Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Moderator: Moderatoren Forum 3

Benutzeravatar
JJazzGold
Beiträge: 53005
Registriert: Mo 25. Mai 2009, 01:34
user title: L'État, c'est moi

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von JJazzGold »

Cobra9 hat geschrieben:(25 Apr 2021, 10:57)

Jnein. Russland hätte laut lto keine großen Ansprüche auf Erstattung ect.

Aber es ist sowieso eher zu erwarten das ein oder zwei Gerichte es erst einmal aufhalten als die Politiker.

Es laufen klagen. Im Mai gibt's wohl erste Entscheidungen. Und was Gerichte sagen zählt auch. So oder so
Kein Gericht wird die Regressansprüche der Beteiligten Firmen ausser Kraft setzen.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt
Benutzeravatar
Cobra9
Beiträge: 42302
Registriert: Mo 10. Okt 2011, 11:28

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Cobra9 »

JJazzGold hat geschrieben:(25 Apr 2021, 11:04)

Kein Gericht wird die Regressansprüche der Beteiligten Firmen ausser Kraft setzen.

Das kommt drauf an was im Urteil steht. Wenn das Projekt gegen EU Recht ect verstoßen würde geht das.


Ich meine aber es reicht völlig aus wenn die EU oder Deutschland einfach Sanktionen verhängt


Wenn die Nutzung der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 im Zuge von EU-Sanktionen gegen Russland unterbunden würde, müsste dafür voraussichtlich kein finanzieller Ausgleich bezahlt werden, analysiert Christian Rath.


.

Bei all dem musste die EU keinen Cent Entschädigung bezahlen. Dass die russische Seite keine Entschädigung erhielt, liegt auf der Hand, diese soll durch die Sanktionen ja gerade geschädigt werden

https://www.lto.de/recht/kanzleien-unte ... haedigung/



Das ist nur eine von verschiedenen Möglichkeiten. Es ist möglich ohne Entschädigung das Projekt zu beenden wenn man will.

Andere Staaten haben auch mies gespielt und es war trotzdem legal bzw wurde gemacht. Russland hat einfach beschlagnahmt. Sorry wenn es legal möglich ist bin ich dafür Ns2 zu stoppen.

Wir sollten auf alternative Energien setzen mehr
Andrij Melnyk nennt Rolf Mützenich den „widerlichsten deutschen Politiker“..wo Er Recht hat...

Genieße den Augenblick, denn der Augenblick ist dein Leben
Benutzeravatar
DarkLightbringer
Beiträge: 48077
Registriert: Mo 19. Dez 2011, 16:49
user title: Vive la Liberté !

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von DarkLightbringer »

JJazzGold hat geschrieben:(25 Apr 2021, 11:04)

Kein Gericht wird die Regressansprüche der Beteiligten Firmen ausser Kraft setzen.
Eines der beteiligten Firmen hat den Kreditrahmen bereits so weit wie möglich herabgestuft, wegen der höheren Risikoeinschätzung.
Der Steuerzahler kann nicht für jedes unternehmerische Risiko einstehen. So ähnlich sagt es auch Frau Prof. Kemfert vom DIW, eine Wirtschaftswissenschaftlerin.
>>We’ll always have Paris<<
[Humphrey Bogart als Rick Blaine in >Casablanca<, 1942]
Benutzeravatar
JJazzGold
Beiträge: 53005
Registriert: Mo 25. Mai 2009, 01:34
user title: L'État, c'est moi

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von JJazzGold »

Cobra9 hat geschrieben:(25 Apr 2021, 11:19)

Das kommt drauf an was im Urteil steht. Wenn das Projekt gegen EU Recht ect verstoßen würde geht das.


Ich meine aber es reicht völlig aus wenn die EU oder Deutschland einfach Sanktionen verhängt


Wenn die Nutzung der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 im Zuge von EU-Sanktionen gegen Russland unterbunden würde, müsste dafür voraussichtlich kein finanzieller Ausgleich bezahlt werden, analysiert Christian Rath.


.

Bei all dem musste die EU keinen Cent Entschädigung bezahlen. Dass die russische Seite keine Entschädigung erhielt, liegt auf der Hand, diese soll durch die Sanktionen ja gerade geschädigt werden

https://www.lto.de/recht/kanzleien-unte ... haedigung/



Das ist nur eine von verschiedenen Möglichkeiten. Es ist möglich ohne Entschädigung das Projekt zu beenden wenn man will.

Andere Staaten haben auch mies gespielt und es war trotzdem legal bzw wurde gemacht. Russland hat einfach beschlagnahmt. Sorry wenn es legal möglich ist bin ich dafür Ns2 zu stoppen.

Wir sollten auf alternative Energien setzen mehr
Ich bin nach wie vor dagegen, ein (ohenhin nahezu fertiggestelltes) Sanktionsinstrument gegenüber Putin leichtsinnig aus der Hand zu geben. Denn sanktionieren (wie im Übrigen auch profitieren, in nicht nur einem Aspekt) lässt sich langfristiger und damit nachhaltiger über die Abnahmemenge und die damit verbundene wirtschaftliche Unsicherheit Russlands, als über eine Einstellung des gesamten Projekts.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt
Benutzeravatar
Cobra9
Beiträge: 42302
Registriert: Mo 10. Okt 2011, 11:28

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Cobra9 »

JJazzGold hat geschrieben:(25 Apr 2021, 11:41)

Ich bin nach wie vor dagegen, ein (ohenhin nahezu fertiggestelltes) Sanktionsinstrument gegenüber Putin leichtsinnig aus der Hand zu geben. Denn sanktionieren (wie im Übrigen auch profitieren, in nicht nur einem Aspekt) lässt sich langfristiger und damit nachhaltiger über die Abnahmemenge und die damit verbundene wirtschaftliche Unsicherheit Russlands, als über eine Einstellung des gesamten Projekts.

Völlig in Ordnung. Ich sehe es anders, aber deine Argumentation ist auch schlüssig.

Wir können aber eh nur abwarten. Ich behaupte es kommt ein Deal und noch harte Regeln für Ns2.

Gerade vom EU Gericht. Es wird aber fertig gebaut.

Trotzdem dagegen arbeiten kann man
Andrij Melnyk nennt Rolf Mützenich den „widerlichsten deutschen Politiker“..wo Er Recht hat...

Genieße den Augenblick, denn der Augenblick ist dein Leben
Benutzeravatar
JJazzGold
Beiträge: 53005
Registriert: Mo 25. Mai 2009, 01:34
user title: L'État, c'est moi

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von JJazzGold »

Cobra9 hat geschrieben:(25 Apr 2021, 11:45)

Völlig in Ordnung. Ich sehe es anders, aber deine Argumentation ist auch schlüssig.

Wir können aber eh nur abwarten. Ich behaupte es kommt ein Deal und noch harte Regeln für Ns2.

Gerade vom EU Gericht. Es wird aber fertig gebaut.

Trotzdem dagegen arbeiten kann man
Sicher kann man das.
In diesem Sinne, schönen Sonntag! :)
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt
Benutzeravatar
DarkLightbringer
Beiträge: 48077
Registriert: Mo 19. Dez 2011, 16:49
user title: Vive la Liberté !

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von DarkLightbringer »

JJazzGold hat geschrieben:(25 Apr 2021, 11:41)

Ich bin nach wie vor dagegen, ein (ohenhin nahezu fertiggestelltes) Sanktionsinstrument gegenüber Putin leichtsinnig aus der Hand zu geben. Denn sanktionieren (wie im Übrigen auch profitieren, in nicht nur einem Aspekt) lässt sich langfristiger und damit nachhaltiger über die Abnahmemenge und die damit verbundene wirtschaftliche Unsicherheit Russlands, als über eine Einstellung des gesamten Projekts.
Die Abnahmemenge wird anscheinend fest vereinbart, nur der Preis ist flexibel.
Damit hätte vor allem Moskau ein Instrument in der Hand, um seine Aktivitäten zu fördern.

