Schwexit

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Michael Alexander
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Re: Schwexit

Beitrag von Michael Alexander »

schokoschendrezki hat geschrieben:(28 May 2021, 21:04)

@Michaell Alexander: Als Schweiz-Enthusiast dürfte dir der erfolgreiche Nachkriegs-Schlagersänger Vico Torriani wahrscheinlich ein Begriff sein. Hinter der glamourösen Karriere des Sängers von Titeln wie "in der Schweiz in der Schweiz ..." verbirgt sich im Prinzip die Aufarbeitung bzw. die Entgegensetzung des Traumas einer Kindheit als sogenanntes "Verdingkind". Im alpenländischen Raum keine Seltenheit, in der Schweiz aufgrund bestimmter religiöser Entwicklungen aber besonders brutal. So brutal, dass man im Grunde genommen von Kindersklaverei sprechen muss. EU-Richtlinien dienen u.a. dazu, solche Praktiken rechtlich verfolgen zu können. Auch heute und auch heute in Hinsicht auf migrantische Bevölkerung. Wenn zu bestimmten Zeitpunkten viele Menschen in der Welt über solche Probleme nachdenken, heißt es, zählen viele Schweizer ihre Barbestände und überprüfen ihre Kontenumsätze. Ein Großteil dieses Reichtums heute resultiert jedoch gerade aus der Teilnahme am EU-Binnenmarkt. Die "Verluste" durch Übernahme von Sozialleistungen belaufen sich im Verhältnis dazu auf ein Minimum.
Die Schweiz ist nicht die Utopie, die sich viele vorstellen, sondern ein reales Land mit Problemen. Vor allem hat die Schweiz eine Geschichte, die nicht nur von Freiheit, Demokratie und Wohlstand seit dem Rütlischwur geprägt war. Die viel gepriesene Neutralität gibt es erst seit dem Wiener Kongress 1815, und die Schweiz als modernen Bundesstaat seit der Verfassung von 1848. Auch waren weite Teile insbesondere der ländlichen Regionen bitterarm bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Auch gesellschaftlich waren einige der kleineren Kantone sehr rückständig, etwa was Frauenrechte anging.

Trotzdem hat es die Schweiz insbesondere im 20. Jahrhundert besser gemacht als der grosse Nachbar im Norden. Man hat sich mit Mass und Ziel der modernen Welt angepasst und ist keinen Ideologien und Träumereien verfallen.

Selbstverständlich profitiert die Schweiz vom Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Die Schweiz ist aber im Gegensatz zu Norwegen nicht Teil dieses Marktes und möchte auch weiterhin nicht alles unbesehen übernehmen, sondern selbst prüfen und selbst entscheiden. In der Schweiz heisst dies häufig, dass auch die Bürger selbst entscheiden. Allein dies ist schon einmal nicht vereinbar mit der Natur der EU, die dadurch bestimmt ist, dass die Mitgliedsländer das, was in Brüssel beschlossen wurde, 1:1 zu übernehmen haben.

Die Schweiz hat einen höheren Einwandereranteil als alle anderen Länder Europas mit Ausnahme von Kleinstaaten. Man möchte aber auch hier das Heft nicht aus der Hand geben, denn die Schweiz ist ein kleines Land, dessen bewohnbare Fläche schon dicht bevölkert ist und dessen Wohlstand auf den Fähigkeiten seiner Bürger, und nicht etwa Bodenschätzen besteht. Man möchte sich die Leute also aussuchen und die Gesamtzahl begrenzen.

Es gibt viele weitere Beispiele, wo die Schweiz eine andere Meinung hat als Deutschland und die EU. Meistens schaut die Schweiz eher auf wirtschaftliche Freiheit und den eigenen Geldbeutel, die EU dagegen auf Regulierung und Welterlösung.
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H2O
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Re: Schwexit

Beitrag von H2O »

Allein dies ist schon einmal nicht vereinbar mit der Natur der EU, die dadurch bestimmt ist, dass die Mitgliedsländer das, was in Brüssel beschlossen wurde, 1:1 zu übernehmen haben.
Diese Aussage halte ich als "Pole" für ziemlich daneben. Tatsächlich ist es so, daß in der EU das Initiativrecht für Gesetze und Regeln für das gemeinsame Hoheitsgebiet vom EU-Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit angestoßen und beraten wird. Für die staatliche Souveränität berührende Regeln besteht schon im Ministerrat ein Vetorecht, mit dem ein einziges EU-Mitglied, etwa Malta, die Regel zu Fall bringen kann. Anschließend wird die erlassene Regel im EU-Parlament noch einmal abgeschmeckt und mit einfacher Mehrheit entschieden. Danach geht das neue Gesetzespaket den Parlamenten der demokratisch verfaßten Mitgliedsstaaten zu, die das Gesetz durch Ratifizierung in ihren nationalen Gesetzeskörper übernehmen... oder auch nicht. Gerade haben wir in Polen eine solche Zitterpartie hinter uns, in der das Wirtschaftsprogramm zur Beseitigung von Pandemiefolgen in Polen zu scheitern drohte, weil die Vergabe von Fördermitteln darin mit der Wahrung der Gewaltenteilung in unseren repräsentativen Demokratien verknüpft ist. Und da waren in Polen und in Ungarn Entwicklungen auf den Weg gebracht worden, die die übergroße Mehrheit der EU-Partner so mißbilligt.

