Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen?

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Selina
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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen? Antwort erstellen

Beitrag von Selina »

becksham hat geschrieben:(26 Sep 2018, 08:49)

Das ist kein Ausweichmanöver. Das war tatsächlich für viele Realität. Viele hatten sich bequem eingerichtet und dachten nicht viel über Politik nach, sondern lebten ihr Leben. Das war wirklich so.
Genau. Ich glaube auch, dass es sich viele nicht eingestehen wollen, dass etliche Millionen in der damaligen DDR so lebten, so "stinknormal" und ganz alltäglich, das hängt mit dem offiziellen Bild (Sonntagsreden, Medien) zusammen, das gleich nach der Wende und eigentlich bis heute von der DDR und der Wiedervereinigung vermittelt wird. Da hat es einfach Gesetz zu sein: DDR alles igitt, bäh, ungerecht, verkrustet, miefig-piefig, unfrei, stasibelastet - alte BRD und Gesamtdeutschland alles wunderbar, frei, offen, herrlich, die Erfüllung und das Glück schlechthin, trallala und hopsasa :D Das ist aber eben viel zu schwarz-weiß gemalt. Und hat auch mit Siegermentalität zu tun. Ich frag mich nur, warum das so lange nach dem Ableben der DDR immer noch funktioniert. Warum ist das nötig? Wovor hat man eigentlich Angst? Das irgendein klitzekleiner Funke von Sozialismus noch mal neu aufflammen könnte? Oder wie oder was? Außerdem: Ein wenig Selbstkritik würde dem jetzigen gemeinsamen Deutschland auch nicht schaden ;)
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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen? Antwort erstellen

Beitrag von Skull »

schokoschendrezki hat geschrieben:(26 Sep 2018, 13:02)

System und Staat rekrutierten sich sehr wohl nicht aus irgendwelchen Aliens von einem fremden Stern
Hättest Du nicht schreiben brauchen. DAS ist jedem klar.

Überall auf der Erde, in jedem Land, in jedem System.



Es sei denn ... man glaubt an Aliens. :D

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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen? Antwort erstellen

Beitrag von Skull »

Selina hat geschrieben:(26 Sep 2018, 13:04)

DDR alles igitt, bäh, ungerecht, verkrustet, miefig-piefig, unfrei, stasibelastet -
alte BRD und Gesamtdeutschland alles wunderbar, frei, offen, herrlich,
die Erfüllung und das Glück schlechthin, trallala und hopsasa :D

Das ist aber eben viel zu schwarz-weiß gemalt. Und hat auch mit Siegermentalität zu tun.
Diese negative Spiegelung vertritts Du.

Wenn Du zuhören (lesen und verstehen) würdest, ist davon keinerlei Rede.

Gerade in der BRD gab es DAMALS, früher und noch mehr...HEUTE jede Menge Kritik.
Selbstkritik, "Fremdkritik" und vieles mehr.

Gerade das öffentliche Ringen um Wege und Veränderungen, ob in den 60er und 70er Jahren,
genauso auch wie Diskussionen und Auseinandersetzungen zur Jahrtausenwende ... wie eben auch gerade HEUTE...

lassen da wohl anderes vermuten. ;)

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Selina
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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen?

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(26 Sep 2018, 12:43)

Ja. Franz-Joseph Strauß und seine Milliardenkrediteinfädelungen hatte ich ja schon genannt. Das war zwar auch nur ein Baustein bei der Lebensverlängerung der DDR aber kein ganz unwichtiger. Ein anderer, vielleicht noch wesentlicherer Punkt: Die völlig und absolut rücksichtslose Ausbeutung der Umwelt zugunsten von Deviseneinnahmen.

Ich glaube, wenn man wirklich unabhängig von Beschuldigungen und uralten Ideologisierungen, unabhängig von antikommunistischer Hysterie und sozialistischer Klassenkampfrhetorik Überlegungen anstellen will, dann in diese Richtung: Was eigentlich hat ein Land wie China anders gemacht und den totalen wirtschaftlichen Aufstieg auch unter dem Banner des Sozialismus hinbekommen. Dass der chinesische "Sozialismus" in vielerlei Hinsicht kapitalistischer ist als die kapitalistischste Marktwirtschaft ... wissen wir doch. Das war in der DDR auch nicht anders. Gibt es etwas kapitalistischeres als den Freikauf politischer Häfltinge, um sich mit den Devisenerlösen eine neue Regierungsautoflotte zu finanzieren?
Ich hätte mir viel versprochen, wenn die Bürgerrechtler von damals zusammen mit anderen, die das ähnlich sahen (siehe große Kundgebung aufm Alex), den berühmten und heute oft kleingeredeten "dritten Weg" gegangen wären. Das heißt: Weg mit dem Ein-Parteien-System und den SED-hörigen Blockparteien CDU, LDPD, NDPD, Bauernpartei und wie sie alle hießen. Einführung eines echten demokratischen Wahlsystems mit Mehrparteien-Strukturen. Ablösung der alten stalinistischen Führungssäcke und Zusammenarbeit mit den progressiven Eliten, statt sie komplett zu entlassen (wie es ja dann der Fall war). Wiedereinführung (denn das gabs ja auch in der DDR schon einmal vor der ersten und zweiten Verstaatlichungswelle) von privatem Eigentum an Produktionsmitteln. Das Nebeneinander von mehreren Eigentumsformen akzeptieren und fördern: Von staatlichem, kommunalen, genossenschaftlichem, privatem. Gewinnorientierung der Wirtschaft wieder einführen und fördern und wirkliches Handeln nach dem Prinzip "Eigentum verpflichtet". Demokratie in der Wirtschaft einführen. Mehr Anteilseignertum ermöglichen, nicht nur bei Genossenschaften. Sozialistische Elemente der Sozialpolitik beibehalten und ausbauen. Kreativität und Individualität der Leute fördern statt behindern. Und so weiter und so fort. Da gab es damals zu Wenden- und Vorwende-Zeiten ne Menge guter Ansätze und Vorstellungen. Sehr interessant und spannend und im besten Sinne des Wortes eine neue demokratische Gesellschaft. Nicht zu vergleichen mit der Ex-DDR, aber auch nicht zu vergleichen mit der Ex-BRD. Etwas wirklich Neues. Die Eile vieler DDR-Bürger, möglichst schnell an Westgeld zu kommen und die Machtgeilheit von Kohl und seiner CDU (und diverse andere Faktoren) haben verhindert, dass man die DDR, statt sie abzuschaffen, grundlegend reformieren hätte können. Das war nämlich der Wunsch und die Idee von gar nicht mal so wenigen Menschen damals. Auch wenn dieser Weg sicher anstrengender gewesen wäre als Anschluss.

