Parlamentswahl in Tschechien

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sünnerklaas
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von sünnerklaas »

H2O hat geschrieben:(12 Oct 2021, 13:08)

War wohl auch nicht so einfach bei 30% (mindestens) deutscher Bevölkerung. Vielleicht sind die Tschechen aber auch wurstiger als die Ungarn... und konnten mit der KuK-Herrschaft leben. Weit weg von meinen Erfahrungen...
Ich glaube nicht, dass es daran lag. Nach meiner Kenntnis war auch das Gros der Sudetendeutschen nicht pro Habsburg. Es wurde niemandem in Tschechien eine Eigenständigkeit zugestanden. Weder einer einzelnen Gruppe, noch allen zusammen. Böhmen gab es de facto nicht mehr. Als Rache für den Prager Fenstersturz. Und ich glaube, diese fast genau 400 Jahre andauernde Fremdherrschaft von k.u.k. wars eben, was die Tschechen geprägt hat.
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H2O
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von H2O »

In der tschechischen Geschichte kenne ich mich nicht besonders aus. Mir fällt zum Thema nur noch der Name Karel Schwarzenberg ein, der zeitweise als Außenminister Tschechiens wirkte. Wie es damals hieß: Aus altem böhmischem Adel, meist in Wien zu Hause.
https://deutsch.radio.cz/wie-der-boehmi ... am-8571176
Dann war Böhmen doch durch seinen Adel mit der KuK-Monarchie verwoben, werden vielleicht auch das Land verwaltet haben. Nur einen König gab es dann eben nicht. Da müssen andere irrationale Dinge gelaufen sein, von denen ich wirklich nichts weiß.
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sünnerklaas
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von sünnerklaas »

H2O hat geschrieben:(12 Oct 2021, 18:08)

In der tschechischen Geschichte kenne ich mich nicht besonders aus. Mir fällt zum Thema nur noch der Name Karel Schwarzenberg ein, der zeitweise als Außenminister Tschechiens wirkte. Wie es damals hieß: Aus altem böhmischem Adel, meist in Wien zu Hause.
https://deutsch.radio.cz/wie-der-boehmi ... am-8571176
Dann war Böhmen doch durch seinen Adel mit der KuK-Monarchie verwoben, werden vielleicht auch das Land verwaltet haben. Nur einen König gab es dann eben nicht. Da müssen andere irrationale Dinge gelaufen sein, von denen ich wirklich nichts weiß.
Ich finde es auch interessant, wie wenig man in D über tschechische Geschichte weiß. Dabei ist tschechische Geschichte sehr oft eben auch deutsche Geschichte. Die Geschichte beider Länder ist sehr eng miteinander verwoben. Und zwar weniger mit Hinblick auf die Sudetendeutschen, sondern besonders mit Hinblick auf die Tschechen, die stets Teil des HRR und danach des Deutschen Bundes waren. Und zwar bis 1866, als Bismarck durch den deutsch-deutschen Krieg die Abspaltung von k.u.k erzwungen hat, um die kleindeutsche Lösung als Form der nationalen Einigung zu erreichen.
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von Vongole »

Kommt bitte langsam mal wieder zum eigentlichen Thema zurück!
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von H2O »

...um die kleindeutsche Lösung als Form der nationalen Einigung zu erreichen.
Damals war es wohl gerade modern geworden, daß in einem Nationalstaat nur eine Sprache gesprochen werden sollte. Da entspringt auch der Germanisierungsdruck auf die polnischen Teile des Königreichs Preußen, den es zu Beginn der Polnischen Teilungen so hart nicht gab. Die Böhmen hat Bismarck den Habsburgern nicht wegnehmen wollen... vermute ich einmal.

Und nun fummeln wir uns in Europa wieder durch... mit Englisch als gemeinsamer Grundlage!
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Der Neandertaler
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von Der Neandertaler »

Vongole hat geschrieben:Kommt bitte langsam mal wieder zum eigentlichen Thema zurück![/color][/b]
Zurück,marsch, marsch!

Es hängt jetzt alles an Zeman, denn nach tschechischer Verfassung obliegt es nur dem Staatspräsidenten, welchen Parteiführer er mit der Regierungsbildung beauftragt. Die Verfassung macht ihm dabei formell keine Vorschriften. Er hat jedenfalls vergangenheitlich mehrfach betont, den Auftrag dazu nur Vorsitzenden der stärksten Einzelpartei zu erteilen - und das ist nunmal ANO. Sollte er bei dieser Meinung bleiben und sich so der Mehrheit des Volkes widersetzen, bleibt nur die Frage nach dem WARUM?

Da offiziell ist nur wenig über seine Erkrankung bekannt und die tschechischen Medien von ernsthaften Leberproblemen berichten, kann das dauern, solange Zeman auf der Intensivstation behandelt wird. Lediglich Artikel 66 der Verfassung ermöglicht es, den Präsidenten seiner Funktionen zu entheben, wenn er sein Amt "aus schwerwiegenden Gründen nicht ausüben kann", wofür allerdings "die Zustimmung des Abgeordnetenhauses und des Senats" notwendig ist.

Bereits im September war er im Krankenhaus behandelt worden. Zu dieser Zeit bezeichneten mehrere Medien von "Flüßigkeitsansammlung in der Bauchhöhle", als Folge von Leberzirrhose wegen Alkoholmissbrauchs. Zemans Sprecher wies die Spekulationen damals aber umgehend zurück. Es ist davon auszugehen, daß es diesmal wieder die Leber ist, da Miroslav Zavoral, Zemans Leibarzt, nach der Einlieferung sagt:
  • "Wir kennen die Diagnose, so daß wir die Behandlung gezielt darauf ausrichten können."
Wie schlimm aber ...???
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von H2O »

Nach meinem Verständnis kann der Präsident zwar den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen, die Regierung aber nicht etwa ernennen (das kann der französische Präsident... naja, so ungefähr, aber natürlich nicht in Tschechien ;) ) Wenn also sein Spezi keine Mehrheit für eine Regierungsbildung zusammenbekommt, dann wird der Präsident sich anders besinnen müssen, meine ich. Oder bin ich da auf dem Holzwege gelandet?
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Rautenberger
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von Rautenberger »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Oct 2021, 09:38)