Mir ist im Grunde Wurst, wie die Schweizer Demokratie ihre gesamtstaatlichen Regelwerke auf den Weg bringt. Ich gehe davon aus, daß diese Willensbildung auf Beratungen des Parlaments veröffentlicht und mit der Zustimmung der Bürger zugelassen wird. Ich lasse allerdings auch nicht zu, daß hier ein solcher Unsinn über die Gesetzgebung in der EU zum Besten gegeben wird, die einen Wirtschaftsraum mit 400 Mio Unionsbürgern in 27 Mitgliedsstaaten damit organisieren muß.

Die hier offensiv angesprochene "Rosinenpickerei" der Schweiz ist langfristig sicher kein Erfolgsmodell, derzeitig aber auch kein Abbruchskriterium für den beiderseitig vorteilhaften Umgang miteinander. Da empfiehlt es sich für die Schweiz, ganz unbedingt Maß zu halten und Stimmungslagen zu dämpfen, die im Fall GB zum Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU geführt haben. Als Europäer trauern wir dieser Entscheidung eines wichtigen Mitglieds weiterhin nach.
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Re: Schwexit

Beitrag von schokoschendrezki »

Michael Alexander hat geschrieben:(29 May 2021, 09:11)

Die Schweiz ist nicht die Utopie, die sich viele vorstellen, sondern ein reales Land mit Problemen. Vor allem hat die Schweiz eine Geschichte, die nicht nur von Freiheit, Demokratie und Wohlstand seit dem Rütlischwur geprägt war. Die viel gepriesene Neutralität gibt es erst seit dem Wiener Kongress 1815, und die Schweiz als modernen Bundesstaat seit der Verfassung von 1848. Auch waren weite Teile insbesondere der ländlichen Regionen bitterarm bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Auch gesellschaftlich waren einige der kleineren Kantone sehr rückständig, etwa was Frauenrechte anging.

Trotzdem hat es die Schweiz insbesondere im 20. Jahrhundert besser gemacht als der grosse Nachbar im Norden. Man hat sich mit Mass und Ziel der modernen Welt angepasst und ist keinen Ideologien und Träumereien verfallen.

Selbstverständlich profitiert die Schweiz vom Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Die Schweiz ist aber im Gegensatz zu Norwegen nicht Teil dieses Marktes und möchte auch weiterhin nicht alles unbesehen übernehmen, sondern selbst prüfen und selbst entscheiden. In der Schweiz heisst dies häufig, dass auch die Bürger selbst entscheiden. Allein dies ist schon einmal nicht vereinbar mit der Natur der EU, die dadurch bestimmt ist, dass die Mitgliedsländer das, was in Brüssel beschlossen wurde, 1:1 zu übernehmen haben.

Die Schweiz hat einen höheren Einwandereranteil als alle anderen Länder Europas mit Ausnahme von Kleinstaaten. Man möchte aber auch hier das Heft nicht aus der Hand geben, denn die Schweiz ist ein kleines Land, dessen bewohnbare Fläche schon dicht bevölkert ist und dessen Wohlstand auf den Fähigkeiten seiner Bürger, und nicht etwa Bodenschätzen besteht. Man möchte sich die Leute also aussuchen und die Gesamtzahl begrenzen.

Es gibt viele weitere Beispiele, wo die Schweiz eine andere Meinung hat als Deutschland und die EU. Meistens schaut die Schweiz eher auf wirtschaftliche Freiheit und den eigenen Geldbeutel, die EU dagegen auf Regulierung und Welterlösung.
Kluge, verständige Antwort auf einen zugegebenermaßen etwas provokativen Beitrag. Danke. :)
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Re: Schwexit

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(29 May 2021, 10:08)

Die hier offensiv angesprochene "Rosinenpickerei" der Schweiz ist langfristig sicher kein Erfolgsmodell, derzeitig aber auch kein Abbruchskriterium für den beiderseitig vorteilhaften Umgang miteinander. Da empfiehlt es sich für die Schweiz, ganz unbedingt Maß zu halten und Stimmungslagen zu dämpfen, die im Fall GB zum Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU geführt haben. Als Europäer trauern wir dieser Entscheidung eines wichtigen Mitglieds weiterhin nach.
"Stimmungslagen" ist ein gutes Stichwort. Grad hörte ich eine Analyse zu der unterschiedlichen Wahrnehmung und auch der unterschiedlichen Realität von "Eliten" in Europa. Macheliten, "Leistungseliten"; "Bildungseliten". Da wurde, kurz gesagt, die Ansicht vertreten, dass die Stimmung pro Brexit nicht nur mit einer Wut gegen die EU sondern auch mit einer Wut gegen die motiviert war, die als die eigene Elite im eigenen Land gesehen wird. Im Ergebnis wurde aber letztendlich lediglich der eine "Oxbridgeler" Cameron gegen den anderen "Oxbridgeler" Johnson ausgetauscht. Kommt jemand nach Oxford oder Cambridge nicht deshalb weil er reiche Eltern hat ... so wird er oder sie sich häufig über eines wundern: Wie kostengünstig man dort studieren kann. Alles ist protegiert. Alle wollen die Eliten fördern. Bis hin zum Kaffeeautomaten. Dass die Absolventen und späteren Spitzenpolitiker und Wirtschaftslenker die Probleme der einfachen Leute nicht verstehen können, wundert einen da nicht ... sorry off topic hier.

