Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

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tarkomed
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von tarkomed »

Vongole hat geschrieben:(07 Nov 2019, 17:51)

Ich auch, nämlich dass selten jemand so sachlich auf einige der Ursachen von Politikverdrossenheit und Rechtspopulismus hingewiesen hat.
Von einem Professor kann man ja auch erwarten, dass er sich sachlich äußert, besonders wenn er über sein Fachgebiet spricht. Wie man das Thema Politikverdrossenheit sachlich behandeln soll, ist mir allerdings schleierhaft, denn die Gründe für Politikverdrossenheit sind so vielfältig, dass sie bald bei jedem Einzelnen unterschiedlich sind.
Während es bei den Einen ideologische Gründe hat, stehen bei anderen finanzielle Gründe im Vordergrund und wiederum andere schieben ihre persönlichen Unzulänglichkeiten der Politik zu usw.
Pegida hatte schon ein Jahr vor der Flüchtlingskrise angefangen und schon damals ging es um die angebliche Islamisierung des Abendlandes. Das Ganze war also gegen die Muslime gerichtet, die bereits im Land lebten und das schon seit Jahrzehnten. Um die Politikverdrossenheit sachlich zu behandeln, muss sie erst mal rational erklärbar sein.

Sein Vorwurf gegen die Kanzlerin war aus meiner Sicht dennoch alles andere als sachlich. Wenn Merkel im Oktober 2015 eine parlamentarische Debatte angestoßen hätte, wäre so viel Zeit verstrichen, dass eine humanitäre Katastrophe an der ungarischen Grenze passiert wäre. Dann hätte der Vorwurf gegen die Kanzlerin und die EU genau entgegengesetzt gelautet. Die AfD wäre vielleicht heute nicht so sehr erstarkt, aber der Preis dafür wäre aus meiner Sicht viel zu hoch gewesen.
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H2O
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von H2O »

Adam Smith hat geschrieben:(07 Nov 2019, 20:24)

Jugoslawien ist ein gutes Beispiel dafür wie ein Staat zerfallen kann. Offene Grenzen innnerhalb des Staates sind keine Garantie, dass es funktioniert.
Ich meine, daß Jugoslawien eher nicht als gutes oder böses Beispiel gelten kann. Die Völker Jugoslawiens wurden mit Sicherheit nicht mit ihrer inneren Zustimmung im Königreich Jugoslawien vereinigt. Als die sie ebenfalls verbindende Ideologie und ihre Führungskraft Tito verfiel, und nun die Völker sich dem Herrschaftsanspruch Serbiens ausgesetzt sahen, der dann auch noch mit roher Gewalt die Einheit herstellen wollte, da flog dieses zusammen gezwungene Gebilde auseinander.

Als gutes Beispiel würde ich eher auf die Trennung der Tschechoslowakei tippen. Da wirkten geschichtliche Dinge vermutlich mit, vielleicht auch so etwas wie ein Ossi-Wessi-Gegensatz. Da haben sich die beiden Völker eben friedlich getrennt, und so mancher Mensch dort versteht bis heute nicht, wozu das nun gut sein sollte... wo sie nun beide etwas mißmutig zusammen in der EU hocken und auch nicht so recht wissen, was sie dort wollen.

Zum Thema aber fällt mir noch ein, daß die EU ganz unbedingt Prüfungen vorsehen sollte, die die Zustimmung der Menschen in den Mitgliedsstaaten der EU feststellen. Wenn sich dort mehrheitlich eine Ablehnung der EU-Mitgliedschaft zeigt, dann sollte man diesem Mitglied den Austritt nahe legen. Nichts wirkt schlimmer als ein Haufen nörgelnder Mitglieder, die jede weiterführende Entwicklung der EU verhindern wollen. Die EU muß ganz unbedingt auf dem unstrittigen Willen der Mitgliedsstaaten zur vertieften Zusammenarbeit beruhen. Alles andere ist nur noch Krampf.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Dark Angel »

MäckIntaier hat geschrieben:(07 Nov 2019, 20:24)

Also "Fatalismus statt Populismus!" :D
Userin Selina sollte uns über den Unterschied zwischen einem souveränen demokratischen Staat, der Mitglied der EU ist und einem demokratischen Nationalstaat, der Mitglied der EU ist, aufklären oder ganz einfach über den Unterschied zwischen demokratischen Staat und demokratischen Nationalstaat. :?:
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von schokoschendrezki »

BlueMonday hat geschrieben:(07 Nov 2019, 17:32)

Niemand hindert ja nun einen, sich den Begriff der Identität zu eigen zu machen. Identität, das Identische, der identische Fall. Als solcher ist er immer etwas Gemachtes, also eine Künstlichkeit und damit in den Händen eines "Künstlers" oder Schaffenden. Identität entsteht durch ein Absehen vom Besonderen und ein Erzeugen eines Wesentlichen. Etwas, das sich im Zeitablauf wiederfinden lässt, eine Wiederholbarkeit, etwas, das ein Zurückholen möglich macht.
So gesehen ist es kein Gegenbegriff, sondern (s)ein Gegenstand. Ohne Identität bzw. verschiedene Identitäten gäbe es nichts zu wählen. Eine Wahlmöglichkeit entsteht erst in dem Moment, wenn jemand einen Schnitt durch die Welt macht, eine Grenze zieht, entfernt, spaltet, unterscheidet. Kurz gesagt: es kann nicht nur eine (einzige), totale Identität geben.

Und dann gibt es da im Wesentlichen zwei Typen von Menschen: die Gründer einer Sichtweise, eines Glaubens, eines Volkes, eines Unternehmens, einer Identität, das sind die Weltenteiler und Begriffschöpfer und dann jene, die nur dazugehören, die sich zuordnen, einordnen, unterordnen, mittraben.
Eigentlich, vom Wortbbegriff her, bedeutet Identität, von lateinisch idem (also "≡") völlige Ununterschiedenheit, wirklich auch physikalisch Ein- und Dasselbe sein. Im Unterschied zu dazugehören ("∈"), Teil von etwas sein ("⊆"), in irgendeiner Hinsicht übereinstimmer ("="), näherungsweise übereinstimmen ("~"). Dass daraus ein Begriff für ein sozialpsychologisches Zugehörigkeitsbedürfnis wurde ist an und für sich schon bezeichnend. Ein Zugehörigkeitsbedürfnis in Hinsicht auf Freunde, Familie, soziales Umfeld ist völlig normal. Mit dem Begriff "Identität" wird dieses normale Zugehörigkeitsbedürfnis jedoch von vornherein in eine Bereitschaft zum vollständigen "aufgehen in", zum ein- und dasselbe werden wollen übersteigert.

Eine andere Lesart wäre das Bedürfnis, dass das tatsächliche Ich mit dem eigenen Bild von mir oder auch mit dem Bild von mir, das andere haben, möglichst vollständig übereinstimmt. Dass das "Ich" und das "Bild von mir" wirklich ein- und dasselbe sein sollen. Das ist aber von vornherein vergeblich. Ein etwas und die Beschreibung von einem etwas wird immer etwas Unterschiedliches sein.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von schokoschendrezki »

MäckIntaier hat geschrieben:(07 Nov 2019, 20:45)

Das war ja schon im k.u.k-Reich so. Dort hat man angefangen, die Nation ethnisch zu definieren, mit den bekannten Folgen.
Ja, wie war das wirklich? Es gibt historisch dieses Bündel an Konflikten, das man unter "Deutscher Dualismus" oder auch "preußisch-österreichischer Dualismus" zusammenfasst. In Hinsicht auf das k.u.k.-Reich lief es darauf hinaus: Das Haus Habsburg bewahrt seine Machtstellung nur solange, wie es seine Besitzungen behält. In Italien, in Osteuropa, auf dem Balkan usw. usf. Ein Österreich als Nichtvielvölkerstaat schrumpft automatisch auf die Größe des heutigen Gebildes "Republik Österreich" zusammen. (Was interessanterweise noch heute von nicht wenigen als Schmach empfunden wird). Deshalb durfte es aus Sicht von Wien kein großdeutsches Reich auf Basis irgendeiner Deutschen Nation geben. Und das war im 19. Jahrhundert einer der Brutreaktoren der Nationalstaatsidee. Die Erkämpfung der Unabhängigkeit von Wien. Wie Heilige werden die Unabhängigkeitskämpfer dieser Zeit verehrt. Lajos Kossuth zum Beispiel. Unter dem faschistischen Reichsverweser Horthy, während der realsozialistischen Phase und ebenso auch heute in der EU-Mitgliedschaftsphase. Ein zentraler Platz in Budapest, eine Zigarettenmarke, ein Radiosender werden nach ihm benannt. Er ist allgegenwärtig. Wenn heute reflexartig diese Nationalstaatsidee verteidigt wird, sollte man sich darüber klar sein, dass man sich damit praktisch immer noch in diese Gefechtslage des 19. Jahrhunderts hineinbeamt. In der im Prinzip die Herrschaft der "Häuser", der Kaiser-, Königs- und Fürstenfamilien durch weltliche Instanzen abgelöst wurde. Dass man immer noch von diesem Gegenangriff auf den Verteidigungskampf der Monarchenhäuser instrumentalisiert wird.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(08 Nov 2019, 10:07)

