Nachrichten aus dem Iran.

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sünnerklaas
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von sünnerklaas »

Platon hat geschrieben: So 4. Dez 2022, 15:49 Wäre ich aber ein Entscheidungsträger im Regime würde ich versuchen die Macht des Regimes auf eine breitere Basis zu stellen durch Aufnahme aller Kräfte die bereit sind mit dem System zu kooperieren und dann wird man früher oder später natürlich den USA entgegen kommen müssen um eine Aufhebung der Sanktionen zu erreichen. Daran führt kein Weg vorbei will die Islamische Republik überleben, in welcher Konstellation auch immer.
Die islamische Republik wird nur ohne Chamenei und dessen Kamarilla überleben können.
Dass da schon jetzt ein Stühlerücken beginnt, kann man als Indiz ansehen, dass da nicht wenige inzwischen arge Bauschmerzen bekommen. Man erkennt, dass man irgendwas ändern muss, will man an der Macht bleiben.
Hinzu kommt, dass man ja, anders als weiland Assad, nicht auf den Großen Bruder Vladimir setzen kann, der einem dann die Kohlen aus dem Feuer holt. Onkel Vladimir hat genug zu tun und ist voll und ganz in der Ukraine ausgelastet.
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Seidenraupe
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Seidenraupe »

Leider wird sich im Iran an der islamischen Verfassung und Verfasstheit des Landes nichts Wesentliches ändern.

Der Islam ist im Iran Religion, Verfassung, Rechtsrahmen, Staatsdoktrin, persönlicher Glaube und Machtinstrument in einem.
Wenn die davon ein kleines Fitzelchen abweichen ist das kein Zugeständnis an die Frauen, an liberale Kräfte, Kurden oder wen auch immer. Es ist nur ein weiterer Beitrag, den Machterhalt der Religösen Machtelite zu sichern.
Löst man die Religionspolizei wirklich auf, entzieht ihr jegliche Befugnis auf Dauer? Garantiert nicht. Dann wäre die Staatreligion , dann wäre die Macht der religiösen Machthaber in Gefahr.

Selbst wenn die Befugnisse der Religionspolizei eingeschränkt würden und Frauen ein bisschen Haar unter ihrem Kopftuch erkennen lassen könnten, ändert das am Wesen des islamischen Mullah-Staates nichts. Die nächste Fatwa kann sich schon wieder gegen die Frauen und die Freiheit von religiösen Regeln richten.
mal mehr zur Aufgabe der Wächter über die islamischen Kleidungsvorschriften, die in D gern "Sittenpolizei" genannt werden, obwohl sie keine Sitten i.e.S. überwachen sondern wie gesagt, religiöse Kleidungsvorschriften
https://www.stern.de/politik/ausland/si ... 75476.html
Wer Ironie findet, kann sie behalten. Wer nicht, sein/ihr Problem.

„Wenn man merkt, daß der Gegner überlegen ist und man Unrecht behalten wird, so werde man persönlich, beleidigend, grob.“
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von streicher »

sünnerklaas hat geschrieben: So 4. Dez 2022, 14:24 Man darf ja nicht vergessen: eine Theokratie arbeitet mit absoluten, einzig wahren Wahrheiten, die mit dem Nimbus der absoluten Unfehlbarkeit versehen sind. Jedes Zugeständnis, jedes Zurückweichen ist aus Sicht der Theokraten ein Sakrileg und bedeutet einen katastrophalen Gesichtsverlust. Indem man - selbst indirekt - einen Fehler einräumt, räumt man auch ein, nicht unfehlbar zu sein. Damit ist auf einen Schlag die gesamte Autorität zu 100% weg.
Genau so ist es: und offensichtlich wird, wie irdisch das ganze Konstrukt eben doch ist. Obwohl die Sittenpolizei aufgelöst wird, geht das Regime noch immer hart gegen Demonstranten vor, die allerdings mehr wollen als nur das Auflösen dieser Sittenpolizei. Es wird nach den letzten Vorgängen nicht ruhig im Iran.
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Platon
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Für die nächsten drei Tage wurde im Iran besonders und mit etwas Vorlauf zu Streiks und Protesten aufgerufen.
Die Proteste im Iran gehen weiter. Von heute bis Mittwoch wollen Aktivisten die Wirtschaft des Landes durch Boykott von Läden und Basaren treffen. Die Ankündigung der Regierung, die Sittenpolizei aufzulösen, sehen viele als Ablenkungsmanöver.

Aktivistinnen und Aktivisten im Iran haben zu neuen landesweiten Protesten und Streiks aufgerufen. Die sogenannten 14-15-16-Proteste - die Zahlen sind das Datum im persischen Kalendermonat Azar - sollen von Montag bis Mittwoch dauern und insbesondere das islamische System wirtschaftlich treffen.

Die Menschen im Iran wurden aufgerufen, an diesen drei Tagen Einkäufe zu vermeiden, um so jegliche Geldzirkulation im iranischen Bankensystem zu verhindern. Besonders in den wirtschaftlichen Zentren in Großstädten und auf Basaren sollen möglichst viele Geschäfte geschlossen bleiben, so die Protestierenden.[...]
https://www.tagesschau.de/ausland/asien ... i-103.html

So klar, dass die Sittenpolizei abgeschafft ist scheint es auch nicht zu sein:
Western media inaccurately reported that the Iranian regime abolished its morality patrol on December 4.[1] The regime has not made such a concession. Western outlets misinterpreted remarks from Prosecutor General Mohammad Javad Montazeri on December 3. Montazeri noted in response to a journalist’s question that security forces have reduced morality patrols in recent months—a statement that some Western media has mistakenly framed as confirmation that the regime abolished the patrols.[2] Iranian state media later clarified that Montazeri was only acknowledging the reduced morality patrols rather than announcing an end to the program.[3] No other Iranian official has indicated that the regime has ended the patrol.

The regime could still offer limited concessions, such as relaxed veiling enforcement, to quell the ongoing protests. Montazeri stated on December 1 that Parliament and the Supreme Cultural Revolution Council will announce an opinion on the mandatory hijab law by December 16.[4]

Supreme Leader Ali Khamenei would likely view any such reform as temporary pragmatism to ensure regime survival. Khamenei has continually argued that the regime has not yet sufficiently ideologized the population, framing social indoctrination as the true solution to many of Iran’s problems.[5] Khamenei has popularized within regime discourse since 2019 the notion that the Islamic Republic has entered a new phase in which the government and society must reaffirm and strengthen their commitment to the state’s revolutionary and religious ideals.[6] The idea that the regime under Khamenei will relax policies such as mandatory veiling is fundamentally incompatible with his vision for the future.

Thirty neighborhood youth groups announced the formation of an umbrella organization—the Neighborhood Youth Alliance—on December 4.[7] The alliance stated that its objectives are ”to coordinate planning to advance the revolution to victory and also create the necessary infrastructure to manage the country’s affairs during the critical periods of the transition of power.” The alliance emphasized its support for a democratic government and universal human rights. The emergence of the Neighborhood Youth Alliance reflects the growing organization of parts of the protest movement and indicates the possible emergence of more centralized leadership.

Inclement weather may negatively affect turnout during the planned protests on December 5-7. Many cities and towns across Iran, including Tehran, are forecasted to receive cold weather and precipitation—rain and snow—throughout the day on December 5.[8] Such conditions could reduce the length and size of the planned protests.