Eine andere Variante betont Gysi des Öfteren: Er sagt, wenn man einige gut funktionierende Dinge aus der DDR, wie Polikliniken, Schulwesen, Ganztagsschulcharakter, polytechnischer Charakter des Unterrichts, ausreichende Kita-Betreuung, hundertprozentige Gleichberechtigung von Frau und Mann, wo es keine Lohnunterschiede bei gleicher Arbeit gab, zur Einheit übernommen hätte für ganz Deutschland, wäre die Sache besser verlaufen. Dann hätten die Ossis nicht das Gefühl haben müssen, ihr Leben sei nur wertloser Mist gewesen. Und die Wessis hätten ein paar neue Dinge dazu gekriegt, die es so noch nicht gegeben hatte bei ihnen und die das Leben insgesamt verbessert hätten.

Und auch, wenn das nun alles lange Vergangenheit ist und nicht ungeschehen gemacht werden kann, sollte man es in der Analyse der damaligen Verhältnisse schon ein wenig beachten und mit bedenken.
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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Selina hat geschrieben:(26 Sep 2018, 13:37)

Ich hätte mir viel versprochen, wenn die Bürgerrechtler von damals zusammen mit anderen, die das ähnlich sahen (siehe große Kundgebung aufm Alex), den berühmten und heute oft kleingeredeten "dritten Weg" gegangen wären. Das heißt: Weg mit dem Ein-Parteien-System und den SED-hörigen Blockparteien CDU, LDPD, NDPD, Bauernpartei und wie sie alle hießen. Einführung eines echten demokratischen Wahlsystems mit Mehrparteien-Strukturen. Ablösung der alten stalinistischen Führungssäcke und Zusammenarbeit mit den progressiven Eliten, statt sie komplett zu entlassen (wie es ja dann der Fall war). Wiedereinführung (denn das gabs ja auch in der DDR schon einmal vor der ersten und zweiten Verstaatlichungswelle) von privatem Eigentum an Produktionsmitteln. Das Nebeneinander von mehreren Eigentumsformen akzeptieren und fördern: Von staatlichem, kommunalen, genossenschaftlichem, privatem. Gewinnorientierung der Wirtschaft wieder einführen und fördern und wirkliches Handeln nach dem Prinzip "Eigentum verpflichtet". Demokratie in der Wirtschaft einführen. Mehr Anteilseignertum ermöglichen, nicht nur bei Genossenschaften. Sozialistische Elemente der Sozialpolitik beibehalten und ausbauen. Kreativität und Individualität der Leute fördern statt behindern. Und so weiter und so fort. Da gab es damals zu Wenden- und Vorwende-Zeiten ne Menge guter Ansätze und Vorstellungen. Sehr interessant und spannend und im besten Sinne des Wortes eine neue demokratische Gesellschaft. Nicht zu vergleichen mit der Ex-DDR, aber auch nicht zu vergleichen mit der Ex-BRD. Etwas wirklich Neues. Die Eile vieler DDR-Bürger, möglichst schnell an Westgeld zu kommen und die Machtgeilheit von Kohl und seiner CDU (und diverse andere Faktoren) haben verhindert, dass man die DDR, statt sie abzuschaffen, grundlegend reformieren hätte können. Das war nämlich der Wunsch und die Idee von gar nicht mal so wenigen Menschen damals. Auch wenn dieser Weg sicher anstrengender gewesen wäre als Anschluss.
Soweit gehe ich hundertprozent konform. Nur: So wie es in Polen absolut, völlig unmöglich war, demokratische Reformen unabhängig von der nationalen Geschichte, der katholischen Kirche, unabhängig von den Beziehungen Solidarnosc-Vatikan, unabhängig von der Aufarbeitung der sowjetisch/russisch-polnischen Vergangenheit durchzuführen ... als ebenso völlig unmöglich hat es sich erwiesen, demokratische Reformen auf dem Gebiet der Ex-DDR unabhängig von der Frage der "Wiedervereinigung" hinzubekommen. Und da sind wir möglicherweise auch bei einer der wesentlichen Ursachen für "wollen die Ostdeutschen eine andere Republik". Die nächste Assoziation vieler Menschen auf dem Gebiet der Ex-DDR ist ja (vielleicht) nicht zunächst Demokratie, Öffnung, Marktwirtschaft sondern zuerst "Wiedervereinigung" und "Maueröffnung". "Deutschland einig Vaterland" (Zitat Hans Modrow 1990). Eine Art Geburtsfehler oder Psychotrauma. Die Nation, nicht die Demokratie ist primär psychologisch positiv besetzt. Und Fremde, Aslyanten bedrohen diese grundsätzlich positive Besetzung des Nationenbegriffs.
Eine andere Variante betont Gysi des Öfteren: Er sagt, wenn man einige gut funktionierende Dinge aus der DDR, wie Polikliniken, Schulwesen, Ganztagsschulcharakter, polytechnischer Charakter des Unterrichts, ausreichende Kita-Betreuung, hundertprozentige Gleichberechtigung von Frau und Mann, wo es keine Lohnunterschiede bei gleicher Arbeit gab, zur Einheit übernommen hätte für Ganzdeutschland, wäre die Sache besser verlaufen. Dann hätten die Ossis nicht das Gefühl haben müssen, ihr Leben sei nur wertloser Mist gewesen. Und die Wessis hätten ein paar neue Dinge dazu gekriegt, die es so noch nicht gegeben hatte bei ihnen und die das Leben insgesamt verbessert hätten.

