Frank_Stein hat geschrieben: ↑Di 31. Jan 2023, 19:32
Damit ein BGE funktioniert, darf es nicht so hoch sein, dass der Arbeitsanreiz abhanden kommt.
Die Behauptung, dass es finanzierbar und durchgerechnet wäre steht sehr auf sehr dünnem Eis, denn ob etwas finanzierbar ist, hängt dann auch sehr stark vom Verhalten der Individuen ab. Wenn jetzt aus aller Welt die Minderleister nach Deutschland ziehen und die Geringverdiener ihren Job an den Nagel hängen und lieber Yogakurse geben, die dann aber außer ihnen niemand besucht ... dann müssten zur Finanzierung die Steuersätze steigen und das wiederum könnte ab einer gewissen Höhe dazu führen, dass die Einnahmen des Staates sinken, weil das Kaptal das Land verlässt.
Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass ein BGE in Höhe von 500 Euro gut funktioniert. Jeder bekommt 500 Euro im Monat (auch für jedes Kind) und ab den ersten Euro, den man verdient, gegen 40% als Steuer an den Staat. Ab einem monatlichen Einkommen von 1250 wäre schon mal das Geld für das BGE wieder drin.
Jeder, der neben den 500 Euro etwas dazu haben möchte muss arbeiten und Steuern zahlen.
Man müsste noch verhindern, dass Menschen aus dem Ausland in dieses Bürgergeldsystem einwandern, denn in einigen Ländern verdient man in einer 40 Stunden-Woche kaum mehr als 500 Euro im Monat. Der Vorteil hierbei wäre, dass Kinder dadurch auch eine Einkommensquellen sein können und man mittelfristig das Renteneintrittsalter abschaffen kann. Es wäre vieles sehr viel einfacher.
Bleiben wir mal bei einem BGE in Höhe des Existenzminimums. Dann finden wir zum Existenzminimum zwei Zugänge, die nicht identisch sind, aber zu einer sehr ähnlichen Höhe desselben führen.
Die erste Herleitung kann man aus dem Sozialrecht nehmen. Man nimmt den Regelsatz von Hartz IV, erhöht diesen um den Wert der Miete einer 46qm-Wohnung warm, und stockt den gefundenen Betrag noch um den Beitrag für eine Kranken- und Pflegeversicherung auf. Rechnet man all dies zusammen, kommt man auf einen Gegenwert von ca. 1.200€.
Zu einer ziemlich vergleichbaren Größenordnung kommt man, wenn man die Behandlung des Existenzminimum im Steuerrecht betrachtet. Dort gibt es den Grundfreibetrag sowie die steuerliche Behandlung von Sozialversicherungsbeiträgen. Und auch hier kommt man wenig überraschen zu einem Betrag in Summe von ca. 1.200€.
Diese Existenzsicherung ist heute in Deutschland unzweifelhaft finanziert - sowohl für Menschen, die soziale Hilfen bekommen, als auch bei denen, die sich ihre Existenzsicherung mit Erwerbsarbeit o.ä. selbst finanzieren. Es ist insofern trivial, dass ein BGE in dieser Höhe auch finanzierbar sein muss - denn es ist heute schon finanziert und zwar in Form von Steuern und Abgaben.
WIE ein solches BGE im Einzelnen organisiert ist - dazu gibt es viele verschiedene Modelle und Ideen. Aber auch wenn genau diese Frage von Zweiflern und Gegnern eines BGEs für unglaublich spannend gehalten werden - sie ist nicht sonderlich arg relevant. Denn auch unser heutiges Sozialwesen ist ja keineswegs in Stein gemeißelt und völlig unumstritten. Vielmehr gibt es unglaublich viele Ideen dazu, was man am heutigen System beibehalten oder auch ändern sollte, und es vergeht kein Regierungsjahr, in dem nicht irgendeine Reform dazu stattfindet. Warum sollte das in einer BGE-Gesellschaft anders sein.
Bemerkenswert ist immer wieder auch, dass bei unserem heutigen Sozialsystem ziemlich akzeptiert ist, dass es Grenzen für Zuwanderer gibt, die dieses Sozialsystem nutzen können. So sind beispielsweise die Voraussetzungen für EU-Bürger die, dass diese dann in unserem Land bleiben dürfen, wenn sie für sich selbst sorgen können - wenn sie dem Sozialstaat zur Last fallen würden, würde eine Ausweisung anstehen weil für die soziale Absicherung das jeweilige Heimatland in der EU verpflichtet ist. Warum sollte man das bei einem Bedingungslosen Grundeinkommen zur sozialen Grundabsicherung anders organisieren wollen?