Noch mal zurück zum Schwexit. Ende der siebziger gab es eine Politik-Komödie namens "Die Schweizermacher". Dargestellt wurden die absurden Verrenkungen von Einbürgerungswilligen, noch schweizerischer sein zu wollen als der schweizerischste Schweizer. Das seltsame ist, dass ich mindestens zwei Bekannte habe (Deutsche), die erst jüngst genau diesem Muster folgten. Die werden, andere Generation, diesen Film gar nicht kennen. Die reden auch schon anders. Die haben sich eine andere Mundart beigebracht. Ganz seltsam!

Woran in diesem Zusammenhang übrigens noch erinnert werden sollte: Die Uni Zürich war die der erste europaweit, die ein Studium für Frauen möglich machte. Insbesondere junge Russinnen, die sich selbst "Nihilistinnen" nannten waren berühmt-berüchtigt in Zürich. Unter anderem die überhaupt erste Mathematikprofessorin Kovalevskaja. An diesen herausragend guten Ruf sollten sich die Schweizer mal wieder erinnern.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Sa 29. Mai 2021, 16:19, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Schwexit

Beitrag von Fliege »

Misterfritz hat geschrieben:(27 May 2021, 20:13)

Zwar ist die Schweiz nicht in der EU, ist aber durch viele bilaterale Verträge eng an diese gebunden.
Nun hat die Schweiz die Verhandlungen zu einem Rahmenabkommen abgebrochen.
Die bilateralen Verträge bestehen weiter und die Schweiz hält sich gern an Verträge, so dass sich die EU keine Sorgen machen braucht.
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Re: Schwexit

Beitrag von Vongole »

Fliege hat geschrieben:(29 May 2021, 16:17)

Die bilateralen Verträge bestehen weiter und die Schweiz hält sich gern an Verträge, so dass sich die EU keine Sorgen machen braucht.
Es wird allerdings keine Updates der bestehenden Verträge geben, was sich vor allem für die Schweiz negativ auswirken dürfte.
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Re: Schwexit

Beitrag von Misterfritz »

Fliege hat geschrieben:(29 May 2021, 16:17)

Die bilateralen Verträge bestehen weiter und die Schweiz hält sich gern an Verträge, so dass sich die EU keine Sorgen machen braucht.
https://www.politik-forum.eu/viewtopic. ... 8#p4999988
Die EU macht sich auch weniger Sorgen, die Probleme werden die Schweizer haben.
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Re: Schwexit

Beitrag von Fliege »

Vongole hat geschrieben:(29 May 2021, 16:23)

Es wird allerdings keine Updates der bestehenden Verträge geben, was sich vor allem für die Schweiz negativ auswirken dürfte.
Ob die EU nun gegenüber der Schweiz, die sich nicht vereinnahmen lassen möchte, eine Drohgebärde aufsetzen möchte?

Doch wie schrieb schon Max Frisch in Homo faber (1957): "Dann machte er [der Deutsche auf dem Nachbarsitz im Flugzeug], wie üblich nach dem zweiten Weltkrieg, sofort auf europäische Brüderschaft" (zu Beginn des Buches).
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Re: Schwexit

Beitrag von Vongole »

Fliege hat geschrieben:(29 May 2021, 18:50)

Ob die EU nun gegenüber der Schweiz, die sich nicht vereinnahmen lassen möchte, eine Drohgebärde aufsetzen möchte?

(..)
Verträge sind halt Verträge, und wer da Sonderwünsche äußert ohne Gegenleistung, hat eben das Nachsehen.
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Re: Schwexit

Beitrag von Fliege »

Vongole hat geschrieben:(29 May 2021, 18:58)

Verträge sind halt Verträge, und wer da Sonderwünsche äußert ohne Gegenleistung, hat eben das Nachsehen.
Ja, ich denke, die EU hat das verstanden.
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Re: Schwexit

Beitrag von H2O »

Ich meine auch, daß die EU bei künftigen Schweizer Anliegen den aktualisierten Vertrag wieder auf den Tisch legen wird. Denn die Schweizer Regierung wollte ja den Vertrag schließen; die Volksabstimmung verhinderte diesen Abschluß.
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Re: Schwexit

Beitrag von discipula »

H2O hat geschrieben:(30 May 2021, 07:00)

Ich meine auch, daß die EU bei künftigen Schweizer Anliegen den aktualisierten Vertrag wieder auf den Tisch legen wird. Denn die Schweizer Regierung wollte ja den Vertrag schließen; die Volksabstimmung verhinderte diesen Abschluß.
wie kommst du darauf, dass das Volk auf einmal dem Vertrag zustimmen wird, wenn es ihn jetzt nicht will?
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Re: Schwexit

Beitrag von Misterfritz »

discipula hat geschrieben:(30 May 2021, 10:16)

wie kommst du darauf, dass das Volk auf einmal dem Vertrag zustimmen wird, wenn es ihn jetzt nicht will?
Wenn sie die Folgen zu spüren bekommen, z.B.?
Seit letztem Mittwoch hat die EU die Richtlinien für Medizin-Importe angepasst, die Schweizer übernehmen das nicht mehr und die grossen schweizer Pharmafirmen werden über kurz oder lang arge Schwierigkeiten haben, ihre Produkte in die EU zu exportieren. Und das ist erst der Anfang ...
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Re: Schwexit

Beitrag von discipula »

ach.

ja das hat es beim ( super knappen) Volksnein zum EWR 1992 auch geheissen. Wenn die damaligen Unken recht bekommen hätten, wäre die Schweiz heute ein völlig zerlumptes, elendes Drittweltland. Das Gegenteil ist der Fall.

ich würde sagen, schaun mer mal.