Und auch, wenn das nun alles lange Vergangenheit ist und nicht ungeschehen gemacht werden kann, sollte man es in der Analyse der damaligen Verhältnisse schon ein wenig beachten und mit bedenken.
Dass Polikliniken oder Kita-Betreuung "gut funktionierende Dinge" waren ... diese Erfahrung kehrt ja ohnehin in der Praxis zurück. Zwangsläufig. Oder auch nicht (wenn es unter heutigen Bedingungen eben kein "gut funktionierendes Ding" ist). Das muss oder darf man eigentlich nicht als "DDR-Errungenschaft" verkaufen. In jeder Zeitepoche gibt es im sozialen Zusammenleben Optimierungsstrategien. Heute haben wir nicht diesen scheißspießigen 8. März als "Frauentag" ... mit seinen Nelkensträußen und Gegenanzüglichkeiten keinen Deut fortschrittlicher als Herrentagsparties ... sondern eine immer weiter um sich greifende MeToo-Debatte. Und auch die wird einmal irgendwann nur ein Eintrag in irgendwelchen Geschichtsbüchern sein.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Mi 26. Sep 2018, 14:08, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen? Antwort erstellen

Beitrag von zollagent »

Selina hat geschrieben:(26 Sep 2018, 13:04)

Genau. Ich glaube auch, dass es sich viele nicht eingestehen wollen, dass etliche Millionen in der damaligen DDR so lebten, so "stinknormal" und ganz alltäglich, das hängt mit dem offiziellen Bild (Sonntagsreden, Medien) zusammen, das gleich nach der Wende und eigentlich bis heute von der DDR und der Wiedervereinigung vermittelt wird. Da hat es einfach Gesetz zu sein: DDR alles igitt, bäh, ungerecht, verkrustet, miefig-piefig, unfrei, stasibelastet - alte BRD und Gesamtdeutschland alles wunderbar, frei, offen, herrlich, die Erfüllung und das Glück schlechthin, trallala und hopsasa :D Das ist aber eben viel zu schwarz-weiß gemalt. Und hat auch mit Siegermentalität zu tun. Ich frag mich nur, warum das so lange nach dem Ableben der DDR immer noch funktioniert. Warum ist das nötig? Wovor hat man eigentlich Angst? Das irgendein klitzekleiner Funke von Sozialismus noch mal neu aufflammen könnte? Oder wie oder was? Außerdem: Ein wenig Selbstkritik würde dem jetzigen gemeinsamen Deutschland auch nicht schaden ;)
Bei solch pauschalen Beschreibungen ist dein Reflex "im Westen war auch nicht alles gut" durchaus verständlich. Nur trifft er selten den Kern der Sache. Niemand, auch du nicht, muß sich rechtfertigen, auch wenn viele genau in diesen Reflex verfallen.
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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen?

Beitrag von zollagent »

Selina hat geschrieben:(26 Sep 2018, 13:37)

