzept von Libyen als dem Einfallstor für den IS in ganz Nordafrika" greifen. Ein Blick auf die Karte zeigt, dass Libyen tatsächlich eine geografische Drehscheibe ist, wenn man das vom IS angestrebte Großreich von Irak und Syrien bis nach Nigeria – wo Boko Haram dem Kalifat die Treue geschworen hat – betrachtet.

http://www.n-tv.de/politik/IS-baut-die- ... 59961.html
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von palulu »

Seit dem 23. Juli wurden im In- wie Ausland (Nordirak) 814 PKK-TerroristInnen durch das türkische Militär getötet, melden türkische Zeitungen. -> http://www.medya365.com/guncel/bir-ayda ... 05585.html

Die Angaben sind sogar glaubwürdig. Zum einen untermauert die Intensität der Angriffe die Zahlen. Zeitweise flogen 30 F-16-Kampfjets angriffe auf die Lager im Nordirak (in mehreren Wellen); zum anderen haben sich die technischen Fertigkeiten der Türken wesentlich verbessert. Die Zeiten, in denen wild auf Berge und Höhlen geschossen wurde, sind vorbei. Augenzeugen berichten von Drohnen (wie TAI Anka, Bayraktar etc.), die vor den Angriffen lebendige Ziele ausmachten. Erst nach Zielerfassung beginnen die Bombardements. Zum anderen hat man bessere Spionagemöglichkeiten (siehe Göktürk-2-Satelliten) entwickelt. Auch in der Raketentechnologie wurden Fortschritte erzielt. Dank präzisionsgelenkter Munition ist die Treffgenauigkeit der Angriffe erhöht worden; Höhlen und unterirdische Bunker in den Bergen werden mit neuen bunkerbrechenden Bomben wie dem Nüfuz Edici Bomba (NEB) attackiert.

Unabhängig von diesen Faktoren spricht eine andere Zahl wahre Bände: seit Beginn der Operation haben sich innerhalb eines Monats 240 TerroristInnen den türkischen Sicherheitskräften ergeben. -> http://www.turkiyegazetesi.com.tr/gundem/299193.aspx

Sie können von großzügigen Reintegrationsprogrammen profitieren und bekommen auch eine Amnestie erteilt oder Strafmilderung, wenn sie mit den Behörden kooperieren. Für die geheimdienstliche und militärische Aufklärung sind diese Personen von unermesslichem Wert. Wie in der Vergangenheit, steigt mit der Intensität der Angriffe auch die Zahl der Überläufer. Sie kennen die Depots, Geheimwege, Schlafplätze, Trainingscamps und Aufenthaltsorte der Kämpfer in den Bergen. Ohne sie wären die Angriffe niemals so effizient. Ihre Namen, Aufenthaltsorte, die Herkunft und andere persönliche Daten bleiben nach der Trennung von der PKK streng geheim, damit sie nicht von der PKK-nahen Truppen ermordet werden.

Zudem belegt die rege Berichterstattung in einschlägigen kurdischen Medien mit Bildern zu Friedhöfen und Grabmälern den Erfolg der Angriffe. Obwohl die PKK zunächst die Verantwortung für die Ermordung zweier Polizisten (einer war Kurde) in der Folge des Suruc-Anschlags übernahm, relativierte sie Anfang dieses Monats nach ersten Angriffen der türkischen Luftwehr ihre Position. Die türk. Regierung nahm den Tod dieser Polizisten als Anlass für den Beginn der Anti-PKK-Operation. Plötzlich hieß es auch von PKK-Seite, dass dieser Doppelmord eine "nicht abgesprochene Vergeltungsmaßnahme lokaler Kräfte" sei.

Siehe auch: KCK official says PKK not responsible for murders of 2 Turkish policemen

Auf kurdischen Seiten wird bereits geschildert, dass die Angriffe der Türken Folgen für den Kampf gegen den IS hätten. (Noch) Nicht auf breiter Front, aber punktuell müsste die PKK Gegenden dem IS oder anderen Islamisten überlassen. Andere Seiten berichteten davon, dass die PKK 'lediglich' nicht mehr offensiv vorgehen könne, aber die Gebiete halte.

Auch im Inneren geht die Regierung sehr hat gegen die PKK vor. Im Osten des Landes wurden 127 Regionen zu einer "temporären militärischen Sicherheitszone" erklärt. -> http://www.hurriyet.com.tr/gundem/29885983.asp Dort können jetzt Sicherheitskräfte ohne Weiteres gegen jede Form von Gesetzesbrüchen vorgehen.

Selbst die kurdische HDP hat in der Vergangenheit ungewöhnlich scharfe Kritik an der PKK geäußert: Risse zwischen PKK und Kurdenpartei HDP

Barsani, Chef der Kurdischen Autonomieregierung im Irak, hat die PKK aufgefordert, das Land zu verlassen: http://www.spiegel.de/politik/ausland/t ... 46327.html

Jetzt verlangt die PKK eine Vermittlung der USA im Konflikt: http://de.reuters.com/article/worldNews ... CC20150823

Ich denke, dass die PKK-Führung mittlerweile eingesehen hat, dass die Ermordung der zwei Polizisten, die übrigens nichts mit dem Suruc-Attentat zu tun hatten, ein großer Fehler war, wenn nicht sogar an Selbstsabotage grenzt.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Kardux »

palulu hat geschrieben:Seit dem 23. Juli wurden im In- wie Ausland (Nordirak) 814 PKK-TerroristInnen durch das türkische Militär getötet, melden türkische Zeitungen. -> http://www.medya365.com/guncel/bir-ayda ... 05585.html

Die Angaben sind sogar glaubwürdig. Zum einen untermauert die Intensität der Angriffe die Zahlen.
Und wenn türkische Zeitungen gemeldet hätten das 8000 PKK- Kämpfer getötet worden sind, dann wären Sie bestimmt der Erste der diese Angaben für glaubwürdig halten würde.