Es gibt ja nicht nur die EU als Handelspartner für die Schweiz.
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Re: Schwexit

Beitrag von Misterfritz »

discipula hat geschrieben:(30 May 2021, 10:43)
Es gibt ja nicht nur die EU als Handelspartner für die Schweiz.
Aber klar,
der Handel mit der EU macht 60% der schweizer Wirtschaftsleistung aus. Sollen sie sich mal ansehen, wie die Briten das hinbekommen :p
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Re: Schwexit

Beitrag von H2O »

discipula hat geschrieben:(30 May 2021, 10:16)

wie kommst du darauf, dass das Volk auf einmal dem Vertrag zustimmen wird, wenn es ihn jetzt nicht will?
Das Volk ändert seit biblischen Zeiten seine Meinung... heute "Hosianna!" und morgen "Kreuzigt ihn!" Mehr Unterschied geht dann wohl nicht mehr. Deshalb halte ich auch nicht viel von solchen stets von Stimmungen aufgeladenen Abstimmungen.

Die EU sollte beharrlich ihren Vertrag von Lissabon abarbeiten und sich immer enger miteinander verzahnen. Und das alles völlig freiwillig mit Zustimmung der Parlamente von 27 EU-Partnern mit 400 Mio Unionsbürgern. Das Verfahren "Rosinenpicken" hat sich nicht bewährt und wird sich auch nicht bewähren.
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Re: Schwexit

Beitrag von discipula »

Misterfritz hat geschrieben:(30 May 2021, 10:47)

Aber klar,
der Handel mit der EU macht 60% der schweizer Wirtschaftsleistung aus. Sollen sie sich mal ansehen, wie die Briten das hinbekommen :p
um die Abhängigkeit mit der EU zu mindern, baut die Schweiz andere Partnerschaften auf.

ausserdem glaube ich nicht, dass alle EU- Länder auf Schweizer Produkte verzichten wollen. weder in Pharma und Medizintechnik, noch in der mechanischen Produktion.
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Re: Schwexit

Beitrag von discipula »

H2O hat geschrieben:(30 May 2021, 10:48)

Das Volk ändert seit biblischen Zeiten seine Meinung... heute "Hosianna!" und morgen "Kreuzigt ihn!" Mehr Unterschied geht dann wohl nicht mehr. Deshalb halte ich auch nicht viel von solchen stets von Stimmungen aufgeladenen Abstimmungen.
Volksabstimmungen haben immer lange Vorlaufzeiten. genug lange, dass such die hitzigsten Köpfe sich abkühlen und Sachargumente zumindest zur Kenntnis zu nehmen.

andererseits, auch Parlamentarier sind Menschen mit Emotionen, und auch die sind nicht einfach immer weise und uneigennützig, sondern da spielt Parteidisziplin, Druck von Lobbyisten und das Schielen auf die Wiederwahl durchaus eine Rolle. warum sollte ich denn denen vertrauen?

Die EU sollte beharrlich ihren Vertrag von Lissabon abarbeiten und sich immer enger miteinander verzahnen. Und das alles völlig freiwillig mit Zustimmung der Parlamente von 27 EU-Partnern mit 400 Mio Unionsbürgern.
wie "freiwillig" das ist, wenn nan tatsächlich das Volk befragen würde, das immerhin in vielen Verfassungen als Souverän definiert ist, wäre eine durchaus interessante Frage....
Das Verfahren "Rosinenpicken" hat sich nicht bewährt und wird sich auch nicht bewähren.
.Individuelle Lösungen sind der Massenabfertigung generell vorzuziehen.
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Re: Schwexit

Beitrag von Fliege »

discipula hat geschrieben:(30 May 2021, 10:43)

ja das hat es beim (super knappen) Volksnein zum EWR 1992 auch geheissen. Wenn die damaligen Unken recht bekommen hätten, wäre die Schweiz heute ein völlig zerlumptes, elendes Drittweltland. Das Gegenteil ist der Fall.
Ärmere Länder wie die des Balkans lassen sich Brüderlichkeit und Völkerverständigung a la EU noch gefallen, weil man das Geld eben braucht. Für reichere Länder sind derlei Beglückungen (Verlust an Selbstbestimmung, dafür Knechtschaft durch fremde Gesetze und fremde Richter) zunehmend weniger prickelnd.
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
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Re: Schwexit

Beitrag von Adam Smith »

discipula hat geschrieben:(30 May 2021, 10:43)

ach.

ja das hat es beim ( super knappen) Volksnein zum EWR 1992 auch geheissen. Wenn die damaligen Unken recht bekommen hätten, wäre die Schweiz heute ein völlig zerlumptes, elendes Drittweltland. Das Gegenteil ist der Fall.
Das liegt auch an den Abkommen, die es nach dem gescheiterten EWR-Beitritt gibt. Statt EWR gibt es nun etwas komplizierteres.
Nachdem die Schweizer Stimmbürger am 6. Dezember 1992 einen Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum knapp abgelehnt hatten, drängte die Schweiz auf den Abschluss von sektoriellen Abkommen mit den Europäischen Gemeinschaften, um die bestehende Zusammenarbeit auszubauen und die drohende wirtschaftliche Isolation der Schweiz zu verhindern.