Eigentlich, vom Wortbbegriff her, bedeutet Identität, von lateinisch idem (also "≡") völlige Ununterschiedenheit, wirklich auch physikalisch Ein- und Dasselbe sein.
Falsch!
Identität ist NICHT vom <lat> "idem" abgeleitet, sondern von <lat.> "identitas" und das wiederum bedeutet die Gesamtheit der Eigenschaften die ein Individuum, einen Gegenstand kennzeichnen und dadurch von anderen unterscheiden, ihn einzigartig und unverwechselbar machen.
Der Begriff Identität sagt das völlige Gegenteil von dem aus, was DU hier (wieder mal) zusammen schwurbelst.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(08 Nov 2019, 11:00)

Falsch!
Identität ist NICHT vom <lat> "idem" abgeleitet, sondern von <lat.> "identitas" und das wiederum bedeutet die Gesamtheit der Eigenschaften die ein Individuum, einen Gegenstand kennzeichnen und dadurch von anderen unterscheiden, ihn einzigartig und unverwechselbar machen.
https://dwds.de/wb/Identit%C3%A4t
Wesentlich bei all dem Fach-Geplänkel ist, dass der Begriff mit einer Relation verbunden ist und nicht einfach eine absolute Eigenschaft benennt. Es gibt die eine und die andere Seite der Relation. Was ist womit "identisch"? Interessant finde ich vor allem, dass die Bedeutung des Wortes im heutigen politischen Sprachgebrauch überhaupt erst im 18. Jahrhundert entstanden ist. Erst der moderne Mensch hat offenbar so etwas wie eine Vorstellung davon, wer er sein möchte. Die Menschen des Mittelalters waren einfach nach Gottes Willen "Hineingeborene". Es war ohnehin nicht vorstellbar, einen Lebensweg nehmen zu können, der von dem der Eltern wesentlich abwich. Insofern stellte sich die Frage nach einer "Identität" im Unterschied etwa zu einer "Persönlichkeit" nicht.

Die Kritik an der gegenwärtigen Instrumentalisierung des Identitäts-Begriffs zielt vor allem darauf, dass solche Identitäten explizit benennbar und in Gruppen zusammensortierbar sein sollen.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(08 Nov 2019, 11:00)

Falsch!
Identität ist NICHT vom <lat> "idem" abgeleitet, sondern von <lat.> "identitas" und das wiederum bedeutet die Gesamtheit der Eigenschaften die ein Individuum, einen Gegenstand kennzeichnen und dadurch von anderen unterscheiden, ihn einzigartig und unverwechselbar machen.
"identitas" ist natürlich selbst auch von "idem" abgeleitet. Zur genauen Etymologie des Begriffs:
Identität f. ‘völlige Übereinstimmung, Gleichheit, Wesenseinheit’ wird im 18. Jh. aus spätlat. identitās (Genitiv identitātis) ‘Wesenseinheit’ entlehnt, einer Ableitung von lat. idem ‘ebendasselbe’, das aus dem Neutrum des Pers.pron. lat. id mit verstärkendem -em gebildet ist. identisch Adj. ‘völlig gleich, übereinstimmend’ (18. Jh.). identifizieren Vb. ‘die Identität
https://dwds.de/wb/Identit%C3%A4t
Wesentlich bei all dem Fach-Geplänkel ist, dass der Begriff mit einer Relation verbunden ist und nicht einfach eine absolute Eigenschaft benennt. Es gibt die eine und die andere Seite der Relation. Was genau ist womit "identisch"? Interessant finde ich vor allem, dass die Bedeutung des Wortes im heutigen politischen Sprachgebrauch überhaupt erst im 18. Jahrhundert entstanden ist. Erst der moderne Mensch hat offenbar so etwas wie eine Vorstellung davon, wer er sein möchte. Die Menschen des Mittelalters waren einfach nach Gottes Willen "Hineingeborene". Es war ohnehin nicht vorstellbar, einen Lebensweg nehmen zu können, der von dem der Eltern wesentlich abwich. Insofern stellte sich die Frage nach einer "Identität" im Unterschied etwa zu einer "Persönlichkeit" nicht.

Die Kritik an der gegenwärtigen Instrumentalisierung des Identitäts-Begriffs zielt vor allem darauf, dass solche Identitäten explizit benennbar und in Gruppen zusammensortierbar sein sollen.

Und wenn wir schonmal beim Nachdenken über Begrifflichkeiten sind: In der IT ist eine "Identnummer" genau das nicht, was man im politischen Sprachegebrauch mit "Identität" assoziiert. Nämlich eine Eigenschaft (wie von dir oben beschrieben), die ein Einzelobjekt von allen anderen unterscheidet. Das hieße also: Eine Formulierung wie etwa "meine bayerische Identität" ist sprachlich-logisch völliger Unsinn. Wird vielleicht ganz allgemein "herumschwadroniert" wenns um "Identität" geht?
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(08 Nov 2019, 11:45)

"identitas" ist natürlich selbst auch von "idem" abgeleitet. Zur genauen Etymologie des Begriffs:
https://dwds.de/wb/Identit%C3%A4t
Wesentlich bei all dem Fach-Geplänkel ist, dass der Begriff mit einer Relation verbunden ist und nicht einfach eine absolute Eigenschaft benennt. Es gibt die eine und die andere Seite der Relation. Was genau ist womit "identisch"? Interessant finde ich vor allem, dass die Bedeutung des Wortes im heutigen politischen Sprachgebrauch überhaupt erst im 18. Jahrhundert entstanden ist. Erst der moderne Mensch hat offenbar so etwas wie eine Vorstellung davon, wer er sein möchte. Die Menschen des Mittelalters waren einfach nach Gottes Willen "Hineingeborene". Es war ohnehin nicht vorstellbar, einen Lebensweg nehmen zu können, der von dem der Eltern wesentlich abwich. Insofern stellte sich die Frage nach einer "Identität" im Unterschied etwa zu einer "Persönlichkeit" nicht.

Die Kritik an der gegenwärtigen Instrumentalisierung des Identitäts-Begriffs zielt vor allem darauf, dass solche Identitäten explizit benennbar und in Gruppen zusammensortierbar sein sollen.