Im Gegensatz zu Ihnen möchte ich mich nicht zu sehr aus dem Fenster heraus lehnen. Das die türkische Armee bei ihren Angaben schon immer falsche Zahlen angegeben hat ist ja nichts neues, selbiges gilt natürlich auch für die PKK, die ihrerseits unrealistische Zahlen angeben. Die Zahl 800 innerhalb von drei Wochen erscheint mir jedoch unrealistisch.

1. Haben sich viele PKK- Kämpfer in kurdische Städte im Nordirak begeben (Sulaimaniyah sollte hier hervor gehoben werden).
2. Verteilen sich PKK- Kämpfer immer stark auf, es ist nicht möglich eine große Zahl an Kämpfern gleichzeitig zu erwischen.
3. Der Einsatz der NEB erfolgte nicht in dem Ausmass das so viele Ziele hätten getroffen werden können, das diese Waffe effektiv sein kann ist wahr, aber wie gut die türkische Aufklärung ist liegt im Dunkeln. Was ich weiss ist, das die PKK eines der unzugänglichsten Gebiete im Nahen Osten als Rückzugsgebiet benützt.
4. Die PKK- Kämpfer verwenden oftmals keine wirklichen Bunker sondern natürliche Höhlen. Ob die NEB wirklich hunderte Meter Gestein durchbrechen kann, wage ich zu bezweifeln.

Wie auch immer, jeder glaubt halt was er will.
palulu hat geschrieben:Die Zeiten, in denen wild auf Berge und Höhlen geschossen wurde, sind vorbei.
Da verweise ich nur auf Amnesty International:
“The recent attacks in Kandil maimed, killed, and displaced residents, destroying homes and terrifying locals in an area where no military targets appeared to be present,” said Lama Fakih, Senior Crisis Advisor at Amnesty International who visited the area.
https://www.amnesty.org/en/latest/news/ ... mountains/
palulu hat geschrieben:Auf kurdischen Seiten wird bereits geschildert, dass die Angriffe der Türken Folgen für den Kampf gegen den IS hätten. (Noch) Nicht auf breiter Front, aber punktuell müsste die PKK Gegenden dem IS oder anderen Islamisten überlassen. Andere Seiten berichteten davon, dass die PKK 'lediglich' nicht mehr offensiv vorgehen könne, aber die Gebiete halte.
Ja, in der Tat. Die Türkei hält dem IS den Rücken frei. Natürlich haben die Luftschläge der Türkei die Logistik der PKK/YPG behindert. Das liegt doch auf der Hand. Man liest aus Ihren Zeilen Stolz heraus. Sie dürfen wirklich stolz auf Ihre Türkei sein.

Wenn man so Ihre Zeilen liest, dann würde man glatt meinen das die Türkei die Kurdenfrage militärisch lösen könnte. Seit 1923 schafft es die Türkei nicht ! Die 1990er Jahre haben gezeigt das die Türkei die Kurdenfrage niemals militärisch lösen wird. Die Kurden sind bereit jeden Preis für ihre Freiheit zu zahlen.
palulu hat geschrieben:Sie können von großzügigen Reintegrationsprogrammen profitieren und bekommen auch eine Amnestie erteilt oder Strafmilderung, wenn sie mit den Behörden kooperieren. Für die geheimdienstliche und militärische Aufklärung sind diese Personen von unermesslichem Wert. Wie in der Vergangenheit, steigt mit der Intensität der Angriffe auch die Zahl der Überläufer.
Sie meinen die PKK- Abschwörer ? Die Todesschwadronen von Cem Ersever, welche in erster Linie kurdische Intellektuelle auf offener Straße hinrichteten. Ja, diese Bestien waren in der Tat von unermesslichem Wert für den türkischen Staatsterror.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Kardux »

Iranian Interior Minister Fazli visits PKK Kandil stronghold
Dressed in a military uniform, Iranian Interior Minister Abdolreza Rahmani Fazli has visited the Kandil Mountains along the Iran-Iraq border, where the terrorist Kurdistan Workers' Party (PKK) headquarters is located.
Fazli shared photos of his visit via his Instagram account on Monday, stating that he was at an altitude of 3,000 meters. In one of the photos, he is seen with a person who is wearing typical PKK clothing. In another photo, Fazli is seen with the governor of Iran's West Azerbaijan province in the Kandil mountain range.
The Kandil Mountains have been used as a PKK shelter and training camp for many years.
The Iranian interior minister's unexpected visit to the Kandil Mountains came at a time when Turkey is fighting a two-front war against the terrorist Islamic State in Iraq and the Levant (ISIL) in Syria and the PKK in northern Iraq. There is currently a caretaker government in place in Turkey since the June 7 general election in which the Justice and Development Party (AK Party) lost its majority in Parliament.
http://www.todayszaman.com/diplomacy_ir ... 97458.html

Der iranische Innenminister besucht die PKK- Hochburg Qandil im Nordirak. Ein sehr kontroverser Besuch aus meiner Sicht. Der Nahe Osten ist einfach unberechenbar. Soll das ein Zeichen der Iraner an die Tuerkei sein ?
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von UncleSams_Berater »

Kardux » Mi 26. Aug 2015, 13:41 hat geschrieben: http://www.todayszaman.com/diplomacy_ir ... 97458.html

Der iranische Innenminister besucht die PKK- Hochburg Qandil im Nordirak. Ein sehr kontroverser Besuch aus meiner Sicht. Der Nahe Osten ist einfach unberechenbar. Soll das ein Zeichen der Iraner an die Tuerkei sein ?
Auf jeden Fall ist das ein Zeichen an die Türkei, dass man keine Einmischung der Türkei in Syrien dulden wird.
Irgendwie schon witzig auf der anderen Seit tötet die PJAK iranische Soldaten
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von palulu »

palulu » Di 25. Aug 2015, 16:52 hat geschrieben:[...]
Ich denke, dass die PKK-Führung mittlerweile eingesehen hat, dass die Ermordung der zwei Polizisten, die übrigens nichts mit dem Suruc-Attentat zu tun hatten, ein großer Fehler war, wenn nicht sogar an Selbstsabotage grenzt.