Die Ende 1994 aufgenommenen Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und der Schweiz führten am 21. Juni 1999 zum Erfolg, indem sieben sektorielle Abkommen[2] zu Freizügigkeit, technischen Handelshemmnissen, Öffentlichen Aufträgen, Landwirtschaft, Landverkehr, Luftverkehr und Forschung abgeschlossen werden konnten:

Abkommen über die Freizügigkeit (Personenfreizügigkeit) (PDF; 724 kB)

Abkommen über gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (Beseitigung technischer Handelshemmnisse) (PDF; 689 kB)

Abkommen über bestimmte Aspekte des Öffentlichen Beschaffungswesens (PDF; 204 kB)

Abkommen über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (PDF; 1,7 MB)

Abkommen über den Landverkehr (PDF; 596 kB)

Abkommen über den Luftverkehr (PDF; 579 kB)

Rahmenabkommen über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (Forschungsabkommen) (PDF; 122 kB)
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Bilater ... chen_Union
Das am 1. Juni 2002 in Kraft getretene Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft ist für einen freien Handel von Industrieprodukten mit der EU von zentraler Bedeutung und verleiht der Schweiz in vielen Produktsektoren quasi einen EWR-Status.


Für ein Land wie die Schweiz mit einem vergleichsweise kleinen Heimmarkt ist ein möglichst ungehinderter Zugang zu ausländischen Märkten und insbesondere zu denen der Europäischen Union (EU) als wichtigstem Handelspartner der Schweiz von zentraler Bedeutung. Nach einem weitgehenden Abbau der Zölle gehören ungleiche nationale Produktvorschriften, deren unterschiedliche Anwendung sowie die Nichtanerkennung ausländischer Konformitätsbewertungen Eine Konformitätsbewertung ist eine systematische Prüfung, um festzustellen, inwieweit ein Produkt, ein Verfahren oder eine Dienstleistung bestimmten, vorgegebenen Anforderungen genügen. Der Begriff wird im MRA in einem weitgefassten Sinne verwendet und schliesst insbesondere auch staatliche Zulassungen mit ein. (Prüfungen, Zertifizierungen, Inspektionen und Zulassungen) zu den wichtigsten technischen Handelshemmnissen im grenzüberschreitenden Warenverkehr. Aufgrund der Ablehnung des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) im Dezember 1992 beteiligte sich die Schweiz vorerst nicht
https://dievolkswirtschaft.ch/de/2008/11/meier-5/

Die Schweiz hat durch diese Verträge im Grunde einen EWR-Status erreicht.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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Re: Schwexit

Beitrag von discipula »

Adam Smith hat geschrieben:(30 May 2021, 11:37)

Die Schweiz hat durch diese Verträge im Grunde einen EWR-Status erreicht.
ja, eben.

das dauerte zwar und war mit viel mühseliger Arbeit verbunden, aber da es offensichtlich im beidseitigen (!) Interesse ist, kam es zustande.

diese Methode darf gern weiterhin angewendet werden.
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Re: Schwexit

Beitrag von Fliege »

Manche tun so, als seien sie am Wohlergehen der Schweiz interessiert, doch wären sie am Wohlergehen der Schweiz interessiert, würden sie nicht versuchen, die Schweiz von Wilhelm Tell zu entfremden.
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
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Re: Schwexit

Beitrag von H2O »

Fliege hat geschrieben:(30 May 2021, 11:36)

Ärmere Länder wie die des Balkans lassen sich Brüderlichkeit und Völkerverständigung a la EU noch gefallen, weil man das Geld eben braucht. Für reichere Länder sind derlei Beglückungen (Verlust an Selbstbestimmung, dafür Knechtschaft durch fremde Gesetze und fremde Richter) zunehmend weniger prickelnd.
Die EU ist die beste Erfindung für das Zusammenleben der europäischen Völker nach der Katastrophe des 2. Weltkriegs. Deshalb gebietet die Vernunft das Festhalten am Erreichten und die stetige Vertiefung des gemeinsamen Regelwerks.

Ich sehe kein Land der EU in einer unfreiwilligen Abhängigkeit. Wer die Gemeinschaft allein als Geldquelle versteht, der ist ohnehin auf dem falschen Dampfer gelandet. Die EU ist ein sehr erfolgreiches Friedensprojekt, wie 70 Jahre Frieden und wachsender Wohlstand in ihrem Bereich zeigen. Sehr gut angelegtes Geld der erfolgreicheren EU-Partner zur Entwicklung annähernd gleicher Lebenschancen in Europa.

