100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

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Kritikaster
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100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Kritikaster »

In diesem Jahr haben wir Anlass, anlässlich des Endes des Ersten Weltkrieges und des daraus folgenden Unterganges des Kaiserreichs einer Reihe von Ereignissen zu Gedenken. Als Auslöser dieser Ereigniskette ist in diesem Zusammenhang der Kieler Matrosenaufstand zu betrachten.

Natürlich gibt es im schönsten Bundesland mit den glücklichsten Einwohnern hierfür eine entsprechende Ausstellung. https://www.kiel.de/de/kultur_freizeit/ ... ellung.php
Der Bedeutung des Ereignisses für die Entwicklung zur ersten deutschen Demokratie entsprechend, haben alle Fraktionen des schleswig-holsteinischen Landtags beantragt, diese Ausstellung über den Zeitraum der Feierlichkeiten hinaus zu erhalten.

ALLE Fraktionen? Selbstverständlich nicht! :rolleyes:
Antrag
der Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/ Die Grünen, FDP und der Abgeordneten des SSW
100 Jahre Matrosenaufstand – für eine starke Demokratie!
http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wah ... rch=%22%22
Falls jemand die AfD in dem Antrag vermisst: Die Partei, in der nach wie vor selbsterklärte "Kaisertreue" als Funktionsträger tätig sind, hat sich - einmal mehr - selbst aus dem Kreis der geschichtsbewussten Demokraten ausgeschlossen.

Wie seht Ihr das: Ist es angesichts der heutigen (Des-?)Informationsmöglichkeiten im www noch zeitgemäß, auf einzelne Ereignisse bezogene Ausstellungen zu Dauerveranstaltungen zu machen? Immerhin will so etwas bezahlt sein, kostet also Steuergelder. Ergibt sich daraus ein adäquater erinnerungspolitischer Nutzen?
Der am höchsten entwickelte Sinn ist der Unsinn. (Peter E. Schumacher)
Wo der Sinn aufhört, beginnt der Wahnsinn. (Erhard Horst Bellermann)
Stoner

Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Stoner »

Kritikaster hat geschrieben:(07 Nov 2018, 14:30)

Wie seht Ihr das: Ist es angesichts der heutigen (Des-?)Informationsmöglichkeiten im www noch zeitgemäß, auf einzelne Ereignisse bezogene Ausstellungen zu Dauerveranstaltungen zu machen? Immerhin will so etwas bezahlt sein, kostet also Steuergelder. Ergibt sich daraus ein adäquater erinnerungspolitischer Nutzen?
Man könnte sofort die Gegenfrage stellen: Muss sich daraus ein erinnerungspolitischer Nutzen ergeben, muss das ein pädagogisches Ziel haben, um gerechtfertigt zu sein? Oder reicht es, ein Angebot zu machen für Interessierte (und nebenbei damit gleichzeitig fürs kollektive Gedächtnis)? Wenn die Ausstellung also informativ, ansprechend und nicht paternalistisch angelegt ist, würde das als "Nutzen" ausreichen, wenn's denn immer Nutzen sein muss. Und ein bisschen analoge Kultur statt digitaler Kultur ist ja auch ein Angebot.
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Quatschki
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Quatschki »

Ist der Matrosenaufstand eigentlich Bestandteil des Traditionsgutes der Bundesmarine?
Kritikaster hat geschrieben:(07 Nov 2018, 14:30)
Falls jemand die AfD in dem Antrag vermisst: Die Partei, in der nach wie vor selbsterklärte "Kaisertreue" als Funktionsträger tätig sind, hat sich - einmal mehr - selbst aus dem Kreis der geschichtsbewussten Demokraten ausgeschlossen.
Ich bezweifele, dass die AfD überhaupt gefragt wurde.
Würde sie sich dem Antrag anschließen, müßten sich ja alle anderen umgehend davon distanzieren
Zuletzt geändert von Quatschki am Mi 7. Nov 2018, 15:29, insgesamt 1-mal geändert.
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Vongole
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Vongole »

Man sollte nicht nur eine Dauer-, sondern eine Wanderausstellung quer durch die Republik daraus machen.

In Zeiten, in denen Abiturienten auf die Fragen nach dem ersten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland mit "Kohl" antworten, Parteien Geschichtsrevisionismus betreiben,
Demokratie als etwas Selbstverständliches angesehen wird, aber immer weniger Menschen bereit sind, sich für diese einzusetzen, statt dessen Politikverdrossenheit sich breit macht,
halte ich es für sehr sinnvoll, immer wieder daran zu erinnern, dass Demokratie auch erkämpft werden muss.
Der Kieler Matrosenaufstand ist dafür ein gutes Beispiel, Teile der 14 Kieler Punkte sind Grundlagen des heutigen Wehrrechts.
Am Yisrael Chai

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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Kritikaster »

Quatschki hat geschrieben:(07 Nov 2018, 15:25)

Ich bezweifele, dass die AfD überhaupt gefragt wurde.
Würde sie sich dem Antrag anschließen, müßten sich ja alle anderen umgehend davon distanzieren
Die deutliche Ablehnung des Antrags durch die AfD-Geschichtsrevisionisten im Plenum zeigt, wie unberechtigt Deine Zweifel sind:
Dr. Frank Brodehl zu TOP 26: Wie SPD, SSW und Jamaika Geschichte umdeuten und instrumentalisieren hat mit Demokratie nichts zu tun
https://www.landtag.ltsh.de/presseticke ... 4-33-6351/
So schaut's aus: Rechte Geschichtsrevisionisten, mit nach wie vor "Kaisertreuen" in ihren Reihen, folgen ihrem "Marschplan" zur 180°-Wende und werfen dafür - schwuppdiwupp - mal eben den geschichtsbewussten Demokraten das eigene Tun vor.
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Kritikaster »

Vongole hat geschrieben:(07 Nov 2018, 15:28)

Man sollte nicht nur eine Dauer-, sondern eine Wanderausstellung quer durch die Republik daraus machen.

In Zeiten, in denen Abiturienten auf die Fragen nach dem ersten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland mit "Kohl" antworten, Parteien Geschichtsrevisionismus betreiben,
Demokratie als etwas Selbstverständliches angesehen wird, aber immer weniger Menschen bereit sind, sich für diese einzusetzen, statt dessen Politikverdrossenheit sich breit macht,
halte ich es für sehr sinnvoll, immer wieder daran zu erinnern, dass Demokratie auch erkämpft werden muss.
Der Kieler Matrosenaufstand ist dafür ein gutes Beispiel, Teile der 14 Kieler Punkte sind Grundlagen des heutigen Wehrrechts.
Die Idee einer Wanderausstellung gefällt mir. Mal schaun, ob die Kieler Verantwortlichen dafür zu gewinnen sind.
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Vongole
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Vongole »

Quatschki hat geschrieben:(07 Nov 2018, 15:25)

Ist der Matrosenaufstand eigentlich Bestandteil des Traditionsgutes der Bundesmarine?


Ich bezweifele, dass die AfD überhaupt gefragt wurde.
Würde sie sich dem Antrag anschließen, müßten sich ja alle anderen umgehend davon distanzieren
Das Thema wurde im Plenum behandelt.
Der AfD-Politiker warf darauf hin den anderen Parteien vor, die Geschichte umzudeuten, und präsentierte, wie kann es anders sein, alternative Fakten.
https://de-de.facebook.com/AfD.Fraktion ... __tn__=K-R

Edit: Kritikaster war schneller.
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Kritikaster »

MäckIntaier hat geschrieben:(07 Nov 2018, 15:24)

Man könnte sofort die Gegenfrage stellen: Muss sich daraus ein erinnerungspolitischer Nutzen ergeben, muss das ein pädagogisches Ziel haben, um gerechtfertigt zu sein? Oder reicht es, ein Angebot zu machen für Interessierte (und nebenbei damit gleichzeitig fürs kollektive Gedächtnis)? Wenn die Ausstellung also informativ, ansprechend und nicht paternalistisch angelegt ist, würde das als "Nutzen" ausreichen, wenn's denn immer Nutzen sein muss. Und ein bisschen analoge Kultur statt digitaler Kultur ist ja auch ein Angebot.
Ein berechtigter Einwand zu meiner Formulierung.