PKK will Angriffe auf Soldaten einstellen
Ein ranghohes Mitglied der PKK hat die Kämpfer dazu aufgefordert, keine türkischen Wachposten mehr anzugreifen. Zugleich entbrennt ein scharfer Streit innerhalb der kurdischen Gruppierungen.

-> http://www.welt.de/politik/ausland/arti ... ellen.html

Sagte ich doch.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Der iranische Innenminister (!) geht persönlich ins Kandilgebirge zur PKK/PJAK? Ist das jetzt eine iranische Provinz? ;)
Dann auch noch in Kampfmontur, will er besonders bedrohlich wirken?

Nun verkündet die PKK/PJAK nach dem "Besuch" Zurückhaltung?

Vor allen Dingen ist es ungewöhnlich, daß hohe iranische Offizielle ziemliche Risiken eingehen. General Qasem Soleimani, Militärchef für die militärischen Operationen in Syrien und Irak ist auch mal persönlich ganz schnell an die Front gerast, so bei der Entsetzung der turkmenischen Stadt Amrili, die von der IS belagert wurde und lt. der UN ein ziemliches Massaker an Zivilisten zu erwarten war. Das sind Turkmenen und noch schlimmer Schiiten. Die Stadt konnte durch Spezialkommandos, der Kataib Hezbollah, die per Hubschrauber eingeflogen wurden und die Kämpfe mit irakischen, schiitischen Milizen und Peschmerga koordinierten, befreit werden.

Das hat seinen Preis mindestens zwei iranische Generäle sind in Syrien und Irak gefallen. Einem hat die IS natürlich den Kopf abgeschnitten.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Ägypten und Russland sprechen sich für eine Einbindung Assads gegen die IS aus.
Putin und Al-Sisi wollen Assad in Kampf gegen IS einbinden

Ägyptens Präsident zu Besuch in Moskau: engere Handelsbeziehungen vereinbart

Moskau – Im Kampf gegen die Jihadistengruppe Islamischer Staat (IS) haben sich Russland und Ägypten für die Beteiligung der syrischen Regierung ausgesprochen. Das sagte Kremlchef Wladimir Putin bei einem Besuch des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi am Mittwoch in Moskau. Der Ägypter betonte laut Interfax, sein Land hoffe auf eine enge Zusammenarbeit mit Russland bei Problemen im Nahen Osten.

http://derstandard.at/2000021320549/Put ... f-gegen-IS
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Kardux »

Die Massenproteste in Baghdad in den letzten Wochen richten sich u.a. gegen die korrupte Politik der Regierenden seit 2005, aber auch gegen den starken iranischen Einfluss im Irak. Darüberhinaus fordern die Demonstranten einen säkularen Irak.

[youtube][/youtube]
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Kairo und Damaskus nähern sich an.
Both countries face a Sunni Islamist insurgency that includes Islamic State, and both have a common enemy in the Islamist regime of President Recep Tayyip Erdogan.

This position vis-à-vis Syria corresponds with its new ally Russia, Mazel said, adding that the problem is Saudi Arabia, its staunchest ally, does not like its position on Syria and hence Egyptian policy in the region is being kept low key.

http://www.jpost.com/Middle-East/Egypt- ... SIS-413752
Ägyptens "gewählter" Präsident al-Sisi und Assad sind beide säkulare Führer. Und während der IS bereits ein breites Feld in Syrien einnimmt, ist der IS in Ägypten in erster Linie auf dem Sinai aufgetaucht. In dem Nachbarland Libyen ist er bereits auf dem Vormarsch. Assad ist auf der Abschußliste von Erdogan. Und der vorherige ägyptische Präsident Mursi war ein bevorzugter Ansprechpartner in Ankara.

Saudi-Arabien kann das auch nicht schmecken. Kairo muß einen Balanceakt ausführen.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Kardux »

King Kong 2006 hat geschrieben:Saudi-Arabien kann das auch nicht schmecken. Kairo muß einen Balanceakt ausführen.
Nicht zu vergessen das Ägypten derzeit von Saudi Arabien wirtschaftlich abhängig ist. Sehr schwierige Situation in Kairo. Man kann nur hoffen das der IS dort nicht Fuß fasst, das wäre eine absolute Katastrophe für den Westen, Israel und ein deutliches Signal an die arabische Welt (immerhin das größte arabische Land).
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von palulu »

Vielleicht ändert sich das jetzt:

Der italienische Energiekonzern Eni will im Mittelmeer vor Ägypten ein riesiges Erdgasfeld entdeckt haben. Die Mitteilung der Firma klingt spektakulär: "Es ist der größte Fund, der je in Ägypten und im Mittelmeer gemacht wurde." Ägyptens Gasversorgung sei für die nächsten Jahrzehnte gesichert.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/untern ... 50590.html

Das wird den ägyptischen Staat mächtig erleichtern. Sissi hat wahrscheinlich Freudensprünge gemacht.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Das fehlende Geld war immer ein Problem für das bevölkerungsreichste arabische Land. Sie sind auf Geld aus Saudi-Arabien und Co. und den USA angewiesen. Falls sich durch den Fund vor Ägypten sich dies ändern würde, könnte Kairo sehr viel selbstbewußter eine von den reichen Golfarabern losgelöste Politik betreiben. Innerhalb der arabischen Welt wäre Ägypten tendenziell ein einflußreicher Kandidat. Saddam Hussein wäre dies auch gerne gewesen. Zur Zeit bemüht sich Russland sehr um Ägypten. Anders als Saudi-Arabien benötigt Kairo keinen Garant im Sinne, wie es die USA für das Herrscherhaus der al-Sauds ist. Somit ist es für Kairo einfacher auch mit Russland gute Kontakte zu pflegen, ohne Sorge zu haben damit die USA komplett zu vergräzen.
“Clearly, Egypt is fast emerging as Russia’s number one partner in the entire Middle East region. It makes sense for Russia to make such a strategic decision. For Egypt is the most populous Arab nation and it has always played a lead role in the geopolitics of the region,” the author wrote in conclusion.

