Parlamentswahl in Polen

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sünnerklaas
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von sünnerklaas »

Mendoza hat geschrieben:(26 Jul 2021, 23:39)

Nach aktuellem EU-Recht ist der dauerhafte Ausschluss eines Landes gar nicht möglich. Du kannst die Mitgliedschaft suspendieren und das Land sanktionieren - mehr nicht. Ein Austritt muss freiwillig sein.
Wobei m.W. dafür kein Referendum in dem betreffenden Land notwendig ist. Die Regierungen das mit Parlamentsmehrheit beschließen.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von Haegar »

Theophan hat geschrieben:(26 Jul 2021, 20:56)

Dazu gibt es überhaupt keinen Grund. Sowohl die überwiegende Mehrheit der Polen als auch die Regierung befürworten die EU Mitgliedeschaft.
Das Problem besteht darin, dass die EU Kommission ihre Kompetenzen eigenmächtig überschreitet und sich in die Angelegenheiten einmischt, für die sie nicht
zuständig ist, womit sie gegen die EU Verträge verstößt.
Sogar in Deutschland vermutet manch einer, dass die EU Kommission heimlich still und leise
eine Föderalisierung betreibt.

"Andreas Voßkuhle, bis 2020 Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hat mit Mutmaßungen über angebliche verdeckte Zentralisierungspläne von EU-Kommission und Europäischem Gerichtshof (EuGH) scharfe Kritik geerntet. In einer Diskussion am 29. Juni hatte er behauptet, die Kommission wolle „auf kaltem Wege“ in Europa „den Bundesstaat“ anstelle des jetzigen loseren Staatenverbundes einführen."

"Voßkuhle hat bei der Diskussion im Juni außerdem von „kollusivem Zusammenwirken“ zwischen den EU-Institutionen und dem EuGH gewarnt . „Kollusion“ ist in der Juristensprache eine unerlaubte Zusammenarbeit zum Schaden Dritter. "

https://www.faz.net/aktuell/politik/aus ... 30454.html
https://www.politik-forum.eu/viewforum.php?f=6

Kollusion ist der neue Zündsatz in der Kritik Voßkuhles an dem Fortschreiten der Integration der EU in einen föderalen europäischen Staat über den Vertrag von Lissabon. Und alle Feinde der Integration zitieren diesen Satz, den Voßkuhle seit mehr als 10 Jahren (ab jetzt wird es persönlich)wohl aus Angst um seine Macht als Präsident des BVerfG von sich gibt. Und er hat Recht, denn er sieht, dass die Verträge genau das Bezwecken: die europäische Integration auch im rechtlichen Rahmen fertig zu entwickeln.
Und dabei sollte er doch bei dem Kampfbegriff "Kollusion" erklären können, wer denn bei diesem rechtlich korrektem Verhalten von ebenso rechtlich gebundenen Institutionen der Geschädigte sein soll ?
Vor allem wo denn der Schaden liegen soll...
Dabei hat er den alten Grundsatz missachtet: Verteidige Dich nie selbst !
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von sünnerklaas »

H2O hat geschrieben:(27 Jul 2021, 06:47)

Das ist leider nur ein Teil der Wahrheit; der Grundsatz "Einstimmigkeit" bei Stimmrechtsentzug ist der nächste Stolperstein. Dazu haben Polen und Ungarn ein Trutzbündnis gegen die böse EU geschlossen. Von der Futterkrippe abdrängen lassen sich diese "Europäer" auch nicht ohne ein Riesentheater zu veranstalten. Ich bin gespannt, wie die EU-Kommission Urteile des EuGH nutzen wird, um Mittelzuflüsse aus der EU in diese Länder ab zu schneiden.
Beide Regierungen pflegen die Opferrolle. Beide Länder würden arge Probleme bekommen - Ungarn als potenzieller Kandidat für den Staatsbankrott noch mehr, als Polen. Beide Länder leben von der Geschichte als Opfernationen. Für Polen sind Russland und Deutschland das direkte Trauma, die Franzosen und Briten das indirekte - beide Länder haben Polen und auch Ungarn stets im Zweifelsfall im Stich gelassen. Für Ungarn sind Russen und Türken das nationale Trauma.
Das osteuropäische Drama wird dann sichtbar, wenn man erlebt, dass sich die EU für diese Länder ebenfalls als Trauma herausstellt. Man teilt die Werte der Westeuropäer nicht. Man ist der EU aus opportunistischen Gründen beigetreten.
Und ähnliches erlebe ich auch bei einer Reihe von Leuten aus den ostdeutschen Bundesländern. Geblieben ist große Enttäuschung, es gilt die Erzählung, wenn man 1990 gewusst hätte, was Wessis und Westeuropäer für Leute wären, wäre man doch lieber eigene Wege gegangen. Nur: dann hätte des eben keine D-Mark (West) gegeben. Die hatte man gesehen - und die Möglichkeit, zu reisen.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von H2O »

sünnerklaas hat geschrieben:(27 Jul 2021, 15:03)

Beide Regierungen pflegen die Opferrolle.(...)
Ja, das sollen sie dann auch auf eigene Verantwortung tun... und den Rest der Gemeinschaft nicht mehr länger nerven. Ich habe das Gefühl, daß diese Leute sich erst beim Nöhlen so richtig wohlfühlen.

