franktoast hat geschrieben:(24 Nov 2020, 13:47)
Die Abgeltungssteuer von 25% ist va. Eines. Sie ist einfach und bescheißen ist praktisch unmöglich. Wenn ich eine Aktie verkaufe oder Dividenden erhalte, dann führt die Bank direkt 25% an den Staat ab. Finito, fertig. Das wars. Ich muss das bei meiner Steuererklärung nicht mal angeben. Versteuert man dagegen mit dem persönlichen Steuersatz, dann wird es interessant. Dann führt die Bank vermutlich erstmal gar nichts ab. Dann hängt es davon ab, wie richtig meine Angaben dann sind.
Man könnte auch 50% Abgeltungssteuer pauschal verlangen, aber hier hat man auch ein Problem. Wenn du Aktien kaufst, dann können die steigen und fallen. Auch wenn sie wahrscheinlicher steigen, fallen sie fast mit der gleichen Wahrscheinlichkeit. Und wenn sie um 100€ steigen, dann bleiben einem etwa 50€ Gewinn. Wenn sie um 100€ fallen, dann bleiben das 100€ Verlust? Auch, oder man verrechnet das mit den anderen Einkommensarten? Ha, dann frag ich mal meinen Steuerberater, was der da so rausholen kann.
Das mit der Abgeltungssteuer und dem Bescheißen wäre auch nicht so viel anders, wenn die Bank zunächst die 25% schon mal pauschalisiert an den Staat abführt, dann aber auch konkret die Daten ans Finanzamt weitergibt, die man ggf. vollautomatisch zur restlichen Steuererklärung dann ergänzt bekäme. Auch bei der Einkommensteuer ist es so, dass der Staat sich vom Betrieb schon mal was auszahlen lässt - und erst mit dem Jahresausgleich werden die Unrundungen insgesamt betrachtet und zuviel gezahltes zurückerstattet, oder zu wenig gezahltes nachgefordert.
Dazu kommt, dass man eine Steuerreform bei den Einkommen auch mal anders denken kann, also beispielsweise könnte man auch in Richtung Flat Tax denken, und die 25% einfach auf alle Einkommen ansetzen, aber im Gegenzug die Abzugsmöglichkeiten drastisch runterfahren. Eigentlich braucht es die Abzugsmöglichkeiten nicht wirklich - denn letzten Endes gibt es Seitens des Staates auch andere Möglichkeiten, wie man bestimmte Sachtatbestände subventionieren kann, das muss nicht über das Einkommensteuerrecht gehen.
Was ich kritisiere ist die fehlende Systematik und die Ungleichbehandlung - und wer mal genauer auf das Einkommensteuerrecht schaut, findet davon halt eine ganze Menge. Dass es anders geht, zeigen durchaus auch andere europäische Staaten, die teilweise deutlich einfachere und systematischere Ansätze haben.
Also zum einen ist es schon mal schwer, nicht börsennotierte Unternehmen zu bewerten. Ich arbeite in einem mittelständischen Unternehmen mit etwa 100 Mitarbeitern, etwa 10Mio. Umsatz, 500 000€ Gewinn, dieses Jahr wohl ein Verlust. Welche Vermögenssteuer soll man nun hier ansetzen? Kommt dann zu dem Verlust wegen dem Coronajahr dieses Jahr noch eine 6-stellige Vermögenssteuer? Das Unternehmen gehört hauptsächlich 3 Familien, aber es gibt auch Mitarbeiteraktien.
Wenn ich über einer bestimmten Vermögensgrenze wäre und die Differenz in ein paar Autos stecke, die ich dann nach dem Stichtag wieder verkaufe, wäre das ok? zB. hat jemand 10Mio. und alles über 3Mio. wird versteuert. Dann steckt man die 7Mio. in irgendwas, was nicht besteuert wird und danach tauscht man zurück?
Du stellst dir das zu einfach vor. So oder so ist es irre aufwändig, ungenau und ungerecht. Denk nicht nur an den Aufwand seitens des Staates, sondern auch der Steuerpflichtigen, die rational durchrechnen. 1Mio. Steuern sparen, aber 800 000€ an Steuerberater ausgeben? Klar, lohn sich. Und das ist auch nicht böse, das zu tun.
Gerade das Argument von solchen Beispielunternehmen ist für mich schwer nachzuvollziehen. Ein solches Unternehmen muss heute schon eine ganze Reihe an teilweise recht komplexen Berechnungen ausführen, um alle möglichen statistischen und auch finanzrelevanten Kennzahlen zu ermitteln. Würde man hier also eine Reihe einfacher Regeln erstellen, die den steuerrelevanten Wert ausgeben würden, wären diese sehr schnell in gängigen ERP-Programmen enthalten, und gerade da wäre es überhaupt kein Problem solche Regeln zu erstellen.
Was du vielleicht meinst, und womit du dann recht hättest ist die Fragestellung: Was ist der WIRKLICHE Wert des Unternehmens.....das ist tatsächlich schwer zu ermitteln - vor allem wenn man das auf den Cent genau in einem oftmals spekulativen Umfeld machen will. Ich denke jedoch nicht, dass man diese Genauigkeit wirklich braucht um eine Vermögenssteuer errechnen zu können.
Das Urteil des BVerfG zur Vermögenssteuer hat nicht ausgesagt, dass es auf den Cent genau zugehen muss, sondern es wurde bemängelt, dass es grobe und systematische Abweichungen zwischen der Behandlung von Immobilienvermögen und Kapitalvermögen gab, die gerade nicht mit dem Prinzip der Steuergerechtigkeit vereinbar sind. Das bedeutet aber eben nicht, dass es identisch sein müsste - schon allein deshalb nicht, weil identisch schlicht und einfach nicht geht.