Read more: http://sputniknews.com/russia/20150830/ ... z3kKkXhrKh
Das ägyptische Nuklearprogramm reicht lange zurück. Sie erhielten sogar bereits 1954 einen Forschungsreaktor aus der Sowjetunion. Jetzt wird die Zusammenarbeit vermutlich erneuert.
Government officials in Egypt said by the end of the month contracts would be signed with Russia's state-owned nuclear power giant Rosatom for the construction of an eight-reactor nuclear power plant in the country.

https://nuclearstreet.com/nuclear_power ... eNs5GBIX5Y
Im übrigen sind die Versäumnisse bei der Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde im Nuklearprogramm Ägyptens, wie bei anderen Staaten, seit 1982 lang. Darauf herumgeritten sind die USA nie. Ägypten ist ja im richtigen Lager. ;)
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Sykes-Picot II?

Wer macht oder zieht die zukünftigen Grenzen? Ist es Assad und Co.? Sind es die Kurden? Die IS? Die verschiedenen Konfessionen oder Ethnien in Syrien und Irak?

Oder eher wieder die ausländischen Mächte? Um einen Punkt bei dem Thema herauszuziehen. Also überregionale wie die USA, Russland, Frankreich, GB oder regionale wie die Türkei, der Iran oder Saudi-Arabien und Ägypten, um zwei neue zu benennen.

Wie würde die Landkarte theoretisch aussehen, wenn die Einheimischen selbst diese Formen würden. Und wie würde sie praktisch, aufgrund der Kräfteverhältnisse tatsächlich aussehen? Das ist ein zweischneidiges Schwert, zum Einen lenken die ausländischen Mächte aktiv wie passiv die Entwicklungen mit, andererseits reagieren sie auch nur auf diese. Die einen Aktionen "helfen", die anderen "schaden". Je, nachdem, welcher Partei man angehört wechselt da die Wahrnehmung.

Sicherlich werden mögliche neue Grenzziehungen oder die neue Strukturierung der alten Staaten stärker auf die Bedürfnisse der Gesellschaften vor Ort ausgerichetet, oder auch nicht. Aber wer orchestriert das? Doch nicht die Menschen vor Ort? Das was an Sykes-Picot erinnert ist, daß wieder auf Schreibtischen außerhalb der betreffenden Regionen Fähnchen und Linien gezogen werden. Wer hat von den Menschen, Gesellschaften und Mächten in Syrien und Irak tatsächlich da eine Mitwirkung? Ich würde sagen keiner.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von palulu »

King Kong 2006 » So 6. Sep 2015, 10:50 hat geschrieben:Sykes-Picot II

Wie würde die Landkarte theoretisch aussehen, wenn die Einheimischen selbst diese Formen würden.
IranerInnen, TürkInnen und AraberInnen würden die bestehenden Grenzen nicht verändern. Lediglich einige Teile der KurdInnen würde Änderungen vornahmen. Das sollte eigentlich klar sein.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

palulu » So 6. Sep 2015, 15:24 hat geschrieben:
IranerInnen, TürkInnen und AraberInnen würden die bestehenden Grenzen nicht verändern. Lediglich einige Teile der KurdInnen würde Änderungen vornahmen. Das sollte eigentlich klar sein.
Gibt es in der Türkei Gebiete, die von der PKK verwaltet werden?
Wie mehrere andere Orte im kurdischen Gebiet gilt die Altstadt von Diyarbakir seit Mitte August als "selbstverwaltet" - was bedeutet, dass PKK-Kämpfer hier das Gewaltmonopol für sich beanspruchen und Polizei und Armee keinen Zutritt gewähren.
Offenbar versucht Ankara wieder die Kontrolle über die Stadt Cizre herzustellen.
Gewalt in kurdischen Gebieten: Türkische Armee stürmt Cizre

Die türkische Armee ist in die Stadt Cizre im kurdischen Teil der Türkei eingefallen. Bewohner berichten, die Soldaten würden auf jeden schießen, der sich auf der Straße blicken lasse - offenbar gab es bereits sieben Tote.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/g ... 51639.html
Bei den Kämpfen sind angeblich 15 türkische Soldaten getötet worden.
Zwei Armeefahrzeuge seien in Daglica in eine Sprengfalle geraten, meldete die Nachrichtenagentur DHA. Die genaue Zahl der Opfer sei noch unklar. Laut Angaben der PKK-nahen Agentur Firat starben 15 Soldaten.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/t ... 51686.html
Zuletzt geändert von King Kong 2006 am Montag 7. September 2015, 12:29, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Der Chef des militärischen Nachrichtendienstes der USA geht davon aus, daß die Staaten Syrien und Irak irreparabel zerstört sind. Ähnlich die Einschätzung der CIA. Auch, wenn offiziell die Haltung der USA die ist, daß es weiterhin Nationalstaaten sind.
Intelligence Chief: Iraq and Syria May Not Survive as States

WASHINGTON — Iraq and Syria may have been permanently torn asunder by war and sectarian tensions, the head of the Defense Intelligence Agency said Thursday in a frank assessment that is at odds with Obama administration policy.

"I'm having a tough time seeing it come back together," Lt. Gen. Vincent Stewart told an industry conference, speaking of Iraq and Syria, both of which have seen large chunks territory seized by the Islamic State.

On Iraq, Stewart said he is "wrestling with the idea that the Kurds will come back to a central government of Iraq," suggesting he believed it was unlikely. On Syria, he added: "I can see a time in the future where Syria is fractured into two or three parts."

That is not the U.S. goal, he said, but it's looking increasingly likely.

CIA Director John Brennan, speaking on the same panel at an industry conference, noted that the countries' borders remain in place, but the governments have lost control of them. A self-declared caliphate by the Islamic State straddles the border between both countries.