Es ist ja richtig, was der Teilnehmer Theophan sagte: Die Mehrheit der Polen findet die EU ganz in Ordnung... nicht nur, weil es dort Leistungen gibt, die sie nicht selbst erarbeiten müssen, sondern eben diese Freiheit, sich eine besser bezahlte Arbeit im Westen suchen zu können, den wachsenden Wohlstand, die offenen Grenzen. Die Kaczyński-Partei PiS würde die nächste Wahl nicht überstehen und eine Art Bürgerkrieg anzetteln, wenn sie sich aus eigenem Entschluß von der EU absetzte.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von sünnerklaas »

H2O hat geschrieben:(27 Jul 2021, 22:35)

Ja, das sollen sie dann auch auf eigene Verantwortung tun... und den Rest der Gemeinschaft nicht mehr länger nerven. Ich habe das Gefühl, daß diese Leute sich erst beim Nöhlen so richtig wohlfühlen.

Es ist ja richtig, was der Teilnehmer Theophan sagte: Die Mehrheit der Polen findet die EU ganz in Ordnung... nicht nur, weil es dort Leistungen gibt, die sie nicht selbst erarbeiten müssen, sondern eben diese Freiheit, sich eine besser bezahlte Arbeit im Westen suchen zu können, den wachsenden Wohlstand, die offenen Grenzen. Die Kaczyński-Partei PiS würde die nächste Wahl nicht überstehen und eine Art Bürgerkrieg anzetteln, wenn sie sich aus eigenem Entschluß von der EU absetzte.
Trump hat für die PiS eine Vorlage geliefert. Kaczysnki wird im Zweifelsfall den ganz großen Ärger suchen. Er weiß Zentralpolen - mit Ausnahme Warschaus - und die Karpatenregionen hinter sich.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von H2O »

sünnerklaas hat geschrieben:(27 Jul 2021, 23:51)

Trump hat für die PiS eine Vorlage geliefert. Kaczysnki wird im Zweifelsfall den ganz großen Ärger suchen. Er weiß Zentralpolen - mit Ausnahme Warschaus - und die Karpatenregionen hinter sich.
So eindeutig ist das Bild aber nicht. Nur finden in Polen Parlamentswahlen erst in 2023 statt, und ein Sturz der zerstrittenen Regierungskoalition ist wegen der Zerstrittenheit der Opposition nicht zu erwarten. Das Spiel müssen die polnischen Wähler entscheiden. Da kommt viel zusammen: Das zerrüttete Verhältnis zur EU, die Teuerung, Frauenrechte (sehr scharfe Regeln zu Schwangerschaftsabbrüchen), Geschaft'lhubereien.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von Niklas »

H2O hat geschrieben:(28 Jul 2021, 06:24)

Das zerrüttete Verhältnis zur EU
Ich würde sagen: das widerliche Verhalten der EU-Diktatomentoren gegenüber Polen.
Aber Polen ist ein europäisches Land, ob mit der EU oder ohne. Und das Polnische Volk ist ein europäisches Volk.
Und die polnische Nationalhymne - "Jeszcze Polska nie zginęła" - bleibt offensichtlich nach wie vor aktuell.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von H2O »

Niklas hat geschrieben:(03 Aug 2021, 18:59)

Ich würde sagen: das widerliche Verhalten der EU-Diktatomentoren gegenüber Polen.
Aber Polen ist ein europäisches Land, ob mit der EU oder ohne. Und das Polnische Volk ist ein europäisches Volk.
Und die polnische Nationalhymne - "Jeszcze Polska nie zginęła" - bleibt offensichtlich nach wie vor aktuell.
Das sehe ich völlig anders. In Polen bemüht sich eine national-klerikale Regierung darum, die sich stetig vertiefende Weiterentwicklung der EU gemäß eingegangener Verträge zu vereiteln und anstelle dessen eine Art "Europa der unabhängigen Vaterländer" zu erreichen.

Das gipfelt in Ausrufen der Rechten wie "Hier ist Polen, und nicht die Union!" und dem Entfernen der EU-Flagge.

Zugleich versucht diese Regierung, die Meinungs- und Pressefreiheit, die Menschenrechte, Frauenrechte auf europäischem Standard wieder in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zurück zu führen. Wenn Polen diese Politik beibehält, dann sollten alle Wohltaten eingestellt werden, mit denen die erfolgreicheren Mitgliedsstaaten dafür sorgen wollten, daß überall in der EU vergleichbare Lebensverhältnisse und Lebenschancen geschaffen werden, so wie das in einem ordentlich aufgebauten Bundesstaat versucht wird.

Das ist den Polen inzwischen offenbar auch sehr bewußt geworden. Man muß dazu nur regelmäßig Beiträge und Leserkommentare in der Gazeta Wyborcza bewerten. Ja, noch ist Polen nicht verloren!
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von H2O »

Die EU-Kommission hat Polen eine Frist bis zum 16. August 2021 gesetzt, die staatliche Gewaltenteilung und die Rechtsstaatlichkeit wieder her zu stellen. Andernfalls werden die für Polen eingeplanten Mittel aus EU-Anleihen und aus Beiträgen der Nettozahler vorläufig eingefroren.