Das sehe ich ein klein wenig anders. Es gibt, nur mal als Beispiel, einige inzwischen völlig verdrängte historische Tatsachen. Die Niederschlagung des ungarischen Volksaufstands 1956 muss man selbstverständlich kritisch und als Teil einer hegemonionalen Politik der SU sehen. Kaum bekannt ist die Tatsache, dass die Minderheit der Roma-Bevölkerung in Ungarn die sowjetische Armee als eine Art Befreier ansahen. Und selbst viele viele Jahre danach, Ender der 80er in der Ex-DDR ... sowjetische Filme und einige sowjetische Publikationen galten zumindest für kurze Zeit als eine Art Dissidenten-Kultur in der DDR. Als Beispiel sei hier nur der großartige Film "Abschied von Matjora" genannt. Der Ende der 70er, Anfang der 80er gedreht wurde. Aber erst 1987 in den (West)Berliner Filmfestspielen lief. Es geht um den frühen Widerstand gegen sowjetische Wahnsinnsprojekte wie den Bau von Riesenstaumauern. Es gab noch andere Filme dieser Art aus der Ex-SU. Auf einmal war die Honecker-Klicke eine Art Greisen-Autokratie und die SU ein junger Hoffnungsträger.
Da sehe ich keinen Widerspruch. Dass Moskau liberaler war als seine osteuropäischen Bundesgenossen gilt ja nur für den kurzen Zeitraum von 1985 bis 1990, das war eine Anomalie oder anders gesagt: eine Ausnahme, die die Regel bestätigt. Hinzu kommt, dass die Regimes in Ostberlin, Warschau, Prag etc. ja nach Moskauer Vorbild errichtet wurden. Ohne Moskau hätte es die DDR gar nicht gegeben. Moskau konnte sich also nicht damit brüsten, liberaler zu sein als Ostberlin, weil Moskau selbst für die Entstehung des Ostberliner Regimes verantwortlich war. Dass die Russen ziemlich schnell wieder die Finger von Demokratie und Liberalismus gelassen haben, ist - bei allen wirtschafts- und sozialpolitischen Hintergründen - auch kein Zufall.
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von sünnerklaas »

Rautenberger hat geschrieben:(13 Oct 2021, 10:50)

Dass die Russen ziemlich schnell wieder die Finger von Demokratie und Liberalismus gelassen haben, ist - bei allen wirtschafts- und sozialpolitischen Hintergründen - auch kein Zufall.
In Russland hat man sich nie wirklich vom Zarismus emanzipiert. Es reicht nicht aus, das Personal, die Fahnen und die Bezeichnung der Ämter auszutauschen, die Herrschaftsmethoden aber beizubehalten. Und man schaue sich einmal die übrigen GUS-Staaten an. Das Gros davon sind Autokratien, beherrscht von z.T. allmächtigen Sonnenkönigen. Egal, ob nun Usbekistan, Tadschikistan, Kirgisien, Aserbaidschan etc.. Da wurden sowohl 1917, als auch 1990 große Chancen vertan.
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von schokoschendrezki »

Der Neandertaler hat geschrieben:(13 Oct 2021, 00:03)

Zurück,marsch, marsch!

Es hängt jetzt alles an Zeman, denn nach tschechischer Verfassung obliegt es nur dem Staatspräsidenten, welchen Parteiführer er mit der Regierungsbildung beauftragt. Die Verfassung macht ihm dabei formell keine Vorschriften. Er hat jedenfalls vergangenheitlich mehrfach betont, den Auftrag dazu nur Vorsitzenden der stärksten Einzelpartei zu erteilen - und das ist nunmal ANO. Sollte er bei dieser Meinung bleiben und sich so der Mehrheit des Volkes widersetzen, bleibt nur die Frage nach dem WARUM?
Er ist ein Freund und Förderer von Babis. (Sorry: Das s mit dem Dach nach unten auf einer qwertz-Tastatur bekomme ich sofort durch Tastenkombination hin, das mit dem Dach nach oben ... da gibts verschiedene Anleitungen - funktionieren bei mir nicht. Copy & Paste aus irgendwelchen Texten ist mir zu umständlich.

Verfassungsmäßig könnte er durchaus auch ein Parteienbündnis mit der Regierungsbildung beauftragen. Er will nur nicht.
Da offiziell ist nur wenig über seine Erkrankung bekannt und die tschechischen Medien von ernsthaften Leberproblemen berichten, kann das dauern, solange Zeman auf der Intensivstation behandelt wird. Lediglich Artikel 66 der Verfassung ermöglicht es, den Präsidenten seiner Funktionen zu entheben, wenn er sein Amt "aus schwerwiegenden Gründen nicht ausüben kann", wofür allerdings "die Zustimmung des Abgeordnetenhauses und des Senats" notwendig ist.

Bereits im September war er im Krankenhaus behandelt worden. Zu dieser Zeit bezeichneten mehrere Medien von "Flüßigkeitsansammlung in der Bauchhöhle", als Folge von Leberzirrhose wegen Alkoholmissbrauchs. Zemans Sprecher wies die Spekulationen damals aber umgehend zurück. Es ist davon auszugehen, daß es diesmal wieder die Leber ist, da Miroslav Zavoral, Zemans Leibarzt, nach der Einlieferung sagt:
  • "Wir kennen die Diagnose, so daß wir die Behandlung gezielt darauf ausrichten können."
Wie schlimm aber ...???
Man fühlt sich natürlich irgendwie an Boris Jelzin erinnert. Aber auch das passt einfach nicht zu dem Bild der Gesellschaft Tschechiens in der Nahaufnahme. Ich verstehs irgendwie auch nicht. Prag ist eine Stadt unter anderem der aufstrebenden Tech-Unternehmen. Man fährt - ähnlich wie vielleicht in Dublin - an den avantgardistischen Glasfrontgebäuden von Huawei, Microsoft, Dell, HP usw. usf. vorbei. Und es gibt auch haufenweise neue, innovative kleinere Firmen in der IT-Branche dort. Und dann aber diesen komischen Zeman. Von dem ich den Eindruck habe, dass er mal Gastwirt im Böhmerwald war. Das stimmt einfach nicht überein.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von Der Neandertaler »

Halo´lo mein Freund.
H2O hat geschrieben:Nach meinem Verständnis .... Oder bin ich da auf dem Holzwege gelandet?
Nein, bist Du nicht! Die Frage ist nur, wann er dies tut ... wie hartnäckig er sich weigert? Es geht weniger um die Frage des WIE?, eher um das WANN?