Ich hätte mir viel versprochen, wenn die Bürgerrechtler von damals zusammen mit anderen, die das ähnlich sahen (siehe große Kundgebung aufm Alex), den berühmten und heute oft kleingeredeten "dritten Weg" gegangen wären. Das heißt: Weg mit dem Ein-Parteien-System und den SED-hörigen Blockparteien CDU, LDPD, NDPD, Bauernpartei und wie sie alle hießen. Einführung eines echten demokratischen Wahlsystems mit Mehrparteien-Strukturen. Ablösung der alten stalinistischen Führungssäcke und Zusammenarbeit mit den progressiven Eliten, statt sie komplett zu entlassen (wie es ja dann der Fall war). Wiedereinführung (denn das gabs ja auch in der DDR schon einmal vor der ersten und zweiten Verstaatlichungswelle) von privatem Eigentum an Produktionsmitteln. Das Nebeneinander von mehreren Eigentumsformen akzeptieren und fördern: Von staatlichem, kommunalen, genossenschaftlichem, privatem. Gewinnorientierung der Wirtschaft wieder einführen und fördern und wirkliches Handeln nach dem Prinzip "Eigentum verpflichtet". Demokratie in der Wirtschaft einführen. Mehr Anteilseignertum ermöglichen, nicht nur bei Genossenschaften. Sozialistische Elemente der Sozialpolitik beibehalten und ausbauen. Kreativität und Individualität der Leute fördern statt behindern. Und so weiter und so fort. Da gab es damals zu Wenden- und Vorwende-Zeiten ne Menge guter Ansätze und Vorstellungen. Sehr interessant und spannend und im besten Sinne des Wortes eine neue demokratische Gesellschaft. Nicht zu vergleichen mit der Ex-DDR, aber auch nicht zu vergleichen mit der Ex-BRD. Etwas wirklich Neues. Die Eile vieler DDR-Bürger, möglichst schnell an Westgeld zu kommen und die Machtgeilheit von Kohl und seiner CDU (und diverse andere Faktoren) haben verhindert, dass man die DDR, statt sie abzuschaffen, grundlegend reformieren hätte können. Das war nämlich der Wunsch und die Idee von gar nicht mal so wenigen Menschen damals. Auch wenn dieser Weg sicher anstrengender gewesen wäre als Anschluss.

Eine andere Variante betont Gysi des Öfteren: Er sagt, wenn man einige gut funktionierende Dinge aus der DDR, wie Polikliniken, Schulwesen, Ganztagsschulcharakter, polytechnischer Charakter des Unterrichts, ausreichende Kita-Betreuung, hundertprozentige Gleichberechtigung von Frau und Mann, wo es keine Lohnunterschiede bei gleicher Arbeit gab, zur Einheit übernommen hätte für ganz Deutschland, wäre die Sache besser verlaufen. Dann hätten die Ossis nicht das Gefühl haben müssen, ihr Leben sei nur wertloser Mist gewesen. Und die Wessis hätten ein paar neue Dinge dazu gekriegt, die es so noch nicht gegeben hatte bei ihnen und die das Leben insgesamt verbessert hätten.

Und auch, wenn das nun alles lange Vergangenheit ist und nicht ungeschehen gemacht werden kann, sollte man es in der Analyse der damaligen Verhältnisse schon ein wenig beachten und mit bedenken.
Das alles ist nicht mehr als eine illusionäre Seifenblase von denen, die eigentlich NIE eine Wiedervereinigung wollten. Solch ein Staat hätte wirtschaftlich nicht überlebt. Und das aus guten Gründen: Die geschützten Märkte des COMECON waren weggebrochen, die Devisensituation schlichtweg katastrophal, der Aderlaß durch eine Bevölkerungswanderbewegung hätte das vollendet, was die DDR mit ihrem Mauerbau verhindern wollte und lange auch aufhalten konnte und auf dem Weltmarkt behaupten bei DER Ausgestaltung der Wirtschaft? Bitte wie denn? Die Wirtschaft war weder effizient, noch hatte sie ausreichend Produkte, die auf dem Weltmarkt Abnehmer gefunden hätten. Der Staatsbankrott wäre auf dem Fuße gefolgt.
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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen?

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(26 Sep 2018, 14:03)

Soweit gehe ich hundertprozent konform. Nur: So wie es in Polen absolut, völlig unmöglich war, demokratische Reformen unabhängig von der nationalen Geschichte, der katholischen Kirche, unabhängig von den Beziehungen Solidarnosc-Vatikan, unabhängig von der Aufarbeitung der sowjetisch/russisch-polnischen Vergangenheit durchzuführen ... als ebenso völlig unmöglich hat es sich erwiesen, demokratische Reformen auf dem Gebiet der Ex-DDR unabhängig von der Frage der "Wiedervereinigung" hinzubekommen. Und da sind wir möglicherweise auch bei einer der wesentlichen Ursachen für "wollen die Ostdeutschen eine andere Republik". Die nächste Assoziation vieler Menschen auf dem Gebiet der Ex-DDR ist ja (vielleicht) nicht zunächst Demokratie, Öffnung, Marktwirtschaft sondern zuerst "Wiedervereinigung" und "Maueröffnung". Eine Art Geburtsfehler oder Psychotrauma. Die Nation, nicht die Demokratie ist primär psychologisch positiv besetzt. Und Fremde, Aslyanten bedrohen diese grundsätzlich positive Besetzung des Nationenbegriffs.