Ich kann also dieser "Nutzen"-Definition durchaus zustimmen. Dass darüber hinaus auch mir selbst ein analoges Kulturangebot durchaus lieb und das Geld wert ist, verstärkt unsere Übereinstimmung nur.
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Stoner »

Kritikaster hat geschrieben:(07 Nov 2018, 15:57)

Die deutliche Ablehnung des Antrags durch die AfD-Geschichtsrevisionisten im Plenum zeigt, wie unberechtigt Deine Zweifel sind:

So schaut's aus: Rechte Geschichtsrevisionisten, mit nach wie vor "Kaisertreuen" in ihren Reihen, folgen ihrem "Marschplan" zur 180°-Wende und werfen dafür - schwuppdiwupp - mal eben den geschichtsbewussten Demokraten das eigene Tun vor.
Die unvermeidliche AfD. Alle Diskurse scheinen nur noch darum zu kreisen: Was denkt die AfD. Die AfD ist wie der historische Behle in jener berühmten Sportübertragung ("Wo bleibt Behle?"), und manchmal wirkt es wie im Sketch "Auf der Rennbahn".
Ob die völlig unspektakulär vorgetragenen "alternativen Fakten" (ein Eigentor sondergleichen) nun gleich Geschichtsrevisionismus sind, kann wohl kaum jemand außer einem Historiker so entscheiden. Fragt sich aber, ob die historischen Menschen Geschichte als von der Geschichtswissenschaft bestätigte Fakten wahrgenommen haben seinerzeit, oder ob die Nachricht vom Matrosenaufstand - Fakt hin oder her - eine ganz bestimmte auch symbolische Bedeutung hatte. Und hierfür spielt es keine Rolle, ob nun der schon dieses oder jenes und jene sowieso nicht oder schon längst oder auch was immer getan hatten, wussten, angeordnet hatten usw.

Man kann ja in die Ausstellung gehen, ohne sich von dem Politikum beeindrucken zu lassen. Vielleicht weckt es dann die Lust auf Fakten, und man beschäftigt sich.
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Quatschki
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Quatschki »

Vongole hat geschrieben:(07 Nov 2018, 16:05)

Das Thema wurde im Plenum behandelt.
Der AfD-Politiker warf darauf hin den anderen Parteien vor, die Geschichte umzudeuten, und präsentierte, wie kann es anders sein, alternative Fakten.
https://de-de.facebook.com/AfD.Fraktion ... __tn__=K-R

Edit: Kritikaster war schneller.
Ich kann in den Ausführungen des Dr.Brodehl so auf Anhieb keinen Fehler entdecken? Worin sollen denn die "alternativen Fakten" bestehen?
Ich sehe auch keinen Widerspruch zu meinem Beitrag oder irgendwelche Hinweise darauf, dass die AfD den Kaiser Wilhelm wieder haben möchte.
Mit linksalternativen Fakten bin ich auch vertraut, da ich als Schüler mal einen Fahnenappell zur Novemberrevolution mitorganisiert habe und nach damaliger Leseart der Kieler Matrosenaufstand der Startschuß einer Entwicklung war, die in der DDR ihre glückliche Vollendung fand
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Dark Angel »

Kritikaster hat geschrieben:(07 Nov 2018, 14:30)

In diesem Jahr haben wir Anlass, anlässlich des Endes des Ersten Weltkrieges und des daraus folgenden Unterganges des Kaiserreichs einer Reihe von Ereignissen zu Gedenken. Als Auslöser dieser Ereigniskette ist in diesem Zusammenhang der Kieler Matrosenaufstand zu betrachten.

Natürlich gibt es im schönsten Bundesland mit den glücklichsten Einwohnern hierfür eine entsprechende Ausstellung. https://www.kiel.de/de/kultur_freizeit/ ... ellung.php
Der Bedeutung des Ereignisses für die Entwicklung zur ersten deutschen Demokratie entsprechend, haben alle Fraktionen des schleswig-holsteinischen Landtags beantragt, diese Ausstellung über den Zeitraum der Feierlichkeiten hinaus zu erhalten.

ALLE Fraktionen? Selbstverständlich nicht! :rolleyes:

Falls jemand die AfD in dem Antrag vermisst: Die Partei, in der nach wie vor selbsterklärte "Kaisertreue" als Funktionsträger tätig sind, hat sich - einmal mehr - selbst aus dem Kreis der geschichtsbewussten Demokraten ausgeschlossen.

Wie seht Ihr das: Ist es angesichts der heutigen (Des-?)Informationsmöglichkeiten im www noch zeitgemäß, auf einzelne Ereignisse bezogene Ausstellungen zu Dauerveranstaltungen zu machen? Immerhin will so etwas bezahlt sein, kostet also Steuergelder. Ergibt sich daraus ein adäquater erinnerungspolitischer Nutzen?
Auf keinen Fall sollten die Ereignisse - beginnend im Oktober 1918 - die zur Gründung der ersten deutschen Demokratie führten, in Vergessenheit geraten. Sie sollten allerdings auch nicht instrumentalisiert werden.
Insbesondere den letzten Punkt der Ankündigung finde ich in diesem Zusammenhang sehr wichtig.

"Wie wurde die Revolution bis heute rezipiert, welche Bedeutung hatte und hat sie für die deutsche Geschichte?"

Auch wenn User Quatschki scheinbar keinen Fehler in den Ausführungen entdecken kann - ich finde schon Fehler:
In keiner Quelle, die ich auf die Schnelle gefunden habe, wird - wie von Brodehl unterstellt - behauptet "die oberste Heeresleitung hätte die Hochseeflotte nochmals offensiv einsetzen wollen". Überall ist die Rede von einer eigenmächtigen Entscheidung der Seekriegsleitung - trotz bereits eingeleiteter Waffenstillstandsverhandlungen.
Und gleichgültig ob der Kieler Matrosenaufstand nun "Triebfeder", Initialzündung" oder sonstwie genannt wird - er stellte definitiv einen Wendepunkt in der deutschen Geschichte dar. Denn ohne diese "Triebfeder", "Initialzündung" - what ever - wäre es niemals in ganz Deutschland zu einer Revolution und/oder zur Gründung von Arbeiter- und Soldatenräten gekommen.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Julian
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Julian »

Kritikaster hat geschrieben:(07 Nov 2018, 15:57)

Die deutliche Ablehnung des Antrags durch die AfD-Geschichtsrevisionisten im Plenum zeigt, wie unberechtigt Deine Zweifel sind:

So schaut's aus: Rechte Geschichtsrevisionisten, mit nach wie vor "Kaisertreuen" in ihren Reihen, folgen ihrem "Marschplan" zur 180°-Wende und werfen dafür - schwuppdiwupp - mal eben den geschichtsbewussten Demokraten das eigene Tun vor.
Vongole hat geschrieben:(07 Nov 2018, 16:05)

Das Thema wurde im Plenum behandelt.
Der AfD-Politiker warf darauf hin den anderen Parteien vor, die Geschichte umzudeuten, und präsentierte, wie kann es anders sein, alternative Fakten.
https://de-de.facebook.com/AfD.Fraktion ... __tn__=K-R

Edit: Kritikaster war schneller.
Was ist denn nun konkret falsch an den Ausführungen Frank Brodehls? Auf mich wirkt das relativ plausibel, aber ich beanspruche sicher keine Expertise auf diesem Gebiet. Sie beide aber offenbar schon - oder Sie vertrauen blind auf die ideologische Rechtleitung durch SPD & Co.
https://www.landtag.ltsh.de/presseticke ... 4-33-6351/

Woher aber wissen Sie denn, dass SPD & Co. immer recht haben, und die AfD immer unrecht? Ich weiß das nicht, aber die Aussagen Brodehls müssten sich doch anhand historischer Standardwerke recht einfach auf ihre Stichhaltigkeit überprüfen lassen.
Victrix causa deis placuit, sed victa Catoni
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Julian
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Julian »

Dark Angel hat geschrieben:(07 Nov 2018, 19:51)

Auf keinen Fall sollten die Ereignisse - beginnend im Oktober 1918 - die zur Gründung der ersten deutschen Demokratie führten, in Vergessenheit geraten. Sie sollten allerdings auch nicht instrumentalisiert werden.
Insbesondere den letzten Punkt der Ankündigung finde ich in diesem Zusammenhang sehr wichtig.

"Wie wurde die Revolution bis heute rezipiert, welche Bedeutung hatte und hat sie für die deutsche Geschichte?"