Und wenn wir schonmal beim Nachdenken über Begrifflichkeiten sind: In der IT ist eine "Identnummer" genau das nicht, was man im politischen Sprachegebrauch mit "Identität" assoziiert. Nämlich eine Eigenschaft (wie von dir oben beschrieben), die ein Einzelobjekt von allen anderen unterscheidet. Das hieße also: Eine Formulierung wie etwa "meine bayerische Identität" ist sprachlich-logisch völliger Unsinn. Wird vielleicht ganz allgemein "herumschwadroniert" wenns um "Identität" geht?
Frönst Du mal wieder Deinem Narzismus?
Wenn wir schon mal beim "Krümelkacken" sind: bei individueller Identität geht es gerade NICHT um "politischen Sprachgebrauch", sondern um Psychologie - darum WOMIT sich das Individuum identifiziert, WIE diese Identifizierung stattfindet und WAS die Identität des Individuum ausmacht.
Dabei geht es gerade um Unterscheidbarkeit der einzelnen Individuen voneinander, um ihre Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit.
Es gibt KEINE zwei Individuen die gleich sind - gab es nie!
Selbst im "politischen Sprachgebrauch" wird mit Identität genau DAS assoziiert, was das Individuum oder die Gemeinschaft ausmacht ==> siehe oben! Und auch eine Gemeinschaft ist KEINE homogene Masse, deren Mitglieder nicht voneinander unterscheidbar wären. Ganz im Gegenteil!
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(08 Nov 2019, 11:44)

https://dwds.de/wb/Identit%C3%A4t
Wesentlich bei all dem Fach-Geplänkel ist, dass der Begriff mit einer Relation verbunden ist und nicht einfach eine absolute Eigenschaft benennt. Es gibt die eine und die andere Seite der Relation. Was ist womit "identisch"? Interessant finde ich vor allem, dass die Bedeutung des Wortes im heutigen politischen Sprachgebrauch überhaupt erst im 18. Jahrhundert entstanden ist. Erst der moderne Mensch hat offenbar so etwas wie eine Vorstellung davon, wer er sein möchte. Die Menschen des Mittelalters waren einfach nach Gottes Willen "Hineingeborene". Es war ohnehin nicht vorstellbar, einen Lebensweg nehmen zu können, der von dem der Eltern wesentlich abwich. Insofern stellte sich die Frage nach einer "Identität" im Unterschied etwa zu einer "Persönlichkeit" nicht.

Die Kritik an der gegenwärtigen Instrumentalisierung des Identitäts-Begriffs zielt vor allem darauf, dass solche Identitäten explizit benennbar und in Gruppen zusammensortierbar sein sollen.
Richtig. Die Kritik zielt auch darauf ab, dass man sich angeblich in seiner Gruppe mit "derselben kulturellen Identität" scharf abgrenzen müsse von anderen Gruppen mit "anderen kulturellen Identitäten". Man will "das Eigene" vor "dem Fremden" bewahren und "schützen". Zu dieser Luftnummer gehört es natürlich auch, ständig die Angst vorm "großen Austausch" zu schüren. Denn hält man diesen identitären Zirkus nicht am Laufen, wird das ganze neurechte Kasperle-Theater hinfällig, was natürlich auch prozentual einen Rückgang oder ein Kleiner-Werden entsprechender Parteien und Vereinigungen zur Folge hätte.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von naddy »

In einem Anfall von übertriebenem Optimismus habe ich mich zu dem Versuch entschlossen, das dahinsiechende Unterforum "Philosophie" vor dem endgültigen Exitus zu retten. Dass ich ausgerechnet in diesem Thread gelandet bin liegt ausschließlich daran, dass sich hier noch Spuren von Leben, sprich einigermaßen aktuelle Beiträge, finden. Nun denn, lehne ich mich also weit aus dem Fenster:
Selina hat geschrieben:(08 Nov 2019, 13:57)

Man will "das Eigene" vor "dem Fremden" bewahren und "schützen".
Ich würde die Formulierung "dem Bekannten" Vorzug vor dem "dem Fremden" - oder besser "Unbekannten" - zu geben bevorzugen. Zum Einen, weil das der korrekte Gegensatz ist, zum Anderen, weil "das Eigene" auch ein Besitzverhältnis impliziert.

Daran ist zunächst mal nichts Ungewöhnliches, schließlich hat sich dieses Konzept über Jahrtausende evolutionärer Entwicklung bewährt, beispielsweise bei der Nahrungsaufnahme. Eine vorsichtige Annäherung an "das Unbekannte" hat aber sicher auch zur Erfolgsgeschichte des Homo sapiens beigetragen, ansonsten wäre es bei einem äußerst schlichten Angebot an Nahrungsmitteln und möglichen Sexualpartnern geblieben. Diese Horizonterweiterung ist also zu begrüßen - so lange sie nicht pathologisch wird und in eine irrationale Bevorzugung des "Unbekannten" umschlägt, als sei dieses grundsätzlich besser als das Bekannte. Oder auch nur gleichwertig. Diese Einschätzung dürfte im Falle der Nahrungswahl nämlich zu einem deutlich erhöhten Lethalfaktor führen, welches Problem sich im Zuge der Menschwerdung zum ersten Mal ergeben haben dürfte, als die instinktgesteuerte Nahrungssuche des Tieres durch bewußte Auswahl abgelöst wurde. Was bekömmlich war konnte nur durch Risikobereitschaft und Experiment ermittelt werden. Abgesehen von Notständen, in denen man mangels Auswahlmöglichkeit alles in sich hineinstopfen mußte, was gerade verfügbar war. Derartige Risikoerfahrungen sind vermutlich nicht folgenlos geblieben, sie dürften sich tief im menschlichen Unterbewußtsein verankert haben. Was wiederum die Skepsis erklärt, mit der manche Menschen dem "Fremden" oder "Unbekannten" begegnen. Denn wie weit der Einzelne sich dem öffnet, wird auch gegenwärtig noch durch die Variablen "Risikofreude und Experiment" bestimmt. Es sei denn man wähnt sich im Taka-Tuka-Land, wo alles nur eitel Freude und Sonnenschein ist. Oder wie Alex in "Clockwork Orange" sagt: "...als gäbe es keine Bosheit auf der Welt.". Um es, inspiriert durch den Satire-Strang, etwas flapsig auf den Punkt zu bringen: Auch "Bekannte" morden gelegentlich, man kann sie aber in der Regel besser einschätzen als die "Unbekannten".

Zum oben diskutierten Begriff der "Identität": Die gegenwärtig virulenten Atavismusphänomene weisen nach meiner Einschätzung eher auf ein "Identifikations"-, als auf ein "Identitäts"-Problem hin. Das Wiedererstarken älterer Identifikationsmuster wie "Nationalstaat" oder "Volk" lassen darauf schließen, dass alternative Begriffe mit vergleichbarer Bindungskraft derzeit nicht im Angebot sind. Man darf dabei nicht übersehen, dass "Volk" und "Nation" lange Zeit positiv konnotiert wurden und erkämpft werden mußten. Angesichts der immer "bunter" werdenden Gesellschaft (wann ist "Buntheit" eigentlich zum Qualitätsmerkmal mutiert?) fragt sich der einfache Mensch: "Zu wem gehöre ich eigentlich, wer sind und wo finde ich Meinesgleichen?". Die Antwort liefern dann Politiker unterschiedlichster Couleur, wer "Volkes Sprache" spricht gewinnt. Siehe Trump, siehe Erdogan, siehe Orban, siehe Höcke. Siehe Kim Jong-un, siehe Xi Jinping, siehe - mit Abstrichen - Putin. Da zuckt selbst dann keiner, wenn sich ein Milliardär zur Gallionsfigur der Habenichtse erklärt. Oder ein Diktator zur Stimme der Arbeiterklasse. Oder ein Faschist zur bürgerlichen Mitte...
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Alpha Centauri »

naddy hat geschrieben:(16 Nov 2019, 18:46)

In einem Anfall von übertriebenem Optimismus habe ich mich zu dem Versuch entschlossen, das dahinsiechende Unterforum "Philosophie" vor dem endgültigen Exitus zu retten. Dass ich ausgerechnet in diesem Thread gelandet bin liegt ausschließlich daran, dass sich hier noch Spuren von Leben, sprich einigermaßen aktuelle Beiträge, finden. Nun denn, lehne ich mich also weit aus dem Fenster:



Ich würde die Formulierung "dem Bekannten" Vorzug vor dem "dem Fremden" - oder besser "Unbekannten" - zu geben bevorzugen. Zum Einen, weil das der korrekte Gegensatz ist, zum Anderen, weil "das Eigene" auch ein Besitzverhältnis impliziert.