Key Takeaways

Western media inaccurately reported that the regime abolished its morality patrol.
Thirty neighborhood youth groups announced the formation of an umbrella organization—the Neighborhood Youth Alliance.
Inclement weather may negatively affect turnout during the planned protests on December 5-7.
At least nine protests took place in nine cities across seven provinces.
Law Enforcement Command Sistan and Baluchistan Provincial Commander Brigadier General Mohammad Ghanbari announced that unidentified gunmen attacked and injured two LEC officers in Chabahar.
Supreme National Security Council Secretary Ali Shamkhani met with several prominent hardline, moderate, and reformist politicians likely to discuss cooperation to quell the protests.
Deputy Interior Minister for Security Affairs Majid Mir Ahmadi tried to emphasize the economic consequences of the protests, possibly to fracture the protest movement.
The office of prominent Sunni cleric Moulana Abdol Hamid released a statement trying to dissociate his criticism of the regime from Baloch separatistism.
https://www.understandingwar.org/backgr ... december-4
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von streicher »

Platon hat geschrieben: Mo 5. Dez 2022, 10:08 So klar, dass die Sittenpolizei abgeschafft ist scheint es auch nicht zu sein:

https://www.understandingwar.org/backgr ... december-4
Der Westen hätte also missinterpretiert und falsch berichtet: da können sich die Propagandisten ja wieder warmlaufen. Auf die Demonstrierenden wäre man also überhaupt nicht zugegangen.
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sünnerklaas
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von sünnerklaas »

streicher hat geschrieben: Mo 5. Dez 2022, 08:59 Genau so ist es: und offensichtlich wird, wie irdisch das ganze Konstrukt eben doch ist. Obwohl die Sittenpolizei aufgelöst wird, geht das Regime noch immer hart gegen Demonstranten vor, die allerdings mehr wollen als nur das Auflösen dieser Sittenpolizei. Es wird nach den letzten Vorgängen nicht ruhig im Iran.
Natürlich nicht. Denn die theologisch begründete absolute Autorität bekommt sichtbar Risse. Die Fallhöhe von Theokraten ist extrem - eben weil sie sich als Inhaber einer Einzig Wahren Wahrheit und als absolut unfehlbar ansehen.

By the Way und auf den ersten Blick OT hier: "Feministin" Alice Schwarzer hat sich über die Kleidung der Frauen aufgeregt. Sähe "nuttig" aus. Durch "nuttige" Kleidung wären Frauen mitschuldig, wenn es zu sexuellen Übergriffen käme - Dazu ein Kommentar aus der FR:

https://www.spiegel.de/ausland/russland ... 1bf8f0d7f6

Ich bin ja schon mal gespannt, wann Alice Schwarzer die Mullahs in Schutz nimmt. Wo das doch die Verbündeten Putins sind.
Bei der AfD tut man sich ja - wohl auch auf Grund der Nähe der Mullahs zu Putin - extrem schwer mit der Verurteilung der Islamisten im Iran. Vor allem, weil man da ja sonst der Ampel und v.a. den Grünen zustimmen müsste. Das will man auf gar keinen Fall.
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jack000
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von jack000 »

sünnerklaas hat geschrieben: Mo 5. Dez 2022, 15:13 By the Way und auf den ersten Blick OT hier: "Feministin" Alice Schwarzer hat sich über die Kleidung der Frauen aufgeregt. Sähe "nuttig" aus. Durch "nuttige" Kleidung wären Frauen mitschuldig, wenn es zu sexuellen Übergriffen käme - Dazu ein Kommentar aus der FR:

https://www.spiegel.de/ausland/russland ... 1bf8f0d7f6
Da hast du dich mit dem Link vertan?
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von sünnerklaas »

jack000 hat geschrieben: Di 6. Dez 2022, 14:45 Da hast du dich mit dem Link vertan?
Stimmt. Den Link zu dem Kommentar liefere ich mal nach:
Sexuelle Belästigung: Alice Schwarzer und ihre Ansicht zur „Nuttenmode“ (Frankfurter Runschau)
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jack000
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von jack000 »

sünnerklaas hat geschrieben: Di 6. Dez 2022, 15:56 Stimmt. Den Link zu dem Kommentar liefere ich mal nach:
Sexuelle Belästigung: Alice Schwarzer und ihre Ansicht zur „Nuttenmode“ (Frankfurter Runschau)
Also mich wundert diese Aussage aber wirklich:
Zu „Nuttenmode“ zählt für Alice Schwarzer auch sexy Unterwäsche, wie sie bereits vor Jahren erklärte. Die Idee, dass Frauen sich gerne solche Dessous anziehen, weil sie sie schön finden, kommt ihr nicht. Dass es zu weiblichem Empowerment und selbstbestimmter Sexualität gehört. Nein, Schwarzer spricht von „Fetischisierung von Unterwäsche“.

Diese frauenverachtende Ansicht zu „Nuttenmode“ hat Schwarzer nicht exklusiv. Sie ist eine verbreitete These zur „Vermeidung“ von sexueller Gewalt: einfach anders anziehen, dann fühlt sich kein Mann zu einem Sexualverbrechen „provoziert“.

Aber folgen wir doch mal Schwarzers Logik und denken das zu Ende. Wir sollen uns nicht zu nackig anziehen, also vielleicht etwas mehr verhüllen? Da bietet sich doch zum Beispiel ein Hijab an. Die Richtung wäre wohl am sichersten, da denkt kein Mann, dass man eine „Nutte“ ist.
https://www.fr.de/panorama/alice-schwar ... 56085.html

=> Es ist egal wie sich jemand kleidet, es gibt keinen einzigen Grund für einen Übergriff (Was auch immer) !
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Vongole »

Platon hat geschrieben: Mo 5. Dez 2022, 10:08 (..)

So klar, dass die Sittenpolizei abgeschafft ist scheint es auch nicht zu sein:

https://www.understandingwar.org/backgr ... december-4
Hat irgendjemand denn daran geglaubt?

Man sollte massenhaft die Schriften von Ahmad Kasravi unters Volk bringen, vielleicht geht dann auch dem letzten Mullah-Anhänger wenigstens ein kleiner Licht auf.
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Seidenraupe
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Seidenraupe »

jack000 hat geschrieben: Di 6. Dez 2022, 16:51 Also mich wundert diese Aussage aber wirklich:

https://www.fr.de/panorama/alice-schwar ... 56085.html

=> Es ist egal wie sich jemand kleidet, es gibt keinen einzigen Grund für einen Übergriff (Was auch immer) !
evt wurde da was aus ihrem buch von 2007 grob aus dem Zusammenhang gerissen

https://www.aliceschwarzer.de/artikel/a ... ort-264748
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Das "Geständnis-Video" habe ich nicht angesehen und werde es auch nicht tun. Das Regime macht das ja regelmäßig, u.A. zwei französische Akademiker zu Beginn der Proteste, und will damit die eigenen Narrative stärken. In Wirklichkeit demonstriert es nur die eigene Unmenschlichkeit, wenn es Leute foltert damit sie vor laufender Kamera irgendwann alles erzählen. Ich meine man kann ja irgendwie nachvollziehen, dass Leute aus welchen Gründen auch immer für die Islamische Republik sind und für ihr Überleben kämpfen, aber diese öffentlichen "Geständnisse" sind einfach nur unmenschlich und verabscheuungswürdig.



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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Neues Video von Bahador Hadizadeh, welcher immer durch Iran läuft und Videos davon online stellt. Weniger aus politischen Gründen als vielmehr der Wunsch den "echten Iran" zu zeigen, also die Realität dessen was man sieht, wenn man z.B. durch Teheran spazieren geht. Er hatte seit dem Beginn der Proteste keine Videos mehr online gestellt, aber jetzt ist er in Teheran im Norden vom Tajrish-Platz die Vali-Asr-Straße runter gelaufen. Das Video liefert EIndrücke davon, dass sich eine neue Normalität etabliert hat und eine Menge Frauen in der Öffentlichkeit kein Kopftuch mehr tragen bzw. es "runtergefallen" ist und man es nicht mehr aufsetzt. Aber man sieht auch, dass in der Stadt eine gewisse Normalität herrscht und man sich keineswegs im totalen Ausnahmezustand befindet. In Teheran war mit Protesten die letzte Zeit eher weniger los. (Wobei es heute einige kleinere Aktionen gibt wegen dem Streik etc.)

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Misterfritz
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Misterfritz »

Platon hat geschrieben: Mi 7. Dez 2022, 20:48Das Video liefert EIndrücke davon, dass sich eine neue Normalität etabliert hat und eine Menge Frauen in der Öffentlichkeit kein Kopftuch mehr tragen bzw. es "runtergefallen" ist und man es nicht mehr aufsetzt.
Wird es dem Mullahregime gelingen, diese erkämpfte Freiheit wieder zurückzudrängen?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Mullahs sich das lange gefallen lassen.
Das Salz in der Suppe des Lebens ist nicht Selbstdisziplin, sondern kontrollierte Unvernunft ;)
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Platon
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Es fällt mir schwer wirklich einzuschätzen, wie groß die Beteilligung am Streik ist. Es gibt Videos von geschlossenen Geschäften etc. und viele machen mit aber man weiß nie wirklich, wie hoch deren Anteil wirklich ist. Weil kann ja sein, dass man morgens da ein paar Bilder gemacht hat und um 10 Uhr waren die Läden dann auf z.B. Aber folgendes Video zeigt ein paar Läden in Nachbarschaft zum Naqsh-e Jahan-Platz in Esfahan.

