Europa2050 hat geschrieben:(26 Dec 2018, 16:19)
Nein, diese Grundgesetzliche Gleichheit, die kommt nicht aus dem nichts. Die schenkt uns kein Kaiser, kein Führer und kein Zentralkomitee.
Die haben liberale Männer und Frauen erkämpft - und verteidigt - ob die nun namentlich „Liberal“ waren oder den Vorgängern oder in den letzten 75 Jahren der FDP angehört haben, ist nachrangig.
Männer und Frauen, die erkannt haben, das vor dem Gesetz alle Menschen gleich sind und das individuelle Streben nach Glück ein Menschenrecht ist.
Hierzu ein paar Worte. Den Rest des Postings habe ich weggekürzt, da er für meine Antwort unerheblich ist.
Die grundgesetzliche (Rechts-)Gleichheit hat uns selbstverständlich keiner der oben genannten Personen oder Organisationen geschenkt. Es war aber auch kein herausragendes Ergebnis einer edlen FDP, die das den Deutschen erkämpft hat.
1948/49 war Deutschland besetzt und in Trümmern. Die Alliierten zwangen die Westdeutschen, eine Art Verfassung zu schaffen, in der die Menschenrechte aller Menschen gleichermaßen geachtet werden. Freiwillig waren die Deutschen dazu vorher nicht imstande, da sie bis 1945 für den Endsieg des mörderischen Dritten Reichs gekämpft hatten. Es fanden sich dann aber doch ein paar Leute, die im Angesicht vergangener Verbrechen ein Grundgesetz entwickeln wollten, das solche Menschenrechtsverstöße wie in den Jahren bis 1945 schon im Keim ersticken würden. Im Endeffekt durften alle Parteien der westlichen Besatzungszone, die mit dem Faschismus brechen wollten, daran mitarbeiten. Zugestimmt haben von der CDU bis zur KPD im Westen fast alle dem Grundgesetz. Die KPD war damals noch nicht verboten. Die einzige Partei, die gegen das Grundgesetz stimmte, war die CSU. Es ist also mitnichten ein Sieg irgendwelcher FDP-Leute, dass wir so etwas wie einen Rechtsstaat und eine Demokratie haben, sondern dieser musste den Deutschen von außen aufgezwungen werden. Aufgezwungen deshalb, weil das Deutschland der Nazis vorher dazu weder bereit noch fähig war. Die obersten Naziverbrecher wurden meistens in den Nürnberger Prozessen verurteilt, wenn sie sich nicht vorher selbst töteten oder aber über die "Rattenlinie" nach Südamerika flohen. Und ich betone: Wären die Alliierten 1946 oder 1947 wieder aus Deutschland abgezogen, hätten die damaligen Deutschen es sicher nicht geschafft, ein solch fortschrittliches Grundgesetz zu entwickeln. Grundgesetz im übrigen deswegen, weil es eigentlich nur als Provisorium gedacht war, bis Deutschland als Ganzes wiedervereinigt werden würde.
In einem wiedervereinigten Deutschland wollte man dann eine richtige Verfassung schaffen. Dies hätte man 1990 oder 1991 im Übrigen sicher machen können. Dass die Wiedervereinigung dann so stattfand, dass den östlichen Bundesländern das -im übrigen sehr fortschrittliche- Grundgesetz übergestülpt wurde, war sicher in Ordnung. Andererseits war es aber auch ein Zeichen westlicher Arroganz gegenüber den DDR-Bürgern, die vielleicht andere Vorstellungen von Demokratie und Sozialstaat hatten. Wären die westlichen Parteien bereit gewesen, die im Grundgesetz verbrieften Rechte auszubauen und eventuell um einige sozialen Themen zu erweitern, um dann 1991 in einem Volksentscheid alle deutschen Staatsbürger zu befragen, wäre dieses Manko vielleicht aus der Welt zu schaffen gewesen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Ostdeutschen direkt nach der Wiedervereinigung viel weiter links standen als man das heute an den Wahlerfolgen der AfD sehen könnte. So aber, wie die Dinge gelaufen sind, wundere ich mich nicht, dass bei vielen Ostdeutschen anscheinend der Eindruck besteht, sie wären nur eine Kolonie des Westens, die nie gefragt wurde, wie man sich das Zusammenleben so vorstellt. Wenn 1991 das Grundgesetz in einem Volksentscheid diskutiert und zur Abstimmung gestellt worden wäre, bin ich sicher, dass es heute nicht viel anders aussehen würde, da es eine sehr große Mehrheit der Deutschen hinter sich gehabt hätte. Der AfD von heute und ihren Anhängern von heute wäre die Legitimation entzogen, dass sie im Osten doch nur arme Wendeverlierer seien, die man nie gefragt habe. Heute dagegen ist es zu spät, durch einen Volksentscheid über eine deutsche Verfassung die Demokratie revitalisieren zu wollen. Wenn alle Parteien bis zur AfD da mitmachen dürften, an einer neuen Verfassung zu arbeiten, dann wäre das Ergebnis weit rückschrittlicher als das, was die Väter und Mütter des Grundgesetzes 1949 auf die Beine gestellt haben. Dieses Zeitfenster ist zu. Und die FDP von 2018 wäre auch heute nicht in der Lage, eine Verfassung zu erkämpfen, die den Bürgern mehr freiheitliche sowie soziale Rechte gewährt als wir es sowieso schon im Grundgesetz stehen haben.
Ich weiß nicht, ob eine wahrhaft liberale Partei 1991 bereit oder fähig gewesen wäre, Helmut Kohl anzuklagen und dem deutschen Volk eine noch freiheitlichere Verfassung per Volksentscheid zur Wahl zu stellen. Die FDP von 1991 war jedoch nicht bereit und fähig, über ihren Schatten zu springen. Sie wollte lieber mit dem "Bimbeskanzler" Helmut Kohl regieren bis zum bitteren Ende. Den zur Schau gestellten Scheinliberalismus der FDP halte ich folglich für eine leere Worthülse bzw. für eine Nebelkerze. Sie ist auch nicht daran interessiert, mehr Demokratie zu erkämpfen als die anderen Parteien es erstreben. Und weniger korrupt ist die real existierende FDP schon lange nicht.