Daran ist zunächst mal nichts Ungewöhnliches, schließlich hat sich dieses Konzept über Jahrtausende evolutionärer Entwicklung bewährt, beispielsweise bei der Nahrungsaufnahme. Eine vorsichtige Annäherung an "das Unbekannte" hat aber sicher auch zur Erfolgsgeschichte des Homo sapiens beigetragen, ansonsten wäre es bei einem äußerst schlichten Angebot an Nahrungsmitteln und möglichen Sexualpartnern geblieben. Diese Horizonterweiterung ist also zu begrüßen - so lange sie nicht pathologisch wird und in eine irrationale Bevorzugung des "Unbekannten" umschlägt, als sei dieses grundsätzlich besser als das Bekannte. Oder auch nur gleichwertig. Diese Einschätzung dürfte im Falle der Nahrungswahl nämlich zu einem deutlich erhöhten Lethalfaktor führen, welches Problem sich im Zuge der Menschwerdung zum ersten Mal ergeben haben dürfte, als die instinktgesteuerte Nahrungssuche des Tieres durch bewußte Auswahl abgelöst wurde. Was bekömmlich war konnte nur durch Risikobereitschaft und Experiment ermittelt werden. Abgesehen von Notständen, in denen man mangels Auswahlmöglichkeit alles in sich hineinstopfen mußte, was gerade verfügbar war. Derartige Risikoerfahrungen sind vermutlich nicht folgenlos geblieben, sie dürften sich tief im menschlichen Unterbewußtsein verankert haben. Was wiederum die Skepsis erklärt, mit der manche Menschen dem "Fremden" oder "Unbekannten" begegnen. Denn wie weit der Einzelne sich dem öffnet, wird auch gegenwärtig noch durch die Variablen "Risikofreude und Experiment" bestimmt. Es sei denn man wähnt sich im Taka-Tuka-Land, wo alles nur eitel Freude und Sonnenschein ist. Oder wie Alex in "Clockwork Orange" sagt: "...als gäbe es keine Bosheit auf der Welt.". Um es, inspiriert durch den Satire-Strang, etwas flapsig auf den Punkt zu bringen: Auch "Bekannte" morden gelegentlich, man kann sie aber in der Regel besser einschätzen als die "Unbekannten".

Zum oben diskutierten Begriff der "Identität": Die gegenwärtig virulenten Atavismusphänomene weisen nach meiner Einschätzung eher auf ein "Identifikations"-, als auf ein "Identitäts"-Problem hin. Das Wiedererstarken älterer Identifikationsmuster wie "Nationalstaat" oder "Volk" lassen darauf schließen, dass alternative Begriffe mit vergleichbarer Bindungskraft derzeit nicht im Angebot sind. Man darf dabei nicht übersehen, dass "Volk" und "Nation" lange Zeit positiv konnotiert wurden und erkämpft werden mußten. Angesichts der immer "bunter" werdenden Gesellschaft (wann ist "Buntheit" eigentlich zum Qualitätsmerkmal mutiert?) fragt sich der einfache Mensch: "Zu wem gehöre ich eigentlich, wer sind und wo finde ich Meinesgleichen?". Die Antwort liefern dann Politiker unterschiedlichster Couleur, wer "Volkes Sprache" spricht gewinnt. Siehe Trump, siehe Erdogan, siehe Orban, siehe Höcke. Siehe Kim Jong-un, siehe Xi Jinping, siehe - mit Abstrichen - Putin. Da zuckt selbst dann keiner, wenn sich ein Milliardär zur Gallionsfigur der Habenichtse erklärt. Oder ein Diktator zur Stimme der Arbeiterklasse. Oder ein Faschist zur bürgerlichen Mitte...
Ja da ist deiner Sichtweise zum Thema Identität oder vielmehr Identifikationsproblem ( verstärkt durch Globalisierung) ist was dran,dass sich dann wie am Beispiel USA ein mehr oder minder korrupter Milliardär zum Präsident , nein viel mehr zum "Volkstribun" aufschwingt und sich zum vermeintlichen Anwalt der Armen und Verunsicherten stilisiert setzt den Ganzen noch die. surreale Krone auf.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Alpha Centauri »

tarkomed hat geschrieben:(07 Nov 2019, 21:25)

Von einem Professor kann man ja auch erwarten, dass er sich sachlich äußert, besonders wenn er über sein Fachgebiet spricht. Wie man das Thema Politikverdrossenheit sachlich behandeln soll, ist mir allerdings schleierhaft, denn die Gründe für Politikverdrossenheit sind so vielfältig, dass sie bald bei jedem Einzelnen unterschiedlich sind.
Während es bei den Einen ideologische Gründe hat, stehen bei anderen finanzielle Gründe im Vordergrund und wiederum andere schieben ihre persönlichen Unzulänglichkeiten der Politik zu usw.
Pegida hatte schon ein Jahr vor der Flüchtlingskrise angefangen und schon damals ging es um die angebliche Islamisierung des Abendlandes. Das Ganze war also gegen die Muslime gerichtet, die bereits im Land lebten und das schon seit Jahrzehnten. Um die Politikverdrossenheit sachlich zu behandeln, muss sie erst mal rational erklärbar sein.

Sein Vorwurf gegen die Kanzlerin war aus meiner Sicht dennoch alles andere als sachlich. Wenn Merkel im Oktober 2015 eine parlamentarische Debatte angestoßen hätte, wäre so viel Zeit verstrichen, dass eine humanitäre Katastrophe an der ungarischen Grenze passiert wäre. Dann hätte der Vorwurf gegen die Kanzlerin und die EU genau entgegengesetzt gelautet. Die AfD wäre vielleicht heute nicht so sehr erstarkt, aber der Preis dafür wäre aus meiner Sicht viel zu hoch gewesen.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Tom Bombadil »

Selina hat geschrieben:(08 Nov 2019, 13:57)

Man will "das Eigene" vor "dem Fremden" bewahren und "schützen".
Finde ich super, dass du deine Tür nicht abschließt und sich jeder bei dir nach Lust und Laune bedienen oder einnisten kann :thumbup:
The tree of liberty must be refreshed from time to time with the blood of patriots and tyrants. It is its natural manure.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Alpha Centauri »

Tom Bombadil hat geschrieben:(23 Nov 2019, 23:58)

Finde ich super, dass du deine Tür nicht abschließt und sich jeder bei dir nach Lust und Laune bedienen oder einnisten kann :thumbup:
Sich "einmauern" und (vor lauter Panik vor allem Unbekannten und Fremden) sich der Veränderung in seiner Blasen Welt verweigern ist also eine gute Alternative?? Hätte der Homo sapiens sich je vom Höhlenwesen hin zum IT Experten entwickeln können, wenn er all den Jahrtausenden dieser Denkweise und Einstellung unentwegt treu geblieben wäre???
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Adam Smith »

Selina hat geschrieben:(08 Nov 2019, 13:57)

Richtig. Die Kritik zielt auch darauf ab, dass man sich angeblich in seiner Gruppe mit "derselben kulturellen Identität" scharf abgrenzen müsse von anderen Gruppen mit "anderen kulturellen Identitäten". Man will "das Eigene" vor "dem Fremden" bewahren und "schützen". Zu dieser Luftnummer gehört es natürlich auch, ständig die Angst vorm "großen Austausch" zu schüren. Denn hält man diesen identitären Zirkus nicht am Laufen, wird das ganze neurechte Kasperle-Theater hinfällig, was natürlich auch prozentual einen Rückgang oder ein Kleiner-Werden entsprechender Parteien und Vereinigungen zur Folge hätte.
Deutschland ist in Teilen schon anders als Afghanistan. Es gibt da gewisse Unterschiede.
Das ist Kapitalismus:

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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Tom Bombadil »

Alpha Centauri hat geschrieben:(24 Nov 2019, 13:06)

Sich "einmauern" und (vor lauter Panik vor allem Unbekannten und Fremden) sich der Veränderung in seiner Blasen Welt verweigern ist also eine gute Alternative??
Das macht der moderne Mensch doch so, siehe "gated communities". Und auch in Deutschland "mauert" man sich doch ein, der Besitzer eines EFH, zieht eine Mauer oder einen Zaun um sein Grundstück, die nächste Barriere besteht dann aus den gut verschlossenen Türen und Fenstern. Es wird auch verstärkt Überwachungstechnik gekauft und installiert, letztens sogar schon bei Aldi Süd im Angebot.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Billie Holiday »

Alpha Centauri hat geschrieben:(24 Nov 2019, 13:06)

