PeterK hat geschrieben:(15 Dec 2019, 10:57)
Um beim Thema des Threads zu bleiben: Kapitalismus (oder vielleicht eher eine "soziale Marktwirtschaft") ist gut.
Nicht "vielleicht eher" sondern definitiv. Denn genau das ist die Frage dieses Threads, ob die exzessiven Auswüchse des aktuell praktizierten Kapitalismus diesem von
Alfred Müller-Armack formulierten Staatsziel noch entsprechen. Denn der betonte die Notwendigkeit marktkonformer staatlicher Einflußnahme auf die Ergebnisse der Marktwirtschaft. Sogar die CDU befand bereits im Eröffnungssatz ihres
Ahlener Programms von 1947 zum Wiederaufbau:
Ahlener Programm hat geschrieben:Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden.
Das war für
Ludwig Erhard der Anlaß, das Experiment einer "sozialen Marktwirtschaft" in der Praxis zu erproben. Dabei kam es zwischen ihm und Müller-Armack durchaus zu unterschiedlichen Auffassungen:
Konrad-Adenauer-Stiftung, Heft 23 hat geschrieben:Auch was den „Kern“ ihrer Zusammenarbeit anging, die Soziale Marktwirtschaft, waren die beiden nachweislich nicht zwangsläufig ein Herz und eine Seele. Beispiel dafür ist der Eintrag Müller-Armacks im Handwörterbuch für Sozialwissenschaften aus dem Jahr 1956: Dort steht die vielzitierte Definition: „Sinn der Sozialen Marktwirtschaft ist es, das Prinzip der Freiheit auf dem Markt mit dem des sozialen Ausgleichs zuverbinden“. Ludwig Erhard fand diese Aussage zumindest unvollständig. Für ihn war Freiheit auf dem Markt und sozialer Ausgleich nur akzeptabel, wenn dieses mit der „sittlichen Verantwortung des Einzelnen dem Ganzen gegenüber“ verbunden werde.Umverteilung kann Erhard zufolge immer nur zulasten Dritter erfolgen. Ohne moralische Begrenzung – sittliche Verantwortung bei Ludwig Erhard – wird Umverteilung zum Selbstzweck. Während für Müller-Armack die Soziale Marktwirtschaft Instrument zur Erfüllung sozialer Ziele ist, sieht Erhard darin das Instrument zur Entwicklung einer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.
(fett von mir).
Was Beide nicht wissen konnten ist, dass im 21. Jahrhundert die Möglichkeiten "staatlicher Einflußnahme auf die Ergebnisse der Marktwirtschaft" angesichts einer globalisierten Wirtschaft gegen Null tendieren und sich in Unterwerfung unter die Interessen der Kapitalseigner erschöpfen. Reste der von Müller-Armack angestrebten "Erfüllung sozialer Ziele" kann man im weltwirtschaftlichen Maßstab durch die ideologische Brille vielleicht darin erblicken, dass, wer zur Kinderarbeit und zum Leben am Existenzminimum bereit ist, nicht verhungern muß.
"Das gefährliche an der Dummheit ist, daß sie die dumm macht, die ihr begegnen." (Sokrates).