Nehmen wir nochmal den rein fiktiven und theoretischen Ansatz, dass wir statt der Besteuerung von Einkommen und Konsum allein auf ein Steuersystem setzen würde, was ausschließlich auf Vermögen setzt (Gedankenmodell - es gibt sehr gute Gründe, warum man das so nicht macht, aber für die Betrachtung der Auswirkungen einer Vermögenssteuer hilft es, sich mal auf so ein Gedankenmodell einzulassen). In einem solchen Modell wäre es so, dass man sehr gut mit einer pauschalierten Vermögensbewertung auskommt, weil Ungerechtigkeiten in der Besteuerung sich über die Jahre in sich verändernden Gesamtszenarien doch ausgleichen würden. Eine zu niedrige Besteuerung in einem Jahr führt ja in der Folge zu einem höheren Vermögen - und irgendwann zahlt man dann auch entsprechend mehr in den Steuertopf ein.
Diese Eigenschaft der Vermögenssteuer ist sehr charmant - bei der Einkommensteuer haben wir diesen Effekt gerade nicht. Wurde beispielsweise in einem Jahr eigentlich zu niedrig besteuert, dann kannst du damit Vermögen aufbauen, und der einstmals zu niedrige Beitrag zu einem Staatshaushalt wird nie mehr ausgeglichen, weil ja das Vermögen vor einer Steuer geschützt ist. Das ist eine Eigenschaft der Einkommensteuer, die diese nicht gerade gerecht macht.
Gesellschaften, die Vermögensaufbau behindern, sind eh in der Regel ärmer. Vergiss das nicht.
Da gebe ich dir grundlegend recht - verweise allerdings darauf, dass diese Aussage auch ein wenig pauschaliert.
Dazu kommt, wenn ich eine Vermögenssteuer einführe, führt das in keiner Weise automatisch dazu, dass sich der Staat einen größeren Teil des Kuchens nimmt! Der Staatshaushalt wird deshalb ja nicht größer, die Staatsausgaben auch erst mal nicht. Das heißt der Vermögenssteuer einerseits stehen Steuerentlastungen an anderer Stelle gegenüber. Insofern ist die scheinbare Behinderung des Vermögensaufbaus durch eine Vermögenssteuer eine Ilussion - tatsächlich wird bei gleichem Staatshaushalt lediglich die Steuerlast anders verteilt - man kann also sagen, heute wird der Vermögensaufbau einer Personengruppe behindert, wenn man das Steuersystem anders ausgestaltet, wird der Vermögensaufbau ggf. einer anderen Personengruppe behindert.
Und schließlich kommt noch der Punkt: In Staaten, in denen zügellos Kapitalakkumulation bei wenigen Reichen stattfindet, haben in der Regel zwar eine Handvoll Superreiche, aber sind unterm Strich tatsächlich im Schnitt weitaus ärmer als Gesellschaften, die da ausgleichender unterwegs sind. Auch diese Zügellosigkeit ist letzten Endes ein Kennzeichen von Gesellschaften, die Vermögensaufbau behindern......
Bei all meinen Überlegungen gehe ich nie davon aus, dass alle Menschen nur noch gleich arm sein sollen.......sondern stets davon, dass es in durchaus relevanten Bereichen heute in Deutschland halbwegs fair zugeht. In
Details aber ist es eben nicht fair - wobei ich auch mitgebe, wie ich fairness definiere:
"Eine faire Staatsfinanzierung sollte sich ungefähr am Vermögen der Menschen orientieren - will bedeuten: Wer 1% des Privatvermögens eines Staates besitzt, der sollte auch ca. 1% zur Finanzierung der staatlichen Haushalte beitragen"
Nimmt man diese Überlegung auf, dann ist das deutsche Finanzierungssystem tatsächlich besser als sein Ruf - allerdings scheitert es vor allem am Staatsfinanzierungsanteil der sehr Reichen und Superreichen. Das ist jetzt auch wenig überraschend, denn zu dem Ergebnis kommen eigentlich alle möglichen Studien zu dem Thema immer wieder - das Problem ist politisch also durchaus bekannt. Nur wird es zu wenig angegangen, was dann in der Folge dazu führt, dass die Vermögensakkumulation stattfindet und das auch in Ausmassen, die langfristig schädlich für Gesellschaften sind.
Meine Forderung nach Fairness ist dabei keineswegs gleichbedeutend damit, dass man allein auf eine Vermögenssteuer gehen sollte - das schon deshalb nicht, weil der Staat Steuern durchaus auch benutzt, um damit politische Ziele zu erreichen, also Lenkungswirkung zu entfalten. Genau dafür ist aber die Vermögenssteuer ziemlich ungeeignet - das geht über Konsumsteuern und direkte Steuern auf Sachtatbestände weitaus besser.
Die Einkommensteuer mit ihren Verwandten und Ausprägungen hingegen lenkt auch nicht so sonderlich gut - weshalb sie sich durchaus eher in Richtung einer FlatTax entwickeln könnte.
Ich gehe nicht davon aus, dass eine Vermögenssteuer von 1-3% tatsächlich relevant Verwerfungen in der Wirtschaft generieren würde - vor allem dann nicht, wenn sie in Kombination mit Entlastungen an anderer Stelle einhergeht - also beispielsweise mit einer FlatTax bei der Einkommensteuer, die durchaus gerade bei den von der Vermögenssteuer stark betroffenen reicheren Familien regelmäßig eine Entlastung bedeuten würden.
Deshalb: Es hängt letzten Endes nicht an einer einzelnen Steuer - es hängt davon ab, wie man das Gesamtkonstrukt schnürt. Und: Eine Genialität im Kapitalismus ist gerade, dass es diese Flexibilität ja auch gibt!