Auch wenn User Quatschki scheinbar keinen Fehler in den Ausführungen entdecken kann - ich finde schon Fehler:
In keiner Quelle, die ich auf die Schnelle gefunden habe, wird - wie von Brodehl unterstellt - behauptet "die oberste Heeresleitung hätte die Hochseeflotte nochmals offensiv einsetzen wollen". Überall ist die Rede von einer eigenmächtigen Entscheidung der Seekriegsleitung - trotz bereits eingeleiteter Waffenstillstandsverhandlungen.
Und gleichgültig ob der Kieler Matrosenaufstand nun "Triebfeder", Initialzündung" oder sonstwie genannt wird - er stellte definitiv einen Wendepunkt in der deutschen Geschichte dar. Denn ohne diese "Triebfeder", "Initialzündung" - what ever - wäre es niemals in ganz Deutschland zu einer Revolution und/oder zur Gründung von Arbeiter- und Soldatenräten gekommen.
Die Antwort auf Ihre Frage ist einfach: Das Dokument wurde still und heimlich korrigiert. Das ursprüngliche Dokument, auf das Brodehl reagierte, las sich so:
Von Kiel ausgehend wandten sich Matrosen und Soldaten der kaiserlichen Armee – trotz drakonischer Strafandrohungen - gegen letzte Versuche der Obersten Heeresleitung, den für Mittelmächte bereits verlorenen Ersten Weltkrieg durch eine neue Offensivegegen Großbritannien zu verlängern und damit das Leiden und das Sterben derSoldaten und der Zivilbevölkerung auf beiden Seiten noch weiter zu verlängern.
Quelle: Schleswig-Holsteinischer Landtag, 19. Wahlperiode, Drucksache 119/1021 vom 23.10.2018
http://webcache.googleusercontent.com/s ... clnk&gl=de

Dies wurde wie folgt geändert:
Von Kiel ausgehend wandten sich Matrosen und Soldaten der kaiserlichen Armee – trotz drakonischer
Strafandrohungen – gegen den Versuch der deutschen Marineleitung, mit einer letzten Entscheidungsschlacht die eigene Ehre in dem für die Mittelmächte bereits verlorenen Ersten Weltkrieg zu retten.
Quelle: Schleswig-Holsteinischer Landtag, 19. Wahlperiode, Drucksache 119/1021(neu), 2. Fassung vom 6.11.2018
http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wah ... -01021.pdf

Und das zeigt eben die ganze Problematik, die sich ergibt, wenn ein Provinzparlament aus ideologischen Gründen Geschichtspolitik betreiben soll. Warum überlässt man die historische Forschung nicht den akademischen Institutionen? Warum muss man sich hier mit Fake News zwischenschalten, die dann - offenbar nach Hinweisen der AfD - nachträglich korrigiert werden müssen, ohne freilich den Input der AfD zu würdigen?
Victrix causa deis placuit, sed victa Catoni
Skeptiker

Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Skeptiker »

Quatschki hat geschrieben:(07 Nov 2018, 18:02)
Ich kann in den Ausführungen des Dr.Brodehl so auf Anhieb keinen Fehler entdecken? Worin sollen denn die "alternativen Fakten" bestehen?
Ich sehe auch keinen Widerspruch zu meinem Beitrag oder irgendwelche Hinweise darauf, dass die AfD den Kaiser Wilhelm wieder haben möchte.
...
Dem schliesse ich mich an. Mir fehlt bislang hier jede sachliche Auseinandersetzung mit Dr. Brodehls Aussagen.

Was hat er denn nun falsches gesagt? Mich würde das wirklich interessieren.
Humelix33
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Humelix33 »

Naja, solche Aufstände sind eher schmeichelhaft und eigentlich weniger bedeutend, als sie heute gemacht werden, aber man braucht ja unbedingt was, um das Kaiserreich zum Ende hin absolut schlecht dastehen zu lassen.

Es gab ja Gründe, warum es einen Aufstand gab. Vor allem war es genau wie 1944 nachher, zu einem Zeitpunkt, wo klar war, das nichts mehr zu gewinnen war. Dennoch nicht vergleichbar, weil vor genau 100 Jahren sowohl Menschen, als auch Maschinen - hier Waffen - verheizt waren, während die Nazis noch Maschinen gehabt haben, aber keine Soldaten mehr. Von daher ja, der Aufstand hat vielleicht eine Kamikazeaktion verhindert, war aber nunmal so oder so nicht mehr bedeutsam, weil zu dem Zeitpunkt die sprichwörtliche Messe bereits gelesen war. Da hat Stauffenberg 1944 z.B. noch weit mehr Optionen für die Deutschen gehabt, wäre das Attentat geglückt.

Was man anerkennen kann, dass die Marinesoldaten ihr Leben gerettet haben, statt in die sinnlose geplante finale Seeschlacht gegen England rauszufahren, mehr und weniger aber auch nicht, weil wie erwähnt, sämtliche Jahrgänge an der Front bereits verheizt wurden. Und der Aufstand resultierte auch nur daraus, weil der Krieg verloren war, bedeutet, wäre man an der Front erfolgreich geblieben, hätten weiterhin alle mitgezogen. Bei Stauffenberg zum Vergleich kann man es ähnlich sehen, hätte er von den Konzentrationslagern gewusst, und daher so gehandelt, wäre es absolut heldenhaft gewesen, aber auch hier war der Grund vorrangig, Ende des Krieges WEIL es nichts mehr zu gewinnen gab, aufgrund der Anzahl der Feinde und eigenen Verluste.

Von daher halte ich die Heroisierung des Matrosenaufstandes für völlig überzogen und überbewertet, bei Stauffenberg sieht das anders aus, weil er damals auch wirklich gehandelt hat, Andere waren vorher zu feige den Versuch zu unternehmen Hitler zu töten, obwohl groß angekündigt.
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Julian
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Julian »

Humelix33 hat geschrieben:(07 Nov 2018, 23:41)

Naja, solche Aufstände sind eher schmeichelhaft und eigentlich weniger bedeutend, als sie heute gemacht werden, aber man braucht ja unbedingt was, um das Kaiserreich zum Ende hin absolut schlecht dastehen zu lassen.

Es gab ja Gründe, warum es einen Aufstand gab. Vor allem war es genau wie 1944 nachher, zu einem Zeitpunkt, wo klar war, das nichts mehr zu gewinnen war. Dennoch nicht vergleichbar, weil vor genau 100 Jahren sowohl Menschen, als auch Maschinen - hier Waffen - verheizt waren, während die Nazis noch Maschinen gehabt haben, aber keine Soldaten mehr. Von daher ja, der Aufstand hat vielleicht eine Kamikazeaktion verhindert, war aber nunmal so oder so nicht mehr bedeutsam, weil zu dem Zeitpunkt die sprichwörtliche Messe bereits gelesen war. Da hat Stauffenberg 1944 z.B. noch weit mehr Optionen für die Deutschen gehabt, wäre das Attentat geglückt.

Was man anerkennen kann, dass die Marinesoldaten ihr Leben gerettet haben, statt in die sinnlose geplante finale Seeschlacht gegen England rauszufahren, mehr und weniger aber auch nicht, weil wie erwähnt, sämtliche Jahrgänge an der Front bereits verheizt wurden. Und der Aufstand resultierte auch nur daraus, weil der Krieg verloren war, bedeutet, wäre man an der Front erfolgreich geblieben, hätten weiterhin alle mitgezogen. Bei Stauffenberg zum Vergleich kann man es ähnlich sehen, hätte er von den Konzentrationslagern gewusst, und daher so gehandelt, wäre es absolut heldenhaft gewesen, aber auch hier war der Grund vorrangig, Ende des Krieges WEIL es nichts mehr zu gewinnen gab, aufgrund der Anzahl der Feinde und eigenen Verluste.

Von daher halte ich die Heroisierung des Matrosenaufstandes für völlig überzogen und überbewertet, bei Stauffenberg sieht das anders aus, weil er damals auch wirklich gehandelt hat, Andere waren vorher zu feige den Versuch zu unternehmen Hitler zu töten, obwohl groß angekündigt.
Auf jeden Fall durfte man noch vor 10, zwanzig Jahren über solche Ereignisse diskutieren, also über ihr Für und Wider, über die tatsächliche und die im Rückblick gewünschte Motivation der Handelnden, über direkte und indirekte Folgen, über die historische Einordnung...

Heute wird offenbar von Parlamenten mehrheitlich beschlossen, wie es gewesen ist und was wir darüber zu denken haben, und wer die beschlossene Auffassung nicht teilt, ist ein Nazi, oder schlimmer, ein AfD-Anhänger. Schon seltsam, was aus diesem Land geworden ist.
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Kritikaster »

Julian hat geschrieben:(07 Nov 2018, 21:10)

Die Antwort auf Ihre Frage ist einfach: Das Dokument wurde still und heimlich korrigiert. Das ursprüngliche Dokument, auf das Brodehl reagierte, las sich so:

Quelle: Schleswig-Holsteinischer Landtag, 19. Wahlperiode, Drucksache 119/1021 vom 23.10.2018
http://webcache.googleusercontent.com/s ... clnk&gl=de

Dies wurde wie folgt geändert:

Quelle: Schleswig-Holsteinischer Landtag, 19. Wahlperiode, Drucksache 119/1021(neu), 2. Fassung vom 6.11.2018
http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wah ... -01021.pdf
Wir stellen fest: Die im Sinne historischer Korrektheit vorgenommene Korrektur des Beschlußantrags erfolgte am 06.11.2018, also am Tag VOR der Plenarsitzung und damit nicht "still und heimlich" oder gar in Folge des Redebeitrags des AfD-Abgeordneten (die AfD-Urheberschaft der Änderung ist noch gleich wodurch belegt?). Sie lag allen Abgeordneten vor.

