Unlängst beschloss die Regierung in der Ostmark, Schulmädchen das Kopftuch zu verbieten. Die ideologischen Gründe hinter diesem Anflug von Obrigkeitsstaat müssen uns hier nicht weiter kümmern. Immerhin muss die Schule auch vor dem Verbot funktioniert haben - von gegenteiligem hätte man gehört.
Auch in Deutschland hat das staatliche Vorschriften-Machen gegenüber dem Bürger seine Anhänger, unter anderem in der SPD. Ergreifen wir die Gelegenheit zu einem kleinen Streifzug durch die jüngere Vergangenheit. Die industrielle Revolution hatte einer breiten Masse erstmals Mode, also die nicht rein zweckmäßige Fertigung von Alltagskleidung, erschwinglich gemacht. Doch ein hohes Maß an gesellschaftlicher Enge machte es vielen Bürgern schwer, die Möglichkeiten der modernen Fertigung wirklich auszutesten. Für Kirchgang, Gericht, die Arbeit als Dienstmädchen und viele andere Gelegenheiten bis hin zum Tanzboden gab es strenge Konventionen und Erwartungen. Selbst die Badebode war ein Politikum. 1932 verbot der sogenannte "Zwickel-Erlass" in Preussen das Nacktbaden in der Öffentlichkeit, regulierte aber auch die Beschaffenheit der Bademode. Im Schritt war etwa ein dickerer Stoff-Fetzen, der Zwickel, anzunähen, damit auch bei nasser Bekleidung das Glied oder die entsprechende weibliche Form sich nicht abzeichneten. Badekleidung ohne Zwickel galt nun als anstößig. Auch die Rücken-Ausschnitte der Bademode und die Bedeckung angemessener Portionen von Bein und Bauch wurden reguliert. Der Bürger lacht, der Bürger macht. Trotz Kabarett und Schelte in der Presse setzte der Staat seine Vorstellungen weitgehend durch. Ein Jahr später übernahmen die Nationalsozialisten in ganz Deutschland die Macht. Statt Streit um die Badehose ging es fortan für viele ums nackte Überleben.
Überhaupt prägten staatlich oder organisatorisch vorgeschriebene Bekleidungen, Uniformen lange die Öffentlichkeit: Vom Bahnwärter und Schaffner über Polizei und Militär, die Kadettenanstalten, aber auch Feuerwehren, Musikkapellen, sogar Parteivertreter wurden häufig in einheitliche Kleidung gehüllt. Hausbedienstete sowieso. Hier hatte die Individualität hinter der Präsentation eines Hauses oder einer Gruppierung zurückzustehen. In der Schule hingegen hat die Uniform keine große Tradition in Deutschland. Die Schülermütze, erst Ende des 19. Jahrhunderts der Studentenmode folgend, hatte immer etwas lächerliches an sich, war das Äußerste an Vorschrift. Die Nazis schafften 1933 diese "Eierschalen der Reaktion" gespotteten Kappen ab. Jedoch galt in der Schulbekleidung auch ohne Uniformzwang lange der Standesdünkel. Jeans waren noch weit bis in die 1950er Jahre an höheren Schulen und Universitäten nicht gern gesehen, heute gibt es in einigen Schulen ein Legginsverbot.
Der Staat kann es nicht lassen, den jungen Menschen in ihre Individualität hineinzureden. Akzeptabel ist das noch bei der Schwimm- und Badebekleidung, wo manche Sittlichkeitsvorschriften aus anderen Ländern mit den technischen Gegebenheiten der Wasseraufbereitung und Hygiene im Konflikt stehen. Doch die Schulbank drücken unter artifiziellen Regeln? Verschämt und mit viel Geraune von Freiwilligkeit versuchen viele Schulen seit Jahren, "Schulbekleidung" zu etablieren.
Meist darf sich irgendein Designstudent mit Aufdrucken auf fertige Textile von der Stange austoben und das wird dann für ein paar Jahre den Heranwachsenden "unverbindlich nahegelegt", bis der modische Wind sich dreht und der ganze Unsinn auf den Müll kommt. Die Hi5 GmbH hat sich mit ihre Marke "schuldruckerei.com" auf die Identity-Wut der Schulleitungen spezialisiert.