Das sind insgesamt 178 Mrd EUR für regionale Entwicklung und den Wiederaufbau der durch die Pandemie beschädigten Wirtschaft. Polens Beitragszahlungen zur EU betragen 50 Mrd EUR... es wird ein Verlust von 128 Mrd EUR zu schultern sein. Das hat Parteien und Regierung zum Einlenken bewegt. PM Morawiecki will die "Disziplinarkammer" abschaffen, mit deren Hilfe Richter und höhere Beamte ihres Amts enthoben werden können. Noch wird darüber aber heftig gestritten. Man darf gespannt sein, ob die polnische Regierung den mutwilig vom Zaun gebrochenen Streit mit der EU-Kommission abbläst oder sie doch noch weiter auf Kollisionskurs bleibt!

Heute so in der Gazeta Wyborcza zu lesen. Als überzeugter Europäer hoffe ich darauf, daß in der polnischen Regierung die Vernunft siegt und man sich zu guter Zusammenarbeit mit der EU durchringt!
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von Niklas »

Es war auch zu erwarten, dass die volksfeindliche EU-Diktatur auf die Ungehorsamkeit mit einem ökonomischen bzw. finanziellen Würgegriff reagieren wird.

Noch ist Polen nicht verloren. Noch bleibt Polen polnisch. Noch werden in Polen polnische Kinder geboren. Noch.

https://i.postimg.cc/qBjC8qsv/LUPILU-Pi ... -sztuk.jpg
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von H2O »

Niklas hat geschrieben:(04 Aug 2021, 17:35)

Noch werden in Polen polnische Kinder geboren.
Die Polinnen scheinen aber nicht so recht aufgelegt, sich mit Nachwuchs zu belasten. Kein Wunder bei der Gängelung durch den konservativ-klerikalen Staat, der Frauen zwingen will, Kinder mit schwersten Schädigungen aus zu tragen. Die zugehörigen Demonstrationen sind Ihnen offenbar entgangen.
https://de.statista.com/statistik/daten ... n-europas/

Finanzieller Würgegriff... tolle Erfindung dafür, daß die EU vertragstreuen Mitgliedern Mittel zur Verfügung stellt, die natürlicherweise auf ein eng verflochtenes Staatengebilde nach Art eines europäischen Bundesstaats hinwirken sollen. Was auch für die Gemeinschaftswährung EURO gilt. Wer das nicht will, der soll auf diese Mittel pfeifen und die EU verlassen... so wie die Briten das für sinnvoll hielten. Ist doch auch besser so als ein andauernder Streit um geschlossene Verträge und das Verhindern der vertieften Zusammenarbeit in der EU!

Allerdings bin ich davon überzeugt, daß die Mehrheit der Polen sich durchaus als Unionsbürger empfindet, und daß sie Polen als Teil der europäischen Völkerfamilie empfinden. Wird man in 2023 sehen, wenn in Polen wieder Parlamentswahlen stattfinden und sich europafreundliche Gruppierungen zur Wahl stellen. Hier ist die EU, und Polen ist ein wichtiges Mitglied in dieser EU. Die Vernunft wird sich in Polen hoffentlich durchsetzen! In dem Sinne: Noch ist Polen nicht verloren! :)
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von sünnerklaas »

H2O hat geschrieben:(05 Aug 2021, 08:45)

Die Polinnen scheinen aber nicht so recht aufgelegt, sich mit Nachwuchs zu belasten. Kein Wunder bei der Gängelung durch den konservativ-klerikalen Staat, der Frauen zwingen will, Kinder mit schwersten Schädigungen aus zu tragen. Die zugehörigen Demonstrationen sind Ihnen offenbar entgangen.
https://de.statista.com/statistik/daten ... n-europas/

Finanzieller Würgegriff... tolle Erfindung dafür, daß die EU vertragstreuen Mitgliedern Mittel zur Verfügung stellt, die natürlicherweise auf ein eng verflochtenes Staatengebilde nach Art eines europäischen Bundesstaats hinwirken sollen. Was auch für die Gemeinschaftswährung EURO gilt. Wer das nicht will, der soll auf diese Mittel pfeifen und die EU verlassen... so wie die Briten das für sinnvoll hielten. Ist doch auch besser so als ein andauernder Streit um geschlossene Verträge und das Verhindern der vertieften Zusammenarbeit in der EU!