Ist ja an sich auch logisch. Man baut kein 10 Milliarden-Ding, um dann zu sagen, diese Woche wollen wir aber nur einen Tropfen abnehmen.
Zudem müsste das die Regierung vorgeben und Unternehmen würden zurecht klagen.
>>We’ll always have Paris<<
[Humphrey Bogart als Rick Blaine in >Casablanca<, 1942]
Kohlhaas
Beiträge: 13677
Registriert: So 24. Feb 2019, 19:47

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Kohlhaas »

JJazzGold hat geschrieben:(25 Apr 2021, 10:20)

Nachdem in Deutschland Atom- und Kohlekraftwerke aufgrund innerdeutschen regierungsseitiger Beschlüsse zurückgebaut werden, soll ich davon ausgehen, dass Deutschland im Alleingang Nord Stream2 zurück baut?
Der Idee gebe ich eine Wahrscheinlichkeit von 0%.
Ich gehe nicht davon aus, dass der Bau von NS2 eingestellt wird. Das Ding wird fertig gebaut, ehe eine neue Bundesregierung unter Beteiligung der Grünen etwas dagegen unternehmen kann. Aber nur mal angenommen, es wäre anders: Warum sollte Deutschland dann irgendwas zurückbauen? Es ist doch ein russisches Projekt. Gazprom baut die Röhre. Wenn sie nicht fertig wird, ist es das Problem von Gazprom, was mit dem schon verlegten Zeug anschließend passiert.
Slava Ukraini
Kohlhaas
Beiträge: 13677
Registriert: So 24. Feb 2019, 19:47

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Kohlhaas »

JJazzGold hat geschrieben:(25 Apr 2021, 10:52)

Vertraglich zugesicherte Unterstützung in der Endphase kurzfristig zu annullieren läuft auf monetäres Harakiri hinaus.
Nicht unbedingt. Das hängt davon ab, mit welcher Begründung die Zusagen zurückgenommen werden. Würde Deutschland jetzt aufgrund von Sanktionen gegen Russland das ganze Projekt stoppen, würde allein Russland auf den Kosten sitzenbleiben. "Entschädigungen" müsste es dann nur für die am Bau beteiligten deutschen Unternehmen geben. Russische Unternehmen hätten keinen Anspruch auf Entschädigung. Es wäre ja auch widersinnig, Sanktionen zu verhängen und dafür dann Entschädigung zu zahlen.

Aber, wie schon geschrieben: Dazu wird es nicht kommen. NS2 wird fertiggestellt sein, ehe eine Bundesregierung im Amt ist, die etwas dagegen unternehmen will.
Slava Ukraini
Kohlhaas
Beiträge: 13677
Registriert: So 24. Feb 2019, 19:47

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Kohlhaas »

DarkLightbringer hat geschrieben:(25 Apr 2021, 12:07)

Die Abnahmemenge wird anscheinend fest vereinbart, nur der Preis ist flexibel.
Sehr wahrscheinlich ist das so.
Damit hätte vor allem Moskau ein Instrument in der Hand, um seine Aktivitäten zu fördern.
Das allerdings ist ein Irrtum. Moskau kann nicht willkürlich den Preis anheben. Hier wirken marktwirtschaftliche Gesetze. Wenn der Weltmarktpreis für Erdgas sinkt, werden die Abnehmer den Preis für russisches Erdgas runterdrücken. Moskau hat da gar nichts zu bestimmen. Deshalb gehen sachkundige Leute ja schon heute davon aus, dass NS2 nie rentabel sein wird.
Slava Ukraini
Benutzeravatar
DarkLightbringer
Beiträge: 48077
Registriert: Mo 19. Dez 2011, 16:49
user title: Vive la Liberté !

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von DarkLightbringer »

Kohlhaas hat geschrieben:(25 Apr 2021, 13:11)

Sehr wahrscheinlich ist das so.


Das allerdings ist ein Irrtum. Moskau kann nicht willkürlich den Preis anheben. Hier wirken marktwirtschaftliche Gesetze. Wenn der Weltmarktpreis für Erdgas sinkt, werden die Abnehmer den Preis für russisches Erdgas runterdrücken. Moskau hat da gar nichts zu bestimmen. Deshalb gehen sachkundige Leute ja schon heute davon aus, dass NS2 nie rentabel sein wird.
Offenbar gibt es große Preisunterschiede, strategische Partner zahlen wenig, "Rebellen" wie Polen aber viel.
Jedes Land hat einen eigenen Liefervertrag mit Gazprom. In der Regel sind die Verträge langfristig, der Preis ist vom Ölpreis abhängig. Gaspreise für verschiedene Länder können sich um das Mehrfache unterscheiden. Die befreundeten Länder erhalten Gas günstiger. Das billigste Gas wird nach Weißrussland, Armenien und Transnistrien geliefert.
https://www.ostinstitut.de/de/news/aktu ... _in_europa
>>We’ll always have Paris<<
[Humphrey Bogart als Rick Blaine in >Casablanca<, 1942]
Troh.Klaus
Beiträge: 6272
Registriert: Sa 28. Okt 2017, 21:56

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Troh.Klaus »

DarkLightbringer hat geschrieben:(25 Apr 2021, 14:04)
Offenbar gibt es große Preisunterschiede, strategische Partner zahlen wenig, "Rebellen" wie Polen aber viel.
https://www.ostinstitut.de/de/news/aktu ... _in_europa
Nun, das muss die polnischen "Rebellen" ja nicht mehr tangieren, wenn die Baltic Pipe nächstes Jahr ihren Betrieb aufnimmt. Sie können dann auch ohne Nachteil für Polen die Jamal-Pipeline dicht machen, wenn die Transitpreise nicht ihren Vorstellungen entsprechen. Was natürlich sehr viel wirkungsvoller wäre, wenn NS2 nicht fertig gestellt würde.

Apropos Gaspreise - da hat sich seit Mitte 2014, als Dein verlinkter Artikel erschienen ist, schon so ein klein bisschen was getan.
Benutzeravatar
DarkLightbringer
Beiträge: 48077
Registriert: Mo 19. Dez 2011, 16:49
user title: Vive la Liberté !

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von DarkLightbringer »

Troh.Klaus hat geschrieben:(25 Apr 2021, 14:38)

Nun, das muss die polnischen "Rebellen" ja nicht mehr tangieren, wenn die Baltic Pipe nächstes Jahr ihren Betrieb aufnimmt. Sie können dann auch ohne Nachteil für Polen die Jamal-Pipeline dicht machen, wenn die Transitpreise nicht ihren Vorstellungen entsprechen. Was natürlich sehr viel wirkungsvoller wäre, wenn NS2 nicht fertig gestellt würde.

Apropos Gaspreise - da hat sich seit Mitte 2014, als Dein verlinkter Artikel erschienen ist, schon so ein klein bisschen was getan.
Die Unabhängigkeit von russischem Gas ist natürlich politisch gewollt, genauso wie die Preise oder der Wille zur Abhängigkeit politisch gebildet werden.

Polen zahlt gegenwärtig die höchsten Gaspreise in Europa (EU?), so weit mir bekannt.
Ein widerspenstiges Deutschland (Regierungswechsel ab September) könnte dieser fragwürdigen Spitzenreiter-Funktion folgen - für zusätzliches Gas, das jetzt schon nicht benötigt wird und in 10, 15 Jahren erwartungsgemäß noch sehr viel weniger benötigt werden wird.
>>We’ll always have Paris<<
[Humphrey Bogart als Rick Blaine in >Casablanca<, 1942]
Benutzeravatar
DarkLightbringer
Beiträge: 48077
Registriert: Mo 19. Dez 2011, 16:49
user title: Vive la Liberté !

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von DarkLightbringer »

Cicero:
Anfang 2004 zum Beispiel stellte die Gasprom ihre Lieferungen an das ansonsten Moskautreue Weißrussland für drei Tage ein. Der Kreml begründete dies ausdrücklich mit „Fehlern der inneren und äußeren Politik“.
https://www.cicero.de/wirtschaft/der-kr ... -gas/37274

Putin nutzt das Gas fraglos als strategisches Mittel der Außenpolitik.

Befürworter dieser "Gaswaffe" ordnen sich diesem Primat unter, gewollt oder ungewollt.
Es ist kein Ausdruck von Eigenständigkeit oder gar ein Ausdruck nationaler Erhebung, es ist ausschließlich eine Unterordnung.
Das subjektive Gefühl kann freilich ein anderes sein - hypothetisch auch machbar, wenn man sich selbst auf den Kopf haut. Die Medizin weiß mehr dazu.
>>We’ll always have Paris<<
[Humphrey Bogart als Rick Blaine in >Casablanca<, 1942]
Kohlhaas
Beiträge: 13677
Registriert: So 24. Feb 2019, 19:47

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Kohlhaas »

DarkLightbringer hat geschrieben:(25 Apr 2021, 14:04)

Offenbar gibt es große Preisunterschiede, strategische Partner zahlen wenig, "Rebellen" wie Polen aber viel.

https://www.ostinstitut.de/de/news/aktu ... _in_europa
Das ist richtig. Aber der "Grundpreis" ist ja im Vertrag vereinbart. Die jeweiligen "Anpassungen" richten sich dann wieder nach dem Weltmarktpreis. Und der fällt nunmal, weil der Absatz sinkt. Russland hat darauf nur wenig Einfluss. Putin kann also nicht willkürlich entscheiden, einfach mal die Preise zu erhöhen. Im Grunde nutzt das auch Ländern wie Polen. Es wäre ja kein Problem, wenn Deutschland Erdgas aus NS2 zu niedrigeren Preisen nach Polen weiterleitet. Durch die Röhren kommt ohnehin viel mehr Gas durch als Deutschland braucht. Deutschland ist für die Russen ein "Verteilerknoten", über den sie ihr Gas in andere europäische Länder transportieren können.

