H2O hat geschrieben:(04 Aug 2020, 19:57)Sie wissen so gut wie ich, daß das "verteilte Geld" entweder unser eigenes ist oder bei Nettoempfängern eben auch unsers und das anderer Nettozahler..
So einfach ist das eben nicht! Wollen Sie behaupten, Sie wüssten wirklich wie die Gewinne, die "zu versteuerenden Gewinne" und damit auch Staatsgelder und verteilbare Nettogelder bei einem internationalen Unternehmen wie VW
wirklich zustande kommen? Meines Wissens hat im Falle von Ikea ein internationales Forscherteam sich der Beantwortung dieser Frage gewidmet und nach einigen Jahren aufgegeben. Und meines Wissens gibt es eine sehr rührige EU-Poltikerin, die sich seit Jahren um die geradezu ungeheuerlichen Verzerrungen bei der Steuerpolitik von Unternehmen wie Google, Facebook oder Apple in Irland kümmert. Das glauben Sie, wirklich zu durchschauen?
In Ungarn, der Slowakei, Tschechien wird - zum Beispiel - in der Autoindustrie geschraubt und exportiert was das Zeug hält. Und da profitieren ausgerechnet die Ungarn mit 700, 800 Euro Monatsgehalt?
Es gibt diesen absurden Coup von Orbán, dass er in seinem Heimatort mit EU-Geldern eine Parkeisenbahn zum lokalen Fußballspielplatz bauen ließ. Glauben Sie, dass der das irgendwie im Geheimen, irgendwie mit "Angst vor Entdeckung" tat? Ich übersetze dieses Ding mal vom Ungarischen ins Deutsche. In einem Satz: "Ihr könnt mich mal!" "Ich habe nämlich die richtigen Freunde am richtigen Ort." Und so ist es. Leider! Und jeder, der sich mal mit Populismus und den Mechanismen populistischer Politik befasst hat, weiß: Das kommt an beim Publikum!
Es bleibt eine Frage übrig: Die einmalig guten Produktions- und Entwicklungsbedingungen in einem Land wie Ungarn oder der Slowakei: Die zentrale Lage in Mitteleuropa. Der hervorragende Stand und das Ansehen der Ingenieurausbildung. Die ganze historische Industrie-Tradition in diesem Raum zwischen Krakau, Prag, Budapest und Bratislava ... würden an und für sich ein ganz anderes als das reale momentane Einkommen der Beschäftigten rechtfertigen. Ich würd mal ganz grob schätzen: Das von Südkorea. Wie bringt ein Mann wie Orbán es seinen Landsleuten bei, dass sie bei dem bleiben, wo sie sind? Ich sags Ihnen: Indem er ihnen morgens, mittags und abends erzählt, dass sie endlich wieder stolz darauf sein dürfen, "Ungarn zu sein". Dass es nicht auf Gehaltserhöhungen ankomme sondern darauf, "die Schmach von Trianon" zu tilgen und endlich die Ungarn in Rumänien, der Ukraine, der Slowakei von ihrem Joch zu befreien und sie heim ins Reich zu holen. Und diese Dummköpfe glauben es ihm und sind ganz berauscht von diesem schönen Gefühl, endlich wieder Ungarn sein zu dürfen und Schmalzbrot zu essen. Und die zweite Ablenkung besteht darin, es den Intellektuellen und Künstlern und Journalisten zu geben.
Eine ganz andere Frage nochmal ist die der Euro-Enthaltung. Forint, Zloty, Kronen lassen sich abwerten und werden auch abgewertet. Ich bin kein Ökonom. Aber soviel ist mir auch klar: Anders als etwa in Griechenland, kann man damit ganz anders, viel souveräner an den volkswirtschaftlichen Hebeln drehen.
Diesen ganz seltsam verdrucksten und merkwürdigen Kaczynski kann ich nicht beurteilen. Orbán jedenfalls ist ein weltoffener, kluger Mensch. Spricht hervorragend Englisch, hat in Oxford studiert, kann kommunizieren und weiß zu jeder Zeit, mit wem es sich lohnt zu kommunizieren und mit wem nicht. Das ergibt dieses höhnisch-selbstbewusste Grinsen. An Ungarn als Fußball-Nation glaubt er wahrscheinlich wirklich. Dieser ganze sonstige Nationalquatsch ... dürfte zumindest vorrangig nur Mittel zum Zweck sein.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)