Iraqis and Syrians now more often identify themselves by tribe or religious sect, rather than by their nationality, he said.

"I think the Middle East is going to be seeing change over the coming decade or two that is going to make it look unlike it did," Brennan said.

Iraq and Syria were artificial creations of British and French diplomats when the Ottoman Empire disintegrated on the eve of World War I. Each contains communities of Sunnis, Shiites and Kurds. Iraq is run by a Shiite-dominated government with ties to Iran, while the Bashar Assad government in Syria is dominated by Alawites, a Shiite sect. The Islamic State is a fundamentalist Sunni group.

http://www.nbcnews.com/storyline/isis-t ... es-n425251
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Regierungskrise in der KRG Iraks. Dadurch auch Zulauf für die PKK?
Die Türkei sticht in ein irakisches Wespennest

Wieder haben türkische Truppen die Grenze zum Irak überschritten. Das kommt öfter vor – diesmal ist die Lage aber besonders instabil

Aber auch Erbil, wo die kurdische Regionalregierung sitzt, war schon einmal besser aufgestellt: Auch drei Wochen nach Ablauf des Mandats von Präsident Massud Barzani bleibt die Frage ungelöst, wie es mit der kurdischen Präsidentschaft weitergehen soll. Die kurdische Führung arbeitet zwar weiter wie bisher, die rechtliche Grundlage ist jedoch fragwürdig.

Grabenkämpfe in Erbil

Die Frustration, dass die Kurdenparteien einmal mehr in Grabenkämpfen verharren, obwohl die Region brennt, entfremdet viele Junge – was wiederum der PKK einen eher ungewöhnlichen Zulauf irakischer Kurden beschert. Die PKK war bisher vor allem unter den syrischen Kurden – die stärkste Partei, PYD, ist eine PKK-Schwester – und unter den iranischen Kurden erfolgreich, wo die PJAK als PKK-Filiale gilt, wenngleich sie das selbst dementiert.
In den 1990er-Jahren war es sogar so, dass Barzani die türkischen Operationen gegen die PKK zur Schwächung seines direkten Konkurrenten, Jalal Talabani – er wurde später irakischer Staatspräsident – und dessen linker PUK (Patriotische Union Kurdistans) nutzte. KDP und PUK standen sich Mitte der 1990er-Jahre in einem kurzen Bürgerkrieg gegenüber, nachdem der politische Prozess nach der Abkoppelung von der Macht Bagdads nach dem Golfkrieg 1991 zu einem politischen Patt zwischen KPD und PUK geführt hatte.

http://derstandard.at/2000021961389/Die ... Wespennest
Die iranische Quds, außenpolitischer Arm der iranischen Revolutionsgarden soll sich eingeschaltet haben.
Iran's Quds Force meets deadlocked Kurdish parties

ERBIL, Kurdistan Region - A delegation representing the Quds Force of the Iranian Revolutionary Guards arrived in the Kurdistan region on Sunday to meet with political groups deadlocked over the presidency of Masoud Barzani.

The group reportedly met with Hero Ibrahim Ahmed, wife of Jalal Talabani, on Sumaimani on Sunday to discuss the role of the Patriotic Union of Kurdistan (PUK). The delegation held separate meetings with PUK officials Kosrat Rasul Ali and Barham Salih.

Official sources from the PUK told Rudaw, the Iranians discussed internal problems inside the PUK and Barzani's disputed presidency term.

"The Iranian delegation is scheduled to meet with Goran Movement leader Nawshirwan Mustafa and then will visit Erbil to meet the president of the Kurdistan region, Masoud Barzani," the PUK source told Rudaw.
Qassem Soleimani, head of the Quds Force, also recently met with Kurdish leaders.

"I am not aware with the coming of the Iranian delegation, but Iran could play an active role in resolving the issue of the presidency of the Kurdistan region," said Mohamed Ahmed, secretary general of the Islamic Union of Kurdistan.

http://rudaw.net/english/middleeast/iran/070920151
Der Chef der Quds Soleimani war zuletzt nach einer "Glorifizierung" als "mächtigster Operative" in der Region zunehmend bei Verbündeten in der Region, wie auch im Iran in die Kritik geraten. Zu sehr übernahm er die - regionale - Rolle des iranischen Außenministers. Zudem er natürlich im Kontext der Gegner Irans zunehmend polarisiert. Das ist nicht im Interesse Teherans. Das führte sogar zu Protestbriefen von al-Sistani an Teheran. Nun soll er zurückgerufen worden sein. Die Tatsache, daß er wieder weniger in den Medien seit einiger Zeit erscheint, spricht wohl dafür.
This has all changed again. In recent months General Suleimani has all but vanished from view, only appearing this week to give his scheduled annual report on regional affairs to Iran’s powerful Assembly of Experts. Not only are the selfies of him posing with Shia militias now seen as unhelpful, but much of his strategy has also been called into question. “He put too much pressure on Iraq’s Sunnis. There were a lot of complaints about him,” says a political analyst in Tehran. Chief of the critics, it is said, is Grand Ayatollah Ali al-Sistani, Iraq’s most senior Shia cleric. A public rebuke by the ayatollah, issued on March 13th, followed a series of boastful remarks by the general about Iran’s mighty influence in Iraq, Syria, Lebanon and Bahrain. A private message of concern from Mr Sistani even reached Iran’s supreme leader, Ayatollah Ali Khamenei, according to a well-placed source in Tehran. But it was comments made shortly afterwards attributed to General Suleimani, about the so-called Shia crescent reaching a fifth Arab state, Jordan, that proved the final straw. “He is under the control of a council now and can no longer act as a de facto foreign minister,” the source says.
As General Suleimani has retreated to the shadows, a new front-man with a very different persona has emerged: Mohammad Javad Zarif, the foreign minister. Iran, fresh from a nuclear deal with America and five other world powers, is now favouring diplomacy rather than military action in Iraq and Syria. This being so, it is Mr Zarif who now dominates Iran’s foreign policy—a break with recent years, when General Suleimani was often seen as Iran’s power-broker abroad.