Dass Polikliniken oder Kita-Betreuung "gut funktionierende Dinge" waren ... diese Erfahrung kehrt ja ohnehin in der Praxis zurück. Zwangsläufig. Oder auch nicht (wenn es unter heutigen Bedingungen eben kein "gut funktionierendes Ding" ist). Das muss oder darf man eigentlich nicht als "DDR-Errungenschaft" verkaufen. In jeder Zeitepoche gibt es im sozialen Zusammenleben Optimierungsstrategien. Heute haben wir nicht diesen scheißspießigen 8. März als "Frauentag" ... mit seinen Nelkensträußen und Gegenanzüglichkeiten keinen Deut fortschrittlicher als Herrentagsparties ... sondern eine immer weiter um sich greifende MeToo-Debatte. Und auch die wird einmal irgendwann nur ein Eintrag in irgendwelchen Geschichtsbüchern sein.
Ja, alles ok. Nur komisch, dass es in meinem Umfeld eben keinen "scheißspießigen 8. März als 'Frauentag'" gab, sondern eine sehr witzige und angenehme Geschichte, wo sich unser Chef mal was Besonderes einfallen ließ, um "seine" Frauen mal etwas zu verwöhnen und zu würdigen. Ne Spießer-Frauentags-Veranstaltung hätten wir nicht geduldet. Wobei der Mann natürlich auch sonst darauf achtete. Du siehst also anhand solcher kleinen belanglosen Nebensächlichkeiten, dass man schon da völlig unterschiedliche Wirklichkeiten erleben konnte. Wie gesagt: Dieses Spießertum gabs natürlich, ganz sicher, aber das gibts in Gesamtdeutschland nicht minder. Entfällt also für mich als Kriterium, warum man das eine gegen das andere tauschen musste :D
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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen?

Beitrag von Selina »

zollagent hat geschrieben:(26 Sep 2018, 14:08)

Das alles ist nicht mehr als eine illusionäre Seifenblase von denen, die eigentlich NIE eine Wiedervereinigung wollten. Solch ein Staat hätte wirtschaftlich nicht überlebt. Und das aus guten Gründen: Die geschützten Märkte des COMECON waren weggebrochen, die Devisensituation schlichtweg katastrophal, der Aderlaß durch eine Bevölkerungswanderbewegung hätte das vollendet, was die DDR mit ihrem Mauerbau verhindern wollte und lange auch aufhalten konnte und auf dem Weltmarkt behaupten bei DER Ausgestaltung der Wirtschaft? Bitte wie denn? Die Wirtschaft war weder effizient, noch hatte sie ausreichend Produkte, die auf dem Weltmarkt Abnehmer gefunden hätten. Der Staatsbankrott wäre auf dem Fuße gefolgt.
Nee, das wäre ein anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem gewesen. Ein völlig anderes. Ein demokratischer Sozialismus. Ob mit oder ohne Mauer, keine Ahnung. Besser natürlich ohne. Oder nur eine Weile noch mit. Und als man damals bereits über solche Dinge nachdachte, und das auch ziemlich intensiv, gab es sämtliche Märkte ja noch. Aber gut, das ist alles Schnee von gestern. Mir gehts nur darum, das Ganze mit im Geschichts-Blickfeld zu haben als eine der damaligen Ideen und Optionen. Wiedervereinigung mit Anschluss war nur eine Option damals. Ich finde das, was heute läuft, ja nun auch nicht nur schlecht. Sage ich ja gar nicht. Einiges wäre eben nur gründlich zu reformieren.
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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen?

Beitrag von zollagent »

Selina hat geschrieben:(26 Sep 2018, 14:26)

Nee, das wäre ein anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem gewesen. Ein völlig anderes. Ein demokratischer Sozialismus. Ob mit oder ohne Mauer, keine Ahnung. Besser natürlich ohne. Oder nur eine Weile noch mit. Und als man damals bereits über solche Dinge nachdachte, und das auch ziemlich intensiv, gab es sämtliche Märkte ja noch. Aber gut, das ist alles Schnee von gestern. Mir gehts nur darum, das Ganze mit im Geschichts-Blickfeld zu haben als eine der damaligen Ideen und Optionen. Wiedervereinigung mit Anschluss war nur eine Option damals. Ich finde das, was heute läuft, ja nun auch nicht nur schlecht. Sage ich ja gar nicht. Einiges wäre eben nur gründlich zu reformieren.
Deine Träume will ich dir nicht nehmen. Ich finde es nur gut, daß wir sie nicht ausprobieren mußten.
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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen?

Beitrag von Skull »

Selina hat geschrieben:(26 Sep 2018, 14:26)

Nee, das wäre ein anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem gewesen.
Du verkennst.

Eine OFFENE DDR-Light wäre nicht überlebensfähig gewesen.

Noch das die meisten DDR-Bürger dieses überhaupt wollten.

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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen?

Beitrag von Selina »

Skull hat geschrieben:(26 Sep 2018, 14:45)

Du verkennst.

Eine OFFENE DDR-Light wäre nicht überlebensfähig gewesen.

Noch das die meisten DDR-Bürger dieses überhaupt wollten.

mfg
Ich hatte nix von "die meisten DDR-Bürger" geschrieben. Meine diesbezüglichen Anmerkungen sind überhaupt nur dafür gedacht, ein wenig mehr die DDR-Heterogenität im Rückblick zu betrachten. Nicht mehr und nicht weniger. Das war eben kein einheitlicher Brei a la Bildzeitung. Außerdem sind das ja sowieso nur Sachen fürs Geschichtsbuch. Da aber gehören sie eben auch mit rein als Randnotiz.
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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen?

Beitrag von Skull »

Selina hat geschrieben:(26 Sep 2018, 14:59)

Meine diesbezüglichen Anmerkungen sind überhaupt nur dafür gedacht,
ein wenig mehr die DDR-Heterogenität im Rückblick zu betrachten.
Mache ich ja.