Argumentationen für die angeblich frei machende Wirkung, wenn alle gleich aussehen, haben sie sich wahrscheinlich direkt in Nordkorea abgeguckt. Mutmaßlich kommen die meisten solcher Einheitsfront-Textile ohnehin aus Asien. Ökoeltern mögen die Nase rümpfen. Doch es ist viel mehr die Frage, ob es nicht Zeit ist, ganz behutsam den Eingriffen in die private Lebensgestaltung auch einmal ein nein zu entgegnen. Kann eine Gesellschaft von Diversität, Vielfalt, internationaler Durchlässigkeit und umfassender Freiheit den Menschen nicht einfach selbst überlassen, wie sie auf die Straße treten? Oder leben wir in einer Zeit neuer Zwickelerlasse? Wozu?
Liberale Kleidervorschriften
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Re: Liberale Kleidervorschriften
Bekleidung soll zweckmäßig sein und zum Beispiel Schutz vor Kälte und Regen bieten. Wenn sie nebenbei bezahlbar ist und gut aussieht, um so besser.
Ob man sich was anziehen muß, wenn man baden geht, hängt von der Figur ab. Es soll ja ästhetisch zugehen.
Ob man sich was anziehen muß, wenn man baden geht, hängt von der Figur ab. Es soll ja ästhetisch zugehen.
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Re: Liberale Kleidervorschriften
Ist ja auch ne Frage des Alters. Heute kann man alles mögliche an Kleidung ausgestalten, das keinen bestimmten Zweck erfüllt, ohne dass Kleidung deshalb teuer wird. Es ist längst kein rein funktionales Thema mehr. Selbst Sportmode glänzt in vielen Farben und Mustern.unity in diversity hat geschrieben:(17 May 2019, 09:29)
Bekleidung soll zweckmäßig sein und zum Beispiel Schutz vor Kälte und Regen bieten. Wenn sie nebenbei bezahlbar ist und gut aussieht, um so besser.
Ob man sich was anziehen muß, wenn man baden geht, hängt von der Figur ab. Es soll ja ästhetisch zugehen.
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Re: Liberale Kleidervorschriften
Modeerscheinungen haben eine kurze Lebensdauer. Sie sollen zum Kauf animieren, obwohl eigentlich noch kein Ersatz der vorhandene Stücke notwendig ist. Da sollte man schon aus Umweltschutzgründen Charakter zeigen. Gediegen und zeitlos, sieht gut aus, schont die Umwelt und die Geldbörse.
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Re: Liberale Kleidervorschriften
Ob man das so möchte, soll jeder selbst wissen. Der Mensch nimmt ja auch zu und ab und so manches Textil wird nicht alt, verfärbt, wird spröde oder fadenscheinig.unity in diversity hat geschrieben:(17 May 2019, 09:59)
Modeerscheinungen haben eine kurze Lebensdauer. Sie sollen zum Kauf animieren, obwohl eigentlich noch kein Ersatz der vorhandene Stücke notwendig ist. Da sollte man schon aus Umweltschutzgründen Charakter zeigen. Gediegen und zeitlos, sieht gut aus, schont die Umwelt und die Geldbörse.
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Re: Liberale Kleidervorschriften
Aus den abgelegten Kleidungsstücken kann ohne großes Geschick immer noch ein nützlicher Fleckerlteppich gehäkelt werden. Das beruhigt die Umweltschutz-Seele und bietet die Möglichkeit dem Ambiente interessante farbliche Akzente hinzuzufügen. Dazu ein sichtbar angebrachtes Label, “Handmade by xyz“, dann klappt's auch mit dem Neukauf von Kleidung ohne schlechtes Gewissen.unity in diversity hat geschrieben:(17 May 2019, 09:59)
Modeerscheinungen haben eine kurze Lebensdauer. Sie sollen zum Kauf animieren, obwohl eigentlich noch kein Ersatz der vorhandene Stücke notwendig ist. Da sollte man schon aus Umweltschutzgründen Charakter zeigen. Gediegen und zeitlos, sieht gut aus, schont die Umwelt und die Geldbörse.
Zuletzt geändert von JJazzGold am Fr 17. Mai 2019, 11:58, insgesamt 1-mal geändert.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
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Re: Liberale Kleidervorschriften
Eine Woche nachedem ich in Ruhestand ging habe ich alle meine Anzuege, langaermilgen Hemden, Seidenkrawatten und schicke Schuhe in den Op-Shop gegeben. Seither nur laessige Shorts, Birkies, Asic Jogging Shoes, T-Shirts, Sweat Shirts und fuer den besonderen Anlass meine Levis Jeans. Das alles zum Bedauern meiner armen Frau, die sich gerne modern kleidet und keinen Slob an ihrer Seite will wenn wir zum Dinner ausgehen.
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