Sich "einmauern" und (vor lauter Panik vor allem Unbekannten und Fremden) sich der Veränderung in seiner Blasen Welt verweigern ist also eine gute Alternative?? Hätte der Homo sapiens sich je vom Höhlenwesen hin zum IT Experten entwickeln können, wenn er all den Jahrtausenden dieser Denkweise und Einstellung unentwegt treu geblieben wäre???
Es gibt auch Grautöne.
Aus dem Unbekannten/Fremden kann man das für sich positive annehmen und das negative ablehnen.
Weder einmauern noch wahllos alles und jeden aufnehmen.
Diese Rosinenpickerei halte ich für vernünftig und auch den Wunsch danach für menschlich verständlich.
Was du mit fremden Extremisten, Kriminellen oder völlig Integrationsunwilligen willst, bleibt wohl dein Geheimnis.
Lustigerweise sind gerade solche Leute in anderen Ländern die anpassungswilligsten, die in der eigenen Heimat null Ansprüche an Zuwanderer haben.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Alpha Centauri »

Tom Bombadil hat geschrieben:(24 Nov 2019, 13:19)

Das macht der moderne Mensch doch so, siehe "gated communities". Und auch in Deutschland "mauert" man sich doch ein, der Besitzer eines EFH, zieht eine Mauer oder einen Zaun um sein Grundstück, die nächste Barriere besteht dann aus den gut verschlossenen Türen und Fenstern. Es wird auch verstärkt Überwachungstechnik gekauft und installiert, letztens sogar schon bei Aldi Süd im Angebot.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Tom Bombadil »

Alpha Centauri hat geschrieben:(24 Nov 2019, 13:24)

Dass ist Ausdruck der Mentalität von Pessimisten und Angsthasen, mit denen ist keine Zukunft zu machen.
Du lässt also deine Haus-/Wohnungstüre Tag und Nacht sperrangelweit offen stehen?
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Billie Holiday »

Tom Bombadil hat geschrieben:(24 Nov 2019, 13:31)

Du lässt also deine Haus-/Wohnungstüre Tag und Nacht sperrangelweit offen stehen?
Ja, weil jeder, der eintritt, gut und eine große Bereicherung ist. Auch beim Einkaufen liegt das Portemonnaie sicht- und greifbar offen im Einkaufswagen. Es ist alles prima.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Alpha Centauri »

Tom Bombadil hat geschrieben:(24 Nov 2019, 13:31)

Du lässt also deine Haus-/Wohnungstüre Tag und Nacht sperrangelweit offen stehen?

Ach bitte nicht so plump ein bisschen mehr Tiefgründigkeit und erst hätte ich schon erwartet in der Diskussion.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Amun Ra »

Alpha Centauri hat geschrieben:(24 Nov 2019, 13:50)

Ach bitte nicht so plump ein bisschen mehr Tiefgründigkeit und erst hätte ich schon erwartet in der Diskussion.
Er hat aber nicht ganz unrecht. Wer nach allen Seiten hin offen ist, ist in der Regel einfach nicht ganz dicht.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Billie Holiday »

Alpha Centauri hat geschrieben:(24 Nov 2019, 13:50)

Ach bitte nicht so plump ein bisschen mehr Tiefgründigkeit und erst hätte ich schon erwartet in der Diskussion.
Die Frage ist, ob du selbst lebst, was du predigst.
Ob deine eigenen Grenzen auch offen sind für jeden.
Ob Glatzen-Ronny aus Sachsen auch fröhliche Einkehr bei dir halten darf.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von BlueMonday »

naddy hat geschrieben:(16 Nov 2019, 18:46)

In einem Anfall von übertriebenem Optimismus habe ich mich zu dem Versuch entschlossen, das dahinsiechende Unterforum "Philosophie" vor dem endgültigen Exitus zu retten. Dass ich ausgerechnet in diesem Thread gelandet bin liegt ausschließlich daran, dass sich hier noch Spuren von Leben, sprich einigermaßen aktuelle Beiträge, finden. Nun denn, lehne ich mich also weit aus dem Fenster:
Diese Einschätzung ist zumindest interessant. Dabei ist ja Philosophie nun kein fahriges Reden über kurzatmige Tagespolitik. Das wäre ja so als wenn die Eintagsfliege an einem Baum vorbeiflöge und ihn für ein abgestorbenes Ding hielte, weil er sich vermeintlich nicht bewegt und äußert. Der Zeitschlag der Philosophie sind Jahre über die Jahrtausende und selbst das sind nur Augenblicke in der Zeitlosigkeit der Welt. Wenn hier mal niemand 3 Tage etwas zu sagen hat, dann siecht es ja nicht dahin oder stirbt, sondern ist eher ein der Sache geschuldetes und dienliches Innehalten. Und das in einem sonst "politischen Forum", wo man sich oft als wäre man in einem Chat im Minutentakt ärmlichste Einzeiler entgegenwirft, an die sich spätestens 3 Seiten später niemand mehr erinnert.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Amun Ra »

schokoschendrezki hat geschrieben:(08 Nov 2019, 11:45)

"identitas" ist natürlich selbst auch von "idem" abgeleitet. Zur genauen Etymologie des Begriffs:
https://dwds.de/wb/Identit%C3%A4t
Wesentlich bei all dem Fach-Geplänkel ist, dass der Begriff mit einer Relation verbunden ist und nicht einfach eine absolute Eigenschaft benennt. Es gibt die eine und die andere Seite der Relation. Was genau ist womit "identisch"?...
So verwendet man den Begriff in der Mathematik und in der Logik. Aber nicht in der Soziologie oder Psychologie. Schau mal in deinem Link unter Punkt 2 und mach dir mal Gedanken darüber, warum man es als notwendig erachtete diesen Punkt separat anzuführen.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Tom Bombadil »

Alpha Centauri hat geschrieben:(24 Nov 2019, 13:50)

Ach bitte nicht so plump ein bisschen mehr Tiefgründigkeit und erst hätte ich schon erwartet in der Diskussion.
Tiefgründigkeit in Form von "Pessimisten und Angsthasen" kann ich leider nicht liefern. Ich entnehme aber deiner Antwort, dass du deine Haus-/Wohnungstüre selbstverständlich nicht Tag und Nacht offen stehen hast.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von BlueMonday »

Billie Holiday hat geschrieben:(24 Nov 2019, 14:05)

Die Frage ist, ob du selbst lebst, was du predigst.
Ob deine eigenen Grenzen auch offen sind für jeden.
Bis zur offenen oder herausgehangenen Haustür müsste man nicht einmal gehen. Wobei vor einigen Jahrzehnten mancher Linke noch in halbwegs offenen "Kommunen" gelebt und zumindest ab und an die Klotüren ausgehangen hat. Aber der heutige Linke ist da wohl wieder viel mehr zum Spießer geworden.

Wenn nun jeder unserer guten Menschen 2 Flüchtende in Not bei sich aufnehmen würde, müsste man da politisch kaum noch etwas auseinandersetzen. Also wenn Menschen als geladene Gäste in einen privaten Raum aufgenommen würden - man hätte es mit einer respektablen Sache zu tun. Man bietet Unterkunft, Verpflegung, kommt für alle Kosten auf, übernimmt auch die ganze Verantwortung dafür, was seine Gäste während ihres Aufenhalts außerhalb des eigenen privaten Raumes anstellen, hält persönlich vollständig den Kopf hin. Und man hätte es auch persönlich in der Hand, den Gast wieder auszuladen. Derart abgegrenzt wäre der politische Konflikt praktisch nicht mehr vorhanden. Aber der gute Mensch will gerade diese Grenzen einreißen, will persönlich nichts verantworten. Er meint auch nicht sich selbst, sondern "die anderen", die die Kosten für seine Ideale tragen sollen und dafür muss er gerade Abgrenzungen verhindern, verklären, wegspülen.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Adam Smith »

BlueMonday hat geschrieben:(24 Nov 2019, 14:33)
Und man hätte es auch persönlich in der Hand, den Gast wieder auszuladen.
Und wie soll so etwas konkret funktionieren, wenn der Gast nicht so einfach ausziehen kann? Oder soll der Staat dann für die Unterkunft sorgen?
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von naddy »

BlueMonday hat geschrieben:(24 Nov 2019, 14:09)

