UNSHELL-Die neue EU Direktive zur Bekämpfung der Steuervermeidung

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Gin-Tonic
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Registriert: So 2. Feb 2020, 08:47

UNSHELL-Die neue EU Direktive zur Bekämpfung der Steuervermeidung

Beitrag von Gin-Tonic »

Guten Morgen an alle :)

mich wunderte es dass die neue EU Direktive UNSHELL, die in der Pipeline der Kommission steckt, hier noch nicht angekommen ist. Ich habe sie überflogen und wollte einen kleinen Einblick geben was da auf uns zukommt.

Erst mal der Link zum offiziellen Dokument (Proposal);

https://ec.europa.eu/taxation_customs/s ... rt1_v7.pdf

Sie ist bisher nur auf Englisch verfügbar (hab sonst nix gefunden), ich gebe mal einen kleinen Überblick:

Ab wann soll sie angewendet werden? 2024, dann soll sie aber auch rückwirkend für 2 Jahre gelten

Um was geht es?
UNSHELL soll die nächste Stufe von ATAD (Anti Tax Avoidance Directive) werden. Unternehmen, die ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat haben, müssen bei grenzübergreifenden Operationen mit anderen EU Unternehmen ihre Substanz belegen. Ziel ist es dass Gewinne nicht mehr über Zinsen, Royalities o.ä. über "Firmenhüllen" abgeschöpft werden, um dann ins Nicht EU Ausland transferiert zu werden.

Wen trifft es?
Unternehmen mit Sitz in einem EU Staat die gewisse Konditionen erfüllen. So müssen die Gewinne aus verschiedenen Einkommensbereichen sein (Dividenden, Zinsen, aber auch Mieten, etc...) und einen Grossteil der Gewinne des Unternehmens ausmachen (Artikel 6 des Vorschlags). Gleichzeitig müssen relevante Aktivitäten im Day-to-Day Management outgesourced sein, ebenso wie das "Decision taking" (da wirds schon knifflig ;) ).

Wie soll das gehen?
Unternehmen, die unter den vorigen Absatz fallen, müssen ein zusätzliches Reporting umsetzen, in dem sie ihre Substanz gegenüber den Finanzämtern (FA) ofenlegen müssen. Unter anderem über die Betriebsstätte, ein genutztes (!) Bankkonto in der EU, sowie qualifiziertes Personal die die Aktivität ausüben kann (oder einen unabhängigen Director der auch in der Nähe lebt, also geht Unternehmen in Irland und Director in Ostsibierien schon mal nicht).

Dann folgt erst einmal viel prozeduraler Blabla den ich euch erspare, sowie Ausnahmen (zb für Fonds, Banken etc) :D

Diese Informationen sollen im Rahmen des schon aktiven Informationsaustauschs zwischen den Mitgliedsstaaten geteilt werden. Erfüllt eine "Shell" die Kriterien nicht, bleibt das Unternehmen zwar im jeweiligen Staat "ansässig", kann aber nicht von den üblichen Direktiven profitieren (vor allem also die Mutter-Filial-Direktive sowie Zinsdirektive).
Der Mitgliedsstaat von wo aus die Zahlung erfolgt wendet also nicht mehr die steuerrechtlichen Dispositionen zwischen sich und dem Ansässigkeitsstaat der Shell an, sondern die zwischen ihm und dem Anteilseigner der Shell. Sitzt der dann zb auf den Bermudas kracht es :p

So die grobe Zusammenfassung. Wie denkt das Forum darüber?

Es ist erstmal zu begrüssen dass die EU gegen aggressive Steuerpraktiken vorgeht, je nach Schätzung (keiner weiss es genau) liegt der Schaden von solchen Modellen irgendwo zwischen 20 und 185 Milliarden Euro.
Auf der anderen Seite sehe ich hier wieder höhere Kosten für die Unternehmen (Compliance) und Verwaltungen, die die Prüfungen durchziehen, austauschen, und die einkommenden Informationen aus dem Ausland auswerten sollen.
Ebenfalls skeptisch macht mich der Passus dass bei Nicht EU Ländern weiterhin die alten DBAs gelten, in der Hinsicht dass es da ein Inselreich vor der französischen Küste gibt das mit allen Ländern DBAs hat die zumindest sehr nahe dran sind an den oben genannten Direktiven (Zinsen, Dividenden etc). Wenns sehr blöd kommt könnte das ein Konjunkturpgrogramm für London werden :? Hier muss man auf die endgültige Fassung warten.

Für wen es sich lohnt ist erst mal sicher, die Big Four kegeln damit wieder einmal die kleinere Konkurrenz weg :) (für die die es noch nicht wissen, die Kommission lässt sich von denen und noch einer anderen grossen Firma zum Thema Steuerrecht beraten, praktisch gell :D)
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