Bobo hat geschrieben: ↑Fr 20. Jan 2023, 20:38
Wozu diese Vergleiche? In den deutschen Panzer Besatzungen finden sich auch keine Lernbehinderten.
Das sind keine Vergleiche gewesen, sondern die empirisch belegte Tatsache, dass hochqualifizierte Ukrainische Soldaten ziemlich schnell lernen können, mit westlichen Waffensystemen umzugehen. Niemand hat gesagt, dass deutsche Panzerbesatzungen aus halbgebildeten Deppen bestehen.
Trotzdem braucht es ein Jahr, um richtig gut zu sein. Den Erfahrungsquatsch kannst du stecken lassen.
Genau da liegt der Irrtum. Und genau deshalb ist die Aussage "...die Ukrainer können damit doch gar nicht umgehen..." eine sehr durchsichtige Ausrede. Nochmal: Die schicken uns keine Rekruten mit roten Ärschen. Die schicken uns zur Ausbildung Panzersoldaten, die sehr viel mehr Kriegserfahrung haben als unsere Leute. Wir müssen denen nicht beibringen, wie ein Panzer aussieht und welches die gefährliche Seite ist. Zur Ausbildung in Deutschland kommen Leute, die schon in Panzern gesessen und damit tatsächlich gekämpft haben. Man muss die nur mit einem neuen Gerät vertraut machen. Okay, das ist nicht so als würde man als erfahrener Autofahrer nur von einem VW auf einen Opel umsteigen. Da gehört mehr dazu, besonders bei so komplexen Systemen wie dem Leopard. Aber nochmal: Der Gepard ist noch komplexer. Und den Umgang damit haben die Ukrainer auch erstaunlich schnell gelernt.
Deine Andeutung, dass Erfahrung im Krieg keine Rolle spielen würde, lege ich übrigens nicht auf die Goldwaage. Mir ist bewusst, dass Du das nicht ernst gemeint haben kannst.
Die Russen haben Jahrzehnte mehr Kriegserfahrung als die Ukrainer. Hat es genutzt? Die Entwicklung liegt an der Wahl der Waffen. Ohne jeden Zweifel.
Wo haben die Russen denn großartig Kriegserfahrung gesammelt? In Tschetschenien und Georgien hatten sie kleine Verbände im Einsatz und haben da gar nicht gut ausgesehen. In Syrien haben sie vorwiegend aus der Luft gebombt und zweifellos eine Menge über Präzision gelernt. Am Boden waren nur Wagner-Killer im "Einsatz". Donbass? Da waren auch vorwiegend Wagner-Killer und Milizen der Separatisten. Krim? Da wurde fast gar nicht gekämpft. Die Ukrainer hingegen führen seit 2014 Krieg im Donbass. Die haben eine große Zahl von erfahrenen Veteranen. Deshalb bestehen sie. Und an der Wahl der Waffen liegt das ganz gewiss nicht. Die Ukrainer kämpfen zumeist mit denselben Waffen wie die Russen. Dass sie sich noch behaupten können, liegt in erster Linie daran, dass sie seit 2014 mit amerikanischer Hilfe ihre Militärdoktrin grundlegend umgestellt haben.
Es gilt immer mehrere Schritte voraus zu denken! Nehmen wir mal an, es würden 300 Leos geliefert. Was dann?
Diese 300 Leos wären im Zusammenspiel mit 110 Bradleys, 50 Mardern, 90 Strykern und vielen weiteren gepanzerten Transportfahrzeugen in der Lage, konzentriert an einem Punkt die russischen Linien zu durchbrechen und bis Mariupol oder Melitopol vorzurücken. Was dann? Dann wären die Orks so richtig gekniffen.
Was wird Putin wohl tun? Nein, ich denke nicht an einen Angriff auf die NATO! Das gäbe absehbar eine umfassende Klatsche für Russland. Er wäre gezwungen, alles zu tun, um wieder auf Augenhöhe zu kommen. Die angekündigte Lieferung von 300 Leos wäre für Putin ein berechenbarer Schritt. Es gäbe für Russland ein Ziel. Die Augenhöhe.
Die russ. Wirtschaft ist bereits auf Kriegs Wirtschaft umgestellt. Putin dürfte der Verzweiflung nahe sein, und weil der Westen ja laut genug nach Leos geifert, wurde er berechenbar. Was also wird Putin vorrangig bauen lassen? Dies zu erkennen, braucht kein Genie. Panzer natürlich! Es mangelt den Russen an schlagkräftigen Panzern. Er wird massenhaft Panzer bauen lassen, die besser sind als der bisherige Schrott. Nur mit ihnen wird er was bewegt bekommen. Z. B. den womöglich einsatzbereit gemachten Armata. Ist er wie beschrieben, könnte er womöglich auf Augenhöhe mit den lieferbaren, nicht mehr ganz aktuellen, Leos operieren. Was dann? Sind auf Dauer mehr Lieferungen an Leos möglich? Mehr als Putin von seinen auf die Schnelle fertig bekommt?
Ohhh, der furchteinflößende Armata (der eigentlich T-14 heißt, um das nebenbei mal gesagt zu haben). Wann war der denn schonmal irgendwo im Einsatz? Putin schwärmt gern über seinen "Superpanzer". Aber Putin ist ein notorischer Lügner. Weiß irgendwer einigermaßen sicher, was der T-14 überhaupt kann? Und was die russische Kriegswirtschaft betrifft: Die müssen schon ukrainische Waschmaschinen "vergesellschaften", um die nötige Elektronik für höherwertige Produkte zu bekommen. Russische Wirtschaft...! Russlands BIP entspricht etwa dem von Spanien. Und Spanien hat sehr viel größere technologische Kapazitäten.