Diese Einschätzung ist zumindest interessant. Dabei ist ja Philosophie nun kein fahriges Reden über kurzatmige Tagespolitik. Das wäre ja so als wenn die Eintagsfliege an einem Baum vorbeiflöge und ihn für ein abgestorbenes Ding hielte, weil er sich vermeintlich nicht bewegt und äußert. Der Zeitschlag der Philosophie sind Jahre über die Jahrtausende und selbst das sind nur Augenblicke in der Zeitlosigkeit der Welt.
Schön gesagt. Aber meine Restlebenszeit ist aller Erwartung nach zu kurz, um mich an einer Dialogform zu beteiligen, die einer Metapher Nietzsches zufolge dadurch charakterisiert ist, dass sich "Zwei Titanen über die Abgründe der Zeit etwas zurufen, unbekümmert von dem Gezwerge zwischen ihnen". :)
Wenn hier mal niemand 3 Tage etwas zu sagen hat, dann siecht es ja nicht dahin oder stirbt, sondern ist eher ein der Sache geschuldetes und dienliches Innehalten.
Na ja, nachdem mich Alexyessin auf das "Subforum Philosophie" hingewiesen hatte, war ich doch etwas enttäuscht, dass die letzten Beiträge in allen Themenbereichen durchweg ein paar Monate zurücklagen. Bis auf zwei, drei Ausnahmen, darunter dieser Strang. Und der hat ja im Gegensatz zu Vorsokratikern und Co. sogar noch ein aktuelles Thema. Meditieren kann ich über philosophische Fragen auch allein, dazu brauche ich kein Forum - und habe das in den letzten Jahrzehnten auch ausgiebig getan. Hier geht es mir um Austausch und Maieutik. ;)
Und das in einem sonst "politischen Forum", wo man sich oft als wäre man in einem Chat im Minutentakt ärmlichste Einzeiler entgegenwirft, an die sich spätestens 3 Seiten später niemand mehr erinnert.
Dem muß ich nach leidvoller Erfahrung uneingeschränkt zustimmen.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Alpha Centauri »

Billie Holiday hat geschrieben:(24 Nov 2019, 14:05)

Die Frage ist, ob du selbst lebst, was du predigst.
Ob deine eigenen Grenzen auch offen sind für jeden.
Ob Glatzen-Ronny aus Sachsen auch fröhliche Einkehr bei dir halten darf.
Ja natürlich lebe ich dass selbst was ich hier schreibe, ich bin liberal, weltoffen , wissbegierig, Fremdes und Neues schrecken mich nicht ab (sondern wecke erst Neugier) oder verängstigen mich nein, daher kann ich mit der Einmauerungsmentalität völkisch- nationaler Betonköpfe samt deren Angsthasen Gesinnung und geistigen Rückwärtsgewandheit mal so rein gar nichts anfangen.
Zuletzt geändert von Alpha Centauri am So 24. Nov 2019, 17:14, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Adam Smith »

Alpha Centauri hat geschrieben:(24 Nov 2019, 16:16)

Ja natürlich lebe ich dass selbst was ich hier schreibe, ich bin liberal, weltoffen , wissbegierig, Fremdes und Neues schrecken mich nicht ab (sondern wegen Neugier) oder verängstigen mich, daher kann ich mit der Einmauerungsmentalität völkisch- nationaler Betonköpfe samt deren Angsthasen Gesinnung und geistigen Rückwärtsgewandheit mal so rein gar nichts anfangen.
Und wie reagierst du auf CO2? Jagt dir das Angst ein?
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von naddy »

Alpha Centauri hat geschrieben:(24 Nov 2019, 16:16)

Ja natürlich lebe ich dass selbst was ich hier schreibe, ich bin liberal, weltoffen , wissbegierig, Fremdes und Neues schrecken mich nicht ab (sondern wegen Neugier) oder verängstigen mich, daher kann ich mit der Einmauerungsmentalität völkisch- nationaler Betonköpfe samt deren Angsthasen Gesinnung und geistigen Rückwärtsgewandheit mal so rein gar nichts anfangen.
Da wir uns ja hier im "Philosphie"-Strang befinden erlaube ich mir mal, den guten alten Aristoteles zu zitieren: "Das sittlich Gute ist die Mitte zwischen dem Unzulänglichen und dem Übermäßigen" (Nikomachische Ethik). Als Beispiel wird die "Tapferkeit" als Mitte zwischen "Feigheit" und "Tollkühnheit" angeführt - wenn ich mich...sagen wir "nach ein paar Jahren"... noch recht erinnere... :cool:

Ich halte das für ein ganz gutes Konzept.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Billie Holiday »

Alpha Centauri hat geschrieben:(24 Nov 2019, 16:16)

Ja natürlich lebe ich dass selbst was ich hier schreibe, ich bin liberal, weltoffen , wissbegierig, Fremdes und Neues schrecken mich nicht ab (sondern wegen Neugier) oder verängstigen mich, daher kann ich mit der Einmauerungsmentalität völkisch- nationaler Betonköpfe samt deren Angsthasen Gesinnung und geistigen Rückwärtsgewandheit mal so rein gar nichts anfangen.
Prima, dann finden auch Mitglieder der Fanatiker Boko Haram bei dir freundlichen Unterschlupf? Deine Frau wird begeistert sein.

Ich sprach von Grautönen. Weder ist komplette Abschottung sinnvoll noch wahlloses Ausnahmslos-alles und-jeden-freudig-aufnehmen.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Alpha Centauri »

Adam Smith hat geschrieben:(24 Nov 2019, 16:41)

Und wie reagierst du auf CO2? Jagt dir das Angst ein?
Was hat CO2 mit dem eigentlichen Strang Thema zu tun?
Stoner

Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Stoner »

Alpha Centauri hat geschrieben:(24 Nov 2019, 16:16)

Ja natürlich lebe ich dass selbst was ich hier schreibe, ich bin liberal, weltoffen , wissbegierig, Fremdes und Neues schrecken mich nicht ab (sondern wegen Neugier) oder verängstigen mich, daher kann ich mit der Einmauerungsmentalität völkisch- nationaler Betonköpfe samt deren Angsthasen Gesinnung und geistigen Rückwärtsgewandheit mal so rein gar nichts anfangen.
Das ist eine ziemlich sinnfreie Gegenüberstellung von individuellen persönlichen Eigenschaften und politisch-ideologischen Einstellungen derer, die Sie verachten. Ihre "Betonköpfe" können sich als Individuen als eben eine solche Persönlchkeit herausstellen, wie Sie das von sich zu sein behaupten. Und auch Ihre hübsche Einstellung sagt nichts über das Maß an Grausamkeit und Demütigung, das sie unter Umständen anderen Menschen gegenüber an den Tag legen, wenn die - wie beispielsweise die Betonköpfe - nicht wollen, wie Sie wollen, wenn Sie wiederum die Macht haben, andere Ihrem Willen gemäß wollen zu machen. Davon abgesehen: Gerade Liberalität und Weltoffenheit sind immer ziemlich gute Signalwörter für die Tatsache, dass die eigene Existenz gesichert ist oder man zumindest in sehr festem Glauben daran lebt.

Zu den Grenzen gibt es einen schönen Satz in Liessmanns "Lob der Grenze": Am Anfang aller Erkenntnis steht die Einsicht, dass etwas genau dieses und nicht jenes ist. Und ohne Grenzen gibt es auch keine Vielfalt, sondern nur eins. Ob man die Grenze dann, über ihre Ordnungsfunktion in einem Nationalstaat hinaus, noch irgendwie symbolisch zu einem -ismus auflädt, ist dabei eine andere Frage.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Adam Smith »

Alpha Centauri hat geschrieben:(24 Nov 2019, 17:12)

Was hat CO2 mit dem eigentlichen Strang Thema zu tun?
Ging es dir nicht um ängstliche Menschen?
Das ist Kapitalismus:

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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Alpha Centauri »

Adam Smith hat geschrieben:(24 Nov 2019, 17:29)

Ging es dir nicht um ängstliche Menschen?
Wie lautet wohl das Strang Thema??? :rolleyes:
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Selina »

Adam Smith hat geschrieben:(24 Nov 2019, 13:15)

Deutschland ist in Teilen schon anders als Afghanistan. Es gibt da gewisse Unterschiede.
Ja und?
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von schokoschendrezki »

Amun Ra hat geschrieben:(24 Nov 2019, 14:16)