Ändert aber nichts. Ich bin ziemlich sicher, dass der Erdgasverbrauch auch weiterhin sinken wird. Der Ölverbrauch ebenfalls. Damit fallen zwangsläufig auch die Preise. Das Dumme an diesem Vertrag zu NS2 ist, dass eben die Abnahmemenge festgelegt ist. Deutschland muss leider Jahr für Jahr die zugesicherte Menge abnehmen und verfeuern und entsprechend viel Dreck in die Luft blasen. Dass die Kosten für den Ankauf von Jahr zu Jahr sinken werden, ist da nur ein schwacher Trost. NS2 ist umweltpolitisch eine ganz schlechte Sache. Und für Russland wird es ein Verlustgeschäft sein. Die Pipeline wird sich nicht amortisieren.
Slava Ukraini
Benutzeravatar
DarkLightbringer
Beiträge: 48077
Registriert: Mo 19. Dez 2011, 16:49
user title: Vive la Liberté !

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von DarkLightbringer »

Der Weltmarktpreis für Öl erklärt ja nicht den Preisunterschied zwischen Weißrussland und Polen.
Oder die Welt ist in jedem Land anders.
>>We’ll always have Paris<<
[Humphrey Bogart als Rick Blaine in >Casablanca<, 1942]
Benutzeravatar
DarkLightbringer
Beiträge: 48077
Registriert: Mo 19. Dez 2011, 16:49
user title: Vive la Liberté !

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von DarkLightbringer »

In der Vergangenheit zahlte der Endverbraucher (!) in Litauen rund 30 % mehr für Gazprom-Gas als der Verbraucher in Wien.

Der politische Wunsch nach Unabhängigkeit vom russischen Gas hatte ganz konkrete Gründe.
Und kaum hatte Litauen die Umsattlung auf Flüssiggas beschlossen, senkte Gazprom die Preise um 20 %.

Weltmarkt?
>>We’ll always have Paris<<
[Humphrey Bogart als Rick Blaine in >Casablanca<, 1942]
Audi
Beiträge: 9104
Registriert: Di 22. Mär 2016, 11:57

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Audi »

DarkLightbringer hat geschrieben:(25 Apr 2021, 16:19)

Der Weltmarktpreis für Öl erklärt ja nicht den Preisunterschied zwischen Weißrussland und Polen.
Oder die Welt ist in jedem Land anders.
Belarus ist verbündeter und Unionsstaat. Warum soll Russland den Polen einen Vorzugspreis anbieten? :?: Soll man das Gas verschenken?
Zuletzt geändert von Audi am So 25. Apr 2021, 17:00, insgesamt 1-mal geändert.
Audi
Beiträge: 9104
Registriert: Di 22. Mär 2016, 11:57

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Audi »

DarkLightbringer hat geschrieben:(25 Apr 2021, 16:28)

In der Vergangenheit zahlte der Endverbraucher (!) in Litauen rund 30 % mehr für Gazprom-Gas als der Verbraucher in Wien.

Der politische Wunsch nach Unabhängigkeit vom russischen Gas hatte ganz konkrete Gründe.
Und kaum hatte Litauen die Umsattlung auf Flüssiggas beschlossen, senkte Gazprom die Preise um 20 %.

Weltmarkt?
ja Weltmarkt. Es gab in Litauen mehr Angebot somit sinkt der Preis :thumbup:
Benutzeravatar
DarkLightbringer
Beiträge: 48077
Registriert: Mo 19. Dez 2011, 16:49
user title: Vive la Liberté !

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von DarkLightbringer »

Audi hat geschrieben:(25 Apr 2021, 16:59)

Belarus ist verbündeter und Unionsstaat. Warum soll Russland den Polen einen Vorzugspreis anbieten? :?: Soll man das Gas verschenken?
Das heißt, Russland bietet den Preis an.
>>We’ll always have Paris<<
[Humphrey Bogart als Rick Blaine in >Casablanca<, 1942]
Benutzeravatar
DarkLightbringer
Beiträge: 48077
Registriert: Mo 19. Dez 2011, 16:49
user title: Vive la Liberté !

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von DarkLightbringer »

Audi hat geschrieben:(25 Apr 2021, 17:00)

ja Weltmarkt. Es gab in Litauen mehr Angebot somit sinkt der Preis :thumbup:
Genau, so gesehen bedeutet Unabhängigkeit Weltmarkt - Preise und Mengen sinken bis zum Nullpunkt.
:thumbup:
>>We’ll always have Paris<<
[Humphrey Bogart als Rick Blaine in >Casablanca<, 1942]
Kohlhaas
Beiträge: 13677
Registriert: So 24. Feb 2019, 19:47

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Kohlhaas »

DarkLightbringer hat geschrieben:(25 Apr 2021, 16:19)

Der Weltmarktpreis für Öl erklärt ja nicht den Preisunterschied zwischen Weißrussland und Polen.
Oder die Welt ist in jedem Land anders.

Der Weltmarktpreis für Erdgas ist in jedem Land anders. In jedem Land, mit dem Russland individuell verhandeln kann. Vielleicht wird jetzt klarer, warum es so wichtig ist, dass Russland nicht mit einzelnen EU-Mitgliedländern verhandeln darf.

Antwort auf Deine Frage: Ja, die Welt ist in jedem Land anders. Das aber nur, wenn sich die Welt den von Putin geschriebenen Regel unterwirft.
Slava Ukraini
Audi
Beiträge: 9104
Registriert: Di 22. Mär 2016, 11:57

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Audi »

DarkLightbringer hat geschrieben:(25 Apr 2021, 17:02)

Das heißt, Russland bietet den Preis an.
Noch einmal. Natürlich kann Russland einem Staat Rabatt gewähren wo siehst du denn jetzt den Skandal?
Benutzeravatar
DarkLightbringer
Beiträge: 48077
Registriert: Mo 19. Dez 2011, 16:49
user title: Vive la Liberté !

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von DarkLightbringer »

Audi hat geschrieben:(26 Apr 2021, 10:42)

Noch einmal. Natürlich kann Russland einem Staat Rabatt gewähren wo siehst du denn jetzt den Skandal?
Und dieses Wohlwollen richtet sich naheliegenderweise daran, wie kremlfreundlich eine bestimmte Außenpolitik ist.

Richtig? Gut, keine weiteren Fragen.
>>We’ll always have Paris<<
[Humphrey Bogart als Rick Blaine in >Casablanca<, 1942]
Benutzeravatar
DevilsNeverCry
Beiträge: 947
Registriert: Sa 22. Aug 2009, 10:05

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von DevilsNeverCry »

DarkLightbringer hat geschrieben:(26 Apr 2021, 11:33)

Und dieses Wohlwollen richtet sich naheliegenderweise daran, wie kremlfreundlich eine bestimmte Außenpolitik ist.

Richtig? Gut, keine weiteren Fragen.
Normale Praxis. Russland, USA, China, GB und co. knüpfen ihre Entwicklungshilfe für Länder aus der dritten Welt an deren Abstimmungsverhalten in der UNO an. Studien zeigen hier häufig eine signifikante Korrelation zwischen Abstimmungsverhalten und Entwicklungshilfe.

Das hier ist etwas ähnliches. Würde ich an Russlands Stelle auch so machen.
Benutzeravatar
DevilsNeverCry
Beiträge: 947
Registriert: Sa 22. Aug 2009, 10:05

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von DevilsNeverCry »

DarkLightbringer hat geschrieben:(25 Apr 2021, 17:02)

Das heißt, Russland bietet den Preis an.
Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Wenn Russland dann noch einen Rabatt gewährt gegen politische Verpflichtungen dann wird das gesondert zwischen 2 Staaten vereinbart - dem Anbieter und dem Nachfrager.
Benutzeravatar
DevilsNeverCry
Beiträge: 947
Registriert: Sa 22. Aug 2009, 10:05

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von DevilsNeverCry »

Troh.Klaus hat geschrieben:(25 Apr 2021, 14:38)

Nun, das muss die polnischen "Rebellen" ja nicht mehr tangieren, wenn die Baltic Pipe nächstes Jahr ihren Betrieb aufnimmt. Sie können dann auch ohne Nachteil für Polen die Jamal-Pipeline dicht machen, wenn die Transitpreise nicht ihren Vorstellungen entsprechen. Was natürlich sehr viel wirkungsvoller wäre, wenn NS2 nicht fertig gestellt würde.