Wie abgrunddumm ein EU-Austritt sein kann zeigt der Rückfall in alte Feindseligkeiten in Nord-Irland, wo nach erfolgtem BREXIT einige Jahrzehnte Frieden und Zusammenarbeit in der EU erneut in einen Bürgerkrieg um zu kippen drohen. Ich lebe sicher und von freundlichen und hilfsbereiten polnischen Nachbarn umgeben dort, wo bis 1945 einige Jahrhunderte das deutsche Reich bestand. Polen empfindet die Verstärkung deutscher Verteidigungsanstrengungen als Teil seiner Sicherheitspolitik; ohne EU und ihre innere Entwicklungspolitik gar nicht vorstellbar!
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Re: Schwexit

Beitrag von Misterfritz »

H2O hat geschrieben:(30 May 2021, 17:22)

Die EU ist die beste Erfindung für das Zusammenleben der europäischen Völker nach der Katastrophe des 2. Weltkriegs. Deshalb gebietet die Vernunft das Festhalten am Erreichten und die stetige Vertiefung des gemeinsamen Regelwerks.

Ich sehe kein Land der EU in einer unfreiwilligen Abhängigkeit. Wer die Gemeinschaft allein als Geldquelle versteht, der ist ohnehin auf dem falschen Dampfer gelandet. Die EU ist ein sehr erfolgreiches Friedensprojekt, wie 70 Jahre Frieden und wachsender Wohlstand in ihrem Bereich zeigen. Sehr gut angelegtes Geld der erfolgreicheren EU-Partner zur Entwicklung annähernd gleicher Lebenschancen in Europa.

Wie abgrunddumm ein EU-Austritt sein kann zeigt der Rückfall in alte Feindseligkeiten in Nord-Irland, wo nach erfolgtem BREXIT einige Jahrzehnte Frieden und Zusammenarbeit in der EU erneut in einen Bürgerkrieg um zu kippen drohen. Ich lebe sicher und von freundlichen und hilfsbereiten polnischen Nachbarn umgeben dort, wo bis 1945 einige Jahrhunderte das deutsche Reich bestand. Polen empfindet die Verstärkung deutscher Verteidigungsanstrengungen als Teil seiner Sicherheitspolitik; ohne EU und ihre innere Entwicklungspolitik gar nicht vorstellbar!
:thumbup:
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Und man sollte nicht glauben, dass Deutschland ohne EWG/EU wirtschaftlich so erfolgreich gewesen wäre.
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Re: Schwexit

Beitrag von H2O »

Misterfritz hat geschrieben:(30 May 2021, 17:42)

:thumbup:
So ist es!
Und man sollte nicht glauben, dass Deutschland ohne EWG/EU wirtschaftlich so erfolgreich gewesen wäre.
Man muß diese Entwicklung eben in genau diesem Zusammenhang sehen: Die EU entwickelt sich zum gegenseitigen Vorteil. Auch in Polen wächst sichtlich und zusehends der Wohlstand durch Zusammenarbeit und Förderung der Infrastruktur des Landes. Offene Grenzen für die Wirtschaft erfordern nun einmal gemeinsame Regeln für die Wirtschaft und die darin tätigen Menschen. Wer sich davon abkopppeln will, der wird bald wieder Grenzen haben und Beschränkungen wie in der guten alten Zeit. War ja auch gemütlich mit Postkutsche und Tutehorn auf Rumpelwegen durch Europa; manchmal gestört durch Räuberbanden! :D
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Re: Schwexit

Beitrag von Fliege »

H2O hat geschrieben:(30 May 2021, 17:22)

Die EU ist die beste Erfindung für das Zusammenleben der europäischen Völker nach der Katastrophe des 2. Weltkriegs. Deshalb gebietet die Vernunft das Festhalten am Erreichten und die stetige Vertiefung des gemeinsamen Regelwerks.

Ich sehe kein Land der EU in einer unfreiwilligen Abhängigkeit. Wer die Gemeinschaft allein als Geldquelle versteht, der ist ohnehin auf dem falschen Dampfer gelandet. Die EU ist ein sehr erfolgreiches Friedensprojekt, wie 70 Jahre Frieden und wachsender Wohlstand in ihrem Bereich zeigen. Sehr gut angelegtes Geld der erfolgreicheren EU-Partner zur Entwicklung annähernd gleicher Lebenschancen in Europa.

Wie abgrunddumm ein EU-Austritt sein kann zeigt der Rückfall in alte Feindseligkeiten in Nord-Irland, wo nach erfolgtem BREXIT einige Jahrzehnte Frieden und Zusammenarbeit in der EU erneut in einen Bürgerkrieg um zu kippen drohen. Ich lebe sicher und von freundlichen und hilfsbereiten polnischen Nachbarn umgeben dort, wo bis 1945 einige Jahrhunderte das deutsche Reich bestand. Polen empfindet die Verstärkung deutscher Verteidigungsanstrengungen als Teil seiner Sicherheitspolitik; ohne EU und ihre innere Entwicklungspolitik gar nicht vorstellbar!
Was du in affirmativer Absicht schildert, das ist die Binnensicht der EU auf sich selber. Die gegenläufige Außensicht der Schweizer als eines Staatsvolkes, welches das Zusammenleben der europäischen Völker in Jahrhunderten nicht hintertrieb und deswegen auch kein EU-Friedensprojekt braucht, um friedlich zu bleiben, sollte m. E. nicht instrumentalisiert werden, um Stimmung gegen die Schweiz zu machen.

