http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance ... 34568.htmlAbends ewig im Büro sitzen, nur damit man in ein paar Jahren vielleicht bei einer Beförderungsrunde belohnt wird? Immer weniger Studenten in Deutschland sehen darin einen Sinn. Nur noch 41 Prozent messen dem beruflichen Aufstieg eine hohe Bedeutung in ihrem Leben bei, geht aus einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage der Unternehmensberatung EY unter rund 2.000 Studenten in 27 Universitätsstädten hervor. An erster Stelle steht demnach Zeit für die Familie (70 Prozent), gefolgt von Freunden (66 Prozent) sowie Freizeitaktivitäten und Sport (50 Prozent). Im Vergleich zur vorangegangenen Untersuchung vor zwei Jahren hat die Karrierefreude damit rapide abgenommen: Damals hatten noch 57 Prozent der Studenten berufliche Aufstiegsambitionen.
Eine Präsentation mit weiteren Ergebnissen der Studie ist hier zu finden: https://www.ey.com/Publication/vwLUAsse ... e-2018.pdf
Zugleich (S. 12) nannten 57% der Befragten "Jobsicherheit" als wichtigen Faktor bei der Wahl ihres künftigen Arbeitgebers. Dies ist dennoch etwas weniger als vor zwei Jahren (63%). Mögliche Gehaltssteigerungen erwähnten "nur" 44% (2016: 37%). Nähe zum Wohnort (25%) und Arbeitsumgebung (18%) landeten im Mittelfeld, während Homeoffice (11%), Möglichkeit eines Sabbatjahres (6%) und der Dienstwagen (5%) am Ende landeten.
Was glaubt Ihr, welche Gründe hier eine Rolle spielen? Fehlen den Befragten einfach die Ambitionen? Sind sie stärker werteorientiert, bspw. hinsichtlich der zunehmenden Bedeutung von Familie und Freunden? Nahm die Zahl der befristeten Stellen für Absolventen ab, sodass ein sicherer Job leicht an Priorität verlor? Und geht man anhand der wirtschaftlichen Situation oder des demographischen Wandels eh davon aus, gute Chancen auf höhere Positionen mit entsprechend angepasstem Gehalt zu kriegen? Oder ist es so wie es drei Leser unter dem Artikel beschrieben und dafür die meisten "Sternchen" bekamen, da sie die Ansicht vertreten, Karriere sei für viele eh nicht möglich aufgrund der Strukturen in vielen Unternehmen?
1) Es ist wohl die sich immer weiter durchsetzende Erkenntnis, dass es eine echte „Karriere“ als Angestellter in den allermeisten Fällen nicht gibt. Ein Hochschulstudium auf sich zu nehmen, nur um mit dem erlernten Wissen und seiner Lebenszeit das Eigentum eines anderen zu vermehren, ist für viele zu Recht kein erstrebenswertes Ziel mehr.
Die Sachbearbeiter Laufbahnen der 70er und 80er, welche jungen Menschen aus einfachen Milieus einen Bildungsaufstieg samt Familie und stattlichem Vermögensaubau ermöglichten, sind heute zumindest in der Nähe von Ballungszentren Geschichte. Ohne Erbe kämpfen heutige Studierende um die Krümel eines Kuchens der längst verteilt wurde.
2) Warum Karriere, wenn's auch ohne geht? War "früher" genau so üblich: Ausbildung in der Firma, vielleicht noch ein Studium, und dann den Job bis zur Rente machen. Aus meinem Ingenieurs-Jahrgang haben vielleicht 10% "Karriere" gemacht, heißt, sie sind in's Management aufgestiegen (wozu sie ja überhaupt nicht ausgebildet waren). Die Anderen sind auch nach mittlerweile 35 Jahren noch Ingenieure. Das haben sie gelernt, das können sie, das machen sie.
Und unfähige Manager gibt es wirklich schon genug - sollte gerade E&Y wissen.
3) Könnte es sein, dass die jungen Menschen durch Beobachtung in ihrem sozialen Umfeld miterleben durften, dass großes Engagement nicht zwangsläufig zu einer Beförderung führt und flache Hierarchienen nicht automatisch mehr Aufstiegschancen eröffnen? Viele konnten vielleicht auch erleben, was z.B. eine Matrixorganisation mit Verantwortungsdelegation ohne ausreichende Entscheidungsbefugnis mit den betroffene Arbeitnehmern macht. Und die Einsicht, dass nicht nur Häuptlinge gebraucht werden, ist ja auch mal gut. Und nicht zuletzt haben diese Jungen gesehen, dass durch Entscheidungen von Investoren die eigene Leistung innerhalb einer Firma schnell obsolet werden kann, wenn ein Firmenteil veräußert wird. Da sind sie eben - betriebswirtschaftlich gesehen - "Mengenanpasser" geworden.