Eine Hypothese zur Frage des WANN?:
  • Herr Zeman, sollte er ansprechbar sein und Herr seiner Sinne (was man ja nicht weiß, aufgrund der Untransparenz seitens des Krankenhauses), könnte er eventuell, nach einem ersten Scheitern von Babiš, ihm eine zweite, dritte, ... Chance geben, in der Hoffnung, daß es Babiš doch noch gelingt, den ein oder anderen aus dem Oppositions-Bündnis mit Versprechungen herauzulöse. (Stichwort: israel) Denn, wie gesagt, formell gibt die Verfassung dem Staatpräsidenten keine Vorgaben.
Anderer Fall:
  • Herr Zeman wäre nicht (mehr) ansprechbar, oder könnte aus anderen Gründen diese Entscheidung treffen, worüber das "Abgeordnetenhaus und der Senat entschieden haben" muß, "obliegt die Ausübung der Funktionen ... dem Ministerpräsidenten." (Artikel 66)
Selbiges gilt eben auch für den Fall, sollte Herr Zeman sterben, was ihm wohl niemand gönnt!
  • "Falls das Amt des Präsidenten der Republik frei wird und noch kein neuer Präsident der Republik gewählt wurde oder den Eid noch nicht abgelegt hat, oder ... "
    • (Artikel 66)
Und der Ministerpräsidenten heißt nunmal Babiš! Babiš ist also lange noch nicht weg!
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von schokoschendrezki »

sünnerklaas hat geschrieben:(13 Oct 2021, 11:03)

In Russland hat man sich nie wirklich vom Zarismus emanzipiert. Es reicht nicht aus, das Personal, die Fahnen und die Bezeichnung der Ämter auszutauschen, die Herrschaftsmethoden aber beizubehalten. Und man schaue sich einmal die übrigen GUS-Staaten an. Das Gros davon sind Autokratien, beherrscht von z.T. allmächtigen Sonnenkönigen. Egal, ob nun Usbekistan, Tadschikistan, Kirgisien, Aserbaidschan etc.. Da wurden sowohl 1917, als auch 1990 große Chancen vertan.
Vorsicht: Das sind nicht "die Russen" sondern das sind verschiedene Oligarchenklicken. In den10er und 20er Jahren des 20. Jahrhunderts kamen etliche künstlerisch-litararisch-avantgardistische Strömungen fast noch mehr aus Russland bzw. der SU als aus Frankreich.

Die Balett-Aufführung "Le Sacre du printemps" in Paris 1914 von Igor war das künstlerisch-avantgardistische Skandalereignis in Europa der 10er Jahre. Frankreich war in dieser sogennanten "Moderne" einfach noch nicht so weit wie Russland. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem berühmten "schwarzen Quadrat" von Kasimir Malewitsch 1915. Mit der Erfindung der experimentellen Theaterkunst durch Wsewolod Meyerhold. Mit der Erfindung der abstrakten Kunst durch bwz. zumindest in erheblichem Maße mit Wassili Kandinsky. Ich könnte schier endlos weitere Beispiele nennen. Film: Eisenstein. Den Rückfall des heutigen Russlands in eine rechtskonservativ-pseudomonarchistische Gesellschaft ... den muss man sich anders erklären. Nicht kulturalistisch.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Mi 13. Okt 2021, 11:26, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von sünnerklaas »

schokoschendrezki hat geschrieben:(13 Oct 2021, 11:13)

Man fühlt sich natürlich irgendwie an Boris Jelzin erinnert. Aber auch das passt einfach nicht zu dem Bild der Gesellschaft Tschechiens in der Nahaufnahme. Ich verstehs irgendwie auch nicht. Prag ist eine Stadt unter anderem der aufstrebenden Tech-Unternehmen. Man fährt - ähnlich wie vielleicht in Dublin - an den avantgardistischen Glasfrontgebäuden von Huawei, Microsoft, Dell, HP usw. usf. vorbei. Und es gibt auch haufenweise neue, innovative kleinere Firmen in der IT-Branche dort. Und dann aber diesen komischen Zeman. Von dem ich den Eindruck habe, dass er mal Gastwirt im Böhmerwald war. Das stimmt einfach nicht überein.
Genau deswegen ist Zeman gewählt worden - weil er so ist, wie er ist. Zeman auf der einen und die avantguardistischen Glasfrontgebäude von Huawei, Microsoift&Co auf der anderen Seite symbolisieren die Zerrissenheit der tschechischen Gesellschaft. Auf der einen Seite die moderne Großstadt mit den weltgewandten Städtern, auf der anderen Seite eben der ländliche Raum. Dort, wo man die Welt nicht mehr versteht. Wo man wütend ist und verbittert auf die Großkopferten in den Metropolen. Haben ja alle keine Ahnung, von denen ließe man sich gar nichts sage, die könnten einen einmal.
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von schokoschendrezki »

sünnerklaas hat geschrieben:(13 Oct 2021, 11:26)

Genau deswegen ist Zeman gewählt worden - weil er so ist, wie er ist. Zeman auf der einen und die avantguardistischen Glasfrontgebäude von Huawei, Microsoift&Co auf der anderen Seite symbolisieren die Zerrissenheit der tschechischen Gesellschaft. Auf der einen Seite die moderne Großstadt mit den weltgewandten Städtern, auf der anderen Seite eben der ländliche Raum. Dort, wo man die Welt nicht mehr versteht. Wo man wütend ist und verbittert auf die Großkopferten in den Metropolen. Haben ja alle keine Ahnung, von denen ließe man sich gar nichts sage, die könnten einen einmal.
Damit steht Tschechien allerdings weiß Gott nicht allein da. Wenn alles neue irgendwie aus den USA kommt ... na, dann wirds in Zukunft ungemütlich.

Aber davon mal abgesehen. Es muss doch einen Weg aus der Staatskrise geben. Ebenfalls nicht nur in Tschechien werden Regierungschefs in einer Parlamentsdemokratie vom Staatspräsidenten ernannt. Wenn der krank, verhindert, geisteskrank oder tot ist ... muss es doch irgendwie einen Plan B geben. Als erstes würde mir da der Parlamentspräsident einfallen. In Tschechien: "Der Vorsitzende des Abgeordnetenhauses". Das ist derzeit Radek Vondráček. Ebenfalls von der ANO. Na, der wird wohl kaum jemand anderen ernennen als Babis.
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von H2O »

sünnerklaas hat geschrieben:(13 Oct 2021, 11:26)

(...)
....Haben ja alle keine Ahnung, von denen ließe man sich gar nichts sage, die könnten einen einmal.
Das denken ziemlich regelmäßig jene, die wirklich keinen Schimmer von gesellschaftspolitischen Notwendigkeiten haben. Muß man abwettern.
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von sünnerklaas »

schokoschendrezki hat geschrieben:(13 Oct 2021, 11:34)

Damit steht Tschechien allerdings weiß Gott nicht allein da. Wenn alles neue irgendwie aus den USA kommt ... na, dann wirds in Zukunft ungemütlich.
Artikel 72 GG - die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse - ist nicht umsonst ein Verfassungsauftrag in D. Wohin es führt, wenn man periphere ländliche Regionen vernachlässigt und auf Abwanderung setzt, sieht man in einigen Regionen Ostdeutschlands. Wenn Stadt und Land zu weit auseinanderdriften, kann das demokratiegefährdend sein..
Und man muss mal schauen, wo die Fans der Populisten und der Extremisten weltweit sitzen: egal, ob Nationalisten, religiöse Fundamentalisten: sie nähren sich im peripheren ländlichen Raum. Dort, wo die Enttäuschten, Verbitterten, die Zurückgebliebenen sitzen. Dort wo Frauenmangel herrscht - oder man eben die Frauen quasi mit Gewalt festhalten muss.