(Nebenbei: Auch Britannien ist nicht EU-Weisungsempfänger, sondern das Land, welches wesentlich dazu beitrug, Europa vor NS-Deutschland zu retten. Polen wünsche ich ein Deutschland, welches nach Jahren der NATO-Verwahrlosung endlich wieder bereit und fähig ist zu ernsthafter Kooperation, denn: "Polens Regierung lehnt eine autonome europäische Verteidigungspolitik ohne die USA rigoros ab. Sie fürchtet deutsche Hegemonie und Putins Russland"; https://www.ipg-journal.de/rubriken/aus ... szeit-4074.)
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
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Re: Schwexit

Beitrag von H2O »

Ja, was soll ich denn nun machen: Ich lebe in der EU als Unionsbürger, wenn Sie so wollen gleich mehrfach, und ich finde die EU schon deshalb prima! Die Schweiz muß in der EU gar nichts. Sie darf... aber nur unter Hinnahme des Regelwerks im Binnenmarkt. Ansonsten gelten die geschlossenen Verträge. Rosinenpicken ist nicht.

Sie mißbrauchen die offene Diskussion in Polen zur Darstellung einer Meinung, die es dort durchaus gibt... aber doch nicht als gemeinsamer und unumstößlicher Wille der Polen. Da geht es hin und her wie in anderen Gemeinwesen und der EU eben auch.

Nun ja, der BREXIT ist vollzogen; ein aufstrebendes Deutsches Reich mit Weltmachtgelüsten gibt es nicht mehr... damit hat sich unser Land doch hoffentlich abgefunden. Und nun bauen wir das gemeinsame Europa ohne britische Mitwirkung. Nicht so schön, wie es mit den Briten sein könnte, aber doch auch möglich.
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Der Leviathan
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Re: Schwexit

Beitrag von Der Leviathan »

schokoschendrezki hat geschrieben:(28 May 2021, 21:04)

@Michaell Alexander: Als Schweiz-Enthusiast dürfte dir der erfolgreiche Nachkriegs-Schlagersänger Vico Torriani wahrscheinlich ein Begriff sein. Hinter der glamourösen Karriere des Sängers von Titeln wie "in der Schweiz in der Schweiz ..." verbirgt sich im Prinzip die Aufarbeitung bzw. die Entgegensetzung des Traumas einer Kindheit als sogenanntes "Verdingkind". Im alpenländischen Raum keine Seltenheit, in der Schweiz aufgrund bestimmter religiöser Entwicklungen aber besonders brutal. So brutal, dass man im Grunde genommen von Kindersklaverei sprechen muss. EU-Richtlinien dienen u.a. dazu, solche Praktiken rechtlich verfolgen zu können. Auch heute und auch heute in Hinsicht auf migrantische Bevölkerung. Wenn zu bestimmten Zeitpunkten viele Menschen in der Welt über solche Probleme nachdenken, heißt es, zählen viele Schweizer ihre Barbestände und überprüfen ihre Kontenumsätze. Ein Großteil dieses Reichtums heute resultiert jedoch gerade aus der Teilnahme am EU-Binnenmarkt. Die "Verluste" durch Übernahme von Sozialleistungen belaufen sich im Verhältnis dazu auf ein Minimum.
Ok, dann formuliere ich das noch mal anders. Du kannst nicht einfach behaupten, Schweizer würden an ihren Geldbeutel denken, wenn irgendwer was gegen Sklaverei oder Ausbeutung unternehmen will. Das ist nicht "provokant", sondern einfach plumper Rassismus. Stell dir vor, du würdest dasselbe von "Juden" behaupten.
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jorikke
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Re: Schwexit

Beitrag von jorikke »

Die Schweiz.
Ein wunderschönes Land. Aus ärmlichen Verhältnissen kam es zu großem Wohlstand. Es begann damit das in unruhigen Zeiten die Mächtigen, Reichen und Regierungen den Vorteil erkannten in Europa ein Land zu haben, das allgemein als Insel der Ruhe ausersehen war und das man im gegenseitigen Einvernehmen aus allen kriegerischen Auseinandersetzungen außen vor lassen wollte.
Der Vorteil, man hatte einen Ort in dem man Geld und Gold ablegen konnte und Vermögen geschützt war.
Das die Schweiz einer der großen Profiteure des 2.WK war, wird kaum bestritten, allein, die Schweitzer kamen dazu wie die Jungfrau zum Kind. Es war von außen, von Mächtigen, so gewollt.
Auf diesem Reichtum konnte man einen wirtschaftlich fabelhaft funktionierenden Staat aufbauen.
Die Schweizer gewöhnten sich an den Wohlstand. Wer würde das nicht?
Leider haben sie sich heute eine Lebensphilosophie nach dem Motto "Aus einer vollen Hose ist gut stinken" aufgebaut.
...reich aber unsympathisch.
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Der Leviathan
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Re: Schwexit

Beitrag von Der Leviathan »