So verwendet man den Begriff in der Mathematik und in der Logik. Aber nicht in der Soziologie oder Psychologie. Schau mal in deinem Link unter Punkt 2 und mach dir mal Gedanken darüber, warum man es als notwendig erachtete diesen Punkt separat anzuführen.
Eigentlich find' ichs ja ganz schön, so belehrungsmäßig angesprochen zu werden. So nach dem Motto "Denk mal drüber nach. Setzen." :) Die Frage ist, wann und warum diese zweite Bedeutung "Wer man ist" nicht im eigentlichen Sinne von "Wer man ist" sondern ganz im Gegenteil "Wohin man gehört" in diesem heute gebräuchlichen Sinne einer "Identität" entstanden ist. Für Mitteleuropa wird das vermutlich die Mitte des 19. Jahrhunderts gewesen sein. Also ziemlich jüngeren Datums. Mit einer sehr unguten Nachwirkung.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Amun Ra »

schokoschendrezki hat geschrieben:(25 Nov 2019, 21:34)

Eigentlich find' ichs ja ganz schön, so belehrungsmäßig angesprochen zu werden. So nach dem Motto "Denk mal drüber nach. Setzen." :)
Kann passieren wenn man ganz belehrungsmäßig darüber referiert, was ein Begriff zu bedeuten hat, obschon man exakt daneben liegt. Nichts für ungut. :)
Die Frage ist, wann und warum diese zweite Bedeutung "Wer man ist" nicht im eigentlichen Sinne von "Wer man ist" sondern ganz im Gegenteil "Wohin man gehört" in diesem heute gebräuchlichen Sinne einer "Identität" entstanden ist. Für Mitteleuropa wird das vermutlich die Mitte des 19. Jahrhunderts gewesen sein. Also ziemlich jüngeren Datums. Mit einer sehr unguten Nachwirkung.
Schon in der Antike sinnierte man darüber was das "Wesen" einer Person ausmacht, ganz ohne den Begriff der "Identität" zu verwenden. Denn schon in der Antike wusste man, dass das "Wesen" einer Person nicht nur darin besteht, was ihn mit Gleichgestellten "gleich" macht sondern vor allem darin, was ihn davon unterscheidet (Stichwort: Flusslehre). Und das ist durchaus ein winziges, dennoch wichtiges, Detail der spezifischen Definition, denkst du nicht auch? :)
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von schokoschendrezki »

Amun Ra hat geschrieben:(25 Nov 2019, 23:03)

Kann passieren wenn man ganz belehrungsmäßig darüber referiert, was ein Begriff zu bedeuten hat, obschon man exakt daneben liegt. Nichts für ungut. :)

Schon in der Antike sinnierte man darüber was das "Wesen" einer Person ausmacht, ganz ohne den Begriff der "Identität" zu verwenden. Denn schon in der Antike wusste man, dass das "Wesen" einer Person nicht nur darin besteht, was ihn mit Gleichgestellten "gleich" macht sondern vor allem darin, was ihn davon unterscheidet (Stichwort: Flusslehre). Und das ist durchaus ein winziges, dennoch wichtiges, Detail der spezifischen Definition, denkst du nicht auch? :)
Ja eben. Und in diesem Sinne wird "Identität" ja auch tatsächlich im Sinne einer Relation verwendet. Nämlich: Ist mein tatsächliches Ich mit dem Bild, das ich mir von mir selbst mache identisch? Und dies geht auch völlig konform mit dem "Ident"-Begriff im IT-Bereich. Ein Primärschlüssel.

So etwas wie eine "nationale Identität" ist eindeutig ein Phänomen jüngeren Datums. Nationen sind nach allgemeiner Auffassung vorgestellte Gemeinschaften, imagined communitiies. Die im Zuge der Emanzipation sozialer Klassen (vor allem des Bürgertums im 17. - 19. Jahrhunderts) entstanden sind. Natürlich könnte man auch hier eine relationale Beziehung zwischen diesen Vorstellungen und den tatsächlichen realen Gemeinschaften suchen. Wenn diese Identitäts-Relation zwischen vorgestellter und tatsächlicher Gemeinschaft aber auf die individuelle Ebene heruntertransformiert wird ("meine serbische Identität") stimmt etwas logisch nicht.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Amun Ra »

schokoschendrezki hat geschrieben:(28 Nov 2019, 08:19)

Ja eben. Und in diesem Sinne wird "Identität" ja auch tatsächlich im Sinne einer Relation verwendet. Nämlich: Ist mein tatsächliches Ich mit dem Bild, das ich mir von mir selbst mache identisch? Und dies geht auch völlig konform mit dem "Ident"-Begriff im IT-Bereich. Ein Primärschlüssel.
Hervorhebung von mir.
Der unterstrichene Teil ist genau nicht, was "Identität" im soziologischen oder psychologischen Sinn bedeutet. Identität beschreibt sowohl gruppenbezogene Wesensmerkmale (z. Bsp. die Sozialisierung in einem bestimmten Kulturkreis) als auch individuelle Wesensmerkmale (z. Bsp. Charaktermerkmale). Bekannt sein sollte die sexuelle Identität, die sowohl die Zugehörigkeit zu einer bestimmten, aber losen Gruppe beschreibt (z. Bsp. die der Heterosexuellen, Homosexuellen, usw.) als auch persönliche Wesensmerkmale beschreibt (z. Bsp. Heterosexualität, Homosexualität), die sich unabhängig von einer eventuellen Gruppenzugehörigkeit definiert.

Oder stark vereinfacht ausgedrückt: Du hast eine Identität, ich habe eine Identität, aber wir sind nicht identisch. (Ich habe die Flusslehre nicht umsonst angeführt! "Selbst wenn du zweimal in denselben Fluss steigst, ist es niemals derselbe Fluss."). Noch deutlicher wird das bei Zwillingen (meine beiden Ältesten zum Beispiel): biologisch identisch, bei den gruppenbezogenen Wesensmerkmalen fangen allerdings die Unterschiede schon an (unterschiedliche Priorisierung im Freundeskreis zum Beispiel, jeder hat einen anderen "besten Freund"), bei den individuellen Wesensmerkmalen gibt es hingegen sehr deutliche Unterschiede. Und doch haben beide eine "Identität".
So etwas wie eine "nationale Identität" ist eindeutig ein Phänomen jüngeren Datums. Nationen sind nach allgemeiner Auffassung vorgestellte Gemeinschaften, imagined communitiies. Die im Zuge der Emanzipation sozialer Klassen (vor allem des Bürgertums im 17. - 19. Jahrhunderts) entstanden sind. Natürlich könnte man auch hier eine relationale Beziehung zwischen diesen Vorstellungen und den tatsächlichen realen Gemeinschaften suchen. Wenn diese Identitäts-Relation zwischen vorgestellter und tatsächlicher Gemeinschaft aber auf die individuelle Ebene heruntertransformiert wird ("meine serbische Identität") stimmt etwas logisch nicht.
Natürlich ist die "nationale Identität" jüngeren Datums. Aber eben nicht, weil der Begriff der "Identität" jüngeren Datums ist, sondern weil der Begriff der "Nation" jüngeren Datums ist.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von naddy »

schokoschendrezki hat geschrieben:(28 Nov 2019, 08:19)

Wenn diese Identitäts-Relation zwischen vorgestellter und tatsächlicher Gemeinschaft aber auf die individuelle Ebene heruntertransformiert wird ("meine serbische Identität") stimmt etwas logisch nicht.
Da würden mich die Kriterien deiner Unterscheidung zwischen "vorgestellter" und "tatsächlicher" Gemeinschaft interessieren. Kannst du da ein Beispiel geben?

Aus meiner Sicht ist letztlich jede "Gemeinschaft" nur eine "vorgestellte", wenn sie nicht anhand biologischer Kriterien definiert wird. Das deutet eher auf ein Identifikations-, denn ein Identitätsproblem hin, wie ich in diesem Beitrag schon einmal schrieb.