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Platon
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Misterfritz hat geschrieben: Mi 7. Dez 2022, 21:18 Wird es dem Mullahregime gelingen, diese erkämpfte Freiheit wieder zurückzudrängen?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Mullahs sich das lange gefallen lassen.
Naja, im Moment haben sie andere Probleme als Frauen zu belästigen, weil sie kein Kopftuch aufhaben. Man wird sehen was passiert, aber wenn man wieder fester im Sattel sitzen sollte, wird man sicher versuchen mit entsprechender Präsenz von Sicherheitsleuten die Regeln wieder mehr durchzusetzen. Aber im Moment ist das sicherlich nicht die Priorität des Systems...
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Ammianus
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Ammianus »

Wie die "Heiligkeit unserer Zeit" über seine SturmAbteilungen, die Basidschi, denkt, kann man aktuell im Muslim Markt nachlesen. Schon der Titel sagt so ziemlich alles.
"Ich möchte an einem Ort sein, an dem es keine Politik gibt, keine Waffen, keine Religion."
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Platon
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Der erste im Zuge der Proteste zum Tode verurteilte Demonstrant wurde heute überraschend gehängt.
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Haegar
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Haegar »

Platon hat geschrieben: Do 8. Dez 2022, 14:25 Der erste im Zuge der Proteste zum Tode verurteilte Demonstrant wurde heute überraschend gehängt.
...
Zuckerbrot und Peitsche. Das alte Spiel des Schreckens.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

"Westlichen diplomatischen Quellen" zur Folge sollen Leute von der Islamischen Republik mit Venezuela in Gesprächen sein, dass sie im Falle einer Revolution im Iran dort Asyl bekommen. Es gibt Gerüchte für entsprechende Vorbereitungen immer wieder mal. Bin da aber skeptisch, weil die Islamische Republik noch ein gutes Stück entfernt ist wirklich gestürzt zu werden, auch wenn schon gut vorstellbar ist, dass sich eine entsprechende Dynamik entwickeln könnte. Im Moment halte ich das aber für Propaganda-Nachrichten und Halbwahrheiten, weil es andere Gründe für entsprechende Aktivitäten gibt.
Dead worried about their fate in case of a revolution in Iran, the Islamic Republic’s officials have started looking for safe havens, especially Venezuela, their close ally. 

Western diplomatic sources told Iran International that the Islamic Republic has started negotiations with its Venezuelan allies to ensure they'd offer asylum to regime officials and their families should the situation worsen, and the possibility of a regime change increases. 

According to these sources, a delegation of four high-ranking regime officials visited Venezuela in mid-October for negotiations to ensure that the Caracas government would grant asylum to high-ranking officials and their families in case "the unfortunate incident" happens. 

In early-November, an unnamed source at Tehran's Imam Khomeini Airport told Kayhan-London that three flights a day were taking off with "a considerable amount of cargo" bound for Venezuela, adding that "these people get their suitcases out in hours, with fewer passengers and flights. This began about two weeks ago, and we see these movements about two or three times a day."

"Initially, my colleagues and I thought these were embassy employees, though we noticed their car number plates didn't belong to any embassy. We don't know what they are transferring, and whether they are leaving the country with all the luggage or not. Because they won't let us examine closely. We just know that in past weeks, every day there are three to four flights to Venezuela," the source said. [...]
https://www.iranintl.com/en/202212077198
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Einen guten Überblick geben die Berichte von ISW, welche neben Berichten über den Stand in der Ukraine zuletzt auch ein "Iran Crisis Update" herausgeben. Gibt einen guten Überblick wo es zuletzt Proteste gegeben hat. Zuletzt zeigt sich, dass die Proteste nicht übermäßig groß sind, aber sich dennoch eine Protestbewegung entwickelt hat, welche aktiv und halbwegs organisiert handeln kann.
Anti-regime strikes and demonstrations sustained momentum on December 7 as nation-wide calls to protest entered their third and final day. Social media users documented significant strike activity in commercial centers throughout Iran on December 7, in line with the calls from protest coordinators and organizations for countrywide strikes from December 5 – 7.[1] Protest activity similarly continued into December 7, particularly among university students. CTP documented larger crowd sizes on December 7 than on December 5 and 6, although fewer overall protests occurred on December 7 than on December 5, a pattern corresponding to some protest organizations’ calls for more concentrated demonstrations on the last day.

Protest activity on December 7 largely adhered to instructions issued by various local protest organization groups, albeit on a smaller scale than called for. Social media users documented protest activity in the vicinity of Azadi Square on December 7, mirroring instructions provided by online protest groups. Protesters formed in smaller groups throughout Tehran before marching to Azadi square, similarly mirroring the organization group’s calls for localized groups separately meeting at a common location.[2] Tehran and Esfahan protest participants did not engage in chants and were largely masked and wearing dark colors as called for by some organizers, demonstrating the capability of the protest organizations to generate coordinated acts of anti-regime defiance.[3][...]
Iran Crisis Update, December 7
https://www.understandingwar.org/backgr ... december-7
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von yogi61 »

Mindestens 24 Demonstranten droht in Iran einem Bericht zufolge die Hinrichtung wegen ihrer Beteiligung an den systemkritischen Protesten. Der auch auf der Liste aufgeführte 23-jährige Mohsen Schekari war am Donnerstag hingerichtet worden. Die iranische Tageszeitung »Etemad« veröffentlichte am Samstag eine von der Justizbehörde zusammengestellte Liste, auf der 25 Demonstranten »Kriegsführung gegen Gott« vorgeworfen wird. Gemäß islamischer Rechtsauffassung steht auf diese Anklage das Todesurteil.

Schekari soll ein Mitglied der paramilitärischen Basidsch-Miliz mit einer Waffe angegriffen, Schrecken verbreitet und eine Straße blockiert haben. Die Justizbehörde verkündete weitere Hinrichtungen. »Etemad« hingegen appellierte in dem Bericht an die Justiz, die Todesurteile zu revidieren und weitere Hinrichtungen zu verhindern.
https://www.spiegel.de/ausland/iran-wil ... 985587e9dc

Die Führung im Iran scheint sich vom ersten Schock erholt zu haben und will Exempel statuieren
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https://www.youtube.com/watch?v=Ca9jtQhnjek
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von streicher »

yogi61 hat geschrieben: Sa 10. Dez 2022, 13:36 https://www.spiegel.de/ausland/iran-wil ... 985587e9dc

Die Führung im Iran scheint sich vom ersten Schock erholt zu haben und will Exempel statuieren
"Kriegsführung gegen Gott": das ist wohl eine der Keulen, die man in einer Theokratie rausholen muss, wenn man keine Argumente mehr hat und ohnehin die Wahrheit unterdrückt. Eingestanden hat man wegen des Auslösers der Proteste - nichts.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von yogi61 »

streicher hat geschrieben: So 11. Dez 2022, 11:01 "Kriegsführung gegen Gott": das ist wohl eine der Keulen, die man in einer Theokratie rausholen muss, wenn man keine Argumente mehr hat und ohnehin die Wahrheit unterdrückt. Eingestanden hat man wegen des Auslösers der Proteste - nichts.
Mir tun die Menschen leid, die da jetzt auf den Henker warten. Wobei Erhängen auch noch eine der unmenschlichsten Methoden ist. Ekelhaft.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von JJazzGold »

streicher hat geschrieben: So 11. Dez 2022, 11:01 "Kriegsführung gegen Gott": das ist wohl eine der Keulen, die man in einer Theokratie rausholen muss, wenn man keine Argumente mehr hat und ohnehin die Wahrheit unterdrückt. Eingestanden hat man wegen des Auslösers der Proteste - nichts.
Wie klein ist ein Gott, gegen den man Krieg führen kann?
Es wird wohl eher so sein, dass sich der Mullah Abschaum als göttlich betrachtet.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Billie Holiday »

JJazzGold hat geschrieben: Mo 12. Dez 2022, 07:38 Wie klein ist ein Gott, gegen den man Krieg führen kann?
Es wird wohl eher so sein, dass sich der Mullah Abschaum als göttlich betrachtet.
Schwächliche, kleinliche, beleidigte, überempfindliche unsichtbare Gestalten haben mich schon als Kind nicht beeindruckt. Andere hab ich nie kennengelernt.
Unser GG, das nicht nur Religionsfreiheit, sondern auch Freiheit vor Religionszwang garantiert, ist ein Segen :D für jeden Atheisten.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Misterfritz »

Unterdrückung der Proteste
Iran verkündet zweite Hinrichtung eines Demonstranten
Die Hinrichtung eines iranischen Demonstranten war international scharf kritisiert worden. Nun hat das Regime in Teheran wohl einen zweiten Protestler getötet. Mindestens 22 weiteren Menschen droht die Exekution.
https://www.spiegel.de/ausland/iran-jus ... 12970b1d7a
Ich kann mir nicht vorstellen, dass das die Proteste zum Erliegen bringt, eher das Gegenteil.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von JJazzGold »

Billie Holiday hat geschrieben: Mo 12. Dez 2022, 07:43 Schwächliche, kleinliche, beleidigte, überempfindliche unsichtbare Gestalten haben mich schon als Kind nicht beeindruckt. Andere hab ich nie kennengelernt.
Unser GG, das nicht nur Religionsfreiheit, sondern auch Freiheit vor Religionszwang garantiert, ist ein Segen :D für jeden Atheisten.