Es zeugt von ungenauem Arbeiten Brodehls, wissend um den korrigiert zur Abstimmung gestellten Text (womit ich unterstelle, dass er an der Stelle wusste, worüber er redete), diese behobene Ungenauigkeit aus einer vorangegangenen Fassung hervorzuheben.
Der am höchsten entwickelte Sinn ist der Unsinn. (Peter E. Schumacher)
Wo der Sinn aufhört, beginnt der Wahnsinn. (Erhard Horst Bellermann)
odiug

Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von odiug »

Kritikaster hat geschrieben:(07 Nov 2018, 15:57)

Die deutliche Ablehnung des Antrags durch die AfD-Geschichtsrevisionisten im Plenum zeigt, wie unberechtigt Deine Zweifel sind:

So schaut's aus: Rechte Geschichtsrevisionisten, mit nach wie vor "Kaisertreuen" in ihren Reihen, folgen ihrem "Marschplan" zur 180°-Wende und werfen dafür - schwuppdiwupp - mal eben den geschichtsbewussten Demokraten das eigene Tun vor.
https://www.landtag.ltsh.de/presseticke ... 4-33-6351/
Das Interview belegt nur eins: Wer hat uns verraten ? Sozialdemokraten !
Schon 1914,bei der Bewilligung der Kriegsanleihen durch die SPD im Reichstag, wie auch 1918, als sie mit nationalistischen Kräften paktierten, um die Revolution zu ersticken.
Das macht der gute Doktor mal wieder klar und dafür kann man ihm beinahe dankbar sein .
Stoner

Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Stoner »

odiug hat geschrieben:(08 Nov 2018, 07:39)

https://www.landtag.ltsh.de/presseticke ... 4-33-6351/
Das Interview belegt nur eins: Wer hat uns verraten ? Sozialdemokraten !
Schon 1914,bei der Bewilligung der Kriegsanleihen durch die SPD im Reichstag, wie auch 1918, als sie mit nationalistischen Kräften paktierten, um die Revolution zu ersticken.
Das macht der gute Doktor mal wieder klar und dafür kann man ihm beinahe dankbar sein .
Manches im Leben ändert sich nie. Die Sozialfaschismustheorie scheint eine solche Konstante zu sein.
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Quatschki
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Quatschki »

odiug hat geschrieben:(08 Nov 2018, 07:39)

https://www.landtag.ltsh.de/presseticke ... 4-33-6351/
Das Interview belegt nur eins: Wer hat uns verraten ? Sozialdemokraten !
Schon 1914,bei der Bewilligung der Kriegsanleihen durch die SPD im Reichstag, wie auch 1918, als sie mit nationalistischen Kräften paktierten, um die Revolution zu ersticken.
Das macht der gute Doktor mal wieder klar und dafür kann man ihm beinahe dankbar sein .
Stimmt schon, die (damaligen) Sozen haben dir dein Sowjetdeutschland versaut
Aber sie versuchen es ja wieder gut zu machen.
Stoner

Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Stoner »

Humelix33 hat geschrieben:(07 Nov 2018, 23:41)

Naja, solche Aufstände sind eher schmeichelhaft und eigentlich weniger bedeutend, als sie heute gemacht werden, aber man braucht ja unbedingt was, um das Kaiserreich zum Ende hin absolut schlecht dastehen zu lassen.

Es gab ja Gründe, warum es einen Aufstand gab. Vor allem war es genau wie 1944 nachher, zu einem Zeitpunkt, wo klar war, das nichts mehr zu gewinnen war. Dennoch nicht vergleichbar, weil vor genau 100 Jahren sowohl Menschen, als auch Maschinen - hier Waffen - verheizt waren, während die Nazis noch Maschinen gehabt haben, aber keine Soldaten mehr. Von daher ja, der Aufstand hat vielleicht eine Kamikazeaktion verhindert, war aber nunmal so oder so nicht mehr bedeutsam, weil zu dem Zeitpunkt die sprichwörtliche Messe bereits gelesen war. Da hat Stauffenberg 1944 z.B. noch weit mehr Optionen für die Deutschen gehabt, wäre das Attentat geglückt.

Was man anerkennen kann, dass die Marinesoldaten ihr Leben gerettet haben, statt in die sinnlose geplante finale Seeschlacht gegen England rauszufahren, mehr und weniger aber auch nicht, weil wie erwähnt, sämtliche Jahrgänge an der Front bereits verheizt wurden. Und der Aufstand resultierte auch nur daraus, weil der Krieg verloren war, bedeutet, wäre man an der Front erfolgreich geblieben, hätten weiterhin alle mitgezogen. Bei Stauffenberg zum Vergleich kann man es ähnlich sehen, hätte er von den Konzentrationslagern gewusst, und daher so gehandelt, wäre es absolut heldenhaft gewesen, aber auch hier war der Grund vorrangig, Ende des Krieges WEIL es nichts mehr zu gewinnen gab, aufgrund der Anzahl der Feinde und eigenen Verluste.

Von daher halte ich die Heroisierung des Matrosenaufstandes für völlig überzogen und überbewertet, bei Stauffenberg sieht das anders aus, weil er damals auch wirklich gehandelt hat, Andere waren vorher zu feige den Versuch zu unternehmen Hitler zu töten, obwohl groß angekündigt.
Geschichte setzt sich zusammen aus Fakten, aber auch aus Bedeutungen. Rosa Parks hat sich einmal im Bus auf einen Platz gesetzt, der für andere reserviert war, und ist verhaftet worden. Ein ganz normaler Fall. Aber es ist etwas passiert, sie hat etwas ausgelöst. Wie die Matrosen in Kiel, was immer dort nun geschah oder nicht. Man muss halt sehen, dass auch im 21. JH ein Volk noch immer von unzähligen Mythen lebt, im Guten wie im Schlechten. Und, um eben doch nochmal auf die AfD zu kommen, das weiß die AfD und deshalb engagiert sie sich hier. Mythen leben nicht so sehr von den Fakten, als von den Deutungen, die damit einhergehen. Und Geschichte ist immer mit Mythen verbunden, die gedeutet werden wollen (Theodor Lessing hat die Geschichte deshalb auch als Sinngebung des Sinnlosen bezeichnet), und wer die Deutungshoheit über die Geschichte gewinnt, hat im Tagespolitischen einen Machtvorteil.
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Humelix33 »

MäckIntaier hat geschrieben:(08 Nov 2018, 08:22)

Geschichte setzt sich zusammen aus Fakten, aber auch aus Bedeutungen. Rosa Parks hat sich einmal im Bus auf einen Platz gesetzt, der für andere reserviert war, und ist verhaftet worden. Ein ganz normaler Fall. Aber es ist etwas passiert, sie hat etwas ausgelöst. Wie die Matrosen in Kiel, was immer dort nun geschah oder nicht. Man muss halt sehen, dass auch im 21. JH ein Volk noch immer von unzähligen Mythen lebt, im Guten wie im Schlechten. Und, um eben doch nochmal auf die AfD zu kommen, das weiß die AfD und deshalb engagiert sie sich hier. Mythen leben nicht so sehr von den Fakten, als von den Deutungen, die damit einhergehen. Und Geschichte ist immer mit Mythen verbunden, die gedeutet werden wollen (Theodor Lessing hat die Geschichte deshalb auch als Sinngebung des Sinnlosen bezeichnet), und wer die Deutungshoheit über die Geschichte gewinnt, hat im Tagespolitischen einen Machtvorteil.
In dem Fall hat die AfD nunmal Recht.

Der Aufstand wird als wer weiß was glorifiziert, und in einem völlig falschen Bild dargestellt. Historisch normalerweise nur eine Randnotiz, weil Ursache/Wirkung in dem Fall und für den allgemeinen Kriegsverlauf unbedeutend waren. Wie im vorherigen Beitrag erwähnt, die Matrosen haben für sich angemessen gehandelt, weil sie sich nicht abschlachten lassen wollten, und bereits kurz vor dem Aufstand alles vorbei war. Wäre die Situation dagewesen, und man hätte gewusst, man sei den Engländern überlegen, wären dieselben Matrosen wieder rausgefahren, so wie sie es vorher auch getan haben. Der kleine Spannungspunkt war nur, dass sie wegen Befehlsverweigerung Konsequenzen hätten befürchten müssen, aber selbst da hat sich gezeigt, dass wirklich schon alles vorbei war, weil kaum was nachkam. Die Einschätzung der Matrosen war daher richtig, aber dann auch keine Sensation im Verhalten.

Solange einige Historiker, auch Deutsche, das Kaiserreich auch als Hauptschuldigen des Ersten Weltkrieges sehen, sprechen wir sowieso von völlig falschen Fakten. Man soll jetzt nicht alles wieder toll finden müssen, aber differenziert zu betrachten aufgrund der Tatsachen wäre schon nicht verkehrt. Vor allem wenn man verstehen will, wie sich der Nationalsozialismus nachher entwickeln konnte, durch überzogene Sanktionen und erzwungene Schuldeingeständnisse, die völlig surreal waren, was auch von Historikern, außer französischen - weil die es richtig ausgekostet haben für 1871 - aus England, USA und Russland. Im übrigen waren diese Schuldeingständnisse und Sanktionen auch der Auslöser für den Aufschwung der Nazis, weil es keiner nachvollziehen konnte und Viele nicht wollten, was man da in Versailles unterschreiben musste. Unsere Vorfahren sind dem Bündnisaufruf gefolgt, die SPD hatte auch dafür gestimmt ja auch nach langer Überlegung, der Kaiser auch nicht, und man hat verloren, weil man irgendwann keine Soldaten mehr stellen konnte, und auch das Material zur Neige ging, nicht mehr und nicht weniger.
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Dark Angel »

MäckIntaier hat geschrieben:(08 Nov 2018, 08:03)

Manches im Leben ändert sich nie. Die Sozialfaschismustheorie scheint eine solche Konstante zu sein.
Die Sozialfaschismus"Theorie" wurde von den Kommunisten aufgebracht.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Stoner »

Dark Angel hat geschrieben:(08 Nov 2018, 15:06)

Die Sozialfaschismus"Theorie" wurde von den Kommunisten aufgebracht.
Ja, und oben wird sie, ohne explizit benannt zu werden, inhaltlich wiederholt vom User.
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Dark Angel »

Humelix33 hat geschrieben:(08 Nov 2018, 09:24)

In dem Fall hat die AfD nunmal Recht.