http://rudaw.net/english/middleeast/iran/070920151
Zuletzt geändert von King Kong 2006 am Samstag 12. September 2015, 00:11, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Geostrategie vs. Globalismus

Eine europäische Großmacht, die noch nicht im in dem Maße wie einst GB und Frankreich und jüngst die USA in der Region Fantasiegrenzen per eigener Ermächtigung gezogen hat, mischt mit.
Merkel schwenkt ein: Ohne Russland kann es keine Lösung für Syrien geben

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Samstag den Kurs ihres Außenministers bestätigt: Merkel sagte, dass eine Lösung des Syrien-Konflikts nur gemeinsam mit den Russen möglich sei.

http://deutsche-wirtschafts-nachrichten ... ien-geben/
Berlin schwenkt auf die Linie von Russland (und somit auch Irans) ein. Sehr viel deutlicher, als GB, Frankreich und die USA. Die bisher eher hinter den Kulissen mit Teheran kooperierten. Und dies auch mit Russland tun würden. Berlin macht es offiziell.

Das hat natürlich auch beinharte Gründe.
Merkels neue Linie könnte auch mit aktuellen UN-Prognosen zusammenhängen: Demnach könnte bis zum Jahresende eine weitere Million Syrer vertrieben werden.
Zu Zeiten Sykes-Picots wurden die Schreibtischtaten in den europäischen Hauptstädten nicht meßbar in Flüchtlingsmassen, die zu Fuß, mit dem Schiff oder per Bahn in den Großstädten der europäischen Reiche eintrafen. Heute schon. D.h. wie in Europa, den USA, Russland oder in Allianzen wie der NATO geplant wird in Staaten nachrichtendienstlich, per Putsch, wirtschaftlich, per Sanktionen oder militärisch interveniert wird, kann mit einem Bumerang zurückkommen. Mit Flüchtlingsmassen, mitgebrachten Eßgewohnheiten, der Religion, den Krisen - neben all den Zugewinnen. :)

Die Zeiten, in denen man Geopolitik betreiben kann (Neudeutsch für Imperialismus, siehe Wiki) und das "Ergebnis" der dortigen Kriege und Elends bleibt da unten, nur die erhofften Rohstoffe kommen hier an um veredelt und preislich verteuert rückverkauft zu werden, die sind im Rahmen des Globalismus vorbei.
Steinmeier will Verhandlungen mit Russland und Iran über Syrien

Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat zu Verhandlungen mit Russland und dem Iran über eine politische Lösung für den Konflikt in Syrien aufgerufen.

http://www.ln-online.de/Nachrichten/Bre ... ber-Syrien
Zuletzt geändert von King Kong 2006 am Sonntag 13. September 2015, 08:19, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Was gibt es für Möglichkeiten mit einem verstärktem Engagement Russlands vor Ort, sprich in Syrien?

Ein "alawitisches Israel"? Was soll damit suggeriert werden? Ein im Gegensatz zur IS ruhiges, stabiles Rest-Syrien?
Laut dem Politologen Fjodor Lukjanow zielt der Kreml darauf ab, den IS-Vormarsch auf Syriens Hauptstadt zu stoppen: "Damaskus ist eine der kulturgeschichtlichen Hauptstädte der arabischen Welt und Teil des europäischen zivilisatorischen Erbes. Sein Fall würde zum Symbol des irreversiblen Rückzugs der Moderne aus dem Nahen Osten" mit riesigem Propagandaeffekt für den IS, warnt Lukjanow.

...oder eine "alawitisches Israel"

Als Erfolgsszenario für Syrien bezeichnet er ein "alawitisches Israel": ein von außen gestützter Staat, der stark genug ist, die Fundamentalisten zu bekämpfen.
Tatsächlich ist Moskaus Einsicht korrekt, dass der IS, der schon an der Entwicklung von Giftgas arbeiten soll, sich allein durch Luftschläge nicht eindämmen lässt.

Es bedarf einer Bodenoffensive. Der Kreml spekuliert darauf, durch die Stärkung der syrischen Armee den Status des verbündeten Assad-Clans so weit zu stabilisieren, dass er in Verhandlungen über die Zukunft des Landes – sei es eine sektorale Aufteilung oder eine Übergangsregierung – weiter eine entscheidende Rolle spielt, selbst wenn Assad persönlich zurücktreten müsste.

"Halbstarke Supermacht"

Damit will Russland seinen Status, "wenn schon nicht einer Supermacht, so doch einer halbstarken Supermacht mit nationalen Interessen in verschiedenen Regionen der Erde" stärken, so Malaschenko. Die Treue zu Assad wird in Moskau zudem als Unterpfand für Russlands Image als verlässlicher Verbündeter gesehen. So kann sich der Kreml als Gegenpol zum Weißen Haus etablieren und in Teilen Lateinamerikas, Afrikas und Asiens auf Partner hoffen.

Daneben gibt es aber auch durchaus innenpolitische Gründe für eine Aktivierung: Laut dem russischen Geheimdienstchef Alexander Bortnikow kämpfen über 1700 Russen in den Reihen der Terroristen, die aktiv im Land um neue Anhänger werben. Speziell für den Kaukasus bleibt der IS mit seiner Anziehungskraft, die mit jedem militärischen Erfolg der Fundamentalisten steigt, ein Destabilisierungsfaktor. Es ist darum einfacher, diese Kämpfer in Syrien zu bekämpfen, als sich nach ihrer Rückkehr gegen Terroranschläge zu wappnen. (André Ballin aus Moskau, 12.9.2015)

http://derstandard.at/2000022115091/Mos ... -auf-Assad
Debka sieht noch andere Implikationen - für Israel. Das Leviathangasfeld rückt ins Spotlight. Russland könnte anbieten den Schutz dort zu übernehmen. Natürlich, wenn die Konzerne wie Gazprom daran dürfen. Sie könnten Schutz vor der Hisbollah, vor der IS, vor dem "alawitischen Israel" oder dem Iran bieten. Andererseits nimmt Debka an, daß kein westl. Konzern dort groß investieren wird, wenn russisches Militär da herumschippert und fliegt...
Putin’s offer to shield & develop Israel’s gas fields predated Russia’s military buildup in Syria

http://debka.com/article/24885/Putin’s- ... p-in-Syria
Teheran findet es derweil super, was Steinmeier gesagt hat.