Aber davon mal abgesehen. Es muss doch einen Weg aus der Staatskrise geben. Ebenfalls nicht nur in Tschechien werden Regierungschefs in einer Parlamentsdemokratie vom Staatspräsidenten ernannt. Wenn der krank, verhindert, geisteskrank oder tot ist ... muss es doch irgendwie einen Plan B geben. Als erstes würde mir da der Parlamentspräsident einfallen. In Tschechien: "Der Vorsitzende des Abgeordnetenhauses". Das ist derzeit Radek Vondráček. Ebenfalls von der ANO. Na, der wird wohl kaum jemand anderen ernennen als Babis.
Dass für die Regierungsbildung zwingend der Auftrag durch den Staatspräsidenten erforderlich ist, befremdet mich irgendwie.
Was ich mich frage: was ist eigentlich, wenn Babis dann keinen Koalitionspartner findet und die übrigen Parteien zwar die Mehrheit im Parlament haben, aber der Präsident dann weiterhin niemand anderes, als Babis mit der Regierungsbildung beauftragt? Ist dann das Parlament nicht befugt, einen MP zu wählen?
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo schokoschendrezki.
schokoschendrezki hat geschrieben:Verfassungsmäßig könnte er durchaus auch ein Parteienbündnis mit der Regierungsbildung beauftragen. Er will nur nicht.
Siehst Du? Und da kommt die Frage nach dem WARUM? und WANN? in's Spiel. Er ist ein Freund und Förderer Babiš, von daher dürfte schon ein Intresse an seinem Ministerpräsident-bleiben haben.
schokoschendrezki hat geschrieben:... das passt einfach nicht zu dem Bild der Gesellschaft Tschechiens ... Das stimmt einfach nicht überein.
Wie ich schon vorher angedeutet habe (vielleicht wurde es nicht richtig deutlich) und Du es auch zur Sprache gebracht hast, hat es etwas mit dem Stadt- / Land- Gefälle zutun. Die Jungen ziehen aus den Dörfern in die Städte, aber es gibt allgemein immer noch mehr Alte als Junge. Nicht umsonst hat Prag und Mariánské Lázně Piraten-Bürgermeister. Sowohl meine Tochter als auch meine Schwägerin (sie wohnt in Louny - in der nordböhmischen Aussiger Region) berichtete mir, daß sie vor der Wahl vermehrt Studenten und nicht mehr ganz so junge Studenten (nicht nur von den Piraten) beobachtet hat, die Leute in Fußgänger-Zonen in Gespräche und Diskussionen verwickelt haben, um sie von einem Wechsel zu überzeugen. Das geschah nicht nur in den Großstätten, sondern auch erstmals in etwas kleineren Dörfern. Auch dort wurde der Unmut über Babiš immer größer.
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo sünnerklaas.
sünnerklaas hat geschrieben:Dass für die Regierungsbildung zwingend der Auftrag durch den Staatspräsidenten erforderlich ist, befremdet mich irgendwie.
Was ich mich frage: was ist eigentlich, wenn Babis dann keinen Koalitionspartner findet und die übrigen Parteien zwar die Mehrheit im Parlament haben, aber der Präsident dann weiterhin niemand anderes, als Babis mit der Regierungsbildung beauftragt? Ist dann das Parlament nicht befugt, einen MP zu wählen?
Dann bleibt die Babiš-Regierung eben im Interims-Amt!

Artikel 62:
  • Der Präsident der Republik
    • a) ernennt den Ministerpräsidenten und weitere Regierungsmitglieder und beruft sie ab, nimmt ihre Demission entgegen, beruft die Regierung ab und nimmt ihre Demission entgegen,
      ...
      c) löst das Abgeordnetenhaus auf,
      d) beauftragt die Regierung, deren Demission er entgegengenommen oder die er abberufen hat, mit der vorläufigen Ausübung ihrer Funktionen bis zur Ernennung einer neuen Regierung,
      ...
Artikel 63.
  • Der Präsident der Republik
    • ...
      f) schreibt die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zum Senat aus,
      ...
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von sünnerklaas »

Der Neandertaler hat geschrieben:(13 Oct 2021, 12:49)

Hallo sünnerklaas.Dann bleibt die Babiš-Regierung eben im Interims-Amt!

Artikel 62:
  • Der Präsident der Republik
    • a) ernennt den Ministerpräsidenten und weitere Regierungsmitglieder und beruft sie ab, nimmt ihre Demission entgegen, beruft die Regierung ab und nimmt ihre Demission entgegen,
      ...
      c) löst das Abgeordnetenhaus auf,
      d) beauftragt die Regierung, deren Demission er entgegengenommen oder die er abberufen hat, mit der vorläufigen Ausübung ihrer Funktionen bis zur Ernennung einer neuen Regierung,
      ...
Artikel 63.
  • Der Präsident der Republik
    • ...
      f) schreibt die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zum Senat aus,
      ...
Nach der Lesart bedeutet das für die Regierungsbildung: Babis kann auf Ewigkeiten MP bleiben. Nur er darf Koalitionsverhandlungen führen. Bekommt er keine Mehrheit hin und beauftragt nach dem Scheitern von Babis der Präsident niemand anderes, hat das Parlament keine Chance einen anderen zum MP zu wählen.
Wenn dem so ist, ist das eine üble Situation. Dann können sich ein paar Hansel das Land zur Beute machen.
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo sünnerklaas.
sünnerklaas hat geschrieben:Nach der Lesart bedeutet das für die Regierungsbildung: Babis kann auf Ewigkeiten MP bleiben. Nur er darf Koalitionsverhandlungen führen. Bekommt er keine Mehrheit hin und beauftragt nach dem Scheitern von Babis der Präsident niemand anderes, hat das Parlament keine Chance einen anderen zum MP zu wählen.
Theoretisch hast Du Recht! Na ja, vielleicht nicht ewig, aber zumindest solange wie Zeman noch Staatspräsident ist. Auf der anderen Seite kann ich mir nicht vorstellen, daß alle Abgeordneten des Abgeordnetenhauses und des Senats dieses Hinauszögern mitmachen würden. Der einzige Ausweg bleibt etwa Artikel 66.