Diese Gestalten können immer nur so groß sein, wie ihre Erfinder.
Die Griechen waren wenigstens so ehrlich ihren Göttern menschliche Eigenschaften zuzuschreiben.

Blicke ich den Iran, dann sehe ich in den Mullahs das Material, aus dem ISIS gemacht ist. Menschenverachtende Brutalität im Namen eines erfundenen, angreifbaren, kleingeistig rachsüchtigen Gottes, der nichts desto trotz über seine selbsternanntenn menschliche Stellvertreter die Welt beherrschen will.

Wir schreiben das Jahr 2022 und sind über einen solchen Mist immer noch nicht weltweit erhaben.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Ammianus »

Man muss sich nur das Strafgesetzbuch der IRI durchlesen. Zu großen Teilen besteht es aus Erdrosseln, Verstümmeln, Mißhandeln. Ein ekelerregendes Dokument. Und es geht komplett aus dem hervor, was seine Schöpfer als die Weisungen ihres Allahs ansehen.
Sieht man sich die Zahl der Hinrichtungen in der Welt an, dann steht das Mullah-Regime ganz oben in Konkurrenz mit Rotchina. Da sollte man aber auch die Bevölkerungszahlen mit einrechnen.
Und immer wieder von mir empfohlen: Der Muslim-Markt. Da kann man nachlesen, wie die denken, wie sie die Welt sehen und verstehen.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von streicher »

JJazzGold hat geschrieben: Mo 12. Dez 2022, 07:38 Wie klein ist ein Gott, gegen den man Krieg führen kann?
Man hat aus Gott ein Programm gemacht, dass festgeschrieben ist. Und man selbst meißelt sich auch fest.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von roli »

sünnerklaas hat geschrieben: Di 6. Dez 2022, 15:56 Stimmt. Den Link zu dem Kommentar liefere ich mal nach:
Sexuelle Belästigung: Alice Schwarzer und ihre Ansicht zur „Nuttenmode“ (Frankfurter Runschau)
bei ihr würde eine solche Kleidung wohl auch nicht so gut aussehen.
Vielleicht eine kleine Neidreaktion.

Jedenfalls hat sei einen an der Waffel, wenn sie Vergewaltigungen so begründet.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Billie Holiday »

roli hat geschrieben: Mo 12. Dez 2022, 12:58 bei ihr würde eine solche Kleidung wohl auch nicht so gut aussehen.
Vielleicht eine kleine Neidreaktion.

Jedenfalls hat sei einen an der Waffel, wenn sie Vergewaltigungen so begründet.
Sie soll neidisch sein auf Frauen, die jedem stinkenden Typen ihren Körper verkaufen?
Ernsthaft?
Eine gebildete, kluge, unabhängige Lesbe?
Im Ernst?

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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Misterfritz hat geschrieben: Mo 12. Dez 2022, 08:27 Ich kann mir nicht vorstellen, dass das die Proteste zum Erliegen bringt, eher das Gegenteil.
Mir scheint wir sind gerade an dem Punkt, an dem die Proteste normalerweise weitgehend niedergeschlagen wären und das Ausmaß der Aktionen ist verglichen zu den Hochzeiten der Mahsa Amini-Proteste stark gesunken. Das es aber weiterhin Aktionen gibt hat damit zu tun, dass im Iran überhaupt nichts mehr zum Erliegen kommen wird, weil die Ursachen der Proteste unverändert weiterbestehen und daher davon auszugehen ist, dass das jetzt dauerhaft so weitergeht mit mal mehr mal weniger umfangreichen Protestaktionen. Ausgang ungewiss.

Die Ursachen sind, dass die Islamische Republik seit der Machtübernahme ein Legitimationsproblem hat, weil es nur einen Teil der iranischen Gesellschaft repräsentiert. Das ist ja bekannt, dass es im Iran ein Zwei-Kulturen-Phänomenen gibt, dass ein Teil der Bevölkerung eher islamisch-konservativ ist und ein Teil eher säkular, wobei es bei religiösen Ansichten dann etwas komplexer wird, weil es natürlich auch staatsfernes Schiitentum gibt (die Theorie des Velayat-e Faqih wird keineswegs von allen schiitischen Gelehrten als gegeben akzeptiert, aber gegen die Regierung müssen sie damit trotzdem nicht sein) und neben Atheisten auch viele islamisch geprägten Synkretismus und Spiritualismus aller Art. Die christlichen Sekten sind da nur ein Teil eines größeren Phänomens religiöser Suchender in Iran jenseits der orthodoxen Schia. Es wird dann immer erzählt, dass im Iran ein fundamentaler Wandel stattfindet und vor allem die Jugend sich durch westliche/globale Einflüsse von der orthodoxen Schia abwendet und säkularer wird. Ich halte das für Quatsch und Ergebnis m.E. überholter Modernisierungstheorien, dass "Modernisierung" (was auch immer man darunter verstehen mag) immer mit einer Abwendung von organisierter und orthodoxer Religion einher geht. Es gibt ja diese Studie welche letztere Modernisierungstheorie zu belegen scheint, aber ich gehe davon aus, dass orthodoxe Schiiten im Iran an der Umfrage überproportional nicht teilgenommen haben und daher deren Anteil deutlich höher als angegeben ist. Meiner Einschätzung nach zeigt die Studie, dass die religiösen Ansichten im Iran vielfältig sind, mit dem schiitischen Islam aber als der weiterhin größten Gruppe.

Dieses 2-Kulturen-Phänomen ist eine Eigenschaft der iranischen Gesellschaft seit dem 20ten Jahrhundert. Meine Sichtweise wäre, dass sich in den ersten Jahrzehnten des 20ten Jahrhunderts eine säkulare städtische Kultur entwickelte zu der sich dann durch verstärkte Urbanisierung/Landflucht (in den 1960er und 1970er Jahren) eine islamisch-konservative urbane Kultur hinzugesellt hat, die dann 1979 die Macht übernommen hat, als die säkularen Pahlavis durch eine islamische Theokratie ersetzt wurde. Ein Phänomen der sich in anderen Ländern der Region wiederholt hat und in vielen Ländern zum Aufkommen von islamistischen Strömungen führte von den Vorgängern der AKP in der Türkei bis zu einem Anstieg in Prominenz der Muslimbrüder in Ägypten bzw. ihrer verschiedenen Ableger in der Region. Hier hat sich dann durch sozio-ökonomischen Aufstieg auch eine islamisch-konservative Mittelklasse und Intelligenz gebildet, die dann sowohl im Iran als auch im Westen studiert, aber aus der die Islamische Republik ihre Leute rekrutiert und welche zum Beispiel Ingenieurwesen studiert haben und jetzt in der Revolutionsgardenindustrie Waffensysteme entwickeln. Die säkulare Mittelklasse/Intelligenz gibt es auch noch, aber sie wurde stark ausgedünnt durch Migration, weil natürlich viele nach der Revolution 1979 und gerade auch während dem Iran-Irak-Krieg in den 1980ern ausgewandert sind und weiterhin kontinuierlich auswandern und wenn sie politisch auffällig waren vom Regime auch durch gezielte Repression dazu ermutigt werden meines Erachtens.