Allerdings bin ich davon überzeugt, daß die Mehrheit der Polen sich durchaus als Unionsbürger empfindet, und daß sie Polen als Teil der europäischen Völkerfamilie empfinden. Wird man in 2023 sehen, wenn in Polen wieder Parlamentswahlen stattfinden und sich europafreundliche Gruppierungen zur Wahl stellen. Hier ist die EU, und Polen ist ein wichtiges Mitglied in dieser EU. Die Vernunft wird sich in Polen hoffentlich durchsetzen! In dem Sinne: Noch ist Polen nicht verloren! :)
Im Streit um die Justizreform und den damit verbundenen Disziplinarkammern mit der EU lenkt die polnische Regierung teilweise ein. (Quelle).
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von H2O »

sünnerklaas hat geschrieben:(08 Aug 2021, 22:00)

Im Streit um die Justizreform und den damit verbundenen Disziplinarkammern mit der EU lenkt die polnische Regierung teilweise ein. (Quelle).
Der Prozeß ist noch nicht abgeschlossen. Vor allem sind mir solche Panikhandlungen einer Regierung viel zu wenig durch das Parlament mitbestimmt worden. Immerhin ein Anfang. Die EU hat aber eine gründliche Überprüfung des polnischen Regierungsbeschlusses zugesagt... schrieb die Gazeta Wyborcza vor einigen Tagen Mal sehen, was der ziemlich vergrellte Justizminister Ziobro damit anfängt.

Noch ist die polnische Opposition viel zu zerstritten, um die verzankte Regierung Kaczyński/Morawiecki aus dem Sattel heben zu können. Darüber wird vermutlich erst der polnische Wähler im Oktober 2023 befinden. Herr Tusk hat nach seinem Ausflug in die EU-Ratspräsidentschaft reichlich Zeit, eine wählbare Gegenbewegung zu gestalten.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von sünnerklaas »

H2O hat geschrieben:(09 Aug 2021, 07:57)

Der Prozeß ist noch nicht abgeschlossen. Vor allem sind mir solche Panikhandlungen einer Regierung viel zu wenig durch das Parlament mitbestimmt worden. Immerhin ein Anfang. Die EU hat aber eine gründliche Überprüfung des polnischen Regierungsbeschlusses zugesagt... schrieb die Gazeta Wyborcza vor einigen Tagen Mal sehen, was der ziemlich vergrellte Justizminister Ziobro damit anfängt.

Noch ist die polnische Opposition viel zu zerstritten, um die verzankte Regierung Kaczyński/Morawiecki aus dem Sattel heben zu können. Darüber wird vermutlich erst der polnische Wähler im Oktober 2023 befinden. Herr Tusk hat nach seinem Ausflug in die EU-Ratspräsidentschaft reichlich Zeit, eine wählbare Gegenbewegung zu gestalten.
Kaczynski hat Grund, richtg in Panik zu geraten. Er weiß ganz genau, welche Konsequenzen ein stures Beibehalten an der Justizreform haben würde. Das land ist von den EU-Geldern abhängig - und zwar ganz besonders die Regionen, in denen PiS &Co. ihre Kernwählerschaft haben. Die würde ein Streichen der Mittel richtig hart treffen.

Hinzu kommt: Im schlimmsten Fall würde er das Land zwar dann aus der ihm und den Klerikern zutiefst verhassten EU führen, gleichzeitig aber damit Polen ungewollt den Russen ausliefern. Damit wäre ein weiteres Kapitel der polnischen Tragödie damit aufgeschlagen - und dieses Mal wäre Polen dank der Kleriker selber schuld, es wäre politischer Selbstmord begangen worden.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von H2O »

...aber damit Polen ungewollt den Russen ausliefern.
So schlimm würde das dann sicher auch nicht. Polen wäre dann ein Pufferstaat zwischen dem Russischen Imperium und der EU... die nach national-polnischer Lesart ein Wiedergänger Großdeutschlands wäre. Von der Wiederauferstehung des Karolingerreichs habe ich auch schon geträumt... Als NATO-Mitglied hätte Polen... anders als die Ukraine... aber keinen Einmarsch russischer Truppen zu fürchten, und das Land hat kaum völkische Minderheiten, die mit einer russischen Machtbeteiligung liebäugeln. Da wären unsere Balten schon übler dran... aber die denken ja auch nicht im Traum daran, aus der EU aus zu treten.

Völlig klar aber: Eine kontrollierte Grenze mit Zoll- und Personenkontrolle würde Polen in die Jahre vor dem EU-Beitritt zurück werfen. Dann droht ein Volksaufstand; da bin ich mir ziemlich sicher. Man stelle sich vor, daß die für viele Familien mögliche Auslandsarbeit, also Niederlassung und Arbeitserlaubnis im Binnenmarkt der EU, entfällt, daß Lieferketten verlagert werden, also auch das Inland keine guten Arbeitsplätze anbieten kann. In dem Fall erwarte ich hunderttausendfach Anträge auf Einbürgerung polnischer Staatsbürger, die in Deutschland leben und arbeiten. Fleißige und ordentliche Menschen, die an das Wohl ihrer Kinder denken! Herzlich willkommen in Deutschland!

Ich kenne Polen seit 2008, und ich freue mich sehr über die Aufwärtsentwicklung im Lande. In voller Fahrt den Rückwärtsgang einlegen wollen, das ist doch ein unverzeihlicher Fehler! Einstweilen hoffe ich auf eine polnische Regierung, die das europäische Projekt ohne Wenn und Aber fördert. Ich drücke deshalb Herrn Donald Tusk die Daumen für die Parlamentswahlen im Oktober 2023.

