@Illerkirchberg
Der Tod einer 14jährigen ist so schrecklich, dass Trauer und Mitgefühl richtig ist. Falsch sind schnelle Reflexe. Dazu zähle ich, wenn die AfD von Messermördern unter dem Schutz des Asylrechts spricht genau so wie Leitartikel, die behaupten, es sei vollkommen gleichgültig, ob der Täter ein Asylbewerber war.
Notwendig wäre es allerdings, dass dieses Land die Frage, ob ein Muster hinter den tödlichen Angriffen der letzten Jahre auf wehrlose Menschen steckt, offen und ehrlich analysiert. Daraufhin muss dieser Fall untersucht werden. Ich habe dazu in meinem Buch „Wir können nicht allen helfen“, schon 2017 ein Kapitel geschrieben. Und seither sind viele weitere ähnlich gelagerte Fälle hinzugekommen. Vor einem Jahr war ich zufällig an dem Tag in Würzburg, als ein Asylbewerber in der Innenstadt wahllos Frauen erstach.
Ich stimme Boris Palmer vollkommen zu:
Die Forschung hat sich endlich mit der Frage nach den Mustern dieser Verbrechen zu beschäftigen (ob und ggf welche es gibt). Es Jahr für Jahr und Fall für Fall bei dem Befund "trauriger Einzelfall" zu belassen, kann uns als Gesellschaft nicht genügen. Das darf nicht alles sein, was uns dazu einfällt...
Dafür gibt es zu viele diese angeblichen Einzelfälle wo Menschen ohne (scheinbar) ersichtlichen Grund in der Öffentlichkeit mit Messern angegriffen und oft, viel zu oft, getötet werden.
Die Frage nach einem Muster muss gestellt werden. @AfD und @LInke/Grüne/weitere:
Hört mir auf die Beantwortung der ernsten, komplexen Frage mit einer Reduktion auf "Asylbewerber=Mörder" zu "beantworten".
Diese widerliche, unterkomplexe Antwort ist keine Antwort auf Fragen nach intrinsische Motivationen, auf begünstigende/auschlaggebende Faktoren die sehr wohl in Herkunfständern, Sozialisation, Geschlecht, Alter, soziale Situation, Frustrationstoleranz, durchgemachte Traumata uva mehr liegen könnten.
"Asylbewerber=Mörder" ist keine Antwort sondern eine böswillige Diskursverweigerung, die komplett abzulehnen ist.
Es ist auch keine Antwort auf Fragen nach möglicher und notwendiger Prävention,
Im vorliegenden Fall scheint der Tatverdächtige dem ersten Vernehmen nach nicht polizeibekannt gewesen zu sein, wie in vielen anderen Fällen.
Ich fahre mit dem Zitat von Palmer fort:
Wie so oft erhielten die schrillsten Töne zunächst die größte Aufmerksamkeit. Die AfD wies der Bundeskanzlerin „eine indirekte Mitverantwortung“ für den Tod der Studentin zu. Eine absurde Logik, nach der Daimlerchef Zetsche eine indirekte Mitverantwortung an jedem toten Radfahrer trägt, der von einem Mercedes überrollt wurde. Wer den Begriff der Verantwortung so weit ausdehnt, macht alle für alles verantwortlich und schafft damit letztlich die totale Verantwortungslosigkeit.
Gegenüber solch dreisten Vorwürfen, die wohl vor allem das Ziel haben, die Urheber in der Öffentlichkeit zu positionieren, ist die Forderung berechtigt, den Tod eines Menschen nicht für politische Zwecke zu instrumentalisieren. Vielfach wurde dieser Appell aber auch in einer Weise verwendet, die eher dem Zweck diente, eine Debatte über mögliche Konsequenzen aus dem tragischen Ereignis gar nicht erst aufkommen zu lassen. „Mord ist Mord, völlig egal, woher der Täter ist. Die Tat wird moralisch nicht verwerflicher, wenn der Mörder ein Asylbewerber ist.“ So oder ähnlich wurde häufig argumentiert.
Zweifellos stimmt das. In allen Rechtsordnungen ist Mord das schlimmste aller Verbrechen. Eine Steigerung ist allenfalls der Massenmord. Ein Mord ist an sich verwerflich. Und dennoch macht es einen Unterschied, welcher Herkunft der Täter ist. Dies hat schon der Moralphilosoph Immanuel Kant in seiner Schrift vom ewigen Frieden formuliert. Im dritten Definitiv-Artikel beschreibt er ein Gastrecht, das jeder Mensch überall auf der Welt beanspruchen könne, weil die Oberfläche der Welt begrenzt sei und wir sie uns teilen müssen. Allerdings sei dies Gastrecht daran geknüpft, dass der Gast sich friedlich, also gesetzestreu verhalte. Gegenüber einem friedlichen Gast sei eine feindselige Behandlung unzulässig.
Ein Gast – das wäre in der Kantschen Definition auch ein Asylbewerber –, der einen Menschen umbringt, macht sich also nicht nur eines Mordes schuldig, er vergeht sich auch gegen das Gastrecht. Das letztere ist einem Einheimischen per Definitionem unmöglich. Und dies ist mehr als eine philosophische Randbemerkung, es hat gravierende Konsequenzen. Ein solch schwerer Missbrauch des Gastrechts stellt nämlich das Gastrecht selbst in Frage, weil die Gastgeber zwangsläufig darüber nachdenken, ob sie das Risiko, Gäste aufzunehmen, weiter tragen wollen. Wer als Gast zum Mörder wird, schmälert die Chancen anderer, als Gast aufgenommen zu werden. So geschah es auch in Deutschland nach den Gewalttaten von Flüchtlingen im Jahr 2016.
Alle über einen Kamm zu scheren, ist immer falsch. Es ist nur eine sehr kleine Minderheit unter den Asylbewerbern, die zur Gewalt greift. Ein Generalverdacht gegen Asylbewerber oder gar alle Ausländer ist unmenschlich und zerstört die Fundamente einer pluralistischen Gesellschaft. Trotzdem ist es vernünftig, Gewalt von Asylbewerbern besonders zu beobachten, nach ihren Ursachen zu forschen und spezifische Gegenmaßnahmen von der Prävention bis zur Strafverfolgung zu ergreifen.
Wir müssen von Asylbewerbern nicht erwarten, dass sie sich gesetzestreuer als deutsche Staatsbürger verhalten. Wir dürfen es aber. Und dass die Meinungen an diesem Punkt auseinander gehen, ist in einer offenen Gesellschaft normal. Es gab beeindruckende Statements von Flüchtlingshelfern, die nach dem Mord in Freiburg erklärten, sie würden keine Sekunde darüber nachdenken, ihr Engagement nun zu reduzieren. Trotzdem sollten wir auch zulassen, dass Menschen sagen, sie können nicht akzeptieren, dass Menschen, die hierher kommen und angeben, sie seien auf der Flucht, in kürzester Zeit zu Mördern werden. Das eine ist nicht naiv, das andere ist nicht bösartig. Beides sind menschliche Reaktionen.
auch hier stimme ich Palmer zu.
https://www.facebook.com/ob.boris.palme ... 5193600628
Unterstreichung von mir eingefügt
Wer Ironie findet, kann sie behalten. Wer nicht, sein/ihr Problem.
„Wenn man merkt, daß der Gegner überlegen ist und man Unrecht behalten wird, so werde man persönlich, beleidigend, grob.“
Schopenhauer