Artikel 66.
  • ..., oder wenn der Präsident der Republik sein Amt aus schwerwiegenden Gründen nicht ausüben kann und falls darüber das Abgeordnetenhaus und der Senat entschieden haben, obliegt die Ausübung der Funktionen ... dem Vorsitzenden des Senates
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von sünnerklaas »

Der Neandertaler hat geschrieben:(13 Oct 2021, 13:08)

Hallo sünnerklaas.Theoretisch hast Du Recht! Na ja, vielleicht nicht ewig, aber zumindest solange wie Zeman noch Staatspräsident ist. Auf der anderen Seite kann ich mir nicht vorstellen, daß alle Abgeordneten des Abgeordnetenhauses und des Senats dieses Hinauszögern mitmachen würden. Der einzige Ausweg bleibt etwa Artikel 66.
Diese Lücke sollte man schnellsmöglich schließén und diesen möglicherweise bestehenden verfassungsrechtlichen Konstruktionsfehler beseitigen. Allein schon die theoretische Möglichkeit, dass da dann eine Handvoll Leute sich den Staat auf völlig legalem Weg zur Beute machen und Wahlentscheidungen torpedieren können, jagt mir ehrlich gesagt einen kalten Schauer über den Rücken.
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo sünnerklaas.
sünnerklaas hat geschrieben:Diese Lücke sollte man schnellsmöglich schließén und diesen möglicherweise bestehenden verfassungsrechtlichen Konstruktionsfehler beseitigen.
Ich bin mir sicher, daß dies einige (zumindest jetzt) auch schon erkannt haben. Es ist aber bestimmt nicht einfach, etwas zu ändern, was einer Seite nützt, wenn dazu keine Mehrheit in Ausssicht ist. Sollte es eine andere Regierung geben ... also ohne ANO, bin ich mir sicher, daß diese Änderung in Angriff genommen wird.
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von sünnerklaas »

Der Neandertaler hat geschrieben:(13 Oct 2021, 13:51)

Hallo sünnerklaas.Ich bin mir sicher, daß dies einige (zumindest jetzt) auch schon erkannt haben. Es ist aber bestimmt nicht einfach, etwas zu ändern, was einer Seite nützt, wenn dazu keine Mehrheit in Ausssicht ist. Sollte es eine andere Regierung geben ... also ohne ANO, bin ich mir sicher, daß diese Änderung in Angriff genommen wird.
Dass es keinerlei automatische Vertretungsregelung für den Fall des Ausfalls des Präsidenten in der Verfassung gibt, wundert mich auch sehr. In vielen Ländern hat das Staatsoberhaupt mehrere Stellvertreter. In Deutschland den Bundesratspräsidenten, danach den Bundestagspräsidenten, nach dem kommen sogar noch die diversen Bundestagsvizepräsidenten. Es ist also im Zweifelsfall, selbst bei einem Massenausfall immer jemand da, der automatisch die Aufgabe des Staatsnotars in Vertretung übernimmt.
In den USA hat der Präsident drei Stellvertreter, die ihn vertreten (Vizepräsident/Chef des Repräsentantenhauses/Chef des Senats).
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von Der Neandertaler »

sünnerklaas hat geschrieben:Dass es keinerlei automatische Vertretungsregelung für den Fall des Ausfalls des Präsidenten in der Verfassung gibt, wundert mich auch sehr.
Doch, doch, den gibt es! Bei Ausfall des Staatspräsidenten:
  • den Ministerpräsidenten (er übernimmt die Aufgaben des Artikel 63) und der Vorsitzende des Abgeordnetenhauses (er übernimmt die Aufgaben des Artikel 62).
Aber eben darüber ... über den Ausfall des Staatspräsidenten ("... wenn der Präsident der Republik sein Amt aus schwerwiegenden Gründen nicht ausüben kann"), ... darüber muß "das Abgeordnetenhaus und der Senat" entscheiden. (Artikel 66)
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von Rautenberger »

schokoschendrezki hat geschrieben:(13 Oct 2021, 11:26)

Vorsicht: Das sind nicht "die Russen" sondern das sind verschiedene Oligarchenklicken. In den10er und 20er Jahren des 20. Jahrhunderts kamen etliche künstlerisch-litararisch-avantgardistische Strömungen fast noch mehr aus Russland bzw. der SU als aus Frankreich.

Die Balett-Aufführung "Le Sacre du printemps" in Paris 1914 von Igor war das künstlerisch-avantgardistische Skandalereignis in Europa der 10er Jahre. Frankreich war in dieser sogennanten "Moderne" einfach noch nicht so weit wie Russland. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem berühmten "schwarzen Quadrat" von Kasimir Malewitsch 1915. Mit der Erfindung der experimentellen Theaterkunst durch Wsewolod Meyerhold. Mit der Erfindung der abstrakten Kunst durch bwz. zumindest in erheblichem Maße mit Wassili Kandinsky. Ich könnte schier endlos weitere Beispiele nennen. Film: Eisenstein. Den Rückfall des heutigen Russlands in eine rechtskonservativ-pseudomonarchistische Gesellschaft ... den muss man sich anders erklären. Nicht kulturalistisch.
Da frage ich mich ja erstmal: Warum wurde "Le Sacre du printemps" dann in Paris und nicht in Petersburg uraufgeführt, wenn Russland so fortschrittlich war? Und mit der künstlerischen Avantgarde war es auch schon in den 1920ern aus. Viele von den Protagonisten haben Stalin nicht überlebt. Die Fortschrittlichkeit der städtischen Eliten sagt nichts über die Fortschrittlichkeit eines Landes als Ganzes aus - das war damals so und ist auch heute noch so.
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von Rautenberger »

H2O hat geschrieben:(12 Oct 2021, 13:08)
Vielleicht sind die Tschechen aber auch wurstiger als die Ungarn... und konnten mit der KuK-Herrschaft leben.
Das glaube ich nicht. Sie waren einfach historisch in einer schwierigeren Situation als die Ungarn. Böhmen gehörte schon seit 1526 den Habsburgern, Ungarn erst seit Anfang des 19. Jahrhunderts. Böhmen war Teil des Heiligen Römischen Reichs, dessen Kaiser häufig Habsburger waren. Mit der Eigenständigkeit Ungarns konnten die Österreicher leben, eine Eigenständigkeit Böhmens wäre für sie ein Schnitt ins eigene Fleisch gewesen und kam deshalb nicht in Frage, denke ich.
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von Rautenberger »

H2O hat geschrieben:(13 Oct 2021, 10:28)

Nach meinem Verständnis kann der Präsident zwar den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen, die Regierung aber nicht etwa ernennen (das kann der französische Präsident... naja, so ungefähr, aber natürlich nicht in Tschechien ;) ) Wenn also sein Spezi keine Mehrheit für eine Regierungsbildung zusammenbekommt, dann wird der Präsident sich anders besinnen müssen, meine ich. Oder bin ich da auf dem Holzwege gelandet?
Da hast du wohl recht. Indem Zeman Babiš beauftragt, könnte er ihm aber Zeit verschaffen, um die Opposition "weichzukochen" und zu spalten. Babiš hat ja schon gesagt, dass er mit der größten Oppositionspartei ODS verhandeln will. Die hat das gleich abgelehnt und ich hoffe, es bleibt dabei. Manche befürchten ja eine monatelange Hängepartie. Ich traue dem Braten nicht, bis alles in trockenen Tüchern ist...
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von H2O »

Vielleicht eine Lehre für die Zukunft der EU: Einen Föderation mit vielen Freiheiten kultureller Art und in der kommunalen Selbstverwaltung... und sehr ernsten Worten der Gemeinschaft, wenn ein Partner/eine Region wirtschaftlich erkennbar achteraus segelt und so zum Sozialfall zu werden droht. Das scheint aber mit Blick auf Tschechien überhaupt nicht zu befürchten zu sein, wenn man @Schokoschendrezkis Aussagen für wahr hält.