Und auch die Frage ob der Arbeitsanreiz durch ein BGE verloren geht, kann man ziemlich verneinen. Entscheidend dafür, ob der Arbeitsanreiz vorhanden ist oder auch nicht, ist viel weniger die Frage danach, ob das Existenzminimum durch ein Grundeinkommen gesichert ist, als vielmehr davon, ob man durch Arbeit und Einkommen in einem beliebigen System seine Konsumfähigkeit angemessen verbessern kann, oder ob das nicht gelingt.
Tatsächlich ist es in unserem heutigen System so, dass ein H4-Empfänger, der eine Tätigkeit aufnimmt, bis zu 90% des Entgelts seiner Tätigkeit mit dem Regelsatz verrechnet bekommt. Es ist eigentlich erstaunlich, dass selbst unter solch Widrigen Umständen überhaupt H4-Empfänger existieren, die noch bereit sind, sich durch die Aufnahme einer Tätigkeit aus dem H4-Sumpf zu befreien.
DAS wäre auch bei einem Umbau des Systems in Richtung BGE nicht anders - wenn die Besteuerung einer Tätigkeit gerade in den unteren Einkommensquartilen so wäre, dass Nettostundenlöhne entstehen, die in keinem vernünftigen Verhältnis zur Arbeit stehen, dann ist das arbeitsfeindlich. Es ist also nicht ursächlich das BGE arbeitsverhindernd, wohl aber die Fragestellung, ob sich Arbeiten für ein Einkommen lohnt oder auch nicht.
Würde man beispielsweise, wie es einige BGE-Modelle vorschlagen, das Grundeinkommen vollkommen über die Mehrwertsteuer finanzieren, würde sich jeder Zuverdienst lohnen, weil die Konsumfähigkeit sich mit jedem hinzuverdienten Euro steigern würde. Und das noch linear. Doch das gilt in ähnlicher Weise auch für ein Sozialsystem ohne BGE - insofern ist der Hinweis richtig, dass man bei einem Steuer- und Sozialsystem darauf achten muss, dass es sich nicht arbeitsfeindlich verhält - doch gilt dieser Hinweis sowohl für ein potentielles BGE-System als auch für unser heutiges System.
Übrigens: Würde man ein BGE vollständig über die Mehrwertsteuer finanzieren, müsste das BGE zur Existenzsicherung höher ausfallen - weil dann im BGE die Mehrwertsteuer für die benötigten Produkte im Rahmen der Existenzsicherung bereits beinhaltet sein muss. Wie hoch ein BGE also tatsächlich ausfallen muss um die Existenzsicherung sicher zu stellen, hängt von einer Reihe an Faktoren ab - deshalb ist auch die Frage nach der Höhe eines BGEs nur bedingt hilfreich. Um wirklich einschätzen zu können, ob ein konkretes BGE-Modell finanzierbar ist, braucht es das Gesamtmodell, über das man redet. Redet man nur über den Regelsatz von H4, dann reichen vielleicht 500€, redet man auch über Gelder für die Miete braucht es viellicht um die 850-900€, und nimmt man die KV und PV noch im Modell einer Kopfpauschalen hinzu, reden wir über Beträge um die 1.100€-1.300€. Finanziert man ein solches BGE ausschließlich über indirekte Steuern und Abgaben, braucht es nochmals 100-200€ mehr - und dennoch ist bei all diesen Modellen der reale Gegenwert den man bekommt jeweils nur in etwa die Existenzsicherung.
Auch bei einem BGE für Kinder kann man trefflich über die angemessene Höhe streiten. Schaut man sich an, wie das heute geregelt ist, dann reden wir auch hier über Themen wie den Regelsatz bei H4 für Kinder, den Wohnraumanspruch, die Kranken- und Pflegeversicherung.....und im Steuerrecht gibt es Themen wie das Kindergeld und den Kinderfreibetrag und die Familienversicherung in der GKV/GPV.....was man aber nicht vergessen darf ist, dass auch heute einige soziale Wohltaten für Kinder auf anderem Wege dargestellt werden - beispielsweise in Form von kostenfreien Kindergärten, kostenfreien Schulen etc. etc. etc......es ist aber keine Selbstverständlichkeit, dass das genau so organisiert sein muss. Man könnte durchaus auch Schulen kostenpflichtig machen, dafür aber das benötigte Geld für den Schulbesuch in Form eines BGEs zur Verfügung stellen....
WENN wir also über ein BGE sprechen, dann macht es Sinn, dies relativ allgemein zu tun - oder anhand eines recht konkreten Modells. Sobald man eine konkrete Zahl nennt, lohnt die allgemeine Diskussion nicht mehr - sondern eigentlich nur noch die Diskussion zu genau dem Modell, was zu dieser Zahl geführt hat.