schokoschendrezki hat geschrieben:(27 Nov 2020, 04:52)
Als wenn es allein die polnische oder ungarische Regierung wären, die diese europäische Idee erodieren lassen. Der EU-Haushalt wurde schon zigmal und vor allem von seiten Frankreichs oder UKs in Haftung genommen. Zwischen Frankreichs Präsident Macron und der bundesdeutschen Verteidigunsministerin AKK gab es jüngst eine heftige Auseinandersetzung bezüglich der Frage des transatlantischen Bündnisses und der Rolle der Eigenständigkeit der EU in dieser Frage. Das ist nicht nur einfach eine Differenz in der Frage der Höhe irgendwelcher Agrarsubventionen. Sondern eine ganz fundamentale Differenz.
Dass es hier um (eine) ganz fundamentale Differenz(en) geht, wissen wir doch längst. Solche fundamentalen Differenzen haben sich bislang aber immer an einigermaßen offenen Diskussionen über fundamentale Fragen bemerkbar gemacht - wie jetzt zwischen Macron und AKK. Es gab auch immer Differenzen über den Haushalt. Die hatten aber nie zentral etwas miteinander zu tun. Sie wurden nicht miteinander verknüpft. Egal wo und egal welcher Haushalt beraten wird (EU, Bund, Länder, Kommunen...), gibt es IMMER Diskussionen. Es hat in der Geschichte der Menschheit wohl noch nie einen Haushalt gegeben, der ohne Diskussion einstimmig verabschiedet wurde. Selbst in totalitären Staaten wird hinter den Kulissen diskuriert. Wir haben in der EU jetzt aber erstmals den Fall, dass zwei Staaten solche "fundamentalen" und "rein haushaltsrechtlichen" Differenzen verknüpfen. Es ist das erste Mal, dass zwei Staaten OHNE SACHGRUND!!! den Haushalt blockieren, um eine fundamentale Frage zu klären: Müssen Mitgliedsstaaten der EU "rechtsstaatlich" handeln? Dabei ist das Rechtsstaatsprinzip doch eigentlich von allen Mitgliedsländern schon beim Beitritt zur EU als verbindlich akzeptiert worden. Was hat dieses Rechtsstaatsprinzip plötzlich mit dem Haushalt zu tun? War es jemals an den Haushalt gebunden?
Fakt ist und bleibt: Polen und Ungarn versuchen gerade, den Haushalt zu missbrauchen, um einen bisher allgemein anerkannten fundamentalen Grundsatz infrage zu stellen. Das ist Erpresssung! Nicht mehr und nicht weniger.
Auch der Brexit ist - wenn man es historisch sieht - nicht einfach nur etwas, was auf "Minus Eins" hinausläuft.
Stimmt. Aus britischer Sicht läuft der Brexit auf "Minus Siebenundzwanzig" hinaus. Das ändert aber nichts. Selbst die Briten haben nie versucht, den EU-Haushalt zu einer Waffe zu machen, um die anderen Mitglieder zu erpressen. Es gab immer eine klare Trennung zwischen den "Haushaltsfragen" und den "fundamentalen" Fragen.
Und die Rolle Polens in Europa geht fundamental über die als Wirtschaftsstandort hinaus. Was nämlich die Beziehungen zum Baltikum, zur Ukraine, zum Ukrainekonflikt, zu den politischen Entwicklungen in Belarus und vor allem allgemein Russland anbelangt.
Da müsste man dann auch mal die Frage stellen, ob das Baltikum und/oder die Ukraine sich gerade lieber auf Polen oder auf die "Rest-EU" verlassen wollen. Weiter oben habe ich klar gesagt, dass ich persönlich Polen gern in einer viel engeren Verbindung zur EU und insbesondere zu deutsch-französischen Achse sehen würde. Das müssen die Polen nur eben auch wollen. Und sie wollen es im Moment offensichtlich nicht.
Entschuldigung, aber die Diskussionen hier kommen mir manchmal vor wie die alter Männer in den Biergärten Deutschlands in der Anfangsphase des Ersten Weltkriegs. Immerhin soll Frankreich nun nicht der Erzfeind sondern der Erzfreund sein.
Worauf willst Du mit dieser Aussage hinaus? Dass die deutsch-französische Annäherung der "Motor" der europäischen Einigung war und bis heute ist, sollte eigentlich unstrittig sein. Aus deutscher Sicht kann die "Lösung" (wofür überhaupt??) ja wohl nicht darin bestehen, die Beziehungen zu Frankreich zu schwächen, um die Beziehungen zu einem potenziell "abtrünnigen" Polen stärken zu können.
Und zweitens ist eine neuerliche Teilung Europas in West und Ost, dieses inzwischen völlig verflochtenen Wirtschaftsraums vollkommen ausgeschlossen! Undenkbar!
Na, dann lass Dich mal überraschen! Ab dem 1.1.2021 werden wir life und in Farbe erleben, ob es wirklich "undenkbar" ist, einzelne Nationen aus dem gemeinsamen Wirtschaftsraum herauszulösen. Polen da herauszulösen, wäre aus meiner persönlichen Sicht genauso unerwünscht, wie Großbritannien da herauslösen zu müssen. Polen herauszulösen, wäre aus EU-Sicht aber deutlich einfacher, als GB "abstoßen" zu müssen. Aus EU-Sicht! Aus deutscher Sicht ist Polen rein wirtschaftlich schon seit Jahren wichtiger als GB.
Nur um ein kleines Beispiel herauszugreifen: Länder wie Rumänien und Bulgarien bilden mit eigenen staatlichen Mitteln gut qualifizierte Ärzte und Pflegekräfte aus, die dann zu erheblichem Anteil für Deutschlands Gesundheitssystem arbeiten. Das, darin sind sich Gesundheitsexperten einig, vielleicht nicht zusammenbrechen aber doch in erhebliche Schwierigkeiten käme, gäbe es eine solche erneute Teilung Europas in Ost und West.
Wahre Worte! Und wo ist der Kern des Problems? Der Kern des Problems liegt in der Bezahlung der von Dir genannten Fachkräfte. Schon in Deutschland werden diese Menschen für ihre Leistungen ganz erbärmlich entlohnt. Und selbst diese erbärmliche Entlohnung ist immer noch "Gold" gegen den Standard, den sie in ihren Heimatländern vorfinden. Das sollte eingentlich ein Argument dafür sein, über die reinen "Binnenmarkt-Erwägungen" hinaus auch "fundamentalere" Fragen mal näher zu betrachten. Mir würden da auf Anhieb Ansätze zu einer gemeinsamen Sozial- und Arbeitsmarkt-Politik einfallen.
Aber das wären dann natürlich wieder "grundsätzliche" Fragen.... Und um die geht es Leuten wie Orban und Morawiecki nicht.