Troh.Klaus hat geschrieben:(22 Nov 2018, 00:44)
Oh ja, die armen jungen Leute heute. Sind ja so unter Druck. Müssen ganz schnell Geld verdienen, so ohne Rücklagen.
Ja, zum Henker, glaubst Du, in meinen jungen Jahren sei das Geld auf den Bäumen gewachsen? Und der Keller wäre voller "Rücklagen" gewesen?
Nada, mein Freund. Alles
selbst erwirtschaftet. Durch Fleiß und Können. Und schon auch auf die Zähne gebissen, wenn's mal nicht so lustig war. Aber dabei geblieben - nix "Ach die Welt ist ja so ungerecht. Die anderen sind ja so viel besser dran".
Wenn du von "eigener Kraft" schreibst, zeigt das schonmal, dass du keine Ahnung vom heutigen Wirtschaftssystem hast. Jemand der zum Beispiel mit dem Computer arbeitet und etwas "erwirtschaftet", kann dies nur machen weil ein anderer ihm seinen Computer gebaut hat. Wenn der andere dies nicht getan hätte, dann könnte er "aus eigener Kraft" höchstens die Erde vor seinem Haus umgraben, falls sie ihm gehört.
Es ist schwer das zu beweisen, aber subjektiv habe ich schon das Gefühl, dass in der Nachkriegszeit einiges leichter war. Nicht, dass ich Krieg befürworte, aber ein Krieg vernichtet Werte. Wertevernichtung bedeutet meist, dass alle wieder bei Null anfangen, also auf dem gleichen Stand. Umverteilung im Destruktiven Sinne quasi. Und dann gab es sowas:
https://de.wikipedia.org/wiki/Lastenaus ... nausgleich
Diejenigen die noch etwas hatten mussten den anderen, die nichts mehr hatten, etwas geben. Völlig unabhängig davon ob die Empfänger was dafür taten oder nicht. Müsste man jetzt detailiert in die Wirtschaftsgeschichte nach dem 2. Weltkrieg einsteigen, aber was ich so gehört habe war es für jeden einfacher irgendwas anzufangen, da die Kluft nicht so groß war. Wenn man so Geschichten hört, dass nach dem 2. Weltkrieg irgendwelche Architekturabsolventen sofort nach dem Studium ein "Büro eröffnet" hatten, dann frag ich mich wie das möglich ist. Heute ist sowas nicht möglich. Völlig illusorisch. Die einzige Erklärung die ich habe: Der Krieg hat Werte vernichtet und die nachfolgenden Aufbaumaßnahmen haben zu einer Art "Reset" (Siehe auch Dirk Müller zum Thema), einer Umverteilung, geführt, so dass jeder auf kleinem Niveau neu starten konnte, aber das entscheidende war offenbar, das "jeder" ungefähr gleiche Startbedingungen hatte.
Extremfall:
Ein Krieg vernichtet fast alle Werte und jedem bleibt nur ein Ziegelstein. Jeder kann gleichberechtig mit seinem Ziegelstein bewaffnet ins Wirtschaftsleben einsteigen. Heute ist es so, dass vielleicht mehr Werte existieren, aber die sind bei wenigen konzentriert. Die Folge: Jemand der wenig hat kann nicht einfach so bei Null starten, da dies nicht akzeptiert wird. Er konkurriert mit den Reichen. Oder anders gesagt: Natürlich könnte ich heute genau das selbe machen was die beiden besagten Architekturabsolventen nach dem Krieg gemacht haben: Mir eine schäbige Bude besorgen, dort Zeichenutensilien aufstellen, ein paar Bücher in den Schrank tun und Telefone hinstellen und sagen "Ich bin ein tolles Architekturbüro". Aber da der Standard sich inzwischen geändert hat mache ich mich heute damit lächerlich, es wäre eher ein Museum statt ein Büro.
Das entscheidende ist also das Maß der Gleichheit. Das BGE stellt diese Gleichheit natürlich wieder zu einem Teil da. Aber nochmal: Wenn es heißt, dass "Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst", dann heißt das, dass sie früher kleiner war. Je kleiner die Kluft, desto leichter ist es "aus eigener Kraft" sich in das jeweilige Wirtschaftssystem einzuklinken. Wenn die Kluft größer ist, kann ich das nicht mehr, ich bin darauf angewiesen, dass reiche Leute bei mir investieren. Wenn sie das nicht tun (und je mehr das Kapital konzentriert ist, desto weniger Investoren gibt es) dann kann ich "aus eigener Kraft" nicht viel machen.
Fazit: Ich vermute stark dass "ihr" älteren Leute früher zwar insgesamt weniger hattet, aber alle noch mehr auf dem selben Stand waren als heute, so dass alle mehr gleichberechtigt und "aus eigener Kraft" sich in die Wirtschaft einklinken konnten. Heute ist es jedoch so, sobald jemand ne popelige Idee für ein popeliges Plastikprodukt hat, kann er nicht mal einfach in der Küche Plastik zusammenrühren und ist dann gleich der beste Spielzeugproduzent im Lande, sondern er konkurriert sofort mit Mega-Großkonzernen. In dieser Situation ist es immer illusorischer "aus eigener Kraft" mit seinen Ideen Erfolg zu haben. Warum gibt es denn diese lustigen Sendungen "Höhle der Löwen" oder so heute und warum gab es 1955 sowas nicht? 1955 konnte man (ich sags mal provokativ) mit ein paar Zigaretten Handel betreiben und ins Wirtschaftsleben einsteigen. Heute muss man Kontakt zu den Reichen bekommen um Chance auf Erfolg zu haben. BGE und alle anderen Formen der Umverteilung stellen eher einen Zustand her wo jeder (wie offenbar nach dem Krieg) auf relativ (!) gleichem Niveau ins Wirtschaftleben einsteigen kann.
Nochmal: Jeder junge Mensch der heute eine lustige Idee hat konkuriert SOFORT mit Mega-Großunternehmen. Es ist ILLUSORISCH für diese Leute "aus eigener Kraft" da mitzuhalten. Eigentlich ist ein BGE da viel zu wenig, aber immerhin ein Anfang und sorgt erstmal für klare Verhältnisse.
Wie ihr seht, habe ich jetzt auch ein Profilbild wo das Portrait eines großen politischen Denkers aus der Vergangenheit abgebildet ist. Damit ist jetzt jede meiner Aussagen wahr und absolut seriös.