Der Aufstand wird als wer weiß was glorifiziert, und in einem völlig falschen Bild dargestellt. Historisch normalerweise nur eine Randnotiz, weil Ursache/Wirkung in dem Fall und für den allgemeinen Kriegsverlauf unbedeutend waren. Wie im vorherigen Beitrag erwähnt, die Matrosen haben für sich angemessen gehandelt, weil sie sich nicht abschlachten lassen wollten, und bereits kurz vor dem Aufstand alles vorbei war. Wäre die Situation dagewesen, und man hätte gewusst, man sei den Engländern überlegen, wären dieselben Matrosen wieder rausgefahren, so wie sie es vorher auch getan haben. Der kleine Spannungspunkt war nur, dass sie wegen Befehlsverweigerung Konsequenzen hätten befürchten müssen, aber selbst da hat sich gezeigt, dass wirklich schon alles vorbei war, weil kaum was nachkam. Die Einschätzung der Matrosen war daher richtig, aber dann auch keine Sensation im Verhalten.

Solange einige Historiker, auch Deutsche, das Kaiserreich auch als Hauptschuldigen des Ersten Weltkrieges sehen, sprechen wir sowieso von völlig falschen Fakten. Man soll jetzt nicht alles wieder toll finden müssen, aber differenziert zu betrachten aufgrund der Tatsachen wäre schon nicht verkehrt. Vor allem wenn man verstehen will, wie sich der Nationalsozialismus nachher entwickeln konnte, durch überzogene Sanktionen und erzwungene Schuldeingeständnisse, die völlig surreal waren, was auch von Historikern, außer französischen - weil die es richtig ausgekostet haben für 1871 - aus England, USA und Russland. Im übrigen waren diese Schuldeingständnisse und Sanktionen auch der Auslöser für den Aufschwung der Nazis, weil es keiner nachvollziehen konnte und Viele nicht wollten, was man da in Versailles unterschreiben musste. Unsere Vorfahren sind dem Bündnisaufruf gefolgt, die SPD hatte auch dafür gestimmt ja auch nach langer Überlegung, der Kaiser auch nicht, und man hat verloren, weil man irgendwann keine Soldaten mehr stellen konnte, und auch das Material zur Neige ging, nicht mehr und nicht weniger.
Die Bedeutung des Kieler Matrosenaufstandes liegt nicht so sehr in ihren Auswirkungen auf den Kriegsverlauf - da waren eh "alle Messen gesungen - sondern in den Ereignissen UND (politischen) Folgen, die durch diesen ausgelöst wurden.

Ganz nebenbei: es gibt KEINE "richtigen" und/oder "falschen" Fakten - es gibt einfach NUR Fakten.
Der Kieler Matrosenaufstand IST solch ein Fakt, denn er hat definitiv stattgefunden!
Es gibt lediglich unterschiedliche Interpretationen bzw Auslegung vorhandener Fakten. Da kann man ansetzen und diskutieren, aber NICHT bei den Fakten selbst.

Und noch etwas: Historiker sehen Deutschland seit mehreren Jahren nicht mehr als Hauptschuldigen am Ausbruch des WK1. Da hat längst ein Umdenkprozess stattgefunden.
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von H2O »

Dark Angel hat geschrieben:(08 Nov 2018, 15:15)
...
... Historiker sehen Deutschland seit mehreren Jahren nicht mehr als Hauptschuldigen am Ausbruch des WK1. Da hat längst ein Umdenkprozess stattgefunden.
Sind deutsche Historiker nun dieser geänderten Meinung, oder ist diese Erkenntnis internationale Überzeugung? Wenn man bedenkt, wie sehr auf dem Kaiser & Cie und ihrem Größenwahn zu Lande, zu Wasser und in der Luft herum getrampelt wurde...
Ok, morsch war diese Gesellschaftsordnung in Europa ganz bestimmt... sonst wäre sie nicht gleich in 3 Kaiserreichen mitsamt einem riesigen Sultanat untergegangen.
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Dark Angel »

H2O hat geschrieben:(08 Nov 2018, 17:18)

Sind deutsche Historiker nun dieser geänderten Meinung, oder ist diese Erkenntnis internationale Überzeugung? Wenn man bedenkt, wie sehr auf dem Kaiser & Cie und ihrem Größenwahn zu Lande, zu Wasser und in der Luft herum getrampelt wurde...
Ok, morsch war diese Gesellschaftsordnung in Europa ganz bestimmt... sonst wäre sie nicht gleich in 3 Kaiserreichen mitsamt einem riesigen Sultanat untergegangen.
Dieser Paradigmenwechsel ist internationaler Konsens - ausgehend von britischen und französischen Historikern und amerikanischen Historikern. Die deutschen taten und tun sich mit der veränderten Sichtweise deutlich schwerer. Das betrifft gleichermaßen die Sichtweise auf den Versailler Vertrag und die Zwischenkriegszeit.
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Julian »

Kritikaster hat geschrieben:(08 Nov 2018, 07:18)

Wir stellen fest: Die im Sinne historischer Korrektheit vorgenommene Korrektur des Beschlußantrags erfolgte am 06.11.2018, also am Tag VOR der Plenarsitzung und damit nicht "still und heimlich" oder gar in Folge des Redebeitrags des AfD-Abgeordneten (die AfD-Urheberschaft der Änderung ist noch gleich wodurch belegt?). Sie lag allen Abgeordneten vor.

Es zeugt von ungenauem Arbeiten Brodehls, wissend um den korrigiert zur Abstimmung gestellten Text (womit ich unterstelle, dass er an der Stelle wusste, worüber er redete), diese behobene Ungenauigkeit aus einer vorangegangenen Fassung hervorzuheben.
Der Historiker Karl-Heinz Weißmann hielt bei der AfD-Fraktion im Kieler Landtag bereits am 2. November einen Vortrag zum Thema.

Hier die Ankündigung der Veranstaltung:
http://www.ltsh.de/presseticker/2018-11 ... i6-afd.pdf

Hier ein Video der Rede Weißmanns:
[youtube][/youtube]

War dies der Anlass, zumindest den einen, peinlichen Fehler mit der Obersten Heeresleitung versus der Seekriegsleitung zu korrigieren? Man kann es vermuten. Inwieweit die AfD-Fraktion von der Korrektur in Kenntnis gesetzt wurde, weiß ich nicht. Es ist aber durchaus üblich, AfD-Fraktionen in Parlamenten schlecht oder spät zu informieren. Das nennt sich Kampf gegen Rechts.

Im übrigen zeigt dieser eine Fehler ja nur symptomatisch, was passiert, wenn ideologiegetriebene Geschichtspolitik getrieben wird. Die Interpretation des Aufstandes ist ja weiterhin fehlerhaft und klar politisch so hingebogen, wie man es eben in seiner kindischen linksgrünen Art haben möchte.
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Vongole »

Julian hat geschrieben:(08 Nov 2018, 19:10)

Der Historiker Karl-Heinz Weißmann hielt bei der AfD-Fraktion im Kieler Landtag bereits am 2. November einen Vortrag zum Thema.

Hier die Ankündigung der Veranstaltung:
http://www.ltsh.de/presseticker/2018-11 ... i6-afd.pdf

Hier ein Video der Rede Weißmanns:
(..)

Was dies der Anlass, zumindest den einen, peinlichen Fehler mit der Obersten Heeresleitung versus der Seekriegsleitung zu korrigieren? Man kann es vermuten. Inwieweit die AfD-Fraktion von der Korrektur in Kenntnis gesetzt wurde, weiß ich nicht. Es ist aber durchaus üblich, AfD-Fraktionen in Parlamenten schlecht oder spät zu informieren. Das nennt sich Kampf gegen Rechts.