Eine Leserzuschrift in der Gazeta Wyborcza zum Thema "Der deutsche Nachbarstaat" hat mich sehr angerührt. Sinngemäß sagte der Verfasser der Zuschrift: "Wir haben heute das freundlichste Deutschland aller Zeiten; nutzen wir diese wunderbare Gelegenheit!"
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von lili »

Regierungskoalition in Polen zerbricht

https://www.msn.com/de-de/nachrichten/p ... np1taskbar

Der Koalitionspartner von der nationalkonservativen Partei PiS verlässt das Bündnis.

Der Streit bezieht sich auf das neue Rundfunkgesetz und es interessant wie es mit der Politik dort weitergeht.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von sünnerklaas »

H2O hat geschrieben:(09 Aug 2021, 13:10)

So schlimm würde das dann sicher auch nicht. Polen wäre dann ein Pufferstaat zwischen dem Russischen Imperium und der EU... die nach national-polnischer Lesart ein Wiedergänger Großdeutschlands wäre. Von der Wiederauferstehung des Karolingerreichs habe ich auch schon geträumt... Als NATO-Mitglied hätte Polen... anders als die Ukraine... aber keinen Einmarsch russischer Truppen zu fürchten, und das Land hat kaum völkische Minderheiten, die mit einer russischen Machtbeteiligung liebäugeln. Da wären unsere Balten schon übler dran... aber die denken ja auch nicht im Traum daran, aus der EU aus zu treten.
Kaczynski traue ich zu, dass der das in seiner Wut und seiner Rachlust auch noch hinbekäme, Polen ungewollt aus der NATO auszutreten. Da reicht nur einmal tiefes Beleidigtsein.

Völlig klar aber: Eine kontrollierte Grenze mit Zoll- und Personenkontrolle würde Polen in die Jahre vor dem EU-Beitritt zurück werfen. Dann droht ein Volksaufstand; da bin ich mir ziemlich sicher. Man stelle sich vor, daß die für viele Familien mögliche Auslandsarbeit, also Niederlassung und Arbeitserlaubnis im Binnenmarkt der EU, entfällt, daß Lieferketten verlagert werden, also auch das Inland keine guten Arbeitsplätze anbieten kann. In dem Fall erwarte ich hunderttausendfach Anträge auf Einbürgerung polnischer Staatsbürger, die in Deutschland leben und arbeiten. Fleißige und ordentliche Menschen, die an das Wohl ihrer Kinder denken! Herzlich willkommen in Deutschland!
So wird es dann kommen. Und die wären nach dem Polexit für Polen und Kaczynski verloren. Und gerade, was z.B. Patente polnischer Tüftler angeht, hat Polen ja nicht den allerbesten Ruf. Die Tüftler gehen lieber nach Deutschland, Benelux oder Skandinavien und melden dort ihre Patente an. Dort gibt es Rechtssicherheit. Es wird wohl immer ein Rätsel bleiben, wie fahrlässig man in Polen mit seinen Talenten und damit dem eigentlichen Kapital des Landes umgeht - und der Vorwurf richtet sich an alle bisherigen Regierungen - nicht nur an die PiS.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von sünnerklaas »

lili hat geschrieben:(10 Aug 2021, 22:56)

Regierungskoalition in Polen zerbricht

https://www.msn.com/de-de/nachrichten/p ... np1taskbar

Der Koalitionspartner von der nationalkonservativen Partei PiS verlässt das Bündnis.

Der Streit bezieht sich auf das neue Rundfunkgesetz und es interessant wie es mit der Politik dort weitergeht.
Und Kaczynski&Co. bekommen aktuell gerade ganz andere Probleme: der rachlustige und von allen guten Geistern verlassene Lukaschenko schickt Flüchtlinge - an die lettische und an die polnische Grenze.

https://www.zeit.de/politik/ausland/202 ... renzschutz
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von lili »

sünnerklaas hat geschrieben:(11 Aug 2021, 00:10)

Und Kaczynski&Co. bekommen aktuell gerade ganz andere Probleme: der rachlustige und von allen guten Geistern verlassene Lukaschenko schickt Flüchtlinge - an die lettische und an die polnische Grenze.

https://www.zeit.de/politik/ausland/202 ... renzschutz
Das sieht nicht gut aus.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von H2O »

Erschwerend kommt hinzu, daß es in Weißrußland eine polnische Minderheit gibt, die Lukaschenko schuriegeln kann, um in Polen Wutanfälle aus zu lösen.

Da wiederhole ich als in Polen lebender Freund vieler liebenswerter Polen gern die Leserzuschrift in der Gazeta Wyborcza sinngemäß: "Wir erleben das freundlichste Deutschland aller Zeiten. Nutzen wir diese Chance zu vertiefter Zusammenarbeit!"

Die Verbundenheit gibt es doch auch wirklich: 700.000 Polen leben und arbeiten in Deutschland als geachtete und geschätzte fleißige Leute (die Zahlen habe ich vor Wochen aus der offiziellen deutschen Statistik entnommen), die ihren Beitrag zur deutschen Volkswirtschaft leisten... und zugleich Angehörigen in Polen ein besseres Leben ermöglichen.

