BlueMonday hat geschrieben:damit Robinson überleben kann, muss er mit der offensichtlichen Knappheit seiner Mittel (seiner Zeit, seiner Energie, der vorgefundenen Dinge auf der Insel etc.) umgehen. D.h. die vorhandenen Mittel konkurrieren mit vielen Zielen Robinsons.
Zeit ist kein Mittel, keine Ressource. Vorgefundene Ressourcen müssen nicht knapp sein, sind es bei literarischer Vorlage für "das Überleben" auch nicht. Sie werden dort als "unerschöpflich" angesehen, sofern sich die Natur-Bedingungen nicht ändern. Teilweise stehen sie ihm ohne großartigen Arbeitsaufwand zur Verfügung, teilweise mit größerem Arbeitsaufwand. Zumeist jedoch erreichbar und förderbar.
Äußerst knapp ist eine mitgebrachte Ressource; ein paar Getreidekörner, die zu vermehren sich Robinson zu einer seiner wichtigsten Arbeits-Tätigkeiten bewusst entschied.
Sein Ziel ist: Überleben unter bestmöglichen Bedingungen. Alles Notwendige an Tätigkeiten zur Erreichung dieses Ziels sind nicht "viele Ziele", sondern Wege.
Soweit wären die Rahmenbedingungen korrekter geschildert. Weiter im Text ...
BlueMonday hat geschrieben:Er kann nicht alles Gewünschte mit seinen äußerst begrenzten Mitteln erreichen. Er muss also Entscheidungen treffen. Eine Entscheidung besteht darin, das eine auf Kosten des anderen zu wählen.
Doch, er erreicht alles Gewünschte mit seinen äußerst begrenzten Mitteln. Das Primärziel des Überlebens wird erreicht. Seine Arbeitskraft ist natürlich begrenzt ihrer Ausschöpfung und muss stetig reproduziert werden, das hindert Robinson aber nicht, alle von ihm für sinnvoll erachteten Wege einzuschlagen. Er macht das nur nicht gleichzeitig mit allem, sondern nacheinander und entwicklungsbedingt aufeinander stützend. Um bestimmte Werkzeuge zu nutzen, muss er sie erst produzieren usw.
Er wählt nicht das eine auf Kosten des anderen, sondern das eine
und das andere - höchstens zu unterschiedlicher Zeit. Was er nicht wählt oder nicht mehr wählt, das will er auch nicht (mehr).
Seine zeitlichen Präferenzen mutieren nicht zu Wertpräferenzen. Im Anfang der Strandung muss er bestimmte Dinge zugunsten der existenziellen Eigensicherung zuerst erreichen (Durstlöschen, Wärmen, Regendach), ob er will und sich darüber bewusst ist, oder nicht. In der Phase nach erster Reserveanhäufung (Schatzbildung) entscheidet er freier und bewusster die zeitlichen Präferenzen.
Kommen wir zum Wesentlichen der Erörterung, denn noch ist nicht geklärt, ob und wenn, worin Wert auf Robinsons Insel besteht/ entsteht.
BlueMonday hat geschrieben:Und so wird es für ihn wahrscheinlich zu Beginn, nachdem auf seine Insel gespült wurde, höchst wichtig sein, nach Trinkwasser Ausschau zu halten - statt bspw. riskant nach Perlen zu tauchen. Hat er nun vielleicht eine dauerhaft sprudelnde Trinkwasserquelle gefunden, dann verändern sich aber die Stellenwerte. Er wird nicht nach weiteren Quellen suchen, oder gar versuchen kostenreich irgendwie weiteres Trinkwasser zu gewinnen. Jede weitere Einheit Wasser hat dann für ihn einen verschwindend geringen Wert
Du hast hier zum Schluss zwar die subjektive Sicht des Robinson zur Betrachtung des Wertes eingenommen, aber die ganze Zeit davor immer den Arbeitsaufwand zur Gewinnung von Wasser aufgezählt. Somit eine vormarxistische Arbeitswert-These entworfen (Smith/ Ricardo), oder bei genauerer Erklärung und Wegstreichen der subjektiven Sicht des Robinson sowie in Erweiterung aufs Gesellschaftliche sogar marxistische Theorie.
Das "wertlose" Trinkwasser ist dann wertlos, wenn keine Arbeit dafür vonnöten ist. So wie mit allen "wertlosen" Dingen.
Zu meiner und Deiner Freude präsentiere ich Deinem Text beiseite Karl Marx, der so frei war, Deine Überlegungen ein paar Jahre früher zu leisten:
Da die politische Ökonomie Robinsonaden liebt, erscheine zuerst Robinson auf seiner Insel. Bescheiden, wie er von Haus aus ist, hat er doch verschiedenartige Bedürfnisse zu befriedigen und muß daher nützliche Arbeiten verschiedner Art verrichten, Werkzeuge machen, Möbel fabrizieren, Lama zähmen, fischen, jagen usw. Vom Beten u. dgl. sprechen wir hier nicht, da unser Robinson daran sein Vergnügen findet und derartige Tätigkeit als Erholung betrachtet. Trotz der Verschiedenheit seiner produktiven Funktionen weiß er, daß sie nur verschiedne Betätigungsformen desselben Robinson, also nur verschiedne Weisen menschlicher Arbeit sind. Die Not selbst zwingt ihn, seine Zeit genau zwischen seinen verschiednen Funktionen zu verteilen. Ob die eine mehr, die andre weniger Raum in seiner Gesamttätigkeit einnimmt, hängt ab von der größeren oder geringeren Schwierigkeit, die zur Erzielung des bezweckten Nutzeffekts zu überwinden ist. Die Erfahrung lehrt ihn das, und unser Robinson, der Uhr, Hauptbuch, Tinte und Feder aus dem Schiffbruch gerettet, beginnt als guter Engländer bald Buch über sich selbst zu führen. Sein Inventarium enthält ein Verzeichnis der Gebrauchsgegenstände, die er besitzt, der verschiednen Verrichtungen, die zu ihrer Produktion erheischt sind, endlich der Arbeitszeit, die ihm bestimmte Quanta dieser verschiednen Produkte im Durchschnitt kosten. Alle Beziehungen zwischen Robinson und den Dingen, die seinen selbstgeschaffnen Reichtum bilden, sind hier so einfach und durchsichtig, daß (jeder) sie ohne besondre Geistesanstrengung verstehn dürfte. Und dennoch sind darin alle wesentlichen Bestimmungen des Werts enthalten.
Karl Marx Kapital Band I