Apropos Gaspreise - da hat sich seit Mitte 2014, als Dein verlinkter Artikel erschienen ist, schon so ein klein bisschen was getan.
Das wird Polen nicht machen da man es sich mit Kiew nicht verscherzen will.
Audi
Beiträge: 9104
Registriert: Di 22. Mär 2016, 11:57

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Audi »

DarkLightbringer hat geschrieben:(26 Apr 2021, 11:33)

Und dieses Wohlwollen richtet sich naheliegenderweise daran, wie kremlfreundlich eine bestimmte Außenpolitik ist.

Richtig? Gut, keine weiteren Fragen.
Genau so ist das. Was genau verstehst du jetzt nicht?
Troh.Klaus
Beiträge: 6272
Registriert: Sa 28. Okt 2017, 21:56

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Troh.Klaus »

DevilsNeverCry hat geschrieben:(26 Apr 2021, 18:03)
Das wird Polen nicht machen da man es sich mit Kiew nicht verscherzen will.
Die Jamal-Pipeline hat a priori nichts mit der Ukraine zu tun (das wäre die Soyuz-/Transgas-Pipeline). Allerdings gibt es ein paar Querverbindungen. Die Ukraine wäre eher betroffen, wenn sich Tschechien, die Slowakei und Österreich abkoppeln würden.
Benutzeravatar
DevilsNeverCry
Beiträge: 947
Registriert: Sa 22. Aug 2009, 10:05

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von DevilsNeverCry »

Troh.Klaus hat geschrieben:(26 Apr 2021, 19:34)

Die Jamal-Pipeline hat a priori nichts mit der Ukraine zu tun (das wäre die Soyuz-/Transgas-Pipeline). Allerdings gibt es ein paar Querverbindungen. Die Ukraine wäre eher betroffen, wenn sich Tschechien, die Slowakei und Österreich abkoppeln würden.
Stimmt, der Hauptabschnitt führt über Belarus. Der Abschnitt gehört mittlerweile auch mehrheitlich Gasprom.

Die Ukraine versorgt auch den Balkan mit russischem Gas. Das ändert sich aber mittlerweile da Moskau das Projekt Balkan Stream voran stemmt. Dadurch werden Bulgarien und Serbien nun vollständig versorgt. Rumänien seit April ebenfalls. Offen stehen noch Ungarn und Bosnien welche auch an Balkan Stream teilnehmen wollen. Wenn man jetzt noch noch die Transadriatische Pipeline hinzu nimmt über die aserbaidschanisches Gas nach Südeuropa fließt, sowie die ein oder anderen LNG Terminals die gebaut wurden dann kann man davon ausgehen das die Ukraine als Transitland für die südliche Hälfte Europas ab 2024 komplett wegfällt - den nur bis 2024 geht der Transitvertrag zwischen Naftogas und Gasprom. Die Baltic Pipeline, Nord Stream 2 und die ganzen LNG Terminals im Baltikum, Polen, Jamal (Russland) und (zukünftig) in der Leningrader Region in Russland werden auf die Ukraine denselben Effekt in der nördlichen Hälfte Europas haben.
Alexander Sommer
Beiträge: 318
Registriert: Do 31. Jan 2019, 22:02

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Alexander Sommer »

Kohlhaas hat geschrieben:(25 Apr 2021, 17:45)

Der Weltmarktpreis für Erdgas ist in jedem Land anders. In jedem Land, mit dem Russland individuell verhandeln kann. Vielleicht wird jetzt klarer, warum es so wichtig ist, dass Russland nicht mit einzelnen EU-Mitgliedländern verhandeln darf.

Antwort auf Deine Frage: Ja, die Welt ist in jedem Land anders. Das aber nur, wenn sich die Welt den von Putin geschriebenen Regel unterwirft.


Aha, mit wem werden denn dann die unterschiedlichen Preise ausgehandelt ??
Benutzeravatar
Orbiter1
Beiträge: 9111
Registriert: Fr 23. Feb 2018, 13:25

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Orbiter1 »

DarkLightbringer hat geschrieben:(25 Apr 2021, 16:28)

In der Vergangenheit zahlte der Endverbraucher (!) in Litauen rund 30 % mehr für Gazprom-Gas als der Verbraucher in Wien.
Wenn das für Sie von Relevanz ist, empfehle ich ihnen den Wikipedia Artikel "Russisch-ukrainischer Gasstreit". Zitat daraus:

"Durch die russische Subventionierung war der Gaspreis in der Ukraine bisher deutlich niedriger als in Russland selbst. In vielen Bereichen, vor allem in der Metallindustrie, belieferte die Ukraine dadurch den russischen Markt zu Dumpingpreisen und übervorteilte so die russischen Produzenten."
Benutzeravatar
DarkLightbringer
Beiträge: 48077
Registriert: Mo 19. Dez 2011, 16:49
user title: Vive la Liberté !

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von DarkLightbringer »

Orbiter1 hat geschrieben:(27 Apr 2021, 08:53)

Wenn das für Sie von Relevanz ist, empfehle ich ihnen den Wikipedia Artikel "Russisch-ukrainischer Gasstreit". Zitat daraus:

"Durch die russische Subventionierung war der Gaspreis in der Ukraine bisher deutlich niedriger als in Russland selbst. In vielen Bereichen, vor allem in der Metallindustrie, belieferte die Ukraine dadurch den russischen Markt zu Dumpingpreisen und übervorteilte so die russischen Produzenten."
Wenn man besonders nett und/oder korrupt im kremlfreundlichen Sinne ist, mögen sich gewissen Preisvorteile erwarten lassen.
Janukowitsch war nett, Schröder ist auch nett.
Aber wie nett ist die deutsche Bundesregierung und wie nett kann sie ab September sein, wenn vorab die derzeit aussichtsreiche Kanzlerkandidatin einen härteren Kurs gegenüber Russland und China fordert?

Schlußfolgernde These: Für den Endverbraucher wird Nordstream 2 kein Gewinn sein, er wird vielmehr einen spannenden Tarif zu leisten haben.
>>We’ll always have Paris<<
[Humphrey Bogart als Rick Blaine in >Casablanca<, 1942]
Audi
Beiträge: 9104
Registriert: Di 22. Mär 2016, 11:57

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Audi »

DarkLightbringer hat geschrieben:(27 Apr 2021, 09:06)

Wenn man besonders nett und/oder korrupt im kremlfreundlichen Sinne ist, mögen sich gewissen Preisvorteile erwarten lassen.
Janukowitsch war nett, Schröder ist auch nett.
Aber wie nett ist die deutsche Bundesregierung und wie nett kann sie ab September sein, wenn vorab die derzeit aussichtsreiche Kanzlerkandidatin einen härteren Kurs gegenüber Russland und China fordert?

Schlußfolgernde These: Für den Endverbraucher wird Nordstream 2 kein Gewinn sein, er wird vielmehr einen spannenden Tarif zu leisten haben.
Jeder Lieferant hat das Recht Preise mit den Kunden auszuhandeln. Wenn die Bundesregierung mehr Anbieter hat kann es dementsprechend handeln. Es gibt keinen Einheitspreis für alle und den hat es nie gegeben. Russland hat das Recht einem befreundeten Staat Rabatt zu gewähren. Was du da wieder für ein brei zusammen schreibst verstehe ich nicht wirklich.
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von schokoschendrezki »

Was ich mich wirklich frage: In welchem Verhältnis ein möglicher Ausstieg aus Nord Stream 2 zum Energiechartavertrag steht. Und ob Russland (als eines der Vertragsländer) mit diesem Vertrag operiert.

Beim Energiechartavertrag, Energy Charta Treaty, ECT Anfang der 90er gehts im wesentlichen um Investititionsschutz.

