Kritik: sinnvolle und konstruktve oder reflexhafte und trojanische Äußerungen

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Der Neandertaler
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Registriert: Sa 12. Jul 2008, 03:48
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Kritik: sinnvolle und konstruktve oder reflexhafte und trojanische Äußerungen

Beitrag von Der Neandertaler »

Die Kritik an anderen hat noch keinem die eigene Leistung erspart.
(Sir Noël Pierce Coward - englischer Schauspieler, Schriftsteller und Komponist)

Samstag brachte die Sueddeutsche Zeitung einen Artikel, in welchem darüber berichtet wurde, daß ein "deutsches Magazin einem Medienanwalt ein Walter-Ulbricht-Bärtchen andichtet", wogegen dieser sich (natürlich) wehrt und eine Gegendarstellung erwirkt. Da diese erzwungene Gegendarstellung jedoch mit dem Abdruck zweier Fotos begleitet war, die das Gegenteil ... also die "richtige" Haltung des Kritikers beweisen sollte, zog der Medienanwalt abermals vor Gericht.
Abgesehen davon, ob der Vergleich stimmt, bleibt die Frage, ob es sinnvoll oder hilfreich ist, Menschen auf ihr Äußeres zu reduzieren.
Andererseits: Männerbärte sind unhygienisch - in ihnen befinden sich meist weit mehr Bakterien, Viren und Pilze als im Fell eines Hundes.

Seitens Kritiker von "Fridays for Future" ist immer wieder zu hören, daß dies weniger ein "Klimastreik" sei, sondern Befürworter und Anhänger der Bewegung würden sich vielmehr über den Schulstundenausfall freuen und nur deshalb auf die Straße gehen. Aus Wissenschaft kam weitgehend Zustimmung und Lob. Teilweise auch zustimmende, trojanische Zustimmung. Aber eben auch Kritik.

Etwa äußerte der FDP-Vorsitzenden Christian Lindner in einem Interview mit Bild am Sonntag und auf Twitter, daß dies "eine Sache für Profis" sei, da man von Kindern und Jugendlichen "nicht erwarten" könne, "daß sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen". Zudem sollten sie, anstatt zu streiken, sich erstmal in der Unterrichtszeit "über physikalische und naturwissenschaftliche sowie technische und wirtschaftliche Zusammenhänge informieren."
Im Gegensatz dazu kam vom Presse- und Informationsamt der damaligen Merkel-Regierung Anerkennung und Bewunderung. Was allerdings in der Talkshow des NDR von Jakob Blasel als "Realsatire" bewertetet wurde.
"Wir können unsere Klimaschutzziele nur dann erreichen, wenn wir auch Rückhalt in der Gesellschaft haben. Und deshalb begrüße ich es sehr, daß junge Menschen, Schülerinnen und Schüler demonstrieren und uns sozusagen mahnen, schnell etwas für den Klimaschutz zu tun. Ich glaube, daß das eine sehr gute Initiative ist."
Lieber von den Richtigen kritisiert als von den Falschen gelobt werden.
(Gerhard Kocher -schweizer Politologe, Gesundheitsökonom und Aphoristiker)

Als angesichts der Tatsache, daß Glühbirnen nur etwa fünf Prozent der Energie in Licht umwandeln und den Rest der zugeführten Energie als Wärme an den Raum abgeben, 2012 in der Europäischen Union das Glühbirnenverbot verordnet werden sollte, hat die Wirtschaft daran reflexhaft Kritik geübt. Äußerungen wie "... ungemütliches Licht und eine lange Anlaufzeit" gehörten ebeso dazu, wie auch vermeintlich wissenschaftliche "Beweise".
So behauptete der Lichtplaner Peter Andres frech und kurzum: "Man hat die Leute wirklich betrogen!" und er sei "Heute noch wütend"
"Den Verbrauchern sei suggeriert worden, Energiesparlampen seien umweltfreundlich, dabei sei das Gegenteil der Fall."
(Stichwort: Quecksilber im Haushaltsmüll)
Heute kann jedenfalls zweierlei festgehalten werden, daß erstens das Glühlampen-Aus eine Erfolgsgeschichte ist, die seinerzeitige Kritik weniger sinnvoll, weil zeitraubend war. Auch, weil man sich nicht mit dem Grund-Problem beschäftigt hat ... beschäftigen wollte, sondern vielmehr gewohnte Geschäftsfelder bewahren wollte.
Zweitens: Es hat nicht lange gedauert, daß Lichtplaner und Industrie das getan hat, was Unternehmen zu eigen ist ... sein sollte: Unternehmer sollen etwas unternehmen, um das Überleben ihres Unternehmens zu sichern. Mittlerweile kann man jedenfalls feststellen, daß recht kreative, aber teilweise etwas teurere Leuchten hergestellt und verkauft werden.

Max Hopp, Deutschlands ehemaliger Darts-Primus sagte nach einem durchaus schwach gespielten Jahr 2021, in der er viel Kritik zu lesen bekam - teilweise auch hämischer Art, daß er von der Kritikkultur in Deutschland genervt sei.
"Mich läßt es nicht kalt, ich finde es einfach schade. Wir sind eine sehr demotivierende Gesellschaft. Es ist eher das Draufrumgehacke. Es gibt zwei Extreme. Entweder du bist der Depp – oder gleich der Superheld."
  • Leben wir also in einer destruktiven, hyperventilatierenden Gesellschaft, mit teils unsachlicher, unangemeßener und übertriebener, verletzender Kritik?
"Ich teile Ihre Meinung nicht, ich werde aber bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, daß Sie Ihre Meinung frei äußern können." (Voltaire)
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