Worauf ich hinaus will ist dass die Islamische Republik (prinzipiell/potenziell) durchaus stark verankert ist in einem Teil der iranischen Gesellschaft, aber eben nur ein Teil und daher immer und jederzeit ein Legitimationsproblem in einem Teil der iranischen Gesellschaft hat. Unter Auslandsiranern natürlich im Besonderen, weil dort der Anteil säkularer Iraner besonders hoch ist, aber auch im Iran selbst. Dazu gibt es natürlich auch ethnische Minderheiten, wobei die Situation so ist, dass es eine persisch-schiitische Mehrheitsnationalkultur gibt und eine Reihe von Minderheiten, welche mal mehr mal weniger explizit eine eigene Identität entwickelt haben. Wobei letzteres auch nicht statisch ist und hier langfristige Prozesse stattfinden, in denen "kulturelle Traditionen" als einem "Volk" zugehörig definiert werden und dann mal mehr mal weniger explizit zum Beispiel eine kurdische Nationalkultur der persischen Kultur entgegen gesetzt wird. Man ist dann aber schon Iraner und kein Iraker zum Beispiel und ist dann so etwas wie ein Kurde aus Iran. Gerade für Sunniten ist es aber recht einfach den schiitischen Staatsislam abzulehnen, weil man eigene religiöse Strukturen und eine eigene religiöse Identität hat. Und als jemand der mal im Iran war kann ich sagen, dass man häufig auf große Entfernung eine Moschee des schiitischen Staatsislams als solche erkennt und man sieht einfach, dass die in manchen Gebieten fremd und anders ist.

Das sind die Bruchstellen, welche in der iranischen Gesellschaft existieren und die vor 10-20 Jahren nicht grundlegend anders waren, als sie es heute sind und sie werden auch in 10-20 Jahren noch existieren. Das heißt wenn es nächstes Jahr einen Systemwechsel gibt und ein säkulares System übernimmt, welches Säkularismus und einen persischen Ultra-Nationalismus als verbindendes Element ins Zentrum stellt, was ich für ein mögliches Szenario halte, dann wird das den Exiliranern sehr gut gefallen, aber es wird am Ende auch wieder Legitimationsprobleme in Teilen der Bevölkerung haben, welche eher konservativ-islamisch geprägt sind und solche mit einer mal mehr mal weniger explizit in Abgrenzung formulierten Minderheitenidentität. Darum hoffe ich auf das Szenario, welches ich bereits zu Beginn ein wenig dargelegt hatte, dass es weniger einen kompletten Umsturz geben sollte, als eine Öffnung des existierenden politischen Systems und der Etablierung einer parlamentarischen Demokratie in der sich die verschiedenen Gruppen in der Gesellschaft hoffentlich die Macht teilen können. Es wäre wenig gewonnen, wenn 1979 eine säkulare Diktatur durch eine islamische Theokratie ersetzt wurde und 2023 dann wieder eine islamische Theokratie durch ein neues säkulares autoritäres Regime ersetzt wird. Was es braucht ist nicht ständig zwischen These und Anti-These hin und her zu wechseln sondern endlich mal eine vernünftige Synthese zu versuchen.

Was wir nun in den letzten 10 Jahren erlebt haben ist eine Wirtschaftskrise im Iran, welche zu einem nachhaltigen Wohlstandsverlust für große Teile der Bevölkerung geführt hat. Das heißt Leute die eher Mittelklasse waren sind jetzt eher Unterschicht. Jeder muss sich überlegen, wo er sparen kann und Leute können sich von Jahr zu Jahr z.B. weniger Fleisch essen. Größere Anschaffungen sind nicht mehr möglich. Luxuskonsumgüter werden immer unerschwinglicher. Der Gürtel wird immer enger geschnallt und es wird von Jahr zu Jahr schlimmer. Und zwar für alle gleichermaßen. Und seit 2017/2018 finden entsprechend mit steigender Schlagzahl auch Proteste statt, insbesondere genau dort wo diese erwähnten Bruchstellen in der iranischen Gesellschaft verlaufen. Es gibt einen BBC-Artikel mit ein paar Grafiken, welche die wirtschaftliche Entwicklung deutlich machen:
How Iran’s economic woes created conditions ripe for protests
Man kann dort in der untersten Grafik sehr schön sehen, dass der Lebensstandard im Iran von Mitte der 90er bis Mitte/Ende der 00er Jahre kontinuierlich angestiegen ist und dann gesunken ist vor allem ab 2010-2012, als Obama die wirklich harten Sanktionen eingeführt hat, und sich jetzt in der Stadt auf dem Niveau der 90er Jahre befindet und auf dem Land deutlich unter dem damaligen Niveau. Das Atomabkommen hat zwischendurch wieder Ölverkäufe und zumindest den Beginn einer wirtschaftlichen Erholung ermöglicht und mit dem Wahlsieg von Trump im Januar 2017 und dem erneuten Ausstieg im Mai 2018 ging es dann wieder abwärts.

Wie die ökonomischen Auswirkungen unter Sanktionen sind ist m.E. sehr komplex und man sollte sich hüten hier nur negative Entwicklungen zu sehen und ich versuche auch selbst noch da ein wenig durchzublicken. Aber es scheint mir klar, dass die Islamische Republik schon Optionen hat die wirtschaftliche Entwicklung zu unterstützen, auch wenn die Wirksamkeit davon am Ende begrenzt ist. Daher ist die Einstellung welche Khamenei in seinen Reden verbreitet, dass man sich hier halt mehr ins Zeug legen muss und im Zweifelsfall die Bevölkerung das jetzt durchhalten muss.

Normalerweise würde der Iran sehr viel Öl und Gas verkaufen und damit Güter aller Art importieren und so einen hohen Handelsüberschuss haben, mit denen man Subventionen und Investitionen finanzieren kann oder mit denen man strategische Währungsreserven bildet. Das geht jetzt nun nicht mehr so wie vorher, weil man weniger Exporte hat durch die Sanktionen auf Ölverkäufe und man auch auf die ausländischen Währungsreserven nicht mehr zugreifen kann. Was der Iran nun versucht ist sich an diese Situation anzupassen, Khamenei hat das "Resistance Economy" genannt. Dabei geht es darum, dass man versucht den Staatshaushalt zu reformieren, die Sanktionen zu umgehen und die nationale Wirtschaft zu entwickeln. Und die Raisi-Regierung hat im Endeffekt den Auftrag genau das umzusetzen.

Was man jetzt gemacht hat, ist mehr Steuern zu kassieren. Weil im Iran bezahlt kaum einer Steuern. Die Revolutionsgarden und staatsnahen Stiftungen schonmal überhaupt keine und auch sonst wer Kontakte hat eher nicht. Da hat man mal etwas mehr draufgeschaut und das hat auch was gebracht und der Anteil der Steuereinnahmen am Budget ist stark gestiegen. Wobei es natürlich auch die Frage ist, ob eine Regierung die mit Unruhen zu kämpfen hat jetzt unbedingt die Steuern erhöhen sollte...

Dazu hat die Raisi-Regierung zuletzt eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt, welche die Ausgabenseite des Budgets verbessern sollen, die aber zur Inflation beitragen. Die iranische Zentralbank verkauft Staatsanleihen an staatsnahe Banken. Die staatsnahen Banken leihen sich das Geld aber bei der Zentralbank. Mit dem Geld wird dann ein Teil des Staatsbudget und zum Beispiel Subventionen finanziert. Damit kann man kurzfristig liquide bleiben, aber es erhöht natürlich künstlich die Geldmenge die im Umlauf ist. Dazu gibt ja die offizielle Rate (42000) und die inoffizielle Rate (aktuell ca. 400 000) und es gibt die Möglichkeit für die offizielle Rate zu importieren und der Staat bezahlt es. Im Mai diesen Jahres hat man die Möglichkeit abgeschafft die offizielle Rate zu nutzen für den Import von essenziellen Nahrungsmitteln und Medizin. Man hat das dann durch Direktzahlungen an sozial schwache Konsumenten ersetzt, aber es hat natürlich zu einem sprunghaften Preisanstieg über Nacht geführt, den man mit einiger Berechtigung als unmittelbare Ursache der Mahsa Amini-Proteste hinzuzählen kann, auch wenn es etwas verzögert war.
Flour Price Soars In Iran, Impacting Bread, Pasta, As Subsidy Stops
Inflation, subsidy reform hit stomachs in isolated Iran