Was täten wir dann? Den K51 liefern? Ein paar Hundert? Die Ukraine fordert bereits Kriegsschiffe und U Boote! Wann werden wir wohl über Flugzeugträger reden? Du erkennst das Problem?
Ich fände es gut, wenn wir den KF51 erstmal für uns selbst als Leo-Nachfolger bauen würden. Das ist aber im Moment nicht die Frage. Du deutest an, dass Russland den Westen "totrüsten" könnte. Das ist Unsinn. Das hat selbst die Sowjetunion nicht geschafft. Die hat es versucht und ist bei diesem Versuch zugrunde gegangen. Hier im Westen muss sich die Erkenntnis durchsetzen, dass wir unsere verkümmerte Rüstungsindustrie wieder hochfahren müssen. Wenn wir das machen, haben wir im Extremfall die tausendfache Kapazität dessen, was Russland aufbieten kann.
Du erkennst das Problem? Es ist ein Problem, das Putin hat.
Fährt man die bisherige Marschroute jedoch weiter, stärkt weiter die Artillerie vor allem in Reichweite und hält die Leos und Co. in der Hauptsache als Ultimaratio zurück, gibt es Für Putin kein erkennbare Ziel und auch der Einsatz von Armata verspricht keinen Erfolg. Ersten, weil eine massiv gestärkte Ari jede Panzerwelle in Kombi mit starker Infanterie auslöschen könnte, zweitens liefern weder die hochmobile Infanterie noch die gleichermaßen mobile Artillerie mit höherer Reichweite irgendwelche berechenbar Ziele.
Ich will jetzt nicht großartig auf Fragen nach militärischer Taktik oder Einsatzgrundsätzen eingehen. Frag Dich einfach mal selbst, wie lange eine 155-mm-Granate in der Luft ist, ehe es "BUMM" macht. Frag Dich, welche Strecke gepanzerte Truppen in vollem Schwung während der Flugzeit der Granate zurücklegen können. Welche Voraussetzungen müssen eigentlich gegeben sein, damit die Artillerie überhaupt weiß, worauf sie schießen soll? Hey, Überraschung: Boots on the ground!
Du bist Artillerist gewesen. Deshalb hast Du die absolut begründete Überzeugung, dass Artillerie sehr mächtig und sehr schädlich für den Gegner ist. Aber es ist eine Illusion, zu glauben, dass Artillerie "jede Panzerwelle in Kombi mit starker Infanterie auslöschen" kann. Du beschreibst mit diesen Worten eigentlich genau das, was damals bei Verdun passiert ist. Artillerie im Verbund mit Infanterie. Du beschreibst genau das, was gegenwärtig rund um Bachmut passiert. Die Artillerie ballert fröhlich, und die Infanterie muss dann in die Todeszone rennen. Zufuß. Ungeschützt. Diese Vorstellung ist schon im Ersten Weltkrieg pulverisiert worden, als die Briten die ersten jämmerlichen Panzer auf das Schlachtfeld geschickt haben.
Die Zauberworte lauten: VERBUNDENE WAFFEN!
Wenn die Ukraine in diesem Krieg erfolgreich sein soll, dann braucht sie zusätzlich zur Artillerie und zur Infanterie unerlässlich Kampfpanzer und Schützenpanzer. Die Artillerie kann nicht alles richten. Sie ist nicht allmächtig. Am Ende kommt es darauf an, am Boden durchzustoßen und Gebiet dann auch halten zu können. In den USA ist dafür die schon zitierte Formel "boots on the ground" geprägt worden. In Deutschland gibt es dafür keinen Begriff, weil der Grundsatz dermaßen grundsätzlich ist, dass man ihm nichtmal einen Namen geben musste.
Es ist für die Ukraine ganz sicher besser, die Russen effektiv zu dezimieren, ohne ihnen einen erkennbaren Ansatz für Gegenmaßnahmen zu liefern. Auch die Russen wissen mittlerweile, wozu die westliche Artillerie in der Lage ist, und das Kampfpanzer für die überhaupt kein Problem sind. Egal wie viele die schicken.
Wie der jetzt unternommene Versuch, die Russen "effektiv zu dezimieren" ausgeht, sehen wir derzeit rund um Bachmut. Vorher Soledar. Nichts davon ist für die Ukraine irgendwie gut oder gar besser. Wir erleben ein Gemetzel mit Klauen und Zähnen. Bis aufs Messer, auf kürzeste Distanz. Vielleicht klingt das pathetisch. Aber es beschreibt genau das, was rund um Bachmut gerade passiert. Und ich persönlich fände es sehr, sehr viel besser, wenn die Ukraine die Fähigkeit hätte, die "Blutpmumpe" stillzulegen, indem sie einfach mit Macht durchstößt und von dem Gelände verschwindet.
Panzer sind entwickelt worden, um solche sinnlosen Gemetzel ("Blutpumpe") nicht mehr führen zu müssen. Schon Schlieffen hat die Frage aufgeworfen, wie angesichts der ungeheuren Gewalt des Feuers auf dem Gefechtsfeld (Artillerie, Maschinengewehre) eine Offensive überhaupt noch möglich sein kann. Schlieffen hat vorgeschlagen, das mit Umgehungen zu ermöglichen. Letztlich hat sich dann aber erwiesen, dass es nur eine sinnvolle Antwort gibt: Panzer.