Im übrigen zeigt dieser eine Fehler ja nur symptomatisch, was passiert, wenn ideologiegetriebene Geschichtspolitik getrieben wird. Die Interpretation des Aufstandes ist ja weiterhin fehlerhaft und klar politisch so hingebogen, wie man es eben in seiner kindischen linksgrünen Art haben möchte.
Danke für den Lacher des Abends, Julian, diese Reaktion war dermaßen vorhersehbar. :D
Weißmann, der Verteidiger von Ernst Jünger & Co., interpretiert den Matrosenaufstand, besser geht's nicht.
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Kritikaster »

Julian hat geschrieben:(08 Nov 2018, 19:10)

War dies der Anlass, zumindest den einen, peinlichen Fehler mit der Obersten Heeresleitung versus der Seekriegsleitung zu korrigieren?
Das ist vollkommen unerheblich.

Auch wenn man sich der Verbreitung des AfD-Opfermythos verschrieben hat, macht es immer noch keinen Sinn, eine korrigierte Ungenauigkeit eines Textes gleich in eine "Fake News" umzudeuten. Wer das nötig hat, dem ist an Diskussion in der Sache erkennbar nicht gelegen. :rolleyes:
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von odiug »

Julian hat geschrieben:(08 Nov 2018, 19:10)

Der Historiker Karl-Heinz Weißmann hielt bei der AfD-Fraktion im Kieler Landtag bereits am 2. November einen Vortrag zum Thema.

Hier die Ankündigung der Veranstaltung:
http://www.ltsh.de/presseticker/2018-11 ... i6-afd.pdf

Hier ein Video der Rede Weißmanns: Bla bla bla

War dies der Anlass, zumindest den einen, peinlichen Fehler mit der Obersten Heeresleitung versus der Seekriegsleitung zu korrigieren? Man kann es vermuten. Inwieweit die AfD-Fraktion von der Korrektur in Kenntnis gesetzt wurde, weiß ich nicht. Es ist aber durchaus üblich, AfD-Fraktionen in Parlamenten schlecht oder spät zu informieren. Das nennt sich Kampf gegen Rechts.

Im übrigen zeigt dieser eine Fehler ja nur symptomatisch, was passiert, wenn ideologiegetriebene Geschichtspolitik getrieben wird. Die Interpretation des Aufstandes ist ja weiterhin fehlerhaft und klar politisch so hingebogen, wie man es eben in seiner kindischen linksgrünen Art haben möchte.
Den bitte was :?:
Welchen "peinlichen Fehler" :?:
Ludendorff war ein Kriegsverbrecher !
Den hätte man nach dem Krieg am erst besten Laternenpfahl aufhängen sollen zusammen mit all dem Junkergesocks und Kriegsgewinnlern... so sieht es aus!
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von odiug »

Dark Angel hat geschrieben:(08 Nov 2018, 15:15)

Die Bedeutung des Kieler Matrosenaufstandes liegt nicht so sehr in ihren Auswirkungen auf den Kriegsverlauf - da waren eh "alle Messen gesungen - sondern in den Ereignissen UND (politischen) Folgen, die durch diesen ausgelöst wurden.

Ganz nebenbei: es gibt KEINE "richtigen" und/oder "falschen" Fakten - es gibt einfach NUR Fakten.
Der Kieler Matrosenaufstand IST solch ein Fakt, denn er hat definitiv stattgefunden!
Es gibt lediglich unterschiedliche Interpretationen bzw Auslegung vorhandener Fakten. Da kann man ansetzen und diskutieren, aber NICHT bei den Fakten selbst.

Und noch etwas: Historiker sehen Deutschland seit mehreren Jahren nicht mehr als Hauptschuldigen am Ausbruch des WK1. Da hat längst ein Umdenkprozess stattgefunden.
Die "Schuldfrage" am Ausbruch des ersten Weltkriegs ist aber nicht sonderlich relevant.
Es ist die Art der Kriegsführung von Ludendorff und Hindenburg sowie der Militärputsch während des Krieges durch den Generalstab, welche man als Verbrechen ansehen muss.
Und ja ... ein Foch oder Douglas Haig waren auch nicht viel besser ... aber sie sind auch nicht unser Problem.
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Progressiver »

Für den weiteren Verlauf des Krieges und die anschließende Novemberrevolution war es meines Erachtens völlig egal, wer den Befehl zu diesem finalen Himmelfahrtskommando gegeben hat. Die Soldaten in sämtlichen Armeen der beteiligten Kriegsgegner haben schon vorher gemeutert. Wenn die deutsche Führung dann noch sinnlos die Marine verheizen wollte, obwohl es schon feststand, dass der Krieg verloren war, dann beweist dies doch den ganzen Wahnsinn dieser Aktion. Die Matrosen haben das zurecht begriffen.

Ob die Marine jedenfalls sich selbstmörderisch in ein letztes Gefecht gestürzt hätte oder nicht, hat den Kriegsverlauf nicht verändert. Wichtig war er jedoch für die anschließende Novemberrevolution.
"Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum." Friedrich Nietzsche

"Wer nur einen Hammer als Werkzeug hat, dem wird bald jedes Problem zum Nagel."
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von odiug »

Progressiver hat geschrieben:(08 Nov 2018, 20:48)

Für den weiteren Verlauf des Krieges und die anschließende Novemberrevolution war es meines Erachtens völlig egal, wer den Befehl zu diesem finalen Himmelfahrtskommando gegeben hat. Die Soldaten in sämtlichen Armeen der beteiligten Kriegsgegner haben schon vorher gemeutert. Wenn die deutsche Führung dann noch sinnlos die Marine verheizen wollte, obwohl es schon feststand, dass der Krieg verloren war, dann beweist dies doch den ganzen Wahnsinn dieser Aktion. Die Matrosen haben das zurecht begriffen.

Ob die Marine jedenfalls sich selbstmörderisch in ein letztes Gefecht gestürzt hätte oder nicht, hat den Kriegsverlauf nicht verändert. Wichtig war er jedoch für die anschließende Novemberrevolution.
Richtig ... zumindest der letzte Punkt.
Ohne bewaffnete Kräfte wäre die Novemberrevolution zusammengeschossen worden und der Kaiser hätte nie abgedankt.
Ein Arbeiteraufstand wäre gescheitert.
Aber ein Soldatenaufstand ist ein ganz anderes Kaliber.
Stoner

Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Stoner »

Vongole hat geschrieben:(08 Nov 2018, 20:02)

Weißmann, der Verteidiger von Ernst Jünger & Co., interpretiert den Matrosenaufstand, besser geht's nicht.
Joschka Fischer hat Ernst Jünger auch verteidigt, als der den Goethepreis der Stadt Frankfurt bekam und es zu Protesten kam.

Dass solch ein Ereignis wie eine Ausstellung schon wieder zu solchen Grabenkämpfen führt, ist kein gutes Zeichen. Da wird die Sinngebung des Sinnlosen noch um einen weiteren Aspekt erweitert.

Und der "nächste Laternenpfahl" als Idee sei der Aufmerksamkeit des Users Progressiver für die Humanismusfrage ans Herz gelegt.

Schließlich an den User Julian: Geschichtspolitik wird im wesentlichen schon per definitionem ideologiegetrieben sein. Es gibt keinen überhistorischen Standpunkt, die "view from nowhere" ist nicht möglich. Vielleicht ist der schlichte Mythos eines Anfangs (Matrosenaufstand) mit umfassender Wirkung für den Historiker falsch. Aber ein Volk lebt von solchen Mythen, und gerade Sie oder Weißmann sind ja von der Grundauffassung her für diese überall auf Welt gängigen kollektiven Mythen empfänglich (wie auch ihre Gegner, die dem ihren kollektiven Mythos vom völlig losgelösten Individuum entgegensetzen).
odiug

Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von odiug »

MäckIntaier hat geschrieben:(08 Nov 2018, 21:39)

Joschka Fischer hat Ernst Jünger auch verteidigt, als der den Goethepreis der Stadt Frankfurt bekam und es zu Protesten kam.

Dass solch ein Ereignis wie eine Ausstellung schon wieder zu solchen Grabenkämpfen führt, ist kein gutes Zeichen. Da wird die Sinngebung des Sinnlosen noch um einen weiteren Aspekt erweitert.

Und der "nächste Laternenpfahl" als Idee sei der Aufmerksamkeit des Users Progressiver für die Humanismusfrage ans Herz gelegt.