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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von sünnerklaas »

H2O hat geschrieben:(14 Oct 2021, 12:15)

Vielleicht eine Lehre für die Zukunft der EU: Einen Föderation mit vielen Freiheiten kultureller Art und in der kommunalen Selbstverwaltung... und sehr ernsten Worten der Gemeinschaft, wenn ein Partner/eine Region wirtschaftlich erkennbar achteraus segelt und so zum Sozialfall zu werden droht. Das scheint aber mit Blick auf Tschechien überhaupt nicht zu befürchten zu sein, wenn man @Schokoschendrezkis Aussagen für wahr hält.

So ungefähr gleiche Lebenschancen in der EU herstellen... und zwar bestmögliche Lebenschancen!
Die aus der Geschichte und den darin historisch bedingten kulturellen Unterschiede sind es, die in der heutigen EU die maßgebliche Ursache für die aktuellen Konflikte sind. Kontinuierlich über Jahrhunderte gemachte Erfahrungen bekommt man nicht so schnell aus den Hinterköpfen raus.
Ein schönes Beispiel: die Gründerstaaten der EWG/EG waren durchweg Länder, die Kolonien hatten. Die osteuropäischen Staaten hatten durchweg eine Tradition des Beherrschtwerdens durch andere. Sowas brennt sich in der Mentalität ein, sowas prägt Reflexe.
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von H2O »

Unsere Nachkriegsgeschichte sollte doch aber Lernprozesse zwischen den Ohren aller EU-Partner ausgelöst haben, zumindest in der meinungsbildenden Klasse. Die Freizügigkeit nach Westen tut ein Übriges, sollte man doch hoffen! Warum können unsere Balten mit diesen Komplexen besser umgehen?
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von Der Neandertaler »

Angesichts der momentan festgefahrenen und unübersichtlichen Situation, gibt es in Tschechien Überlegungen, wie das Alles zu lösen ist. Einerseits ist bekannt, daß Präsident Miloš Zeman in der Abteilung für "Anästhesiologie und Reanimation" (ARO) des Zentralen Militärkrankenhauses (ÚVN) in Prag behandelt wird. ARO ist auf höchstem Niveau der Intensivmedizin. Patienten, die sich in einem Zustand des anhaltenden Versagens einer oder mehrerer grundlegender Vitalfunktionen befinden, werden darauf gelegt. Es handelt sich also um Personen, die unmittelbar lebensbedroht sind oder bei denen der Ausfall grundlegender Lebensfunktionen droht.

Zusätzlich wurde bekannt, daß Džamila Stehlíková (Ehemalige tschechische Ministerin für Menschenrechte, Psychiaterin) vom Sprecher des Präsident Miloš Zeman und Leiter der Presseabteilung des Präsidialamtes, Jiří Ovčáček, verklagt wurde, weil sie auf Twitter einiges veröffentlichte, was wohl weniger gefallen hat.
  • "Das Schloß verheimlicht die körperlichen und geistigen Beschwerden des Präsidenten und mißbraucht sein Amt. Burglügen über den Gesundheitszustand des Präsidenten machen es unmöglich, Artikel 66 der Verfassung zu aktivieren und den Präsidenten durch das Parlament zu entlassen. Mynář (Leiter des Präsidialamtes und Burgkanzler) und Ovčáček wollen die Regierung von Andrej Babiš so lange wie möglich behalten, der trotz seines Rücktritts weiter regiert."
Nun scheint einigen die Situation der Schwebe bewußt zu werden.

Zdeněk Hraba, Vertreter der Region Mittelböhmen und 1. Stellvertretender Bürgermeister von Říčany, meinte dazu:
  • "Ich wünsche dem Präsidenten eine baldige Genesung, aber wir sind in einer Situation, in der es notwendig ist, klar festgelegte Verfahren zu haben, wenn eine baldige Genesung nicht stattfindet. Wir können es uns nicht leisten, gerade wegen möglicher Komplikationen des Staatsoberhauptes verfassungsrechtliche Institutionen lahmzulegen. Wir werden es am 19. Oktober im Senat lösen."
Aleš Gerloch (tschechischer Jurist und Professor an der Juristischen Fakultät der Karlsuniversität und Mitglied der Kommunistische Partei) erklärt nun:
  • "Da ist es uns einfach aufgefallen. Das heißt, eine Situation, in der der Präsident der Republik entführt wird oder sich für längere Zeit im Ausland aufhält und zum Beispiel die Rückkehr verweigert oder bewußtlos, nicht in der Lage ist, sein Amt auszuüben."
Allerdings erklärte er auch, daß das Gesetz keine direkte medizinische Erwerbsunfähigkeit vorsieht, unter welchen Bedingungen die Befugnisse entzogen werden könnten. Sollte das Parlament allerdings entscheiden, daß Zeman das Präsidentenamt nicht mehr innehaben kann, könnte sich das Staatsoberhaupt vor dem Verfassungsgericht verteidigen. Es werde darüber wohl in einem beschleunigten Verfahren entscheiden.
Zu dem gesamten Vorgang schrieb die slowakische Zeitung Sme:
  • "In einer Machtkonstellation, in der beide Kammern des Parlaments demokratische Parteien kontrollieren, kann der Präsident den Prozeß verzögern, aber nicht entgleisen oder stören."
Wie dem auch sei, am Dienstag, 19. Oktober, entscheidet die Verfassungskommission des Senats, ob Präsident Miloš Zeman sein Amt ausüben kann. Er wird klären, wie es weitergeht, wenn sich sein Gesundheitszustand nicht verbessert. In den letzten Tagen wurden immer mehr Stimmen laut, daß Zeman nicht mehr richtig funktionieren kann. Sollte es dies beschließen, könnte das Parlament Artikel 66 der Verfassung aktivieren und ihm seine Befugnisse entziehen.
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von schokoschendrezki »

Rautenberger hat geschrieben:(14 Oct 2021, 11:47)