Die RWE Deutschland etwa sagt, verinfacht, Klimaschutz ist eine feine Sache, finden wir gut, aber da die Niederlande einen Kohleausstieg beschlossen hat, verklagen wir sie jetzt mal für sinnlose Investitionen und vor allem auch für "entgangene Gewinne" auf 1,4 Milliarden Euro Schadenersatz. Bzw. etwas anders interpretiert: Wenn ein Land aktive Klimapolitik oder auch Atomausstiegspolitik betreibt, dann ist das nix anderes als eine Art "kommunistische Enteignung". Energieunternehmen investieren, Politiker beschließen irgendwas, und dann waren plötzlich diese Investitionen für die Katz. Das ist doch bei Nord Stream 2 eigentlich nicht anders, oder?

Meine persönliche politische Meinung dazu: Politik muss durch demokratisch gewählte Institutionen gestaltbar sein und bleiben. Auch wenn das de facto und am Ende auf Unternehmensenteignungen hinausläuft.

https://www.deutschlandfunk.de/energiec ... _id=495708
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
DarkLightbringer
Beiträge: 48077
Registriert: Mo 19. Dez 2011, 16:49
user title: Vive la Liberté !

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von DarkLightbringer »

Audi hat geschrieben:(27 Apr 2021, 11:22)

Jeder Lieferant hat das Recht Preise mit den Kunden auszuhandeln. Wenn die Bundesregierung mehr Anbieter hat kann es dementsprechend handeln. Es gibt keinen Einheitspreis für alle und den hat es nie gegeben. Russland hat das Recht einem befreundeten Staat Rabatt zu gewähren. Was du da wieder für ein brei zusammen schreibst verstehe ich nicht wirklich.
Ja, ich verstehe schon, dass die Tankstelle Interessen hat und eine Verhandlungsmasse zu eigenen Gunsten positiv bewertet.
Mein Adressat ist denn auch eher der Kunde, der das Recht hat, sich nicht übers Ohr hauen lassen zu wollen.
Desweiteren ist die Kundenbindung an einen aggressiven und windigen Geschäftspartner m. E. nicht sonderlich empfehlenswert.
>>We’ll always have Paris<<
[Humphrey Bogart als Rick Blaine in >Casablanca<, 1942]
Kohlhaas
Beiträge: 13677
Registriert: So 24. Feb 2019, 19:47

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Kohlhaas »

DevilsNeverCry hat geschrieben:(26 Apr 2021, 17:59)

Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Wenn Russland dann noch einen Rabatt gewährt gegen politische Verpflichtungen dann wird das gesondert zwischen 2 Staaten vereinbart - dem Anbieter und dem Nachfrager.
Das erklärt die Preisunterschiede aber nicht. Deutschland hat gegenüber Russland keine politischen Verpflichtungen übernommen. Trotzdem ist Erdgas in Deutschland deutlich billiger als in Polen. Ich vermute, das hat was mit Abnahmemengen und den zusätzlich noch anfallenden Durchleitungsgebühren zu tun.
Slava Ukraini
Kohlhaas
Beiträge: 13677
Registriert: So 24. Feb 2019, 19:47

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Kohlhaas »

schokoschendrezki hat geschrieben:(27 Apr 2021, 11:36)

Was ich mich wirklich frage: In welchem Verhältnis ein möglicher Ausstieg aus Nord Stream 2 zum Energiechartavertrag steht. Und ob Russland (als eines der Vertragsländer) mit diesem Vertrag operiert.

Beim Energiechartavertrag, Energy Charta Treaty, ECT Anfang der 90er gehts im wesentlichen um Investititionsschutz.

Die RWE Deutschland etwa sagt, verinfacht, Klimaschutz ist eine feine Sache, finden wir gut, aber da die Niederlande einen Kohleausstieg beschlossen hat, verklagen wir sie jetzt mal für sinnlose Investitionen und vor allem auch für "entgangene Gewinne" auf 1,4 Milliarden Euro Schadenersatz. Bzw. etwas anders interpretiert: Wenn ein Land aktive Klimapolitik oder auch Atomausstiegspolitik betreibt, dann ist das nix anderes als eine Art "kommunistische Enteignung". Energieunternehmen investieren, Politiker beschließen irgendwas, und dann waren plötzlich diese Investitionen für die Katz. Das ist doch bei Nord Stream 2 eigentlich nicht anders, oder?

Meine persönliche politische Meinung dazu: Politik muss durch demokratisch gewählte Institutionen gestaltbar sein und bleiben. Auch wenn das de facto und am Ende auf Unternehmensenteignungen hinausläuft.

https://www.deutschlandfunk.de/energiec ... _id=495708
Das ist alles durchaus richtig. Enteignungen sind ja nach deutschem Recht durchaus zulässig. Was NICHT zulässig ist: Enteignung ohne Entschädigung. Die Energieunternehmen haben nunmal viele Milliarden Euro ausgegeben, um all diese Atomkraftwerke hinzustellen. Das haben sie im Vertrauen darauf getan, dass diese Kosten über die vereinbarte Laufzeit wieder hereinkommen. Wenn die Politik nun also einfach mal die Laufzeiten verkürzt, dann ist das ein "Verstoß" gegen den ursprünglichen Vertrag. Das darf die Politik natürlich trotzdem machen, aber dann muss sie entschädigen!

Es wurde ja auch mal die politische Entscheidung getroffen, im Rheinland Braunkohle abzubauen. Dafür mussten ganze Dörfer plattgemacht werden. Ist doch nur normal, dass die Bürger dafür entschädigt worden sind, dass man ihnen ihre Häuser unter dem Hintern weggerissen hat.
Slava Ukraini
Audi
Beiträge: 9104
Registriert: Di 22. Mär 2016, 11:57

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Audi »

DarkLightbringer hat geschrieben:(27 Apr 2021, 11:50)

Ja, ich verstehe schon, dass die Tankstelle Interessen hat und eine Verhandlungsmasse zu eigenen Gunsten positiv bewertet.
Mein Adressat ist denn auch eher der Kunde, der das Recht hat, sich nicht übers Ohr hauen lassen zu wollen.
Desweiteren ist die Kundenbindung an einen aggressiven und windigen Geschäftspartner m. E. nicht sonderlich empfehlenswert.
Jeder kann seine Lieferanten aussuchen. Noch einmal, wo ist das Problem? Erst gefällt dir nicht, dass Russland freundlichen Staaten Rabatt gewährt.
Benutzeravatar
DevilsNeverCry
Beiträge: 947
Registriert: Sa 22. Aug 2009, 10:05

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von DevilsNeverCry »

Kohlhaas hat geschrieben:(27 Apr 2021, 12:36)

Das erklärt die Preisunterschiede aber nicht. Deutschland hat gegenüber Russland keine politischen Verpflichtungen übernommen. Trotzdem ist Erdgas in Deutschland deutlich billiger als in Polen. Ich vermute, das hat was mit Abnahmemengen und den zusätzlich noch anfallenden Durchleitungsgebühren zu tun.
Das und natürlich wie diversifiziert die Importstrukturen der Abnehmer sind. Deutschland hat hier mehr Spielraum als so manch osteuropäischer Partner.

Russland auf der anderen Seite will die "Möglichkeit" haben die Ukraine zu umgehen - da sind Deutschland und die Türkei als Drehscheibe wichtig. Vollständig verzichten werden die auf die Ukraine aber nicht. Vieles hängt auch von den zukümftigen Transitgebühren der Ukraine gegenüber Russland ab. Außerdem sind die russisch-türkischen Beziehungen schwankend. Nicht umsonst wird ein 2er Treffen zwischen Putin und Selenskij vorbereitet. Das Gasthema wird auch ein Thema sein. Vor allem der industrielle Komplex. UA darf sich nicht zu einem reinen Agrarstaat verwandeln.
Audi
Beiträge: 9104
Registriert: Di 22. Mär 2016, 11:57

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Audi »

DevilsNeverCry hat geschrieben:(27 Apr 2021, 13:41)

Das und natürlich wie diversifiziert die Importstrukturen der Abnehmer sind. Deutschland hat hier mehr Spielraum als so manch osteuropäischer Partner.

Russland auf der anderen Seite will die "Möglichkeit" haben die Ukraine zu umgehen - da sind Deutschland und die Türkei als Drehscheibe wichtig. Vollständig verzichten werden die auf die Ukraine aber nicht. Vieles hängt auch von den zukümftigen Transitgebühren der Ukraine gegenüber Russland ab. Außerdem sind die russisch-türkischen Beziehungen schwankend. Nicht umsonst wird ein 2er Treffen zwischen Putin und Selenskij vorbereitet. Das Gasthema wird auch ein Thema sein. Vor allem der industrielle Komplex. UA darf sich nicht zu einem reinen Agrarstaat verwandeln.
Erstens ist auch zu betonen in welchen Zustand die Transitleitungen sind. Wer weiß wie lange das noch "reibungslos" weiter geht.