Wenn wir die gemeinsame Vergangenheit in der preußischen Zeit betrachten und die damalige Binnenwanderung in unsere Industriegebiete, dann dürften Polen die größte Volksgruppe sein, die in unser Volk integriert wurde. Wenn Nationalisten in Polen nun gegen Deutschland stänkern, dann prügeln sie auch auf genau diese Menschen ein. Ein Irrsinn!
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von Kohlhaas »

H2O hat geschrieben:(11 Aug 2021, 06:20)

Erschwerend kommt hinzu, daß es in Weißrußland eine polnische Minderheit gibt, die Lukaschenko schuriegeln kann, um in Polen Wutanfälle aus zu lösen.

Da wiederhole ich als in Polen lebender Freund vieler liebenswerter Polen gern die Leserzuschrift in der Gazeta Wyborcza sinngemäß: "Wir erleben das freundlichste Deutschland aller Zeiten. Nutzen wir diese Chance zu vertiefter Zusammenarbeit!"

Die Verbundenheit gibt es doch auch wirklich: 700.000 Polen leben und arbeiten in Deutschland als geachtete und geschätzte fleißige Leute (die Zahlen habe ich vor Wochen aus der offiziellen deutschen Statistik entnommen), die ihren Beitrag zur deutschen Volkswirtschaft leisten... und zugleich Angehörigen in Polen ein besseres Leben ermöglichen.

Wenn wir die gemeinsame Vergangenheit in der preußischen Zeit betrachten und die damalige Binnenwanderung in unsere Industriegebiete, dann dürften Polen die größte Volksgruppe sein, die in unser Volk integriert wurde. Wenn Nationalisten in Polen nun gegen Deutschland stänkern, dann prügeln sie auch auf genau diese Menschen ein. Ein Irrsinn!
Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Ländern werden zudem auch immer enger. Polen ist inzwischen der fünftwichtigste Handelspartner Deutschlands. Die lange, offene Grenze zur EU zahlt sich aus. Das weiß ja auch die große Mehrheit der Polen. Immer wieder: Nirgendwo ist die Zustimmung zur EU so hoch, wie in Polen. Der Versuch, aus der EU auszutreten, würde vermutlich tatsächlich zu Aufständen führen, auch wenn der Justizminister neulich darüber spekuliert hat.

Aber jetzt sag Du als Kenner der Lage doch mal, wie der jetzige "Bruch" der Regierungskoalition zu bewerten ist. Ist ja nicht das erste Mal, dass PIS die Mehrheit im Parlament verliert. Könnte es diesmal das Ende der schizophrenen Situation sein, dass die Mehrheit der Polen sich als Europäer empfindet, während die Regierung von Nationalisten beherrscht wird? Auch der zweite Koalitionspartner der PIS wankt ja inzwischen, weil jetzt die Justizreform infrage gestellt wird.

Hinzu kommt, dass die beiden umstrittenen Gesetzesvorhaben, die jetzt zum "Bruch" geführt haben, zwangsläufig neuen Ärger mit der EU bringen würden. Wie denkst Du, wird es wohl weitergehen?
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von lili »

Eine Verfassungstragödie, die sich vor allen Augen abspielt

https://www.msn.com/de-de/nachrichten/p ... np1taskbar

Die nationalkonservative Regierung hat das Justizsystem. Der europäische Gerichtshof sieht darin ein Verstoß gegen das EU-Recht.

In dem Interview erläutert der polnische Verfassungsrechtler Tomasz Koncewicz den Rückbau der Demokratie in Polen, das polnische Rechtssystem und die Rolle der EU in diesem Streit.

Da ist ja was los und ich denke nicht das Polen da einknicken wird.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von lili »

Internationale Krise: Darum legt sich Polen mit der USA an

https://www.welt.de/politik/ausland/art ... n-USA.html

Durch die Entlassung des Vizepremiers riskiert die Regierung nicht nur die Macht, sondern auch das Verhältnis zur USA steht auf dem Spiel.

Es droht noch mehr Ärger.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von lili »

Polen: Koalition am Ende, Kaczynski nicht

https://www.msn.com/de-de/nachrichten/p ... np1taskbar

Bedeutet das PIS einfach weiter regiert. Durch die Sozialpolitik haben sie natürlich auch ihre Wähler.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von H2O »

Hier haben aber nicht die Wähler entschieden, sondern das Parlament, also die PIS mit einigen Überläufern aus der Opposition. Auch dort gibt es Parteien, die gern an die Fleischtöpfe einer Regierungsbeteiligung heran kommen möchten.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von sünnerklaas »

H2O hat geschrieben:(12 Aug 2021, 10:30)

Hier haben aber nicht die Wähler entschieden, sondern das Parlament, also die PIS mit einigen Überläufern aus der Opposition. Auch dort gibt es Parteien, die gern an die Fleischtöpfe einer Regierungsbeteiligung heran kommen möchten.
Die Wähler und die Bevölkerung dürften Kaczynski nicht interessieren. Aber es regt sich durchaus Widerstand. Heute gab es einen sehr kritischen Kommentar in der jedwedem Linksradikalismus unverdächtigen konservativ-katholischen Tagespost:

Stefan Meetschen:
"Polen: Demokratie mit eingeschränkter Medienfreiheit?"
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von H2O »

sünnerklaas hat geschrieben:(12 Aug 2021, 18:52)