Iran begrüßt Steinmeiers Aufruf für eine politische Lösung in Syrien.
Iran hat den Aufruf von Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu einer politische Lösung in Syrien begrüßt.
13.09.2015 10:00 Uhr

Teheran. Iran hat den Aufruf von Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu einer politische Lösung in Syrien begrüßt. Der Iran sei bereit, an jeder Verhandlung, die mit dem Kampf gegen den Terrorismus in der Region zu tun hat, teilzunehmen, sagte Außenminister Mohammed Dschawad Sarif. Teheran unterstützt das Regime des syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Steinmeier hatte in einem Beitrag für den „Tagesspiegel“ zu Verhandlungen mit Russland und dem Iran über eine politische Lösung für den Konflikt in Syrien aufgerufen.

http://www.ln-online.de/Nachrichten/Bre ... -in-Syrien
Offenbar soll bei einer möglichen Sektorenteilung Syriens ein "alawitisches Israel" demonstriert werden. Ein Küstenstreifen mit Damaskus, das von säkularen Kräften beherrscht wird. Ein "fortschrittliche Region" - im Gegensatz zum Rest Syriens. Ein Damm gegenüber z.B. Israel. Als Garantiemacht Russland. Ob das funktioniert bleibt abzuwarten.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Kardux »

King Kong 2006 hat geschrieben:Offenbar soll bei einer möglichen Sektorenteilung Syriens ein "alawitisches Israel" demonstriert werden. Ein Küstenstreifen mit Damaskus, das von säkularen Kräften beherrscht wird. Ein "fortschrittliche Region" - im Gegensatz zum Rest Syriens. Ein Damm gegenüber z.B. Israel. Als Garantiemacht Russland. Ob das funktioniert bleibt abzuwarten.
Säkulare Kräfte die vom Iran dirigiert werden oder nur von Russland abhängig wären ?

Ich persönlich sehe für die Alawiten und die restlichen schiitischen Gruppen in Syrien diese eine Chance zum Überleben - ob dann Damaskus an die Alawiten gehen würde oder an die Sunniten wäre schon eine Streitfrage, am besten würde man das mit der offenen Frage im Irak koppeln. Dort gibt es nämlich ein ähnliches Problem mit dem Status von Baghdad. Wenn die Sunniten sowohl Baghdad als auch Damaskus (beide Städte eigentlich mehrheitlich sunnitisch) verlieren würden, gäbe es keinen nachhaltigen Frieden in der Region.
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King Kong 2006
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Kardux » So 13. Sep 2015, 17:18 hat geschrieben:
Säkulare Kräfte die vom Iran dirigiert werden oder nur von Russland abhängig wären ?

Ich persönlich sehe für die Alawiten und die restlichen schiitischen Gruppen in Syrien diese eine Chance zum Überleben - ob dann Damaskus an die Alawiten gehen würde oder an die Sunniten wäre schon eine Streitfrage, am besten würde man das mit der offenen Frage im Irak koppeln. Dort gibt es nämlich ein ähnliches Problem mit dem Status von Baghdad. Wenn die Sunniten sowohl Baghdad als auch Damaskus (beide Städte eigentlich mehrheitlich sunnitisch) verlieren würden, gäbe es keinen nachhaltigen Frieden in der Region.
Damaskus ist sicher eher vakant als Bagdad. Wobei ich annehme, daß Damaskus von der syrischen Armee, den Milizen die dazugehören und mit russischer und iranischer Unterstützung mit allen Mitteln versucht werden wird diese Stadt zu halten. Das könnte für die Angreifer eine harte Nuss werden.

Bagdad sehe ich anders. Theoretisch kann man am Tisch natürlich über eine gemeinsame, gleichberechtigte Nutzung und Hoheitsrechten verhandeln. Da käme aber nichts anderes raus, als wie im Falle Jerusalems. Dort die Juden, hier die Schiiten. Heute ist Bagdad bis zu 80 % schiitisch. Das wird sich wohl nicht ändern. In einem Konflikt werden dort die Schiiten wohl obsiegen. Somit würde die Stadt noch schiitischer werden. Die irakische Anbar Provinz, das sunnitische Dreieck Iraks, heute zur IS gehörig war immer sunnitisches Kernland. Die Stadt Tikrit, der Geburtsort von Saddam wurde schon zu seinen Lebzeiten durch Clanwirtschaft und Seilschaften seiner Familie eine Art Schattenhauptstadt. Rein sunnitisch. Das ist und würde ein sunnitsches Angelpunkt urbaner Art sein. Oder Raka in Syrien, die jetzige Hauptstadt der IS. Und falls die irakische Armee zusammen mit den Peschmergas Mosul nicht zurückerobern können, wäre die Millionenstadt Mosul auch ein Kandidat dafür. Bagdad sehe ich praktisch, ähnlich wie Jerusalem für die Gegenseite verloren. Verhandlungen - möglicherweise - hin oder her.
Zuletzt geändert von King Kong 2006 am Sonntag 13. September 2015, 20:06, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Angeblich könnten sich die Beteiligten Mächte darauf einigen, daß Assad als Interimspräsident langsam ausdienen könnte.