Da frage ich mich ja erstmal: Warum wurde "Le Sacre du printemps" dann in Paris und nicht in Petersburg uraufgeführt, wenn Russland so fortschrittlich war? Und mit der künstlerischen Avantgarde war es auch schon in den 1920ern aus. Viele von den Protagonisten haben Stalin nicht überlebt. Die Fortschrittlichkeit der städtischen Eliten sagt nichts über die Fortschrittlichkeit eines Landes als Ganzes aus - das war damals so und ist auch heute noch so.
Ja. Mit Stalin war es regierungsseitig aus mit der Avantgarde. Das ist richtig. Aber ziemlich genau in der Stalinzeit ist - zum Beispiel - der nobelpreisgekrönte Roman "Doktor Schiwago" von Boris Pasternak in der Sowjetunion entstanden. Mich bringt niemand davon ab. Sosehr ich die Politik der jetzigen russischen Regierung verurteile und hundertprozentig hinter der besonders russlandkritischen Politik von Bündnis 90 stehe ... ich bin seit frühester Jugend an vollkommen begeistert von sowjetisch-russischer Kultur jenseits von der Arbeiterstaatskunst. Bis heute. Russland ist für mich die Kulturnation der letzten hundert Jahre. Bei Naturwissenschaften/Mathematik siehts ähnlich aus. Und selbst bei einigen seinzerzeit als "Staatskünstlern" wahrgenommenen Leuten. Wladimir Majakowski zum Beispiel. Etliche Plätze und Straßen in der SU waren nach ihm benannt. Majakowski war jedoch ein überragender, großartiger Lyriker.

Was heißt hier "städtische Eliten"? Der Mann mit dem Künstlernamen "sclwn" ist für mich aktuell im Bereich elektronische Musik, experimentelles Zeug aus dem Trip-Hop Bereich der beste der Welt. Und der hat sein Studio irgendwo hinter dem Ural. In den 80ern Jahren gab es in der SU eine ebenfalls ziemlich experimentelle Band namens "Водопад Имени Вахтанга Кикабидзе" ... schwer ins Deutsche zu übertragen, da man wissen muss, um wen es dabei geht. Es ist ein wenig so, als wenn man in Deutschland eine Band mit dem Namen "Die Manfred-Krug-Wasserfälle" gründet. Ebenfalls irgendwo im Uralgebiet. Die haben mit Hilfe analoger Tonbandtechnik ihre Stimmen hochgepitcht und den Gesang so im Stil von Kindersendungen gebracht. Es gibt einen im sogenannten Westen weitgehend unbekannten riesigen musikalischen Kontinent. In der DDR zum Beispiel gabs solch ein schräg-surrealistisches Zeug überhaupt nicht. Dort gab es idiotischen, nervenden Mainstream-Poprock nach der Art von Puhdys oder Karat.

Apropos Provinz. Ich schreibe das unter anderem unter dem Eindruck eines kürzlich gehörten Radiofeatures über die russisch-ukrainische und seit dem Kriegsende in D lebende Schriftstellerin Natascha Wodin. https://www.deutschlandfunkkultur.de/fr ... _id=502094 Zwangsarbeiterkind. Sie berichtet darüber, wie man in provinziellen Regionen wie Franken über "Russen" dachte. In einer Umgebung, in der jahrelang eigentlich noch NS-Denken verbreitet war. "Russen", das waren angeblich Menschen, die die Kartoffeln in der Kloschüssel abwuschen. Während es in Berlin Ausstellungen über russische Exilkünstler gab und - bis auf den heutigen Tag - ein Kino gibt, das ausschließlich sowjetisch-russische Filme zeigt.

Uff. So. Wie bekomme ich jetzt die Kurve zu Tschechien? Präsident Zeman hat vermutlich und nicht zuletzt deshalb ein ziemlich gutes Verhältnis zur Putin-Regierung, weil er sich selbst ebenfalls als eine Art Patriarch sieht und auch gern so gesehen werden will. Seine Ausfälle gegen die russische Punkband Pussy Riot sind ein Beleg dafür. Das Verhältnis der mittelosteuropäischen Staaten zu Russland ist sehr unterschiedlich und voller Widersprüche. Schon deshalb kann man nicht von einem einheitlichen Block sprechen.
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von schokoschendrezki »

Der Stand der Regierungsbildung in Tschechien nach der Wahl ist übrigens nach wie vor unklar. Zeman ist weder tot noch abgewählt noch amtsenthoben noch hat er die tschechische Staatsbürgerschaft abgelegt. Das alles wären Gründe dafür, kurzfristig einen neuen Präsidenten zu wählen, der dann einen Vorschlag für den Regierungschef machen könnte. Im Großen und Ganzen ist das auch in der Bundesrepublik Deutschland so. (Gesetzt den Fall, der Präsident wäre amtsunfähig).

Wie schon mal erwähnt: Dieses Regierungsbildungschaos entspricht im Prinzip überhaupt nicht der wirtschaftlich, gesellschaftlich, sozial und politisch eigentlich ziemlich stabilen Lage des Landes. Es erinnert ein wenig an die Schwierigkeiten bei der Regierungsbildung in Israel. Zumal in beiden Fällen der amtierende Regierungschef auch noch strafrechtliche Ermittlungen am Hals hat bzw. hatte.
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von schokoschendrezki »

Einen Unterschied habe ich allerdings vergessen zu erwähnen: Ähnlich wie in Österreich aber anders als in Deutschland wird in Tschechien das Staatsoberhaupt direkt gewählt. Es wird immer wieder kommentiert, dass dieses Staatsoberhaupt damit eine ganz andere Legitimationsmacht als in Deutschland habe ... aber was das konkret und praktisch bedeutet, habe ich immer noch nicht verstanden.
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo schokoschendrezki.
schokoschendrezki hat geschrieben:... weder tot noch abgewählt noch amtsenthoben ... kurzfristig einen neuen Präsidenten zu wählen...
... das Staatsoberhaupt direkt gewählt. ... praktisch bedeutet ...
Es kann nicht darum gehen, "kurzfristig einen neuen Präsidenten zu wählen". Eine (Neu-) Wahl würde erstens mehr Zeit in Anspruch nehmen als man hat.
Zweitens:
  • es wäre auch nicht die Lösung (bezogen auf die jetzige Regierungskrise), weil damit unter Umständen wieder ein Präsident in's Amt käme, der ebenso wie Zeman entscheiden könnte ... auch zeitlich verzögert. Es geht bei der "Amtsenthebung" wohl eher um eine zeitlich begrenzte "Amtsenthebung" ... auf diesen Fall beschränkt.
Zu Punkt zwei wäre anzumerken, daß mit einer Direktwahl (das war wohl der Hintergedanke von Babiš/Zeman) ..., daß damit die Gewichtung des Amtes größer wäre und er sich immer auf "den Willen des Volkes" berufen könnte. Aber eine Direktwahl würde dem Amt etwas Zusprechen, was ihm nicht zusteht. Der Staatspräsident hat normalerweise eine rein representative Funktion inne. Anders als etwa in den USA - dort hat man auch keinen Bundeskanzler oder Vergleichbares.
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von Christdemokrat »