Die Wähler und die Bevölkerung dürften Kaczynski nicht interessieren. Aber es regt sich durchaus Widerstand. Heute gab es einen sehr kritischen Kommentar in der jedwedem Linksradikalismus unverdächtigen konservativ-katholischen Tagespost:

Stefan Meetschen:
"Polen: Demokratie mit eingeschränkter Medienfreiheit?"
Ja, die Kritik ist allgegenwärtig. Aber ein klitzekleines Verständnis habe ich schon dafür, daß polnische Medien nicht von ausländischen Konzernen gesteuert werden sollten. In Polen gelten in dem Sinne als "ausländische Konzerne" solche Unternehmen, die ihren Hauptsitz nach meinem Verständnis außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums haben. Was besagt, daß sie in der EU oder in der EU assoziierten Ländern ansässig sein müssen... sie demzufolge also im europäischen Rechtsraum zu belangen sind. Der Fernsehkanal TVN 24 wird von einer US-amerikanischen Eigentümergesellschaft geführt mit einem Sitz in den Niederlanden. Jetzt fehlt noch, daß Gazprom ein populäres polnisches Medium erwirbt und darüber seine Desinformation verbreitet.

Wie gesagt: Ein klitzkleines Verständnis habe ich dafür schon. Aber natürlich darf es nicht sein, daß der Staat und damit die jeweilige Regierung die Medien steuern will. Da sollte man doch besser auf die Selbstreinigung der wetteifernden Medien setzen. Und auf unabhängige Gerichte, die ein vernünftiges Presserecht anwenden.

Ich setze ein wenig auf Herrn Donald Tusk, daß es ihm bis zu Neuwahlen Ende 2023 gelingt, eine klare Mehrheit jenseits der national-katholischen Gruppierungen zusammen zu schmieden, so daß in Polen wieder freiheitliche mitteleuropäische Maßstäbe angelegt werden. Ein offenbar überzeugter Anhänger der national-katholischen Parteien spöttelte von "pflegeleichten polnischen Regierungen"... ich setze aber bevorzugt auf polnische Regierungen mit gemeinschaftsdienlichem Auftritt. Diese anhaltenden Stänkereien der national-katholischen Parteien sind ja widerlich!
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von sünnerklaas »

H2O hat geschrieben:(12 Aug 2021, 19:29)

Ja, die Kritik ist allgegenwärtig. Aber ein klitzekleines Verständnis habe ich schon dafür, daß polnische Medien nicht von ausländischen Konzernen gesteuert werden sollten. In Polen gelten in dem Sinne als "ausländische Konzerne" solche Unternehmen, die ihren Hauptsitz nach meinem Verständnis außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums haben. Was besagt, daß sie in der EU oder in der EU assoziierten Ländern ansässig sein müssen... sie demzufolge also im europäischen Rechtsraum zu belangen sind. Der Fernsehkanal TVN 24 wird von einer US-amerikanischen Eigentümergesellschaft geführt mit einem Sitz in den Niederlanden. Jetzt fehlt noch, daß Gazprom ein populäres polnisches Medium erwirbt und darüber seine Desinformation verbreitet.

Wie gesagt: Ein klitzkleines Verständnis habe ich dafür schon. Aber natürlich darf es nicht sein, daß der Staat und damit die jeweilige Regierung die Medien steuern will. Da sollte man doch besser auf die Selbstreinigung der wetteifernden Medien setzen. Und auf unabhängige Gerichte, die ein vernünftiges Presserecht anwenden.

Ich setze ein wenig auf Herrn Donald Tusk, daß es ihm bis zu Neuwahlen Ende 2023 gelingt, eine klare Mehrheit jenseits der national-katholischen Gruppierungen zusammen zu schmieden, so daß in Polen wieder freiheitliche mitteleuropäische Maßstäbe angelegt werden. Ein offenbar überzeugter Anhänger der national-katholischen Parteien spöttelte von "pflegeleichten polnischen Regierungen"... ich setze aber bevorzugt auf polnische Regierungen mit gemeinschaftsdienlichem Auftritt. Diese anhaltenden Stänkereien der national-katholischen Parteien sind ja widerlich!
Das Problem liegt anders: Jaroslaw Kaczynski fängt jetzt nicht nur an, in Richtung EU zu provozieren, sondern auch in Richtung USA. Da spielt wohl auch die große Verbitterung darüber eine Rolle, dass es nicht zum Fort Trump gekommen ist. Und da er und sein Umfeld sich ganz offenbar nicht in der Gewalt haben, schlägt man wie wild um sich. Polen muss aufpassen, dass ein zutiefst beleidigter Jaroslaw Kaczynski das Land nicht in eine neuerliche Tragödie führt.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von H2O »

sünnerklaas hat geschrieben:(12 Aug 2021, 20:04)

Das Problem liegt anders: Jaroslaw Kaczynski fängt jetzt nicht nur an, in Richtung EU zu provozieren, sondern auch in Richtung USA. Da spielt wohl auch die große Verbitterung darüber eine Rolle, dass es nicht zum Fort Trump gekommen ist. Und da er und sein Umfeld sich ganz offenbar nicht in der Gewalt haben, schlägt man wie wild um sich. Polen muss aufpassen, dass ein zutiefst beleidigter Jaroslaw Kaczynski das Land nicht in eine neuerliche Tragödie führt.
Nun ja, das wäre natürlich eine ganz unerwartete Wende! Ohne das gesamte Parlament und den Senat ist eine solche Wende wohl nicht zu vollenden. Auch gehe ich davon aus, daß dann tatsächlich "die Straße" aufstehen wird. Aber selbstverständlich ist da ein Wüterich am Werk... oder gleich mehrere.