Machen aber Deine Anmerkungen zu einer theoretischen DDR-Light ab 1989 ... nicht sinnvoller. ;)

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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Selina hat geschrieben:(26 Sep 2018, 14:13)

Ja, alles ok. Nur komisch, dass es in meinem Umfeld eben keinen "scheißspießigen 8. März als 'Frauentag'" gab, sondern eine sehr witzige und angenehme Geschichte, wo sich unser Chef mal was Besonderes einfallen ließ, um "seine" Frauen mal etwas zu verwöhnen und zu würdigen. Ne Spießer-Frauentags-Veranstaltung hätten wir nicht geduldet. Wobei der Mann natürlich auch sonst darauf achtete. Du siehst also anhand solcher kleinen belanglosen Nebensächlichkeiten, dass man schon da völlig unterschiedliche Wirklichkeiten erleben konnte. Wie gesagt: Dieses Spießertum gabs natürlich, ganz sicher, aber das gibts in Gesamtdeutschland nicht minder. Entfällt also für mich als Kriterium, warum man das eine gegen das andere tauschen musste :D
Wenn man politisch diskutiert, muss man das persönliche versuchen, richtig einzuordnen. Es geht ja eigentlich nicht um "Spießigkeit". Ich und viele andere haben dieses Zeremoniell halt so wahrgenommen:
Blumen zu besorgen, war schwierig. Musste aber sein. Dass sich Männer und Kinder anstrengten, sie zu bekommen, gehörte zum Frauentag, und der Morgen des 8. März war durchaus ein besonderer in Hunderttausenden DDR-Familien. Dann war der offizielle Teil zu überstehen: Grußansprache vom Brigadeleiter, am Nachmittag Kaffeetafel im Betrieb mit Überreichung der Aktivistenmedaille (samt Geldprämien) an verdiente Mitarbeiterinnen. Wenn statt Kaffee dann Wein, Likörchen oder Nordhäuser auf den Tisch kamen, konnte der heitere Teil beginnen.

Das Staatsritual glich sich Jahr um Jahr: Die Staats- und Parteiführung überreichte die Clara-Zetkin-Medaille. Am Abend empfing Erich Honecker die Verdientesten der Verdienten, frisch gelockwellt und mit hübschen Blusen, zum festlichen Essen und Trinken im Palast der Republik (siehe Foto oben). Gepflegte musikalische Begleitung und Toasts auf die großartigen Leistungen der Frauen, ohne die nun wirklich gar nichts ginge im Sozialismus, gehörten dazu.
Die "Weltfestspiele der Jugend und Studenten" 73 in Berlin, was ich da alles so als pubertierender Jugendlicher erlebt habe ... gehört nicht hierher, ist aber alles andere als "spießig". Politisch gesehen waren sowohl diese Weltfestspiele als auch die Frauentage hunderprozentig durch Partei- und Staatsführung instrumentalisiert. Die Weltfestspiele 73 waren nicht nur mein erotisches Erweckungserlebnis sondern die größte Polizeiaktion der DDR seit 1956 und es wurden mehr politische Staatsfeinde in psychiatrische Kliniken eingewiesen als ich während dieser Zeit hübsche Mädels überhaupt gesehen habe. So knallhart und illusionslos muss man das betrachten.
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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen?

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(26 Sep 2018, 15:26)

Wenn man politisch diskutiert, muss man das persönliche versuchen, richtig einzuordnen. Es geht ja eigentlich nicht um "Spießigkeit". Ich und viele andere haben dieses Zeremoniell halt so wahrgenommen:

Die "Weltfestspiele der Jugend und Studenten" 73 in Berlin, was ich da alles so als pubertierender Jugendlicher erlebt habe ... gehört nicht hierher, ist aber alles andere als "spießig". Politisch gesehen waren sowohl diese Weltfestspiele als auch die Frauentage hunderprozentig durch Partei- und Staatsführung instrumentalisiert. Die Weltfestspiele 73 waren nicht nur mein erotisches Erweckungserlebnis sondern die größte Polizeiaktion der DDR seit 1956 und es wurden mehr politische Staatsfeinde in psychiatrische Kliniken eingewiesen als ich während dieser Zeit hübsche Mädels überhaupt gesehen habe. So knallhart und illusionslos muss man das betrachten.
Müssen muss man gar nichts. Im Gegenteil: Man sollte sich bemühen, so differenziert wie möglich an solche Dinge heranzugehen. Das bedeutet, dass sich erst aus den vielen vielen Einzelmeinungen und Einzelerfahrungen der Leute, die es erlebt haben und die natürlich ebenfalls reflektieren wie man selbst, ein halbwegs akzeptables und gültiges Bild von der DDR ergibt. Und nicht aus irgendwelchen Schlaumeier-Kommentaren aus Oberammergau. Und es kann doch nicht sein, dass sich Tausende, wenn nicht gar Millionen überhaupt nicht wiederfinden in den ständigen Einheits-Feiertags-Reden, die in Kürze wieder auf uns niederplätschern. Ich kann da nur sagen: Nein, nein, nein, so war es nicht. Jedenfalls nicht so einfach. Dieses "einerseits und andererseits", was ich oben ansprach, sollte man schon versuchen zu sehen.

