Billie Holiday hat geschrieben: ↑Donnerstag 8. Dezember 2022, 15:48
Was genau fehlt dir? Witze über Kranke, Behinderte, Ausländer, Kinderschänder?
Mal den Spasti im Rollstuhl hinters Licht führen?
Oder sollten es mehr Witze über Ossis allgemein, Rechte, Politiker sein?
Da stimme ich zu. Aber du willst doch wohl nicht Transmenschen oder Schwule durch den Kakao ziehen? Oder Klimaaktivisten? Greta? Nee, nicht?
Was ist Humor? Wie funktioniert er? Ich denke, es ist so:
Humor wirkt am besten, wenn er als Angst- oder Gefahrenabwehr dient. Natürlich soll Satire möglichst keinerlei Beschränkungen unterliegen. Mit einer Ausnahme: Intelligent sollte sie schon sein. Sonst wirkt sie sehr platt und geht in Richtung Volksverhetzung. Aber das Beispiel "Transmenschen oder Schwule" zeigt doch vor allem folgendes: Nur solche Leute machen über diese Menschen Witze, die sich von ihnen in ihrem eigenen sexuellen Selbstverständnis bedroht fühlen. Eine Bedrohung sind solche Menschen aber nur für Leute, die, kurz gesagt, Minderwertigkeitskomplexe haben. Sie sind in ihrer Männlichkeit oder Weiblichkeit sowieso verunsichert. Und nur wenn sie Schwule oder Transmenschen bekämpfen -also in diesem Falle mit Witzen-, fühlen sie sich als echte Männer bzw. Frauen.
Ebenso die Beispiele Klimaaktivisten oder Greta: Wenn irgendwelche Leute meinen, über diese Witze machen zu müssen, dann kann das niemand verhindern. Bislang habe ich allerdings noch keine intelligente Satire darüber gehört. Und wiederum entlarven sich die Greta-Gegner irgendwie selbst. Denn nur wenn man Greta Thunberg für eine gefährliche Frau hält, fühlt man sich bemüht, mit Witzen über sie die eigene Angst vor dieser Klimaaktivistin zu vermindern.
Ich bleibe also dabei: Satire funktioniert am besten, wenn sie hilft, die eigene Angst zu vermindern.
Und ich würde sogar ein noch extremeres Beispiel nehmen: Wenn Nazis Witze über Juden machen, dann entlarven sie sich selbst. Sie zeigen damit, dass sie selbst enorme Minderwertigkeitskomplexe haben unter dem ganzen Größenwahn. Wenn sie von einer mächtigen "jüdischen Weltverschwörung" reden, von der sie sich bedroht fühlen, dann zeigen sie nur, dass ihr nationales bzw. persönliches Selbstwertgefühl in Wirklichkeit extrem labil ist. Und am Anfang stehen bei denen die Witze und die Schadenfreude. Am Ende folgt die Gewalt. Jedenfalls ist selbst bei den Nazis der Witz ein Mittel, um imaginierte Bedrohungen kleiner zu machen. Umgekehrt wird in Diktaturen kein Witz über Hitler oder einen anderen Autokraten geduldet. Denn wenn zugelassen wird, dass man über den "Führer" lacht, dann fällt das ganze Terrorregime in sich zusammen.
Natürlich muss Humor nicht immer zu Gewalt führen. Wenn aber heutige Juden Witze über Nazis machen, dann ist das so, wie wenn sie auf deren Gräbern tanzen und das Leben feiern.
Humor wirkt am besten, wenn das Gegenüber in der Lage wäre, einen dafür entweder zu erschießen oder einen in den Knast zu bringen. Dann ist die Satire mutig. Dann wirkt sie auch. Wenn sich also jemand über den "Spasti im Rollstuhl" über "Schwule und Transmenschen" oder Greta Thunberg lustig macht, dann entlarvt er sich vor allem selbst. Frei nach dem Motto: Zeige mir die Bedrohungen, die du weglachen willst, und ich zeige dir, wer du bist. In diesem Fall also ein ziemlich armseliges Würstchen mit enormen Minderwertigkeitskomplexen. Siehe hierzu auch das Beispiel Adolf Eichmann in Jerusalem. Denn dieser Mann war in Wirklichkeit auch kein furchtbar intelligenter und absolut diabolischer und superböser Antiheld, sondern eher der Inbegriff der "Banalität des Bösen", wie Hannah Arendt es nannte. Denn welcher Mensch, der in sich und seiner Identität gefestigt ist, hat es nötig, über den "Spasti im Rollstuhl" oder über Greta Satire zu machen? Was sagt das über diesen Menschen aus, wenn er Rollstuhlfahrer und Greta für derart existenzielle Gefahren für sich hält, dass er sie weglachen möchte?
Ich bleibe dabei: Satire muss alles dürfen. Trotzdem muss sich jeder bewusst machen, dass er sich auch selbst entlarvt, wenn er lacht. In einigen Fällen ist das befreiend. Und auch gar nicht schlimm. In anderen Fällen zeigt das nur die Abgründe auf, die in der eigenen Seele lauern. Generell sollte jeder auch über sich selbst lachen können. Leute ohne Humor bzw. solche, die zum Lachen in den Keller gehen, sind mir eher unheimlich. Aber solche Menschen werden auch generell nicht alt.