Was dem Iran zuletzt gelungen ist ist mehr Öl zu exportieren. Durch die Verhandlungen zum JCPOA haben die USA in die andere Richtung geschaut und Iran konnte mehr Öl nach China verkaufen mit Firmen in den Emiraten als Mittelsmänner. (UAE Earns Big as Iran Sells Oil to China, Iran oil exports could rise further after June-July increase, trackers say) Man hat zuletzt mit Russland einen Konkurrenten hinzubekommen und es stellt sich die Frage, ob die USA im Zuge der Proteste und einer Pause der Verhandlungen zum JCPOA wieder verstärkt die Sanktionen umsetzen. Gleichzeitig hat man aber in Iran offensichtlich die Vorstellung, dass man sich stärker an die asiatischen Großmächte China und Russland binden will um so mehr Handel zu treiben. Es geht ja nicht nur um Rohstoffe, sondern auch darum Handelsbeziehungen in anderen Wirtschaftszweigen zu entwickeln, wovon die iranische Wirtschaft profitieren kann. Covid kam im Februar 2020 ursprünglich durch Flüge von Mahan Air in den Iran, welche zwischen Wuhan und Qom pendelten. Da ging es meine ich um chinesische Studenten und chinesische Arbeiter, die in Projekten in der Stadt arbeiten. Und in jüngster Zeit kann der Waffenhandel mit Russland als paradigmatisch gesehen werden. Die Iraner verkaufen Drohnen und Raketen und bekommen Waffen und was weiß ich noch alles. Dazu muss man nichtmal Geld überweisen, auch wenn natürlich Alternativen zum SWIFT-System in China und Russland entwickelt werden und Iran da nur dafür sein kann.

Was man natürlich auch machen kann ist die heimische Nachfrage durch große Infrastrukturprojekte anzukurbeln. Raisi hat zum Beispiel versprochen eine Millionen Wohnungen pro Jahr zu bauen. Ist natürlich klar, dass das wieder so ein typisches Mega-Projekt ist, das am Ende an die Revolutionsgardenunternehmen wie das Khatam al-Anbiyah-Konglomerat gegangen wäre mit dem Ziel die Mietpreise zu senken und die inländische Nachfrage anzukurbeln. Die Frage ist natürlich woher das Geld dafür kommen soll und wie viel dann am Ende in irgendwelchen korrupten Taschen verschwunden wäre. Passieren wird da nicht viel.

Von daher versucht die Raisi-Regierung schon die Situation zu verbessern, zumindest die eigene. Auch sind die jüngsten Prognosen für Iran gar nicht so negativ, der IWF erwartet im Moment 2-3% Wachstum, was natürlich nicht genug ist, aber immerhin. Ich vermute eine Kombination aus steigenden Ölexporten und eine allgemeine Erholung mit dem Abklingen der Covid-Epidemie. Auf der anderen Seite wurde das mit den Atomgesprächen nichts und das drückt die Stimmung. Man heizt die Inflation gerade im Moment besonders an und die Proteste selbst schwächen die Wirtschaft zusätzlich. Durch die unsichere Lage und Streiks (oder auch lange Internetsperren) sinkt die inländische Nachfrage und Investitionen und größere Anschaffungen werden jetzt natürlich nicht getätigt. Die bestehenden Öl- und Gasexporte drohen wegzufallen wenn die Sanktionen stärker umgesetzt werden. Die Inflation steigt auf absehbare Zeit weiter, auch wenn sie wieder nachlässt wenn sich die Preise den realistischen Marktpreisen angenähert haben, und der Lebensstandard sinkt weiter. Auch wenn die Regierung ihr Budget reformiert ist nicht wirklich abzusehen, wie das am Ende die ökonomische Lage der Leute wieder verbessern sollte. Und eine Regierung die Steuern erhöht und Subventionen streicht und trotzdem kein Geld zu haben scheint, strahlt nicht gerade Kompetenz aus und vermittelt keine Zuversicht für die Zukunft. Dazu kommt, dass wir mittlerweile eine Generation von jungen Menschen im Iran haben, welche in den letzten 10 Jahren praktisch nur Inflation und sinkenden Lebensstandard erlebt haben, ohne echten Aussicht auf gute Jobs, wenn sie überhaupt einen bekommen und einen sozialen Aufstieg im Arbeitsleben, während sie aber auch Zugang zu youtube etc. haben. Dazu kommen die Folgeerscheinungen der sozio-ökonomische Probleme wie mehr Drogensüchtige (habe sowas vor Ort selbst gesehen, wtf), Prostitution, Organhandel uvm. Das trägt, zusammen mit der so genannten "security atmosphere", d.h. der hohen Präsenz von Sicherheitskräften an zentralen Plätzen im öffentlichen Raum um Proteste zu unterbinden oder schnell niederzuschlagen, die dann aber zuletzt offenbar willkürlich Leute auf der Straße belästigen wie man so hört, zu einer allgemeinen gesellschaftlichen Stimmung des Niedergangs und der allgemeinen Verzweiflung bei, welche den Gottesstaat Iran zu einem zunehmend dystopischen Ort macht. Das haben die Exiliraner natürlich immer schon so gesehen, aber es entspricht zunehmend der Realität, selbst wenn man bereit ist die Islamische Republik zu tolerieren. (Es gab ja durchaus auch Zeiten nach dem ersten Golfkrieg, in denen der Lebensstandard gestiegen ist und es gibt durchaus sinnvolle Fortschritte in Sachen Infrastruktur (Teheraner Metro und Ausbau des Schienennetzes zum Beispiel) und einige Sachen, die besser sind als man vielleicht glaubt z.B. in Sachen Digitalisierung (insbesondere mobiles Internet ist top im Iran, sofern nicht geblockt) und das Gesundheits- und Bildungswesen (ist beides eigentlich nicht so schlecht wenn man die Umstände bedenkt) im Iran unter der Islamischen Republik. Aber zuletzt war es wichtiger den USA die Stirn zu bieten als der Bevölkerung ein ökonomisch erträgliches Leben zu sichern... Es wäre halt so viel mehr möglich, wenn man nicht so deppert wäre in der Außenpolitik...)

Und dieser sinkende Lebensstandard wird begleitet von Protesten, welche an Schlagzahl zunehmen. Die erste größere Protestwelle war zum Jahreswechsel Dezember 2017-Januar 2018. 2017–2018 Iranian protests Es gab auch danach immer wieder kleinere Proteste an den Unis und in den Provinzen aber so richtig zur Sache ging es im November 2019 als über Nacht der Benzinpreis erhöht wurde. Die Proteste flammten an den Unis im Januar dann kurzfristig wieder auf, als das Flugzeug abgeschossen wurde. 2019-2020 Iranian Protests Ukraine International Airlines Flight 752 Der Rest von 2020 war (wegen Covid?) eher ruhig aber vor allem im Sommer 2021 haben die Proteste dann wieder angezogen, auch in Folge des Klimawandels, wie ich hier auch im Strang immer wieder berichtet habe:
Ein paar Schlagzeilen machten Unruhen im Februar 2021 in Belutschistan. 2021 Sistan and Baluchestan protests (mein Post dazu). Es gab eigentlich durchgehend Proteste von Interessensgruppen wie Lehrer und Rentner, welche auf der Inflation angemessene Erhöhungen ihrer Bezüge bestanden. mein Post vom März 2021 dazu Im Juli Probleme in der Stromversorgung und eine Dürre, welche vor allem in Khuzestan (arabische Provinz in Südwestiran) Proteste auslösten. 2021 Iranian water protests Es gab aber auch Solidaritätsproteste in Tabriz und Teheran zum Beispiel. Videos habe ich hier im Strang gepostet. Im November 2021 gab es in Isfahan große Proteste wegen der Wasserversorgung. siehe mein Post im Strang Der Protest damals war größer als alle Mahsa Amini-Proteste außerhalb von Kurdistan und Berlin. (Artikel mit Video, wo man sieht dass das viele waren)