Und die Weltfestspiele 73, wo der klassische Urberliner an sich sowieso nicht dabei war; er flüchtete so weit weg wie möglich, hab ich auch ganz anders erlebt. Ich war da in keiner "Zehnergruppe" oder dergleichen, sondern nur mal einen Nachmittag, einen Abend und eine Nacht ganz privat mit Freunden vor diversen Bühnen und in diversen Theatern, die sich ja alle mit sehr unterschiedlichen interessanten Programmen beteiligten. So, wie ich auch sonst dahin gegangen wäre. Und das war einfach faszinierend, was man da erleben konnte. Dass die Wiesenflächen auf dem Alex hinterher wie verbrannt aussahen, lag am akzeptierten Dauer-Vö... :D Habs selbst beim Vorbeigehen gesehen, wie sich da ungehindert, ungeniert und frei querbeet geliebt worden ist. Daher der Spottname des Festivals "Interpimper 73". Ja klar, war das Ganze irgendwo auch Inszenierung einer Freiheit und Weltoffenheit, die es sonst nicht gab in der DDR. Aber die vielen interessanten Gespräche mit Leuten, darunter zig Künstler, aus aller Herren Länder möchte ich nicht mehr missen im Nachhinein. Unvergesslich das Ganze.

Ja, und der Frauentag - sagte ich oben schon - wurde einerseits ziemlich spießig abgehandelt und immer wieder gleich. Aber andererseits - in anderen Kreisen - eben auch originell und zugewandt und so, dass man das Ereignis in allerbester Erinnerung hat. Dieses Vereinheitlichen im Nachhinein wundert mich schon ein wenig bei dir, wo du sonst doch immer für Individualität und Differenzierung plädierst. Wie gesagt: Es gab sone und sone Feiern. Wer nicht wollte, nahm nicht teil oder suchte sich genau die Feiern, die eben nicht spießig waren. Das, was Honecker da bei dieser Vorzeige-Frauentags-Schaffe veranstaltete, das war das Letzte. Da hast du recht. Das hat bei uns aber auch keiner ernst genommen. Es weckte eher ein müdes Lächeln.

Dennoch ist mir natürlich klar, dass es schwierig ist, bei dieser Thematik auf alle Widersprüche, auf Positives und Negatives gleichermaßen zu schauen und es politisch aus heutiger Sicht einzuordnen, wenn man selbst zu den Verfolgten und Reglementierten gehörte. Da hat man zumeist seine abschließende Meinung schon lange gefunden und dabei bleibt man dann auch. Das leuchtet mir ein. Einer aus meinem näheren Umfeld wertet zum Beispiel alles haargenauso wie du. Wir haben darüber immer mal wieder Gespräche und kommen nicht unter einen Hut. Er fragt mich da auch immer, wieso gerade ich bei dem familiären Background trotzdem immer noch was Positives an der DDR sehe. Das ist schwierig zu beantworten. Ich kann es da immer nur so machen, wie ich es hier mache. Es gab halt Dutzende Geschichten, die waren einfach mal menschlicher und besser, als das heute der Fall ist. Und ich glaube auch nicht an die Legende, dass das höhere Maß an Menschlichkeit und Solidarität der Leute untereinander (was man bis heute spürt bei vielen Ossis) ausschließlich aus der Mangelwirtschaft und der Unfreiheit geboren war. Nee, da war noch was anderes... Naja, jut. Und punkt. Bringt nichts, sich da weiter zu zerfleischen. Aus und vorbei ;)
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Gilmoregirl
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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen?

Beitrag von Gilmoregirl »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(23 Sep 2018, 20:34)

Es ist das gute Recht eines Mitarbeiters, klare Arbeitsaufträge zu erfragen.
Eine Erzieherin hat einen Bildungs-und Erziehungsauftrag, den sie nach über 30 Berufsjahren schon kennen sollte und auch das Wissen, wie sie diesen umsetzt, ebenfalls.Da stehen ihr auch Möglichkeiten zur freien Enfaltung offen. Sie arbeitet nach einer Konzeption. Und wenn von noch 3 anwesenden Erzieherinnen der Spätdienst plötzlich los muss, weil deren eigenes Kind einen Unfall hatte, warte ich nicht drauf, dass Chefin mir als Mitteldienst sagt; Du bleibst jetzt länger, sondern ich sehe es als selbstberständlich an, länger zu bleiben, wenn ich weiß die andere noch übrig gebliebene Kollegin ist bereits seit 6 Uhr im Dienst.
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schokoschendrezki
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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Selina hat geschrieben:(26 Sep 2018, 16:57)
Müssen muss man gar nichts. Im Gegenteil: ...
Ich nehms mal als Schlusswort. ;)
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H2O
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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen?