Ukraine ist auf dem besten Weg ein agrarstaat zu werden. Soll man weiter gegen die Chinesen und Russen sinnlose Sanktionen beschließen. Die Kennzahlen seit dem maidan zeigen eine eindeutige Richtung Berg ab
Benutzeravatar
Cobra9
Beiträge: 42302
Registriert: Mo 10. Okt 2011, 11:28

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Cobra9 »

Audi hat geschrieben:(27 Apr 2021, 20:02)

Erstens ist auch zu betonen in welchen Zustand die Transitleitungen sind. Wer weiß wie lange das noch "reibungslos" weiter geht.

Ukraine ist auf dem besten Weg ein agrarstaat zu werden. Soll man weiter gegen die Chinesen und Russen sinnlose Sanktionen beschließen. Die Kennzahlen seit dem maidan zeigen eine eindeutige Richtung Berg ab

Ähmmm nicht ganz richtig und wenn Du so informiert bist - was war die Kornkammer der Sowjetunion. Die Ukraine. Aber neben der Agrarwirtschaft entwickelt sich einiges und gibt es.


WELTEXPORTE
Made in Ukraine – die meist exportierten Güter der Ukraine
Montag, 22. März 2021 Europa
TOP10 Exportprodukte der Ukraine nach Ausfuhrwert
Das Land ist derzeit zweigeteilt: jene eher hingezogen zur Ukraine und jene zu Russland.

Die Ukraine, das flächenmäßig größte Land Europas (ausgenommen Russland), besitzt neben einer großen Schwerindustrie auch über eine starke Agrarwirtschaft. Denn die wichtigsten Exportprodukte der Ukraine 2019 waren Eisen und Stahl sowie Agrarerzeugnisse wie Getreide, pflanzliche Öle oder Ölsamen.

https://www.weltexporte.de/exportprodukte-ukraine/



Wirtschaftssektoren

Die Ukraine lieferte in der Sowjetunion ein Viertel aller landwirtschaftlichen Produktionsgüter und wurde daher auch als "Kornkammer der Sowjetunion" bezeichnet. Im primären Wirtschaftssektor bleibt die Landwirtschaft neben der Forstwirtschaft und der Fischerei weiterhin bedeutsam. Im sekundären Bereich spielen Maschinenbau, Bau von Elektrogeräten sowie Werftindustrie eine große Rolle. Die Ukraine exportiert vor allem Kohle, Stahl und Elektrogeräte. Der tertiäre Bereich erlebt in den letzten Jahren einen großen Aufschwung, insbesondere im Bank- und IT-Wesen


. Seit 2016 ist ein leichtes Wachstum zu verzeichnen. 2017 ist das BIP um 2,2%, 2018 und 2019 um 3,3% gestiegen. Auch Investitionen, privater Konsum sowie Importe und Exporte sind 2019 gestiegen. Die EU avancierte zum größten Handelspartner der Ukraine. Der Außenhandel mit Russland nimmt weiterhin ab. Die Inflation ging 2019 auf 9% zurück. Die ukrainische Währung gewann deutlich an Kraft und die Staatsverschuldung sank weiter

https://www.liportal.de/ukraine/wirtschaft-entwicklung/


Die Ukraine baut um. Auch wegen des Krieges mit Russland und dem Konflikt in Teilen des Donbass.

Corona-Krise ist ein Dämpfer, aber das ist global so.
Die Ukraine ist auf dem richtigen Weg und mit China kommt man klar. Neue Joint Ventures kommen.

Laut Weltbank


Die Weltbank hat ihre Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Ukraine im Jahr 2021 auf 3,8 Prozent aufgebessert

https://www.ukrinform.de/rubric-economy ... t-auf.html

Russland wird aber eben Stück für Stück ersetzt.
Was nachvollziehbar ist.


Das ist ein gewaltiger Weg. Aber wenn Russland schön brav ist wird es funktionieren langfristig und wenn die Ukrainer in die EU möchten, Grundlagen erfüllen langfristig - herzlich willkommen.


Nord Stream 2 wird noch ein paar Jahre Ärger machen. Das EU Gericht und andere sind befasst.
Andrij Melnyk nennt Rolf Mützenich den „widerlichsten deutschen Politiker“..wo Er Recht hat...

Genieße den Augenblick, denn der Augenblick ist dein Leben
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von schokoschendrezki »

Kohlhaas hat geschrieben:(27 Apr 2021, 12:49)

Das ist alles durchaus richtig. Enteignungen sind ja nach deutschem Recht durchaus zulässig. Was NICHT zulässig ist: Enteignung ohne Entschädigung. Die Energieunternehmen haben nunmal viele Milliarden Euro ausgegeben, um all diese Atomkraftwerke hinzustellen. Das haben sie im Vertrauen darauf getan, dass diese Kosten über die vereinbarte Laufzeit wieder hereinkommen. Wenn die Politik nun also einfach mal die Laufzeiten verkürzt, dann ist das ein "Verstoß" gegen den ursprünglichen Vertrag. Das darf die Politik natürlich trotzdem machen, aber dann muss sie entschädigen!

Es wurde ja auch mal die politische Entscheidung getroffen, im Rheinland Braunkohle abzubauen. Dafür mussten ganze Dörfer plattgemacht werden. Ist doch nur normal, dass die Bürger dafür entschädigt worden sind, dass man ihnen ihre Häuser unter dem Hintern weggerissen hat.
Ja. Aber heißt das nun konkret, dass bei einem Ende von NS2 alle Betreiber auch für alle "entgangenen Gewinne" wie auch für alle vergeblichen Investitionen entschädigt werden müssen? Ich mein, da könnten gigantische Summen entstehen.

Es ist übrigens mit dem ECT-Vertrag auch noch so: Es gibt eine Klausel, die besagt, dass man zwar aussteigen kann, dass man aber - ich glaub 10 Jahre - an den Vertrag gebunden bleibt. Damit die beteiligten Staaten nicht einfach nach Gusto und Lage der Dinge ein- und aussteigen.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Kohlhaas
Beiträge: 13677
Registriert: So 24. Feb 2019, 19:47

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Kohlhaas »

schokoschendrezki hat geschrieben:(28 Apr 2021, 10:19)

Ja. Aber heißt das nun konkret, dass bei einem Ende von NS2 alle Betreiber auch für alle "entgangenen Gewinne" wie auch für alle vergeblichen Investitionen entschädigt werden müssen?
Die Antwort darauf lautet: Jein.

Es gibt zwei denkbare Szenarien.

Szenarium eins: Deutschland beschließt aus umweltpolitischen Gründen, die zuvor genehmigte Pipeline sofort stillzulegen. Das wäre durchaus legitim und begründbar. Dann müsste Deutschland den am Bau beteiligten Unternehmen aber nunmal Schadenersatz zahlen. Es gilt der grundgesetzlich garantierte Schutz des Eigentums. Ein Baustopp für NS2 wäre gleichbedeutend mit einer staatlich verordneten Auflösung eines privatrechtlich geschlossenen Vertrags. Nochmal: Der Staat darf sowas im Zweifel tun, aber er darf die Vertragspartner dann nicht einfach auf den Folgen hängen lassen. In Russland mag sowas gehen, in Deutschland aber nicht. Hier haben wir einen Rechtsstaat. Deshalb sind hierzulande die Energieversorger ganz selbstverständlich dafür entschädigt worden, dass die Laufzeit ihrer AKW´s gekürzt wurden. Deshalb haben einfache Bürger ganz selbstverständlich Entschädigung dafür bekommen, dass sie zuschauen mussten, wie ihre Eigenheime abgerissen wurden, damit Garzweiler zwei oder drei oder acht möglich wurde. Das ist völlig normal. Unser Grundgesetz schreibt das so vor!

Szenarium zwei: Deutschland beschließt Sanktionen gegen Russland und verhängt deswegen einen Baustopp für NS2. Die Sanktionen dienen dazu, Russland Schmerz zuzufügen. Es wäre völlig widersinnig, wenn Russland in so einem Fall für den Schmerz entschädigt werden müsste, den man ihm zufügen will. Sollten Sanktionen verhängt werden, hätten russische Firmen, die am Bau von NS2 beteiligt waren (das ist ja in erster Linie der Staatskonzern Gazprom...) keinerlei Anspruch auf irgendwelche Entschädigungen. Denn: Sanktionen sollen ja schließlich weh tun!