Und dann wieder nach einer Zeit wo es keine richtig großen Proteste gab ging es dann im September 2022 los mit den Mahsa Amini-Protesten, welche die Situation auf eine neue Ebene gehoben haben. Anstatt sporadischer Proteste die über einen Zeitraum von Jahren gesehen an Frequenz zunehmen, gibt es nun einen ununterbrochenen Zustand der Unruhe und Proteste, in manchen Gegenden mehr als in anderen. Aber ich habe den Eindruck, dass sich alle Seiten jetzt auf einen langfristigen Prozess einstellen, in dem das Regime weiter die Macht hat, allerdings konstant mit Unruhen unterschiedlicher Intensität zu kämpfen hat. Es wird nicht aufhören ehe die wirtschaftliche Lage besser wird und das Vertrauen in oder zumindest die Akzeptanz des Systems zurückkehrt. Oder bis die Legitimität des Regimes selbst unter eigenen Anhängern komplett erodiert ist, weil man zu viele Gräueltaten begangen hat ohne den Anschein zu erwecken die ökonomische und politische Situation dauerhaft unter Kontrolle bringen zu können. Weil es ist ja das allgemeine Verständnis wie solche Revolten ablaufen, dass die Kohärenz des Regimes die zentrale Rolle spielt. Sobald es Risse im System gibt und Leute überlaufen wird es interessant. Im Moment sehe ich das noch nicht, vielmehr erwarte ich Versuche des Systems die verschiedenen Lager im System wieder vermehrt an sich zu binden, die Opposition zu spalten und wenn möglich ins Exil abzuschieben oder anderweitig auszuschalten, aber man wird sehen was passiert. Dazu wird die Repression weiter hochgefahren, der Sicherheitsapparat ausgebaut, und man hofft sicherlich, dass sich die wirtschaftliche Lage dann doch irgendwann bessert oder zumindest stabilisiert.

Iran Protests Fueled by Sickly Economy - The New York Times
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von streicher »

Das Regime des Iran schüchtert Journalisten ein, die aus dem Iran berichten. Ein Beispiel der Deutschen Welle.
Seit er für die Deutsche Welle arbeitet, setzen sich die Einschüchterungsversuche nicht nur fort – sie ziehen immer größere Kreise. Im Juli berichtete Najdi für die Deutsche Welle über den Prozess ge­gen einen iranischen Justizbeamten, der in Stockholm wegen der Beteiligung an Massenhinrichtungen zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde. Nun kontaktierten die Sicherheitsbehörden in Iran selbst Freunde und Fremde, die Najdi auf Instagram folgen: „Sie forderten sie auf, mir nicht mehr zu folgen, und verwendeten für mich den Begriff ,Moaned‘, was so viel wie Staatsfeind bedeutet und mit dem Tod bestraft werden kann.“
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/ ... 31679.html
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von roli »

Billie Holiday hat geschrieben: Mo 12. Dez 2022, 13:20 Sie soll neidisch sein auf Frauen, die jedem stinkenden Typen ihren Körper verkaufen?
Ernsthaft?
Eine gebildete, kluge, unabhängige Lesbe?
Im Ernst?

Wenn du da mal nicht die Attraktivität der Männer reichlich überschätzt. :D
Durchaus ein Argument. ;)
Also der letzte Satz.
Du, manchmal konnte ich in der Vergangenheit der Alice sogar bisweilen zustimmen.

Aber na ja, Jeder soll seine Meinung haben. Habe auch nix gegen Lesben etc. Kenne ja auch Einige.
Ganz normale Menschen wie Du und ich.

Es gefällt mir auch nicht, daß es Staaten gibt, wo solche Dinge nicht toleriert werden.
Aber Ich bin nicht so arrogant und versuche solche Menschen zu belehren.

Die Welt tickt nicht so einfach, wie z.B. unsere liebe Nancy (oder auch Einige hier) das gerne hätte.

Was mir am Iran gut gefällt, ist die Tatsache, daß die Menschen versuchen, sich zu wehren.
Verbesserungen kann es nur von innen heraus geben, nicht durch Belehrungen westlicher Gutmenschen.
Siehe auch China. Erst durch die massiven Proteste im eigenen Land wurden die Coronamaßnahmen gelockert.
Was aber aufgrund der dortigen Impfsituation vielleicht zu früh ist.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Astrocreep2000 »

Platon hat geschrieben: Mi 14. Dez 2022, 05:22(...)Es wäre wenig gewonnen, wenn 1979 eine säkulare Diktatur durch eine islamische Theokratie ersetzt wurde und 2023 dann wieder eine islamische Theokratie durch ein neues säkulares autoritäres Regime ersetzt wird. Was es braucht ist nicht ständig zwischen These und Anti-These hin und her zu wechseln sondern endlich mal eine vernünftige Synthese zu versuchen.(...)
Danke für Deine interessanten und schlüssigen Erläuterungen!

Ich will gerne mal zum Thema Sanktionen nachhaken: Die aktuellen Proteste werden gerne als Erfolg der Sanktionen hergenommen. Wobei ich sagen würde: Schauen wir mal, was das Endergebnis ist.

Unter den Sanktionen leiden ja zuerst mal seit Jahren die einfachen Leute. 2015/2016 sind z.B. viele bereits in den Iran geflüchtete Afghanen weiter nach Europa gezogen, weil sie dort ohnehin schon als Tagelöhner ausgebeutet wurden, solche Jobs fielen dann sukzessive auch noch weg, bzw. ernährten die Familie nicht mehr. Was die schon vor Jahren aus dem Iran berichteten, war schon heftig. Und das ist ja alles noch viel schlimmer geworden. Dem Regime und seinen Schergen dagegen geht es in der Spitze immer gut - und in der Breite auch immer noch deutlich besser, als dem Durchschnitt.

Wenn jetzt also tatsächlich zeitnah ein Regimewechsel stattfinden sollte, der - entgegen aller von Dir geschilderten Herausforderungen - umgehend ein stabiles System etablieren würde, anstatt in bürgerkriegsartigen Zustände zwischen der neuen, säkularen Regierung und den ja nicht vom Erdboden verschwindenen Anhänger einer islamischen Republik mündet: Dann könnten wir sagen, dass der Preis, den die einfachen Menschen Dank der Sanktionen über ein Jahrzehnt erleiden mussten, die Sache wert war ...

Andererseits: Eine Freundin meiner Familie ist Journalistin hat vor wenigen Jahren als Frau ausgiebig den Iran bereist und darüber ein Buch geschrieben. Sie war der Meinung: Der Iran (das historische Persien) ist eine an Kultur, Bildung, "Brainpower" und Geschichte - und natürlich auch an Rohstoffen - derart reiche Kultur, dass, wenn man sie sich entwickeln ließe, zwangsläufig ein liberaler, zur Mitbestimmung des Volkes neigender Staat entstehen muss. Nun seien es zum einen die Mullahs, die dies verhindern wollten - aber durchaus auch der Westen, der gar kein Interesse an einer prosperierenden Regionalmacht mit diesem Potential hätte. Deshalb die Sanktionen.

Ich habe keine abgeschlossene Meinung dazu - sehe das Regime aber zum einen noch nicht am Ende und teile anderseits Deine Befürchtungen, dass der Iran nach dem Vorbild anderer Länder der Region zunächst mal im (Bürgerkriegs-)Chaos versinken könnte. Oder die Islamisten ziehen sich - wie die Taliban in Afghanistan - erstmal scheinbar zurück und warten auf die nächste Gelegenheit.

Gut, wir werden sehen und abschließend können dann Historiker eine Bewertung des hätte-wäre-wenn vornehmen.

Ich bin jedenfalls noch hin- und hergerissen: In den Jahren vor den Sanktionen gab es ja einen Aufschwung im Iran (hattest Du oben ja auch beschrieben) und der führte auch nicht dazu, dass das Regime fester im Sattel saß, sondern weckte Begehrlichkeiten der gebildeten Mittelschicht nach mehr Freiheit und Mitbestimmung. Bei Rohani hatte ich auch durchaus den Eindruck, dass das ein sehr gebildeter Mann ist, der um Ausgleich bemüht war.

Ich bin halt der Meinung, dass die Bildung von Demokratie schwierig ist auf der Basis, dass es den Menschen wirtschaftlich extrem schlecht geht. Bei uns hat das zwar funktioniert, das Land stand aber auch vor dem Nichts und wir hatten gar keine andere Wahl. Ansonsten entstand Demokratie immer auf Basis von zunehmendem Wohlstand und Bildung in der Breite.

Umgekehrt sehen wir ja in westlichen Demokratien dort, wo Wirtschaft wegbrachte und die Menschen wirtschaftlich straucheln, Demokratie in den Hintergrund rückt und Rechtspopulisten und Nationalisten gewählt werden ...

