Der Neandertaler hat geschrieben:(04 Jan 2018, 12:06)
Ein hundertprozentig solidarisches Gesundheitssystem würde meiner Meinung nach heißen, daß wirklich
alle ... ohne Ausnahme in diese System gedrängt werden.
Ja, da stimme ich Dir 100%ig zu.
Der Neandertaler hat geschrieben:(04 Jan 2018, 12:06)
Wenn aber laut dem SPD-Konzept die Bürgerversicherung eine Art Tarif werden soll, den auch private Unternehmen anbieten dürften - heißt dies ja letztlich: als einer Art Spezialtarif, daß es aber auch keine Einheitsversicherung geben soll ... auch nicht für zukünftige Versicherte.
Ja und Nein:
Die PKVen soll es weiterhin geben. Aber beide - PKV und GKV - haben NUR
einen einzigen Gebührenkatalog! Das ist schon mal sehr wichtig, denn
es bedeutet, dass die "Duale Vergütungsstruktur" aufgehoben wird!
Das bedeutet, dass es für den Arzt oder das Krankenhaus keinen
Unterschied mehr macht, ob jemand Privat- oder Kassenpatient ist. Heute
ist die Unterscheidung entscheidend - gleich am Anfang einer jeden
Behandlung!
Im Falle der SPD-Reform wäre diese Frage {Privat oder Kasse?} unerheblich!
Es gäbe zwar auch noch "Chefärzte", aber die würden sich um die
schweren Fälle - egal ob Privat oder Kasse - kümmern.
Zudem müssten die PKVen am Risikostrukturausgleich teilnehmen. D.h.
ihr Rosinenpicken, also nur finanzkräftige, gesunde Menschen zu versichern,
würde nicht mehr funktionieren.
Der Neandertaler hat geschrieben:(04 Jan 2018, 12:06)
- (dieser Vorschlag kam von SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach.)
Wenn zudem weder die Beitragsbemessungsgrenze angehoben werden soll, noch auch zukünftig keine Beiträge auf Miet-, Zins- oder Kapitaleinkünfte fällig werden sollen, erscheint mir dies als eine Milchmädchenrechnung. Dadurch entsteht aber kein solidarisches Gesundheitssystem! Weder auf der Einnahmenseite, noch auf der Ausgabenseite!
Ja - aber irgendwo muss man doch mal anfangen.
Es ist doch besser, einen ersten Schritt zu gehen statt
gar keinen Schritt zu gehen - oder?
Die Gesundheitsreformer (SPD, Grüne, Linke) haben keine
absolute Mehrheit im Bundestag - und so muss man doch
gucken, was - als kleinerer Schritt - erstmal geht.
Natürlich - letztlich stimme ich Dir zu: Ein steuerfinanzierte
Bürgerversicherung wie in UK wäre der Königsweg. Aber so
weit sind wir hier (noch lange) nicht.
Der Neandertaler hat geschrieben:(04 Jan 2018, 12:06)
Auf der Ausgabenseite sind bessere Zahlungen und nötige Investitionen in unser gesamtes Gesunheitswesen nicht vorgesehen - weder in die Pflege noch in andere, prekäre Bereiche.
Die Ausgabenseite ist eine andere Baustelle. Man kann
nicht alles gleichzeitig machen (und in einem Thread
besprechen).
Der Neandertaler hat geschrieben:(04 Jan 2018, 12:06)
Ein Krankenhaus-Chef hat mir mal gesagt, daß es in Kliniken letztlich egal ist, wer unter dem Messer liegt - Untersuchungen und Operationen werden von der GKV wie auch von der PKV gleich vergütet ... lediglich die Begrüßung durch den Chefarzt fällt bei GKV-Patienten weg.
Haha, ja - unter dem OP-Tisch selbst mag das so sein
(zum Glück!). Aber bei allem davor und danch ist für
PKV-ler und GKV-ler alles anders. Das betrifft Vordiagnosen,
Besprechungen und den ganzen Therapieverlauf.
Der Chefarzt kümmert sich fast nur um seine Privatpatienten,
und kann da viel höher abrechnen. Das Khs. erhält von diesen
höheren Geldern - je nach Vertrag - einen hohen Anteil.
Dazu kommen noch die Wahlleistungen (also 1-Bettzimmer,
Zeitschriften, besondere Betreuung), die extra vergütet werden.
Nicht umsonst bilden fast alle Krankenhäuser einen eigenen
gut gehegten Kulturbereich nur für ihre Privatpatienten!
Der Neandertaler hat geschrieben:(04 Jan 2018, 12:06)
Dein Beispiel erscheint mir sehr illosorisch. Warum sollte ich das tun? Erklär mir bitte den Vorteil dessen!
