John Galt hat geschrieben:(24 Jun 2019, 16:20)
Die 28 Komissare sind zahnlose Gestalten um die es momentan noch nicht geht.
Ich glaube nicht, daß Kommissar Öttinger "zahnlos" ist. Aber natürlich wird kollegial entschieden, weil es nun einmal genau so viele politische Aufgaben gibt wie Mitgliedsstaaten der EU.
Immerhin ist jedes Mitglied am Geschehen beteiligt, je nach politischem Geschick mit unterschiedlicher Eindringtiefe. Diese Gemeinsamkeit ist ein Wert an sich.
Erst mal braucht man einen Kommissionspräsidenten.
Dann einen Hohen Vertreter für die Außenpolitik - vielleicht schafft man es dieses Mal keine Altkommunistin ins Amt zu hieven?
Also keine Mitbestimmung des Parlaments beim Vize-Präsident der Komission. Super intelligentes politisches System. Wird der Präsident abgemurkst, gibt es keine demokratische Nachfolgeregelung. Reichstagsbrand lässt grüßén.
Die angezogenen Paragraphen stehen da erst einmal. Das EU-Parlament hat eine hohe Legitimation dadurch, daß es eigens für europäische Angelegenheiten gewählt wurde. So hat es sich das Recht ertrotzt, daß die EU-Kommission insgesamt vom EU-Parlament zugelassen werden muß. Ohne EU-Parlament keine ermächtigte EU-Kommission. Im nächsten Schritt hat sich das EU-Parlament das Recht ertrotzt, daß ein EU-Präsident aus einem der Spitzenkandidaten der Parlamentswahl ausgewählt werden muß. Immerhin hat der europäische Wähler diesen Kandidaten durch Wählerstimmen einen Vertrauensvorschuß mit auf den Weg gegeben. Daneben wiegen die Paragraphen der alten EU nicht sonderlich viel. Der Rat kann viel beschließen, gegen das EU-Parlament bekommt er keine Kommission ins Amt. Auch wurde der Mangel an Legitimation der EU-Organe immer wieder beklagt. Da nützt es gar nichts, wenn der Rat, etwa Präsident Macron, auf bestehende Paragraphen verweist. Das praktisch gelöste Problem "Legitimation" würde wieder zu einem solchen, und der Rat verlöre sogar an Legitimation, weil er das Wahlergebnis der Europa-Wahl mißachten würde, also den Willen der Europäer. Dann fliegen die Brocken. Vielleicht erleben wir demnächst diesen Machtkampf zwischen EU-Parlament und EU-Ministerrat. Ich wäre sehr überrascht, wenn das Parlament sich in dieser Sache nicht durchsetzte.
Außerdem braucht man noch einen Chef der EZB.
Wenn kein Deutscher der EU-Kommission vorsteht, dann will die Machtsymmetrie in der Union, daß dort ein Deutscher die EZB führt. In dem Punkt hat Präsident Macron die Qual der Wahl. Für beide Spitzenämter wird er keinen Franzosen durchsetzen... und die deutsche Politik ist durchaus in der Lage, dort etwa einen Finnen oder einen Niederländer gut zu finden. Da werden einige Mitgliedsstaaten ziemlich trocken herunter schlucken. Präsident Macron ist also gut beraten, sich sehr eng mit der Bundesregierung ab zu stimmen. Und das ist ja in Aachen erklärte Absicht beider Staaten.
Wie schön demokratisch es dort zugeht, hier ein deutscher, dort ein Franzose, der Rest hat die Klappe zu halten, alle haben alles abzunicken, sonst gib es Haue vom Rat.
Nein, wenn die Partner sich an geschlossene Verträge halten, dann ist alles Tun im Grünen Bereich. Das gilt auch für Deutsche und Franzosen. Ansonsten tritt der EuGH in Erscheinung mit Urteilen, die Vertragsbrüchigen wenig Freude machen. Für neue Beschlüsse ist die qualifizierte Mehrheit im EU-Ministerrat herforderlich, die festlegt, daß eine 2/3-Mehrheit der Mitgliedsstaaten
und eine 2/3-Mehrheit der EU-Bürger dem Beschluß zustimmt. Wenn Deutschland und Frankreich sich einsam verbündeten, um dem Rest der EU zu zeigen, was eine Harke ist... keine Chance mit 150 Mio EU-Bürgern und nur 2 Stimmen der Mitgliedsstaaten. Mit anderen Worten: "Haue vom Rat" ist ein unrealistisches Schreckgespenst. Was nicht heißt, daß es dort nicht auch einmal laut zugehen könnte.