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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von streicher »

Selbst Minderjährige will das Regime hinrichten lassen.
Wer Glück hat, darf das Gefängnis nach Zahlung einer Kaution verlassen, doch viele können sich das nicht leisten. So wurde auch der 15-jährigen Amir Hossein Rahimi für die Teilnahme an einer Demonstration verhaftet, dabei wurde auf ihn geschossen. Seine Familie kann die Kaution von 11.500 Euro nicht zahlen. Er werde gefoltert und die Schrotkugeln seien auch nach zwei Monaten noch nicht aus seinem Körper entfernt worden, berichtet die „ Bild “. Auch dem Teenager droht jetzt die Todesstrafe durch Erhängung.
https://www.focus.de/politik/ausland/pr ... 59022.html
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Misterfritz »

streicher hat geschrieben: Do 15. Dez 2022, 19:17 Selbst Minderjährige will das Regime hinrichten lassen.
Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass sich die Mullahs damit auf Dauer an der Macht halten können. Solche Regime funktionieren nur, wenn es den Leuten wirtschaftlich einigermassen gut geht. Und das wird ja im Iran immer schlechter.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Panarin »

Misterfritz hat geschrieben: Do 15. Dez 2022, 20:16 Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass sich die Mullahs damit auf Dauer an der Macht halten können. Solche Regime funktionieren nur, wenn es den Leuten wirtschaftlich einigermassen gut geht. Und das wird ja im Iran immer schlechter.
Was ist mit Nordkorea?
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Misterfritz »

Panarin hat geschrieben: Do 15. Dez 2022, 20:23 Was ist mit Nordkorea?
Das kann man wirklich nicht vergleichen.
Nordkorea ist total isoliert, die Bevölkerung hat zumeist null Zugang zu anderen als den Staatsmedien.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Ammianus »

Panarin hat geschrieben: Do 15. Dez 2022, 20:23 Was ist mit Nordkorea?
Die werden durch China gestützt. Peking hat dadurch einen Vasallen an seiner Grenze, der gar nicht anders kann. Ein geeintes Korea wäre eher Teil des Westens.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Panarin »

Misterfritz hat geschrieben: Do 15. Dez 2022, 20:33 Das kann man wirklich nicht vergleichen.
Nordkorea ist total isoliert, die Bevölkerung hat zumeist null Zugang zu anderen als den Staatsmedien.
Das geschieht im Iran doch auch immer mehr.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Misterfritz »

Panarin hat geschrieben: Do 15. Dez 2022, 21:53 Das geschieht im Iran doch auch immer mehr.
Ja, aber die konnten ja vorher immer einen Blick in die Welt tun - das konnten die Nordkoreaner nicht.
Ausserdem haben - zumindest die mit Geld - immer noch die Möglichkeit, das Land zu verlassen.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Platon hat geschrieben: Mi 14. Dez 2022, 05:22Dieses 2-Kulturen-Phänomen ist eine Eigenschaft der iranischen Gesellschaft seit dem 20ten Jahrhundert. Meine Sichtweise wäre, dass sich in den ersten Jahrzehnten des 20ten Jahrhunderts eine säkulare städtische Kultur entwickelte zu der sich dann durch verstärkte Urbanisierung/Landflucht (in den 1960er und 1970er Jahren) eine islamisch-konservative urbane Kultur hinzugesellt hat, die dann 1979 die Macht übernommen hat, als die säkularen Pahlavis durch eine islamische Theokratie ersetzt wurde. Ein Phänomen der sich in anderen Ländern der Region wiederholt hat und in vielen Ländern zum Aufkommen von islamistischen Strömungen führte von den Vorgängern der AKP in der Türkei bis zu einem Anstieg in Prominenz der Muslimbrüder in Ägypten bzw. ihrer verschiedenen Ableger in der Region. Hier hat sich dann durch sozio-ökonomischen Aufstieg auch eine islamisch-konservative Mittelklasse und Intelligenz gebildet, die dann sowohl im Iran als auch im Westen studiert, aber aus der die Islamische Republik ihre Leute rekrutiert und welche zum Beispiel Ingenieurwesen studiert haben und jetzt in der Revolutionsgardenindustrie Waffensysteme entwickeln. Die säkulare Mittelklasse/Intelligenz gibt es auch noch, aber sie wurde stark ausgedünnt durch Migration, weil natürlich viele nach der Revolution 1979 und gerade auch während dem Iran-Irak-Krieg in den 1980ern ausgewandert sind und weiterhin kontinuierlich auswandern und wenn sie politisch auffällig waren vom Regime auch durch gezielte Repression dazu ermutigt werden meines Erachtens.
Diesen Punkt kann man sehr schön in diesem Foto sehen:

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Platon
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Man ist ja neuerdings auf die Idee gekommen, dass man politische Patenschaften übernimmt. Also irgendwelche europäischen Parlamentarier aus der zweiten und dritten Reihe oder sonstige etwas bekanntere Leute bekommen einen festgenommenen Demonstranten zugewiesen und schreiben dann besorgte Briefe an den iranischen Botschafter und Menschenrechtsorganisationen und posten natürlich auch auf Twitter darüber. Ich weiß ja nicht. Soll natürlich Öffentlichkeit bringen und diese Leute ein wenig zum Engagement ermutigen, wirkt auf mich aber schon etwas albern erstmal um ehrlich zu sein.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von streicher »

Madschid-Resa Rahnavard wurde öffentlich im Iran erhängt. Seine letzten Worte sind nun bekannt geworden. Ein Held.
Der 23-Jährige wird von seinen Wächtern schließlich vor laufender Kamera gefragt, was er in seinem letzten Willen geschrieben habe. „Wo sie mich begraben sollen, dass ich nicht will, dass sie weinen“, antwortete Rahnavard. „Sie sollen nicht den Koran lesen und beten. Sie sollen glücklich sein. Frohe Lieder spielen.“
https://www.ksta.de/politik/letzte-wort ... sen-380243
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von streicher »

Die prominente Schauspielerin Taraneh Alidoosti, die mehrmals ihre Solaridarität mit den Protestierenden bekundet hat, ist festgenommen worden.
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inha ... 069a3.html
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Platon
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »



Na dann. :?

Offenbar wollen die Iraner den JCPOA wiederbeleben, aber ob sie bereit sind die problematischen Messwerte gegenüber der IAEA wirklich aufzuklären und was die EU und USA dazu sagen, das wird man sehen. Es war ja eigentlich auch vorher schon klar, dass die Rückkehr zum eigentlichen JCPOA steht. Das Problem war die Untersuchung der IAEA zu Funden von radioaktiven Rückständen in iranischen Anlagen, die eigentlich nicht Teil des Atomprogramms sind und welche nach sachdienlichen Hinweisen aus Israel gemacht wurden. Der Iran hat da bisher nur unbefriedigende Erklärungen abgegeben. Tendenziell weil man damals vor 2003 irgendwelche Sachen gemacht hat, die man heute nicht öffentlich machen will. Durch die Mahsa Amini-Proteste ist die Motivation des Regimes zum JCPOA zurückzukehren natürlich schlagartig angestiegen, aber bei der US-Regierung ist natürlich das genaue Gegenteil der Fall. Ich bin mal gespannt, ob die USA jetzt einfach nein sagen und eine Rückkehr zum JCPOA mit welcher Begründung auch immer ablehnen oder ob die Iraner selbst jetzt nicht bereit sind vernünftige Antworten zu geben, wie die Messwerte der IAEA zustande gekommen sind. Oder ob es doch eine Rückkehr zum JCPOA gibt, weil die Proteste waren zuletzt ja deutlich abgeklungen.
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Platon
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Interessante Datenanalyse wie sich die Proteste entwickelt haben.

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Tom Bombadil
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Tom Bombadil »

"Es reicht nicht, das islamische Regime abzuschaffen"
Wer im Iran protestiert, muss mit Tod oder Folter rechnen. Wofür? Hier sprechen junge Iraner über ihre politischen Visionen für das Land.

https://www.zeit.de/zett/politik/2022-1 ... onstranten

Die junge Generation wird sich langfristig durchsetzen :thumbup:
The tree of liberty must be refreshed from time to time with the blood of patriots and tyrants. It is its natural manure.
Thomas Jefferson
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Diffamierer der Linken.
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