sünnerklaas hat geschrieben:(25 Sep 2018, 08:43)Ich würde es anders ausdrücken: es sind unterschiedliche Mentalitäten. Ich erlebe es im Beruf immer wieder, dass es zwischen Ost- und Westdeutschen bei bestimmten Entscheidungen zu Konflikten kommt - bei Entscheidungen, bei denen es weder ein klares JA, noch ein klares NEIN, ein klares ERLAUBT oder ein klares VERBOTEN gibt.
Sowas habe ich auch erlebt. Jedoch nicht nur zwischen diesen Aggregaten sondern auch zwischen älteren und jüngeren, Männern und Frauen, Bayern und Zugereisten, Anhängern zweier fachlicher Herangehensweisen... Warum erinnern viele Leute gerade die Konflikte, die "Ost und West" spielen? Debatte ist gut, Ergebnis ist noch besser. Im Zweifel entscheidet im Verein der Vorstand oder die Mehrheit, in der Firma der nächstgrößere Chef.
Wenn Entscheidungen getroffen werden müssen, die zwischen JA und NEIN liegen, gibt es regelmässig zum Teil hitzige Debatten, weil die inividuelle Einzelfallentscheidung von vielen Ostdeutschen dann als "ungerecht" angesehen wird. Dabei beobachte ich eines: Die Ostdeutschen, die nach ca. 1980 geboren sind, haben mit solchen Entscheidungen weniger Probleme, als die älteren.
Entscheidungen "nach Nase" sind vielen Menschen nicht recht, da sie das Einfallstor für alle möglichen Mißstände sind. Viele gerade ältere Menschen finden nachvollziehbare Regeln wichtig.
Man darf immer eines nicht vergessen: die DDR war zwar eine Diktatur, aber sie bot auch Annehmlichkeiten. Für jeden war gesorgt, man brauchte sich um vieles nicht wirklich zu kümmern. Das machte der Staat. Und die Pflicht zur Arbeit implizierte stets auch das Recht auf Arbeit und somit das Recht auf Einkommen - auch wenn man sich von dem Geld vielleicht nicht all zu viel kaufen konnte. Sowas ist sehr bequem.
Ich halte diese Erzählung für verklärend. In Wahrheit musste, wer etwas wollte, sich kümmern. Wissen, wo und wann es seltene Ware gab. Wissen, wer beschaffen konnte, was es nicht gab und was er dafür haben wollte. Wissen, welcher Sekretär gern Westkaffee und welcher lieber gutes Bier hat, wenn man mit ihm "nochmal nachdenken" wollte. Vieles, das man woanders einfach gekauft hätte, musste improvisiert oder gebastelt werden. Alles sehr aufwändig und unbequem. Wenn ich heute eine bestimmte Schraube brauche, hole ich sie einfach im Laden. Sollte der sie wirklich nicht haben, was extrem selten ist, kann ich sie dort reservieren lassen oder gleich nach Hause bestellen. In der DDR hätte ich vermutlich einfach alle verfügbaren Schrauben jederzeit besorgt, damit ich im Bedarfsfall eine habe. Die, die ich brauche, hätte trotzdem gefehlt. Keller voll, Laden leer, und wenn ich tot bin, kommen die Enkel und hauen den ganzen Mist auf den Müll. Ich bin froh, dass wir uns um so vieles nicht kümmern müssen, weil der Markt es für uns erledigt. Das ist bequem. Die DDR kann mich mal samt ihrer Anhänger.