Ist die verstärkte russische und iranische Präsenz vielleicht ein Anzeichen dafür, daß dies kontrolliert abgewickelt werden kann? Sprich, es geht nicht langfristig darum, das Assad wieder an Boden gewinnt, sondern eher stabilisiert wird und auf mittlere Sicht die Verhältnisse vor Ort zusammen mit den USA und westl. Staaten neu angepasst werden?
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Kardux
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Kardux »

King Kong 2006 hat geschrieben:Damaskus ist sicher eher vakant als Bagdad. Wobei ich annehme, daß Damaskus von der syrischen Armee, den Milizen die dazugehören und mit russischer und iranischer Unterstützung mit allen Mitteln versucht werden wird diese Stadt zu halten. Das könnte für die Angreifer eine harte Nuss werden.
Naja, so sicher war es in Baghdad auch nicht immer im Laufe des letzten Jahres. Ohne die Unterstützung Tehrans wäre Baghdad wahrscheinlich gefallen.
King Kong 2006 hat geschrieben:Heute ist Bagdad bis zu 80 % schiitisch. Das wird sich wohl nicht ändern. In einem Konflikt werden dort die Schiiten wohl obsiegen. Somit würde die Stadt noch schiitischer werden.
Da haben Sie schon Recht, die Stadt wurde aber quasi "schiitisiert" (new coinage ?) und die geflohenen Sunniten schielen weiterhin auf ihre Hauptstadt. Es muss auch erwähnt werden das Baghdad die sogenannte Grenzstadt zwischen den Sunniten und Schiitengebieten ist. Ich halte es durchaus für möglich das Baghdad das neue sunnitische Jerusalem werden könnte.
King Kong 2006 hat geschrieben:Die irakische Anbar Provinz, das sunnitische Dreieck Iraks, heute zur IS gehörig war immer sunnitisches Kernland. Die Stadt Tikrit, der Geburtsort von Saddam wurde schon zu seinen Lebzeiten durch Clanwirtschaft und Seilschaften seiner Familie eine Art Schattenhauptstadt. Rein sunnitisch. Das ist und würde ein sunnitsches Angelpunkt urbaner Art sein.
Sie haben Ramadi und Falluja vergessen, und genau diese Städte könnten immer wieder gefährlich werden für ein schiitisches Baghdad. Aber Sie haben schon Recht, Städte wie Tikrit oder Mosul agierten als die wahren Schaltstellen des Iraks. Wichtigste militärische Posten waren meist den Sunniten in Tikrit und Mosul vorbehalten (Piloten, Geheimdienstler, etc.).
King Kong 2006 hat geschrieben:Und falls die irakische Armee zusammen mit den Peschmergas Mosul nicht zurückerobern können, wäre die Millionenstadt Mosul auch ein Kandidat dafür.
Selbst wenn man Mosul zurück erobern würde, ändert das kaum etwas an der Demographie der Stadt Mosul. Viele Bezirke in Ostmosul (östlich des Tigris) wurden einst mehrheitlich von kurdischen Shabaken und Yeziden bewohnt bzw. von sunnitischen Kurden, das hat sich total verändert. Mosul ist heute mehr oder weniger eine rein arabisch- sunnitische Stadt und das wird sich wohl nicht mehr ändern. Mosul wird in einem kommenden Sunnitenstadt bestimmt eine große Rolle spielen. Aber, die Gebiete rund um Mosul waren und sind mehrheitlich Kurdisch geprägt. Die Region ist für die Araber kaum zu halten.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von palulu »

Die PKK steht vorm Kollaps, was in diesem Kontext nicht bedeutet, dass die Organisation besiegt würde oder vor ihrer Auflösung stünde. Organisationen wie die PKK, deren Terror auf ethnisch-nationalistischen Ideologiekonstrukten basieren, gelten in der Terrorismusforschung als besonders renitent und langlebig. Und das trifft zweifelsohne auf dieses Terrornetzwerk zu.

Aber, Kollaps bedeutet in diesem Zusammenhang innere Konflikte, Meinungsunterschiede, Spannungen, Kritik u.ä. Die PKK und die türkische, pro-kurdische Partei HDP streiten sich mittlerweile öffentlich:

„Ist die PKK denn blind und taub?“ Die der Rebellenorganisation in gewisser Weise nahestehende Kurdenpartei HDP sieht in den Anschlägen eine Gefahr.

Innerhalb der PKK, so sickerte es durch, gab es auch Kritik am Timing, dem Ausmaß und der Strategie in Anbetracht der Großwetterlage im Nahen Osten. Viele Symapthien, die die Organisation vor allem in der politischen Elite des Westens in den letzten Monaten gesammelt hatte, wurden leichtfertig verspielt.

Die USA und andere westliche Staaten stellten sich auf die Seite der Türken:
http://www.welt.de/politik/ausland/arti ... igung.html

...was nicht verwundern sollte, denn kein Politiker, im Westen wie Osten, wird eine Organisation loben, die derart offensiv gegen staatliche Kräfte eines Nato-Verbündeten vorgeht.

Bilanz der Eskalation (die letzten 73 Tage), Angaben türkischer Stellen:

123 Sicherheitskräfte wurden durch die PKK/KCK u.ä. Organisationen getötet
1196 PKK-Kämpfer wurden im Gegenzug durch die Streitkräfte getötet
Zahl der von der PKK geflohenen Kämpfer, die sich den Sicherheitskräften stellten: seit 2013 923, davon etwa 200 allein in den letzten Wochen

Von kurdischer Seite werden die Zahlen entweder bestritten oder heruntergespielt. Tatsächlich aber sind die Schäden immens. Munitionslager, Geheimverstecke, Waffendepots, Schleichwege, Rationslager uvm. wurden zerstört. Die Infrastruktur muss in großen Teilen erneut aufgebaut werden. Erste Spendenaufrufe in Europa finden bereits statt. In Frankfurt weiß ich persönlich, dass die PKK zum "Spenden" aufgefordert hat.

Ein sehr deutliches Zeichen, das als Beleg für das oben Verfasste dient, ist, dass die KCK nun auf der Seite der ANF, inoffizielles Sprachrohr der PKK, fordert:

KCK: We are ready for mutual consolidated ceasefire
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von palulu »

Allerdings lehnt der türkische Staat jetzt ein Waffenstillstandsabkommen ab und intensiviert zeitgleich das Bombardements auf IS-Stellen.
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