Ich persönlich gehe davon aus, dass beteiligte deutsche Unternehmen, die in gutem Glauben an die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigungen mitgemacht haben, in so einem Fall selbstverständlich einen Anspruch auf Entschädigung hätten. Die haben ja nichts falsch gemacht. Denen kann man ja gar nichts vorwerfen. Mögliche Sanktionen Deutschlands richten sich ja gegen Russland und nicht gegen deutsche Unternehmen.
Ich mein, da könnten gigantische Summen entstehen.
Naja, was heißt schon "gigantisch". Es kann maximal um ungefähr zehn Milliarden Euro gehen. Das würde der deutsche Steuerzahler auf der linken Arschbacke abreiten. Und so hoch wäre der Preis auch gar nicht. Der Löwenanteil der "Kosten" würde im Falle von sanktionsbedingtem Baustopp an Gazprom hängenbleiben. Gazprom gehört Putin! DER müsste zahlen und würde aus Deutschland keinen Cent kriegen!
Es ist übrigens mit dem ECT-Vertrag auch noch so: Es gibt eine Klausel, die besagt, dass man zwar aussteigen kann, dass man aber - ich glaub 10 Jahre - an den Vertrag gebunden bleibt. Damit die beteiligten Staaten nicht einfach nach Gusto und Lage der Dinge ein- und aussteigen.
Genau da liegt der Knackpunkt. Solche Verträge werden geschlossen, damit alle Beteiligten die Sicherheit haben, dass sie über die vereinbarte Laufzeit auf ihre Kosten kommen. Deshalb gilt: Pacta sunt servanda. Wer aus dem Vertrag aussteigt, muss die Kosten tragen. Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen. Außer wenn es um Sanktionen geht!
Slava Ukraini
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von schokoschendrezki »

Kohlhaas hat geschrieben:(28 Apr 2021, 14:17)

Die Antwort darauf lautet: Jein.

Es gibt zwei denkbare Szenarien.

Szenarium eins: Deutschland beschließt aus umweltpolitischen Gründen, die zuvor genehmigte Pipeline sofort stillzulegen. Das wäre durchaus legitim und begründbar. Dann müsste Deutschland den am Bau beteiligten Unternehmen aber nunmal Schadenersatz zahlen. Es gilt der grundgesetzlich garantierte Schutz des Eigentums. Ein Baustopp für NS2 wäre gleichbedeutend mit einer staatlich verordneten Auflösung eines privatrechtlich geschlossenen Vertrags. Nochmal: Der Staat darf sowas im Zweifel tun, aber er darf die Vertragspartner dann nicht einfach auf den Folgen hängen lassen. In Russland mag sowas gehen, in Deutschland aber nicht. Hier haben wir einen Rechtsstaat. Deshalb sind hierzulande die Energieversorger ganz selbstverständlich dafür entschädigt worden, dass die Laufzeit ihrer AKW´s gekürzt wurden. Deshalb haben einfache Bürger ganz selbstverständlich Entschädigung dafür bekommen, dass sie zuschauen mussten, wie ihre Eigenheime abgerissen wurden, damit Garzweiler zwei oder drei oder acht möglich wurde. Das ist völlig normal. Unser Grundgesetz schreibt das so vor!

Szenarium zwei: Deutschland beschließt Sanktionen gegen Russland und verhängt deswegen einen Baustopp für NS2. Die Sanktionen dienen dazu, Russland Schmerz zuzufügen. Es wäre völlig widersinnig, wenn Russland in so einem Fall für den Schmerz entschädigt werden müsste, den man ihm zufügen will. Sollten Sanktionen verhängt werden, hätten russische Firmen, die am Bau von NS2 beteiligt waren (das ist ja in erster Linie der Staatskonzern Gazprom...) keinerlei Anspruch auf irgendwelche Entschädigungen. Denn: Sanktionen sollen ja schließlich weh tun!

Ich persönlich gehe davon aus, dass beteiligte deutsche Unternehmen, die in gutem Glauben an die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigungen mitgemacht haben, in so einem Fall selbstverständlich einen Anspruch auf Entschädigung hätten. Die haben ja nichts falsch gemacht. Denen kann man ja gar nichts vorwerfen. Mögliche Sanktionen Deutschlands richten sich ja gegen Russland und nicht gegen deutsche Unternehmen.


Naja, was heißt schon "gigantisch". Es kann maximal um ungefähr zehn Milliarden Euro gehen. Das würde der deutsche Steuerzahler auf der linken Arschbacke abreiten. Und so hoch wäre der Preis auch gar nicht. Der Löwenanteil der "Kosten" würde im Falle von sanktionsbedingtem Baustopp an Gazprom hängenbleiben. Gazprom gehört Putin! DER müsste zahlen und würde aus Deutschland keinen Cent kriegen!


Genau da liegt der Knackpunkt. Solche Verträge werden geschlossen, damit alle Beteiligten die Sicherheit haben, dass sie über die vereinbarte Laufzeit auf ihre Kosten kommen. Deshalb gilt: Pacta sunt servanda. Wer aus dem Vertrag aussteigt, muss die Kosten tragen. Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen. Außer wenn es um Sanktionen geht!
O.k. aus deinem gesamen, übrigens gut und schlüssig und gut erklärend geschriebenen Beitrag geht hervor: Will oder soll man das Ende von NS2 als normalen politischen Willens- und Beschlussakt oder als eine angezettelte feindliche Aktion gestalten. Als einen kleinen Wirtschaftskrieg. Das Problem wird wahrscheinlich sein, dass Wirtschaftskriege nicht zu gewinnen sind. Bzw. dass angezettelte Wirtschaftskriege am Ende immer auch die Anzetteler treffen.

Dass wir auch mit Russland in einer global verflochtenen Welt leben, kann man u.a. bei jedem Bundesligaspiel von Schalke 04 sehen. Das ist - ganz offensichtlich! - gesellschaftlich so gewollt.

Mindestens eins der Widerspruchskerne, um es mal so zu formulieren, besteht auch darin, dass Politik in demokratischen Staaten in Wahlzyklen stattfindet. Dass aber Projekte wie NS2 vom Zeithorizont her grundsätzlich längerfristiger angelegt sind.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Kohlhaas
Beiträge: 13677
Registriert: So 24. Feb 2019, 19:47

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Kohlhaas »

schokoschendrezki hat geschrieben:(30 Apr 2021, 14:18)

O.k. aus deinem gesamen, übrigens gut und schlüssig und gut erklärend geschriebenen Beitrag geht hervor: Will oder soll man das Ende von NS2 als normalen politischen Willens- und Beschlussakt oder als eine angezettelte feindliche Aktion gestalten. Als einen kleinen Wirtschaftskrieg. Das Problem wird wahrscheinlich sein, dass Wirtschaftskriege nicht zu gewinnen sind. Bzw. dass angezettelte Wirtschaftskriege am Ende immer auch die Anzetteler treffen.

Dass wir auch mit Russland in einer global verflochtenen Welt leben, kann man u.a. bei jedem Bundesligaspiel von Schalke 04 sehen. Das ist - ganz offensichtlich! - gesellschaftlich so gewollt.

Mindestens eins der Widerspruchskerne, um es mal so zu formulieren, besteht auch darin, dass Politik in demokratischen Staaten in Wahlzyklen stattfindet. Dass aber Projekte wie NS2 vom Zeithorizont her grundsätzlich längerfristiger angelegt sind.
Danke für die Blumen.

Ich bin übrigens im Ruhrpott aufgewachsen. Bin Schalkefan, trotz Gazprom und trotz der gegenwärtigen "sportlichen Lage"... ;-)

Du hast vollkommen Recht. Niemand will einen Wirtschaftskrieg. Insbesondere Deutschland war immer bemüht, Entspannung im Verhältnis zu Russland zu erreichen. Wandel durch Handel, lautete das Motto. Deutschland hat noch so ziemlich die besten Drähte nach Moskau. Grundsätzlich finde ich diese Politik auch absolut richtig. Ich meine sogar, dass das Verhältnis zu Russland möglichst noch verbessert werden sollte. Dazu wird man sogar Probleme wie Krim und Ostukraine zwangsläufig aus dem Mittelpunkt rücken müssen. Die bleiben natürlich auf der Tagesordnung, aber die dürfen die Beziehungen nicht mehr prägen. Meine Meinung!