Bezüglich "Gruppenzugehörigkeit" findet sich im "Kompendium der Soziologie I: Grundbegriffe" die Anmerkung:
Simmel 1992 hat geschrieben:Die Gruppen, zu denen der Einzelne gehört, bilden gleichsam ein Koordinatensystem derart, daß jede neu hinzukommende ihn genauer und unzweideutiger bestimmt“.
"Jede neu hinzukommende" Gruppe kann für das Individuum wohl die Frage der "Identifikation" neu aufwerfen, aber wohl kaum die der "Identität".
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Stoner »

Die Gemeinschaft wirkt und konditioniert schon lange bevor ein Mensch eine Vorstellung von Vorstellung hat. Und sie, die Gemeinschaft, liefert also den Grundstock, den Kern aller Identität, der letztendlich unhintergehbar ist, jedoch nicht im Sinne einer Determinierung, sondern eines bestimmten mitlaufenden Referenzsystems. Das ist eine gewöhnliche soziokulturelle Sache, die erst dann problematisch wird, wenn daraus Politik entsteht, wenn der kulturelle Rückbezug als massenideologisches Phänomen für machtpolitische Spiele instrumentalisiert wird.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von schokoschendrezki »

Amun Ra hat geschrieben:(28 Nov 2019, 17:30)

Hervorhebung von mir.
Der unterstrichene Teil ist genau nicht, was "Identität" im soziologischen oder psychologischen Sinn bedeutet. Identität beschreibt sowohl gruppenbezogene Wesensmerkmale (z. Bsp. die Sozialisierung in einem bestimmten Kulturkreis) als auch individuelle Wesensmerkmale (z. Bsp. Charaktermerkmale). Bekannt sein sollte die sexuelle Identität, die sowohl die Zugehörigkeit zu einer bestimmten, aber losen Gruppe beschreibt (z. Bsp. die der Heterosexuellen, Homosexuellen, usw.) als auch persönliche Wesensmerkmale beschreibt (z. Bsp. Heterosexualität, Homosexualität), die sich unabhängig von einer eventuellen Gruppenzugehörigkeit definiert.

Oder stark vereinfacht ausgedrückt: Du hast eine Identität, ich habe eine Identität, aber wir sind nicht identisch. (Ich habe die Flusslehre nicht umsonst angeführt! "Selbst wenn du zweimal in denselben Fluss steigst, ist es niemals derselbe Fluss."). Noch deutlicher wird das bei Zwillingen (meine beiden Ältesten zum Beispiel): biologisch identisch, bei den gruppenbezogenen Wesensmerkmalen fangen allerdings die Unterschiede schon an (unterschiedliche Priorisierung im Freundeskreis zum Beispiel, jeder hat einen anderen "besten Freund"), bei den individuellen Wesensmerkmalen gibt es hingegen sehr deutliche Unterschiede. Und doch haben beide eine "Identität".

Natürlich ist die "nationale Identität" jüngeren Datums. Aber eben nicht, weil der Begriff der "Identität" jüngeren Datums ist, sondern weil der Begriff der "Nation" jüngeren Datums ist.
Damit beschreibst du Sachverhalte, die irgendwie definitorisch gegeben sind. Ich behaupte dennoch, dass der Begriff "Identität" in irgendeiner Art und Weise mit einer Relation verbunden sein muss, wenn er irgendeinen logisch konsistenten Sinn ergeben soll. Möglicherweise ist das Relationale in Psychologie und Soziologie inzwischen verdeckt, überdeckt von etwas anderem. Interessant wird es vor allem, wenn man sich die Unterschiedlichkeit der Begriffe "Persönlichkeit" und "Identität" anschaut. "Persönlichkeit" kann rein deskriptiv und auch ohne relationale Bezüge vestanden werden. Als die SUmme all meiner persönlichen Macken. "Identität" wird - wenn man sich die gängigen Defititionen anschaut - meist als das beschrieben, was einen Menschen eben unverwechselbar macht. Dahinter steckt selbstverständlich eine relationale Beziehung: Finde soviele Persönlichkeitsmerkmale heraus, dass sie dich als unverwechselbare, einmalige Persönlichkeit kennzeichnen und vor anderen auszeichnen. Von einer (oder "meiner") "irischen" oder sonstwie national geprägten Identität zu sprechen ist insofern logisch unsinnig. Es gibt tausende von Menschen, die gleichermaßen irischer Nationalität sind.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von schokoschendrezki »

naddy hat geschrieben:(28 Nov 2019, 18:00)

Da würden mich die Kriterien deiner Unterscheidung zwischen "vorgestellter" und "tatsächlicher" Gemeinschaft interessieren. Kannst du da ein Beispiel geben?

Aus meiner Sicht ist letztlich jede "Gemeinschaft" nur eine "vorgestellte", wenn sie nicht anhand biologischer Kriterien definiert wird. Das deutet eher auf ein Identifikations-, denn ein Identitätsproblem hin, wie ich in diesem Beitrag schon einmal schrieb.
Auch "identifizieren" bedeutet im Wortsinn eigentlich etwas oder jemanden als genau das oder genau den oder die und als nicht nur "gleich" sondern eben identisch erkennen. Ich vermute einfach einmal, dass die Bedeutung im Sinne von "jemandes Anliegen, etwas zu seiner eigenen Sache machen; aus innerlicher Überzeugung voll mit jemandem, etwas übereinstimmen" bzw. "sich mit einer anderen Person oder Gruppe emotional gleichsetzen und ihre Motive und Ideale in das eigene Ich übernehmen" (Duden) erst aus einer Art von Überemphase entstanden ist. Man ist so sehr von einer Sache überzeugt oder steht so sehr zu einer Gruppe von Menschen, dass man sich selbst damit gleichsetzt. Das ist aber erstens dennoch logisch falsch und inkonsistent. Und zweitens steht die Frage, wie dieses Bedürfnis historisch entstanden ist. Man kann nicht der 1. FC Union Berlin sein. Auch wenn man es noch so sehr möchte.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(29 Nov 2019, 07:52)

Damit beschreibst du Sachverhalte, die irgendwie definitorisch gegeben sind. Ich behaupte dennoch, dass der Begriff "Identität" in irgendeiner Art und Weise mit einer Relation verbunden sein muss, wenn er irgendeinen logisch konsistenten Sinn ergeben soll. Möglicherweise ist das Relationale in Psychologie und Soziologie inzwischen verdeckt, überdeckt von etwas anderem. Interessant wird es vor allem, wenn man sich die Unterschiedlichkeit der Begriffe "Persönlichkeit" und "Identität" anschaut. "Persönlichkeit" kann rein deskriptiv und auch ohne relationale Bezüge vestanden werden. Als die SUmme all meiner persönlichen Macken. "Identität" wird - wenn man sich die gängigen Defititionen anschaut - meist als das beschrieben, was einen Menschen eben unverwechselbar macht. Dahinter steckt selbstverständlich eine relationale Beziehung: Finde soviele Persönlichkeitsmerkmale heraus, dass sie dich als unverwechselbare, einmalige Persönlichkeit kennzeichnen und vor anderen auszeichnen. Von einer (oder "meiner") "irischen" oder sonstwie national geprägten Identität zu sprechen ist insofern logisch unsinnig. Es gibt tausende von Menschen, die gleichermaßen irischer Nationalität sind.
Wie gehen wir dann mit Menschen um, die ein sehr starkes Zusammengehörigkeitsgefühl für eine Gemeinschaft entwickeln, also den 1. FC Union Berlin oder die Stadt Bremen oder das Bundesland Brandenburg. Das Gefühl ist doch Teil ihrer Identität. "Die Nase mitten im Gesicht" oder die Haarfarbe helfen dabei weniger, meine ich!
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(29 Nov 2019, 08:37)

Wie gehen wir dann mit Menschen um, die ein sehr starkes Zusammengehörigkeitsgefühl für eine Gemeinschaft entwickeln, also den 1. FC Union Berlin oder die Stadt Bremen oder das Bundesland Brandenburg. Das Gefühl ist doch Teil ihrer Identität. "Die Nase mitten im Gesicht" oder die Haarfarbe helfen dabei weniger, meine ich!
Das ist wohl eine wichtige politische oder soziale Frage. Ich bitte um Entschuldigung, wenn dieses Herumreiten auf dem Begriff "Identität" von meiner Seite eher von rein theoretischen Überlegungen und von Interesse an sprachlichem Gebrauch motiviert ist.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Adam Smith »

schokoschendrezki hat geschrieben:(29 Nov 2019, 09:13)

Das ist wohl eine wichtige politische oder soziale Frage. Ich bitte um Entschuldigung, wenn dieses Herumreiten auf dem Begriff "Identität" von meiner Seite eher von rein theoretischen Überlegungen und von Interesse an sprachlichem Gebrauch motiviert ist.
Der IS bedient dieses sehr stark, obwohl es bereits Länder gibt in denen z.B. die Frauen nur noch mit Burka oder Niqab rumlaufen.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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