Die Schweiz hat nicht vom 2. Weltkrieg profitiert, sie wurde davon nur weniger in Mitleidenschaft gezogen als die umliegenden Länder. Es ist auch nicht so, dass die Schweiz bitterarm war und dann mit dem Nazigold die Strassen pflasterte. Vielmehr war z.B Zürich auch durch die dort besonders ausgeprägte protestantische Arbeitswut schon lange reich und war das erste industrialisierte Gebiet Kontinentaleuropas.
Die Geschichte jedes Landes ist komplex, die Schweiz macht da keine Ausnahme, auch wenn sie als gut funktionierendes Gemeinwesen als vermeintlich einfach zu verstehen erscheint, über das man sich dann anhand von Hollywoodfilmen und dem einen oder anderen Zeitungsartikel oder ulkigen Fernsehbeitrag (die peinlichst auf den confirmation bias der MedienkonsumentInnen Rücksicht nehmen) eine Meinung zu bilden fähig scheint.
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Re: Schwexit

Beitrag von discipula »

jorikke hat geschrieben:(07 Aug 2021, 12:49)
Es begann damit das in unruhigen Zeiten die Mächtigen, Reichen und Regierungen den Vorteil erkannten in Europa ein Land zu haben, das allgemein als Insel der Ruhe ausersehen war und das man im gegenseitigen Einvernehmen aus allen kriegerischen Auseinandersetzungen außen vor lassen wollte.
Was damit zu tun haben könnte, dass diese Mächtigen immer wieder mal kräftig auf die Finger geklopft bekamen, wenn sie versuchten, die Schweiz zu kontrollieren. Dieses Thema zieht sich, sowohl im Mythos wie in der Geschichte, durch lange Zeiten.

Die Schweizer Neutralität war immer eine bewaffnete Neutralität. und die Schweizer hatten auch immer Disziplin oder Vernunft genug, ihr eigenes Land nicht in Übersee verteidigen zu wollen, sondern tatsächlich nur zuhause.

Das die Schweiz einer der großen Profiteure des 2.WK war, wird kaum bestritten, allein, die Schweitzer kamen dazu wie die Jungfrau zum Kind. Es war von außen, von Mächtigen, so gewollt.
nun ja, es waren definitiv nicht die Schweizer, die Juden und andere missliebige Personen in KZs verfrachten wollten und sie enteigneten.

Auf diesem Reichtum konnte man einen wirtschaftlich fabelhaft funktionierenden Staat aufbauen.
umgekehrt: man hat ein gutes, funktionierendes politisches System, und der Reichtum ist die Folge davon

Man sieht auch immer wieder mal recht regelmässig bei Abstimmungen, dass das Reich Sein nicht das Wichtigste ist - sondern Freiheit und Selbstbestimmung und Gewaltenteilung und Demokratie.
Leider haben sie sich heute eine Lebensphilosophie nach dem Motto "Aus einer vollen Hose ist gut stinken" aufgebaut.
...reich aber unsympathisch.
Arroganz muss man sich leisten können. passt schon.

Wobei, wieso wollen so viele Leute in die Schweiz einwandern, wenn sie so unsympathisch ist...?
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Re: Schwexit

Beitrag von H2O »

Geld stinkt nicht!, so sagte das schon vor 2,000 Jahren ein römischer Kaiser:

Google meint dazu:
  • nach dem Ausspruch »Non olet« Kaiser Vespasians, der mit diesen Worten seinem Sohn Titus auf dessen Tadel hin, dass er die Bedürfnisanstalten besteuert habe, das erste aus dieser Steuer eingenommene Geld unter die Nase gehalten haben soll.
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Re: Schwexit

Beitrag von schokoschendrezki »

Der Leviathan hat geschrieben:(07 Aug 2021, 11:59)

Ok, dann formuliere ich das noch mal anders. Du kannst nicht einfach behaupten, Schweizer würden an ihren Geldbeutel denken, wenn irgendwer was gegen Sklaverei oder Ausbeutung unternehmen will. Das ist nicht "provokant", sondern einfach plumper Rassismus. Stell dir vor, du würdest dasselbe von "Juden" behaupten.
Der Einwand ist schon berechtigt. Es waren vor allem Schweizer NGOs wie "Public Eye", die den Blick auf die Praktiken des Schweizer Unternehmens Glencore lenkten, des vielleicht schmutzigsten und vebrecherichsten Unternehmens der Welt. Ich wüsste sonst von diesern Praktiken womöglich garnix.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Schwexit

Beitrag von Der Leviathan »

Ok. Vergiss aber nicht, dass die Deutschen Betrüger sind und man ihnen noch immer nicht trauen kann - steht so z.B. in Kommentaren der New York Times über den Dieselskandal. (Editiert)

Nein, du musst keine Judenvergleiche posten, der nächste zieht eine Sanktion nach sich!
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Re: Schwexit

Beitrag von Der Leviathan »

Interessant, dass man hier Hetze gegen eine Volksgruppe bzw. Nationalität - die Schweizer - zu tolerieren scheint, während man die Kritik an dieser Hetze - die durch einen Vergleich veranschaulicht, dass eine Hetze gegen die eine Gruppe so doof ist wie gegen die andere - mit Sanktionen bedroht. Das ist nicht die Art, wie man etwas aus der Geschichte lernt.
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