Das "Beispiel" war:
Stell' Dir vor, Du bist ernsthaft
krank (was hoffentlich niemals geschieht). Und nun rufe doch
mal als GKV-Versicherter bei einem renommierten Chefarzt einer
Universitätsklinik an, nur um einen Besprechungstermin zu bekommen.
Die erste und für neunzig Prozent der Anrufer auch letzte Frage des
Sekretariats wird lauten, ob man privat versichert sei. Wenn Du diese
Frage verneinen musst, war es das für Dich.
Doch doch, dieser Selbstversuch ist ganz wichtig!
Weil er zeigt, dass Kassenpatienten
auch medizinisch benachteiligt
werden. Und zwar erheblich!
Als Gesunder Mensch merkt man das erstmal nicht so, da denkt wohl
jeder, dass es beim PKV-GKV-Vergleich nur um Wartezeiten und
Facharztdichte geht. Erst wenn's mal ernst wird, merkt man, dass auch
im Ernstfall die Dualität PKV-GKV verheerend ist. Aber dann hat man
meistens noch andere, dominierendere Probleme!
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Warum ist obiger Selbstversuch wichtig?
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Weil er zeigt, dass Du im Ernstfall keinen Zugang zur wirklich
angemessenen medizinischen Versorgung hast!
Ein bekannter Spitzenchirurg einer deutschen Universitätsklinik operiert
vor allem Leistenbrüche. Und zwar obwohl er sich auf Bauchspeicheldrüsenkrebs
spezialisiert hat. Statt nun alle Fälle mit Bauchspeicheldrüsenkrebs im Umfeld
zu operieren – was zeitlich gut ginge, da die Krankheit nur selten ist –
übernimmt er nur einen kleinen Teil davon und behandelt hauptsächlich
Leistenbrüche. Operiert er einen Bauchspeicheldrüsenkrebspatienten der
AOK, dann steigt sein persönliches Einkommen nicht um einen einzigen
Euro. Operiert er stattdessen in der gleichen Zeit 5 Privatpatienten mit
Leistenbruch, hat er zusätzlichen 3000 Euro verdient.
Dazu muss man wissen: Bauchspeicheldrüsenkrebs ist eine aggressive Krankheit,
90% überleben das erste Jahr nicht. Bei einem Eingriff durch einen erfahrenen
Operateur ist die Sterbewahrscheinlichkeit direkt nach dem Eingriff nur halb
so groß (5,8%) wie bei Patienten, die von wenig erfahrenen Ärzten operiert
werden (12,9%).
Die knappste Ressource in unserem Gesundheitssystem, die Zeit der
Superspezialisten, wird oft für Trivialeinsätze verschwendet, damit diese Leute
gut verdienen und die Privilegierten zu jedem Zeitpunkt die bestmögliche
Versorgung genießen. Hinzu kommt, dass sich schwer erkrankte Privatpatienten
zunehmend von mehreren Spezialisten untersuchen lassen. Sie holen
Zweitmeinungen von Universitätsprofessoren aus Freiburg bis Hannover ein,
um sich auf der Grundlage mehrerer Diagnosen und Behandlungspläne für die
optimale Therapie entscheiden zu können. Gleichzeitig wird ein ähnlich
erkrankter gesetzlich Versicherter mitunter nicht einem einzigen wirklichen
Spezialisten vorgestellt.
Der Neandertaler hat geschrieben:(04 Jan 2018, 12:06)
Diese Bürgerversicherung ist eben nur für
zukünftige Versicherte gedacht.
Deshalb auch mein Hinweis der Milchmädchenrechnung.
Naja - wie oben erwähnt: Bei einer Reform kann man nicht
alles gleichzeitig machen - man muss ja irgendwo anfangen.
Man braucht politische Mehrheiten usw. etc. ...
Der Neandertaler hat geschrieben:(04 Jan 2018, 12:06)
... finde ich eine Bürgerversicherung nach dem jetzt vorliegenden Konzept ... nach der jetzt
vorgesehen Abfolge der Einführungsmaßnahmen ... recht seltsam und unberechenbar.
Ja - also das verwundert mich jetzt.
Was willst Du denn eigentlich? Du müsstest Dir vielleicht
darüber klar werden.
Das Gesundheitssystem ist ja politisch total vermientes
Gebiet, weil da soviele Interessen mitspielen und
Lobbyisten sehr machtvoll eingreifen.
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Deshalb solltest Du Dir überlegen: Wenn da schon die
Tür zu mehr Gerechtigkeit geöffnet wird - und wenn's
auch nur einen Spalt weit ist - willst Du die dann
gleich wieder zudrücken?