Schließlich an den User Julian: Geschichtspolitik wird im wesentlichen schon per definitionem ideologiegetrieben sein. Es gibt keinen überhistorischen Standpunkt, die "view from nowhere" ist nicht möglich. Vielleicht ist der schlichte Mythos eines Anfangs (Matrosenaufstand) mit umfassender Wirkung für den Historiker falsch. Aber ein Volk lebt von solchen Mythen, und gerade Sie oder Weißmann sind ja von der Grundauffassung her für diese überall auf Welt gängigen kollektiven Mythen empfänglich (wie auch ihre Gegner, die dem ihren kollektiven Mythos vom völlig losgelösten Individuum entgegensetzen).
Ludendorff und Humanismus ... der ist echt gut :p
Ja ... man hätte Ludendorff zur Verantwortung ziehen müssen.
Und ja ... mich ärgert es, wie hier die üblichen Verdächtigen die Leistung der Kieler Matrosen und ihre Bedeutung für die Deutsche Geschichte kleinreden und es fast so erscheinen lassen, als seien sie Verbrecher gewesen, wobei jedem klar sein muss, wer die Verbrecher damals waren :mad2:
Stoner

Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Stoner »

odiug hat geschrieben:(08 Nov 2018, 22:13)

Ludendorff und Humanismus ... der ist echt gut :p
Ja ... man hätte Ludendorff zur Verantwortung ziehen müssen.
Ob man damals schon eine dem heutigen Begriff vergleichbare Vorstellung von Verantwortung hatte, darf man einmal außen vor lassen. Und selbst wenn man im Zeitalter des Humanismus für die Todesstrafe eintritt, würde "am nächsten Laternenpfahl aufhängen" nur ein "Ziehen" enthalten, nämlich das am Strick und das hieße einfach heute wie damals Mord.
odiug hat geschrieben:(08 Nov 2018, 22:13)
Und ja ... mich ärgert es, wie hier die üblichen Verdächtigen die Leistung der Kieler Matrosen und ihre Bedeutung für die Deutsche Geschichte kleinreden und es fast so erscheinen lassen, als seien sie Verbrecher gewesen, wobei jedem klar sein muss, wer die Verbrecher damals waren :mad2:
Dann wäre es gut, wenn Sie erklären könnten, was in der verlinkten Rede des Abgeordneten oder bei Weißmann denn tatsächlich falsch ist. Das hatten ja oben schon andere gefragt. Ärger und Empörung brauchen, um nachvollziehbar zu sein, auch eine Beschreibung der Ursachen.
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Vongole »

MäckIntaier hat geschrieben:(08 Nov 2018, 21:39)

Joschka Fischer hat Ernst Jünger auch verteidigt, als der den Goethepreis der Stadt Frankfurt bekam und es zu Protesten kam.

Dass solch ein Ereignis wie eine Ausstellung schon wieder zu solchen Grabenkämpfen führt, ist kein gutes Zeichen. Da wird die Sinngebung des Sinnlosen noch um einen weiteren Aspekt erweitert.
(..)
Es ist mir herzlich egal, wer wann Ernst Jünger verteidigt hat.
Es ist mir aber nicht egal, wenn ein sogenannter Wissenschaftler wie Weißmann, der u.a.mit Kubitschek arbeitet und bei rechtsextremen Organisationen auftritt, sich hinstellt und versucht,
deutsche Geschichte in seinem Sinne umzudeuten, und diese kruden Ansichten dann von einer Partei verbreitet werden, die, wie wir wissen, die Nazizeit für einen "Vogelschiss der deutschen Geschichte" hält.

Es geht nicht um Grabenkämpfe, es geht darum, dass wir uns unserer Geschichte bewusst bleiben, und zwar unverfälscht.
Dass heute manches, gerade um den 1.Weltkrieg herum, von seriösen Wissenschaftlern in der Nachschau anders betrachtet wird, ist völlig in Ordnung.
Diese Wissenschaftler stellen sich Diskussionen, sowohl in Fachtagungen, Vorträgen, Publikationen vor einem internationalen Fachpublikum.
Weißmann dagegen stellt sich "Diskussionen" bei Vereinigungen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden.
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Julian »

odiug hat geschrieben:(08 Nov 2018, 20:20)

Den bitte was :?:
Welchen "peinlichen Fehler" :?:
Ludendorff war ein Kriegsverbrecher !
Den hätte man nach dem Krieg am erst besten Laternenpfahl aufhängen sollen zusammen mit all dem Junkergesocks und Kriegsgewinnlern... so sieht es aus!
Verwechslung der OHL mit der Seekriegsleitung, was dann in einer späteren Fassung korrigiert wurde (nachdem Weißmann seinen Vortrag gehalten hatte).
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Julian »

Vongole hat geschrieben:(09 Nov 2018, 00:42)

Es ist mir herzlich egal, wer wann Ernst Jünger verteidigt hat.
Es ist mir aber nicht egal, wenn ein sogenannter Wissenschaftler wie Weißmann, der u.a.mit Kubitschek arbeitet und bei rechtsextremen Organisationen auftritt, sich hinstellt und versucht,
deutsche Geschichte in seinem Sinne umzudeuten, und diese kruden Ansichten dann von einer Partei verbreitet werden, die, wie wir wissen, die Nazizeit für einen "Vogelschiss der deutschen Geschichte" hält.

Es geht nicht um Grabenkämpfe, es geht darum, dass wir uns unserer Geschichte bewusst bleiben, und zwar unverfälscht.
Dass heute manches, gerade um den 1.Weltkrieg herum, von seriösen Wissenschaftlern in der Nachschau anders betrachtet wird, ist völlig in Ordnung.
Diese Wissenschaftler stellen sich Diskussionen, sowohl in Fachtagungen, Vorträgen, Publikationen vor einem internationalen Fachpublikum.
Weißmann dagegen stellt sich "Diskussionen" bei Vereinigungen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden.
Ich spreche mich für eine unabhängige historische Wissenschaft aus. Wie soll denn Geschichte unverfälscht bleiben, wenn in Parlamenten beschlossen werden muss, was passiert ist und wie es zu interpretieren ist?
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Julian »

MäckIntaier hat geschrieben:(08 Nov 2018, 21:39)
Schließlich an den User Julian: Geschichtspolitik wird im wesentlichen schon per definitionem ideologiegetrieben sein. Es gibt keinen überhistorischen Standpunkt, die "view from nowhere" ist nicht möglich. Vielleicht ist der schlichte Mythos eines Anfangs (Matrosenaufstand) mit umfassender Wirkung für den Historiker falsch. Aber ein Volk lebt von solchen Mythen, und gerade Sie oder Weißmann sind ja von der Grundauffassung her für diese überall auf Welt gängigen kollektiven Mythen empfänglich (wie auch ihre Gegner, die dem ihren kollektiven Mythos vom völlig losgelösten Individuum entgegensetzen).
Selbstverständlich ist Geschichtspolitik ideologiegetrieben; selbst die akademische Geschichtswissenschaft ist nicht frei davon, weil der Blick auf die Geschichte immer von einer bestimmten Perspektive ausgeht. Es gibt aber schon objektivere und weniger objektive Perspektiven.

Ich habe prinzipiell nichts dagegen, wenn sich Politiker auf dieses oder jenes historische Ereignis berufen, allerdings finde ich es absurd, dass ein Parlament darüber abstimmen soll, was vorgefallen und wie es zu interpretieren ist. Vor allem finde ich es aber lächerlich, wenn dann Leute, die sich dem Votum nicht anschließen, dafür verurteilt und ihnen unlautere Motive unterstellt werden.
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Stoner »

Vongole hat geschrieben:(09 Nov 2018, 00:42)

Es ist mir herzlich egal, wer wann Ernst Jünger verteidigt hat.

Weißmann dagegen stellt sich "Diskussionen" bei Vereinigungen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden.
Wenn man die Idee Ihres ersten Satzes auf die Idee Ihres zweiten Satzes anwendet, würde man sagen müssen: Es ist egal, wo ein Historiker (und Weißmann hat laut Wiki Theologie, Pädagogik und Geschichte studiert und ist Geschichtslehrer sowie Mitglied im Philologenverband) seine Vorträge hält. Was er vorträgt ist entweder richtig oder falsch. Wer ihn kritisiert, muss sagen, wo er irrt, nicht wo er redet oder mit wem er arbeitet. Und bisher hat hier keiner umfassend dargelgt, wo Weißmann oder der AfD-Abgeordnete historisch irrt. Dass Sie und ich vielleicht die Geschichte anders interpretieren oder andere Schlussfolgerungen daraus ziehen, bleibt davon unberührt. (Was Jünger in dieser Diskussion verloren hat, ist dabei nicht ganz verständlich). Anders ausgedrückt: Man sollte die Sachebene nicht ständig mit der Gesinnungsebene überdecken. Gesinnungen ersetzen keine Auseinandersetzungen mit Inhalten, sie greifen den Gegner immer nur als Menschen an.
Stoner

Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Stoner »

Julian hat geschrieben:(09 Nov 2018, 07:48)

Selbstverständlich ist Geschichtspolitik ideologiegetrieben; selbst die akademische Geschichtswissenschaft ist nicht frei davon, weil der Blick auf die Geschichte immer von einer bestimmten Perspektive ausgeht. Es gibt aber schon objektivere und weniger objektive Perspektiven.
Nein, Politik ist immer interessengetrieben und daher niemals objektiv. Man kann sich m.E. zu Fakten nicht "objektiv" verhalten, man interpretiert sie im weltanschaulichen Raum immer auf der Basis der eigenen Prämissen. Und da Geschichte, die als solches aus ziemlich sinnlosen Fakten besteht (wie oben andeutungsweise am "Fall" Rosa Parks kurz angedeutet), geht es immer darum, sich der Geschichte zu bemächtigen, weil man dann über das kollektive Gedächtnis der Gesellschaft bestimmt. Deshalb war Geschichte auch immer so beliebt als Studienfach bei politisch interessierten Menschen. Wer Macht über die Vergangenheit gewinnt, bestimmt Gegenwart und Zukunft. Und wer Probleme mit Macht hat, hat deshalb ein Problem mit diesem immer totaleren Zugriff auf Geschichte. Es wäre besser, wenn solche Ausstellungen von Historikern und nicht von Politikern "betreut" würden, damit die Moral von der Geschichte dem Ausstellungsbesuch nicht schon vorangeht.
odiug

Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von odiug »

MäckIntaier hat geschrieben:(08 Nov 2018, 23:09)

Ob man damals schon eine dem heutigen Begriff vergleichbare Vorstellung von Verantwortung hatte, darf man einmal außen vor lassen. Und selbst wenn man im Zeitalter des Humanismus für die Todesstrafe eintritt, würde "am nächsten Laternenpfahl aufhängen" nur ein "Ziehen" enthalten, nämlich das am Strick und das hieße einfach heute wie damals Mord.