Aus den genannten Gründen bin ich auch dagegen, sich jetzt den US-Forderungen zu beugen und NS2 zu stoppen. Deutschland wird durch die Pipeline nicht abhängig von Russland. Wenn überhaupt, wird Russland dadurch mindestens genauso abhängig von Deutschland. Das ist gut so. Wenn zwei Parteien gewinnbringend Handel miteinander treiben, sind sie weniger geneigt aufeinander einzuschlagen. Und Deutsche und Russen haben ja nun weißgott genug aufeinander eingeschlagen.

Allerdings füge ich hinzu: Russland verhält sich seit einigen Jahren tatsächlich ausgeprägt feindselig. Insbesondere auch Deutschland gegenüber! Das dürfen wir nicht auf Dauer tolerieren. Beim jetzigen Stand der Dinge würde ich noch keinen "Wirtschaftskrieg" vom Zaun brechen. Aber wenn Putin sich jetzt nicht langsam mäßigt, sondern so weitermacht, dann muss man ihm Grenzen aufzeigen. Da ist NS2 ein vortreffliches Mittel. Diese Pipeline wird sowieso nie rentabel sein, aber sie wird dem Kreml ein bisschen Geld in die Kassen spülen. Diesen Geldfluss abzusperren, würde dem Zaren so richtig weh tun. Diese "Waffe" sollte Deutschland jetzt mal deutlich sichtbar scharf machen.

Mein Fazit: NS2 wird fertig gebaut. Ein Baustopp kommt nur in Betracht, wenn Russland weitere Untaten begeht, die Sanktionen erlauben bzw. erfordern. Auch wenn es energie- und umweltpolitisch sinnvoll wäre, niemals Gas durch diese Pipeline zu pumpen...
Slava Ukraini
Benutzeravatar
Teeernte
Beiträge: 32036
Registriert: Do 11. Sep 2014, 18:55
user title: Bedenkenträger

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Teeernte »

....Afd Propaganda oder Information ???

Wer kann helfen ?
Laut Herdt müsste Deutschland im Falle eines Abbruchs des Baus von Nord Stream 2 Geldbußen in Höhe von 12 Milliarden Euro zahlen und nach einer Möglichkeit suchen, das "Energiedefizit" zu decken. An dieser Stelle ist anzumerken, dass im September etwa 10 Mrd. EUR erwähnt wurden, sodass der Betrag mit beeindruckender Geschwindigkeit wächst.
...isss nicht vonner AfD Seite....
Obs zu kalt, zu warm, zu trocken oder zu nass ist:.... Es immer der >>menschgemachte<< Klimawandel. :D
Kohlhaas
Beiträge: 13677
Registriert: So 24. Feb 2019, 19:47

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von Kohlhaas »

Nachklatsch zu meiner weiter oben geäußerten Meinung, dass Deutschland langsam mal glaubwürdig mit einem Baustopp für NS2 drohen sollte:

Peter Beyer (CDU), Transaltlantik-Koordinator der Bundesregierung, hat sich für einen vorläufigen Baustopp für die Pipeline ausgesprochen. Hintergrund dafür: Beyer will den Streitpunkt NS2 erstmal abräumen, um sich mit den USA über eine gemeinsame Russlandpolitik verständigen zu können.

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ ... -1.5280497

@schokoschendrezki: Das wäre dann ein mögliches "drittes Szenario". Man beschließt so einen vorläufigen Baustopp, verzögert das ganze Projekt auf diese Weise, hat aber noch nichts getan was Entschädigungen nötig machen würde. Man hat erstmal nur mit einem "empfindlichen Übel" gedroht. Das meinte ich, als ich geschrieben habe, dass NS2 aus deutscher Sicht eine Art Waffe ist, mit der man Russland drohen kann. Das meinte ich, als ich geschrieben habe, dass diese Waffe langsam mal sichtbar scharf gemacht werden sollte. Mir scheint, dass die CDU zunehmend bereit ist, Russland zu drohen. Diese Linie würde mir gefallen. Sie wäre besonders dann begrüßenswert, wenn sie mit "Gesprächsangeboten" an Russland verbunden würde. Wir wollen ja den Konflikt entschärfen und nicht noch weiter anzeizen.
Slava Ukraini
Benutzeravatar
DarkLightbringer
Beiträge: 48077
Registriert: Mo 19. Dez 2011, 16:49
user title: Vive la Liberté !

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von DarkLightbringer »

Teeernte hat geschrieben:(30 Apr 2021, 17:34)

....Afd Propaganda oder Information ???

Wer kann helfen ?

...isss nicht vonner AfD Seite....
Waldemar Herdt? Der ist doch von der AfD.
>>We’ll always have Paris<<
[Humphrey Bogart als Rick Blaine in >Casablanca<, 1942]
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Blickwinkel zu Nord Stream 2 EU und Alternativen

Beitrag von schokoschendrezki »

Kohlhaas hat geschrieben:(30 Apr 2021, 15:37)

Danke für die Blumen.

Ich bin übrigens im Ruhrpott aufgewachsen. Bin Schalkefan, trotz Gazprom und trotz der gegenwärtigen "sportlichen Lage"... ;-)

Du hast vollkommen Recht. Niemand will einen Wirtschaftskrieg. Insbesondere Deutschland war immer bemüht, Entspannung im Verhältnis zu Russland zu erreichen. Wandel durch Handel, lautete das Motto. Deutschland hat noch so ziemlich die besten Drähte nach Moskau. Grundsätzlich finde ich diese Politik auch absolut richtig. Ich meine sogar, dass das Verhältnis zu Russland möglichst noch verbessert werden sollte. Dazu wird man sogar Probleme wie Krim und Ostukraine zwangsläufig aus dem Mittelpunkt rücken müssen. Die bleiben natürlich auf der Tagesordnung, aber die dürfen die Beziehungen nicht mehr prägen. Meine Meinung!
Deutschland hat dank Merkel gute, ja sogar exklusive Wirtschaftsbeziehungen sowohl zu Russland wie auch zu seinem volumenmäßig größten Handelspartner China. Das führt dazu, dass man in Moskau und Peking der Meinung ist, man müsse quasi nur in Berlin anrufen, um mit Hilfe der mächtigen deutschen Kanzlerin etwas in der EU zu erreichen. So ungefähr lautete ein aktueller Kommentar, den ich grad eben hörte. Ja. Und so gehts eben nicht. Das sehe ich auch so.
Aus den genannten Gründen bin ich auch dagegen, sich jetzt den US-Forderungen zu beugen und NS2 zu stoppen. Deutschland wird durch die Pipeline nicht abhängig von Russland. Wenn überhaupt, wird Russland dadurch mindestens genauso abhängig von Deutschland. Das ist gut so. Wenn zwei Parteien gewinnbringend Handel miteinander treiben, sind sie weniger geneigt aufeinander einzuschlagen. Und Deutsche und Russen haben ja nun weißgott genug aufeinander eingeschlagen.

Allerdings füge ich hinzu: Russland verhält sich seit einigen Jahren tatsächlich ausgeprägt feindselig. Insbesondere auch Deutschland gegenüber! Das dürfen wir nicht auf Dauer tolerieren. Beim jetzigen Stand der Dinge würde ich noch keinen "Wirtschaftskrieg" vom Zaun brechen. Aber wenn Putin sich jetzt nicht langsam mäßigt, sondern so weitermacht, dann muss man ihm Grenzen aufzeigen. Da ist NS2 ein vortreffliches Mittel. Diese Pipeline wird sowieso nie rentabel sein, aber sie wird dem Kreml ein bisschen Geld in die Kassen spülen. Diesen Geldfluss abzusperren, würde dem Zaren so richtig weh tun. Diese "Waffe" sollte Deutschland jetzt mal deutlich sichtbar scharf machen.

Mein Fazit: NS2 wird fertig gebaut. Ein Baustopp kommt nur in Betracht, wenn Russland weitere Untaten begeht, die Sanktionen erlauben bzw. erfordern. Auch wenn es energie- und umweltpolitisch sinnvoll wäre, niemals Gas durch diese Pipeline zu pumpen...
Also rein vom gesunden Menschenverstand her sehe ich das auch so. Man baut keine teure aufwändige technische Anlage und lässt sie dann einfach liegen oder nutzt sie als Freizeitpark wie den "schnellen Brüter" in Kalkar. Auch wenn ich nicht genau weiß, was "betriebsbereit" in Hinsicht auf NS2 heißt ... ich wäre dafür, die Anlage bis zur technischen Betriebsbereitschaft auf jeden Fall fertig zu bauen. Auch gegen den Willen der USA. Und dann die Verhandlungen zu den Lieferverträgen (wenn die denn überhaupt noch irgendwie offen sind) zu nutzen, um politischen Druck auszuüben.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Antworten