Ich sehe es vor allem so, dass es von Aristoteles bis Newton eine sehr mechanische Weltsicht gab. Nach Aristoteles ist das Universum unzerstörbar und "ungeworden" (schöne Wortschöpfung!). Es ist homogen und isotrop. Überall im wesentlichen gleich und in alle Richtungen gleich. Zeit und Raum sind jeweils linear und unendlich. Und das Universum ist auf allen Strukturebenen gleich. Im Großen wie im Kleinen. Auf die Bahn der Sonne um den Kern der Galaxis folgen die Bahnen der Planeten um die Sonne, die Rotation der Erde, die Strömungen der Meere, die Drift der Kontinente und schließlich die Bahn der Elektronen um die Atomkerne und immer so weiter. Vorteil dieser Weltsicht ist: Die Wissenschaft kümmert sich um das wissenschaftliche und für Metaphysik sind Religionen und verschiedene Spinnertümer zuständig.BlueMonday hat geschrieben:(08 Aug 2020, 23:54)
Das ist doch der Normalzustand über die letzten Jahrhunderte Wissenschaftsgeschichte, also dass es widersprechende Bewegungen, Schulen etc. gibt. Es gibt allenfalls eine vorherrschende Sicht (Orthodoxie), aber parallel dazu auch meist mehrere Heterodoxien(Abspaltungen). Gerade diese Wettbewerbssituation, also die Abspaltung von der Orthodoxie ermöglicht überhaupt wesentlichen wissenschaftlichen Fortschritt. Denn die Orthodoxie hat verständlicherweise und ihrer Natur entsprechend ein konservierendes, konservatives, festhaltendes "bias". Sie ist halt die Verteidigerin eines "Wissenstands", der (noch) Autorität genießt, aber eben nicht total, nicht ohne Einfallsräume.
Der Bruch beginnt mit der modernen Physik. Nichts von alldem in dieser aristotelischen Weltsicht hat sich als zutreffend erwiesen. Zeit und Raum sind relativ. Das Universum im großen funktioniert ganz anders als im kleinen. Und das Universum hat sowohl eine räumliche wie auch eine zeitliche Ausdehnung. Normalerweise müsste nun die Metaphysik als philosophische Disziplin aus dem Reich der Religionen wieder in das Reich des kritischen Denkens zurückkehren. Sollte man denken! Warum sie das nicht tut ... warum Philosophie auf der einen Seite eine rein akademische ANgelegenheit geworden ist, bei der es nicht um große Entwürfe und Gedankengebäude geht sondern um Zitationsranglisten und auf der anderen Seite zu einer Ansammlung von Ratgeberliteratur verkommen ist ... darüber sollte man auch mal diskutieren.