Dann wäre es gut, wenn Sie erklären könnten, was in der verlinkten Rede des Abgeordneten oder bei Weißmann denn tatsächlich falsch ist. Das hatten ja oben schon andere gefragt. Ärger und Empörung brauchen, um nachvollziehbar zu sein, auch eine Beschreibung der Ursachen.
Das hab ich schon.
Ein Arbeiteraufstand wäre gescheitert.
Ein Soldatenaufstand ist aber ein ganz anderes Kaliber.
Und ja ... der Krieg war schon lange verloren und auch ja, das Lametta von Gottes Gnaden suchten einen, der die Scheiße, in die sie Deutschland geritten haben irgendwie schon regeln soll.
Und hier mal der Punkt betreffend Ludendorff : das Kaiserreich hätte mehrmals einen Frieden schließen können.
Aber der Schlächter schwafelte was von "Lebensraum im Osten" ... ja das kommt von Ludendorff .. wie auch schon krude Ansätze der späteren Rassentheorie eines seiner Gefreiten :eek: und das Lametta von Gottes Gnaden geilte sich daran auf.
Zwischen Ludendorff und Mussolini besteht kein Unterschied und sie hätten das gleiche Ende verdient.
Entspricht das rechtsstaatlichen Vorstellungen ?
Nein !
Entspricht das der Gerechtigkeit ?
Absolut !
Abgesehen davon, Ludendorff wusste selbst sehr gut, woran er nach dem Krieg war.
Es hatte einen Grund, warum er sich nach Schweden absetzte.
odiug

Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von odiug »

MäckIntaier hat geschrieben:(09 Nov 2018, 08:22)

Nein, Politik ist immer interessengetrieben und daher niemals objektiv. Man kann sich m.E. zu Fakten nicht "objektiv" verhalten, man interpretiert sie im weltanschaulichen Raum immer auf der Basis der eigenen Prämissen. Und da Geschichte, die als solches aus ziemlich sinnlosen Fakten besteht (wie oben andeutungsweise am "Fall" Rosa Parks kurz angedeutet), geht es immer darum, sich der Geschichte zu bemächtigen, weil man dann über das kollektive Gedächtnis der Gesellschaft bestimmt. Deshalb war Geschichte auch immer so beliebt als Studienfach bei politisch interessierten Menschen. Wer Macht über die Vergangenheit gewinnt, bestimmt Gegenwart und Zukunft. Und wer Probleme mit Macht hat, hat deshalb ein Problem mit diesem immer totaleren Zugriff auf Geschichte. Es wäre besser, wenn solche Ausstellungen von Historikern und nicht von Politikern "betreut" würden, damit die Moral von der Geschichte dem Ausstellungsbesuch nicht schon vorangeht.
Das mag ja sein ... macht aber das Revisionistengeschwafel nicht einen Deut besser.
Ich gebe dir auch darin recht, dass Objektivität in der Bewertung von historischen Ereignissen kaum eine absolute Größe darstellt.
Das legitimiert aber noch lange nicht, jeden subjektiven Mist, den so mancher hier ablässt.
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Kritikaster »

Dark Angel hat geschrieben:(08 Nov 2018, 15:15)

Die Bedeutung des Kieler Matrosenaufstandes liegt nicht so sehr in ihren Auswirkungen auf den Kriegsverlauf - da waren eh "alle Messen gesungen - sondern in den Ereignissen UND (politischen) Folgen, die durch diesen ausgelöst wurden. (...)
Es gibt lediglich unterschiedliche Interpretationen bzw Auslegung vorhandener Fakten. Da kann man ansetzen und diskutieren, aber NICHT bei den Fakten selbst.
Diesen wesentlichen Gesichtspunkten ist zuzustimmen.
Der am höchsten entwickelte Sinn ist der Unsinn. (Peter E. Schumacher)
Wo der Sinn aufhört, beginnt der Wahnsinn. (Erhard Horst Bellermann)
odiug

Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von odiug »

MäckIntaier hat geschrieben:(09 Nov 2018, 08:03)

Wenn man die Idee Ihres ersten Satzes auf die Idee Ihres zweiten Satzes anwendet, würde man sagen müssen: Es ist egal, wo ein Historiker (und Weißmann hat laut Wiki Theologie, Pädagogik und Geschichte studiert und ist Geschichtslehrer sowie Mitglied im Philologenverband) seine Vorträge hält. Was er vorträgt ist entweder richtig oder falsch. Wer ihn kritisiert, muss sagen, wo er irrt, nicht wo er redet oder mit wem er arbeitet. Und bisher hat hier keiner umfassend dargelgt, wo Weißmann oder der AfD-Abgeordnete historisch irrt. Dass Sie und ich vielleicht die Geschichte anders interpretieren oder andere Schlussfolgerungen daraus ziehen, bleibt davon unberührt. (Was Jünger in dieser Diskussion verloren hat, ist dabei nicht ganz verständlich). Anders ausgedrückt: Man sollte die Sachebene nicht ständig mit der Gesinnungsebene überdecken. Gesinnungen ersetzen keine Auseinandersetzungen mit Inhalten, sie greifen den Gegner immer nur als Menschen an.
Der Irrtum liegt darin, dass Joschka nicht Ernst Jünger verteidigte, sondern das Recht von Ernst Jünger zu reden.
Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.
Stoner

Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von Stoner »

odiug hat geschrieben:(09 Nov 2018, 09:21)

Der Irrtum liegt darin, dass Joschka nicht Ernst Jünger verteidigte, sondern das Recht von Ernst Jünger zu reden.
Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.
Man wünscht sich so viel Sophistik bei manchen. Würde der Geist Fischers in dieser Sache wehen, würde eine Diskussion hier anders aussehen, außer den Usern Dark Angel und Kritikaster ist beisher noch viel starke Gesinnung zu lesen, aber leider wissen diejenigen, die von Geschichte über das, was in der Schule gelehrt wird, immer noch nicht, was falsch ist in der Sache.

Und weil der Geist, der im Fischer damals steckte, heute so sehr vermisst wird:

https://www.journal-frankfurt.de/journa ... 11433.html

(Dazu anderswo mehr)
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von DarkLightbringer »

odiug hat geschrieben:(08 Nov 2018, 07:39)

https://www.landtag.ltsh.de/presseticke ... 4-33-6351/
Das Interview belegt nur eins: Wer hat uns verraten ? Sozialdemokraten !
Schon 1914,bei der Bewilligung der Kriegsanleihen durch die SPD im Reichstag, wie auch 1918, als sie mit nationalistischen Kräften paktierten, um die Revolution zu ersticken.
Das macht der gute Doktor mal wieder klar und dafür kann man ihm beinahe dankbar sein .
Die Sozialdemokraten wollten keinen Bürgerkrieg nach russischem Vorbild. Demokratie aber wollten sie schon und die kam dann ja auch.
>>We’ll always have Paris<<
[Humphrey Bogart als Rick Blaine in >Casablanca<, 1942]
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Re: 100 Jahre Matrosenaufstand in Kiel

Beitrag von DarkLightbringer »

Julian hat geschrieben:(09 Nov 2018, 07:48)

Selbstverständlich ist Geschichtspolitik ideologiegetrieben; selbst die akademische Geschichtswissenschaft ist nicht frei davon, weil der Blick auf die Geschichte immer von einer bestimmten Perspektive ausgeht. Es gibt aber schon objektivere und weniger objektive Perspektiven.

Ich habe prinzipiell nichts dagegen, wenn sich Politiker auf dieses oder jenes historische Ereignis berufen, allerdings finde ich es absurd, dass ein Parlament darüber abstimmen soll, was vorgefallen und wie es zu interpretieren ist. Vor allem finde ich es aber lächerlich, wenn dann Leute, die sich dem Votum nicht anschließen, dafür verurteilt und ihnen unlautere Motive unterstellt werden.
Es erschließt sich nicht, weshalb gewählte Volksvertreter im Parlament nicht über etwas abstimmen dürfen sollten.
Und es erschließt sich ebenfalls nicht, weshalb alternative Interpretationen nicht auch kritisiert werden sollten.
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