In Prag sind 70.000 Menschen gegen die steigenden Energiepreise und die Sanktionspolitik der Regierung auf die Straße gegangen.
Zu der Protestkundgebung unter dem Slogan "Die Tschechische Republik zuerst" hatten mehrere regierungskritische Organisationen aufgerufen. Rund 70.000 Menschen hatten sich nach Polizeiangaben in Prag versammelt, um gegen die Politik der tschechischen Regierung demonstriert. Die Demonstranten prangerten die hohen Energiepreise an und forderten ein Ende der Sanktionen gegen Russland, weil diese der tschechischen Wirtschaft und Bevölkerung schaden würden.
https://de.euronews.com/2022/09/04/7000 ... sanktionen
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von Schnitter »

Christdemokrat hat geschrieben: So 4. Sep 2022, 22:42 In Prag sind 70.000 Menschen gegen die steigenden Energiepreise und die Sanktionspolitik der Regierung auf die Straße gegangen.
Was für ein Zufall:
kamen nach Polizeiangaben rund 70.000 Menschen auf dem zentralen Wenzelsplatz zusammen, um gegen die von der Energiekrise angetriebene Inflation, Corona-Impfungen und die Aufnahme von Migranten zu demonstrieren.
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ ... e-100.html

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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von Misterfritz »

War zwar nicht die Parlamentswahl, sondern die Präsidentschaftswahl.
Aber in Tschechien hat man dem populistischen Milliardär Babis den Weg gewiesen und den Ex-NATO-General Pavel gewählt.
Glückwunsch, Tschechien!
https://www.spiegel.de/ausland/tschechi ... 68a327bacc
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von Bogdan »

Misterfritz hat geschrieben: Sa 28. Jan 2023, 17:49 War zwar nicht die Parlamentswahl, sondern die Präsidentschaftswahl.
Aber in Tschechien hat man dem populistischen Milliardär Babis den Weg gewiesen und den Ex-NATO-General Pavel gewählt.
Glückwunsch, Tschechien!
https://www.spiegel.de/ausland/tschechi ... 68a327bacc
Hier sind seine Positionen, die er vor der Wahl vertreten hat, genannt.

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/ost ... e-100.html
Wem Sachargumente fehlen, geht zu persönlichen Bemerkungen über. :?
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von Misterfritz »

Bogdan hat geschrieben: Sa 28. Jan 2023, 18:25 Hier sind seine Positionen, die er vor der Wahl vertreten hat, genannt.

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/ost ... e-100.html
Scheint ein Glücksfall für die Tschechen zu sein.
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von Misterfritz »

Misterfritz hat geschrieben: Sa 28. Jan 2023, 18:33 Scheint ein Glücksfall für die Tschechen zu sein.
Ja, ist er!
Die Chinesen sehen das zwar anders, aber, wen juckt's? :p
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Beitrag von Misterfritz »

Die Tschechen sollten aber mal tätig werden. Es kann nicht sein, dass diese Russen da völlig unbehelligt in Prag ein Luxusleben führen können.

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Re: Tschechien

Beitrag von Dieter Winter »

Misterfritz hat geschrieben: So 9. Jul 2023, 18:58 Die Tschechen sollten aber mal tätig werden. Es kann nicht sein, dass diese Russen da völlig unbehelligt in Prag ein Luxusleben führen können.
Sippenhaft?
Oder welchen Vorwurf machst Du Tochter und Schwiegersohn des Oligarchen?
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Re: Tschechien

Beitrag von Vongole »

Dieter Winter hat geschrieben: So 9. Jul 2023, 19:02 Sippenhaft?
Oder welchen Vorwurf machst Du Tochter und Schwiegersohn des Oligarchen?
Lies dir den Tweet mal gut durch.
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Re: Tschechien

Beitrag von Dieter Winter »

Vongole hat geschrieben: So 9. Jul 2023, 19:05 Lies dir den Tweet mal gut durch.
The family of Boris Obnosov.....lives in Prague and owns real estate there worth over EUR 7 million.
Und?
Der Papa darf doch seiner Tochter Immos schenken.
Oder wollt Ihr das auch schon verbieten?
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Re: Tschechien

Beitrag von Vongole »

Dieter Winter hat geschrieben: So 9. Jul 2023, 19:54 The family of Boris Obnosov.....lives in Prague and owns real estate there worth over EUR 7 million.
Und?
Der Papa darf doch seiner Tochter Immos schenken.
Nicht nur "Immos":
Olga owns some assets of Tactical Missile Weapons corporation - she became their owner at 23 years old, working as a hair and makeup artist.
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Re: Tschechien

Beitrag von Dieter Winter »

Vongole hat geschrieben: So 9. Jul 2023, 20:01 Nicht nur "Immos":
Olga owns some assets of Tactical Missile Weapons corporation - she became their owner at 23 years old, working as a hair and makeup artist.
"Some Assets" sagt jetzt halt wenig über die Größenordnung aus, dürfte aber eher unbedeutend sein.
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Re: Parlamentswahl in Tschechien

Beitrag von Tom Bombadil »

Nachprüfen, wo das Geld herkommt und ob es in CZ ordentlich versteuert wurde, sonst wegen Geldwäsche vorgehen oder wenn der Typ auf der Sanktionsliste steht beschlagnahmen.
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Re: Tschechien

Beitrag von Kritikaster »

Dieter Winter hat geschrieben: So 9. Jul 2023, 19:54 The family of Boris Obnosov.....lives in Prague and owns real estate there worth over EUR 7 million.
Und?
Der Papa darf doch seiner Tochter Immos schenken.
Oder wollt Ihr das auch schon verbieten?
Tactical Missile Weapons Holding is under EU sanctions. But Boris Obnosov himself, his daughter and son-in-law have not been sanctioned by the EU (Obnosov is on the sanctions lists of the US, Canada, Australia, Ukraine and New Zealand).
Konsequentes Handeln wäre hier nicht schlecht. Sicher könnte man diejenigen, die an der Holding beteiligt sind, sanktionieren und in der Folge deren Eigentum konfiszieren.
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Re: Tschechien

Beitrag von Dieter Winter »

Kritikaster hat geschrieben: Mo 10. Jul 2023, 09:12 Sicher könnte man diejenigen, die an der Holding beteiligt sind, sanktionieren und in der Folge deren Eigentum konfiszieren.
Vermutlich entscheiden darüber auch in Tschechien Gerichte. Und die brauchen wiederum eine Rechtsgrundlage. Warum sollte die Tochter/der Schwiegersohn eines russischen Rüstungsunternehmers enteignet werden?
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