Beitrag von H2O »

Gilmoregirl hat geschrieben:(26 Sep 2018, 22:17)

Eine Erzieherin hat einen Bildungs-und Erziehungsauftrag, den sie nach über 30 Berufsjahren schon kennen sollte und auch das Wissen, wie sie diesen umsetzt, ebenfalls.Da stehen ihr auch Möglichkeiten zur freien Enfaltung offen. Sie arbeitet nach einer Konzeption. Und wenn von noch 3 anwesenden Erzieherinnen der Spätdienst plötzlich los muss, weil deren eigenes Kind einen Unfall hatte, warte ich nicht drauf, dass Chefin mir als Mitteldienst sagt; Du bleibst jetzt länger, sondern ich sehe es als selbstberständlich an, länger zu bleiben, wenn ich weiß die andere noch übrig gebliebene Kollegin ist bereits seit 6 Uhr im Dienst.
So soll es unter verantwortungsbewußten und kollegial arbeitenden Menschen sicher zugehen, nur so funktioniert eine freiheitliche Gesellschaft. Aber: Kann man dieses Verhalten einklagen, wenn in Ihrem Beispiel eine Mitarbeiterin stur ihre Interessen verfolgt? Und dann geht das Gemobbe und der "Zickenkrieg" los... könnte ich mir vorstellen.
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zollagent
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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen?

Beitrag von zollagent »

H2O hat geschrieben:(27 Sep 2018, 08:24)

So soll es unter verantwortungsbewußten und kollegial arbeitenden Menschen sicher zugehen, nur so funktioniert eine freiheitliche Gesellschaft. Aber: Kann man dieses Verhalten einklagen, wenn in Ihrem Beispiel eine Mitarbeiterin stur ihre Interessen verfolgt? Und dann geht das Gemobbe und der "Zickenkrieg" los... könnte ich mir vorstellen.
Das ist menschliches Verhalten, das man in jeder Staatsform feststellen kann. Mit anderen Republikvorstellungen innerhalb Deutschlands hat das nichts zu tun.
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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen?

Beitrag von H2O »

zollagent hat geschrieben:(27 Sep 2018, 08:49)

Das ist menschliches Verhalten, das man in jeder Staatsform feststellen kann. Mit anderen Republikvorstellungen innerhalb Deutschlands hat das nichts zu tun.
Ja, da haben Sie Recht! Aber der Ausgangspunkt war doch der Rechtsanspruch auf geregelte Arbeit... und der Gedanke verbindet sich mit Klage und Gerichtsurteil und... das ist dann doch nicht in jedem Gesellschaftssystem möglich.
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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen?

Beitrag von zollagent »

H2O hat geschrieben:(27 Sep 2018, 09:06)

Ja, da haben Sie Recht! Aber der Ausgangspunkt war doch der Rechtsanspruch auf geregelte Arbeit... und der Gedanke verbindet sich mit Klage und Gerichtsurteil und... das ist dann doch nicht in jedem Gesellschaftssystem möglich.
War es das? Mir wäre ein solcher Rechtsanspruch nicht bekannt. Und das Pendant, das in der DDR so galt, war denn doch ziemlich pervertiert. Aber lassen wir das, es gehört nicht zum Strangthema. Das dürften, so wie ich es verstanden habe, unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungen an unsere Republik sein.
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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen?

Beitrag von H2O »

zollagent hat geschrieben:(27 Sep 2018, 09:42)

War es das? Mir wäre ein solcher Rechtsanspruch nicht bekannt. Und das Pendant, das in der DDR so galt, war denn doch ziemlich pervertiert. Aber lassen wir das, es gehört nicht zum Strangthema. Das dürften, so wie ich es verstanden habe, unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungen an unsere Republik sein.
Das meine ich auch... wobei mir manche Vorstellungen eben ziemlich überraschend vorkommen.
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zollagent
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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen?

Beitrag von zollagent »

H2O hat geschrieben:(27 Sep 2018, 10:01)

Das meine ich auch... wobei mir manche Vorstellungen eben ziemlich überraschend vorkommen.
In den fünf Jahren nach der Wende habe ich auch viel Überraschendes gehört. Auch viel Naives. Es ist doch etwas anderes, eine Welt ausschließlich über den Äther in der heilen Welt der Werbung geschildert zu kriegen, oder in ihr zu leben und auch die nicht so schönen Dinge dann live zu erleben.
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Re: Wollen die Ostdeutschen eine andere Republik als die Westdeutschen?

Beitrag von zollagent »

Die andere Sicht der Ostdeutschen auf sich selbst und Andere. Vergleichbare Erfahrungen habe ich schon in den ersten fünf Jahren nach der Wende, in denen ich in den neuen Bundesländern gearbeitet habe, gemacht. Ich habe damals im Auftrag der Firma, für die ich arbeitete, stillgelegte Betriebe aufgekauft und neu eröffnet. Damals 21 an der Zahl, quer durch die ehemalige Republik. Die Produkte dieser Firmen liefen aber zunächst nicht. Sie blieben wie Blei in den Regalen liegen, während westdeutsche, italienische oder französische Produkte der gleichen Art reißend weggingen, auch, wenn sie z.T. um ein Mehrfaches teurer waren. Erst, als wir dazu übergingen, diese Produkte in neue Verpackungen zu stecken und sie unter dem Logo der westdeutschen Mutter verkauften, wurden auch sie erfolgreich. Dieser Selbsthass, der dann von einigen, deren Erwartungen enttäuscht wurden oder deren Selbstversprechungen nicht eintrafen, immer wieder neu belebt wurde, war mir zu Anfang höchst unverständlich, zumal mir gegenüber gerade in den wieder eröffneten Betrieben die Eigenprodukte in den höchsten Tönen gelobt wurden. Nur gekauft hat sie zunächst kaum Einer.
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