Die Tragödie würde bedeuten Rausschmiß aus NATO und EU (nicht formal, aber doch aus dem Netz entfernt). Nur denkbar, wenn die rechtsstaatliche Demokratie zu Bruch ginge. Ich kann mir das hier in Westpommern nicht vorstellen; aber Pommern ist ohnehin sehr westlich ausgerichtet. Ich drücke meinen polnischen Freunden hier die Daumen, daß sehr bald wieder die Vernunft einkehren wird.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von sünnerklaas »

H2O hat geschrieben:(13 Aug 2021, 06:25)
Die Tragödie würde bedeuten Rausschmiß aus NATO und EU (nicht formal, aber doch aus dem Netz entfernt). Nur denkbar, wenn die rechtsstaatliche Demokratie zu Bruch ginge. Ich kann mir das hier in Westpommern nicht vorstellen; aber Pommern ist ohnehin sehr westlich ausgerichtet. Ich drücke meinen polnischen Freunden hier die Daumen, daß sehr bald wieder die Vernunft einkehren wird.
Aktuell:
American law-makers say that Nato membership is incompatible with the kind of attacks on free journalism now at the heart of ruling regime's ideological matrix in Warsaw.
Quelle

Mal sehen, ob Kaczynski bereit ist, Polen aus blanker Wut, blankem Hass und blanker Rachlust aus EU und NATO zu schießen. Ich fürchte ja. Und er dürfte versuchen, Proteste der Bevölkerung notfalls mit Gewalt zu unterdrücken.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von lili »

Polen manövriert sich im Streit mit Israel

https://www.dw.com/de/polen-man%C3%B6vr ... a-58867361

Oh das gibt Ärger und es könnte den Antisemitismus weiter verschärfen.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von sünnerklaas »

lili hat geschrieben:(14 Aug 2021, 22:57)

Polen manövriert sich im Streit mit Israel

https://www.dw.com/de/polen-man%C3%B6vr ... a-58867361

Oh das gibt Ärger und es könnte den Antisemitismus weiter verschärfen.

Es gibt bereits Ärger: Israel beruft seinen Botschafter in Warschau ab. (KLICK).

Kaczynski und sein Umfeld vergraulen aber auch alle.
Inzwischen: massiver Ärger mit der EU, massiver Ärger mit den USA, durch das Mediengesetz droht massiver Ärger mit der NATO.
Am Ende wird Kaczynski-Polen international komplett isoliert sein.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von lili »

sünnerklaas hat geschrieben:(15 Aug 2021, 14:30)

Es gibt bereits Ärger: Israel beruft seinen Botschafter in Warschau ab. (KLICK).

Kaczynski und sein Umfeld vergraulen aber auch alle.
Inzwischen: massiver Ärger mit der EU, massiver Ärger mit den USA, durch das Mediengesetz droht massiver Ärger mit der NATO.
Am Ende wird Kaczynski-Polen international komplett isoliert sein.
Evtl. gibt es ein Austritt? Ich denke nicht das sich Polen von der EU einschüchtern lässt.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von sünnerklaas »

lili hat geschrieben:(15 Aug 2021, 14:31)

Evtl. gibt es ein Austritt? Ich denke nicht das sich Polen von der EU einschüchtern lässt.
Austritt aus der EU wird für Kaczynski dann auch Austritt aus der NATO bedeuten. Mit den USA verscherzt er es sich ja aktuell auch.
Der Mann ist von Hass und vor allem Rachegelüsten geleitet. Er will seinen Zwillingsbruder rächen. Er ist fest davon überzeugt, dass der ermordet wurde - obwohl die Untersuchungen keine Hinweise dafür bringen.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von lili »

sünnerklaas hat geschrieben:(15 Aug 2021, 14:36)

Austritt aus der EU wird für Kaczynski dann auch Austritt aus der NATO bedeuten. Mit den USA verscherzt er es sich ja aktuell auch.
Der Mann ist von Hass und vor allem Rachegelüsten geleitet. Er will seinen Zwillingsbruder rächen. Er ist fest davon überzeugt, dass der ermordet wurde - obwohl die Untersuchungen keine Hinweise dafür bringen.
Vielleicht ist ihm das dann langfristig egal? Gerade rechte Politiker sind doch nicht so EU-freundlich.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von sünnerklaas »

lili hat geschrieben:(15 Aug 2021, 14:41)

Vielleicht ist ihm das dann langfristig egal? Gerade rechte Politiker sind doch nicht so EU-freundlich.
Das Land wird ihm egal sein. Er will Rache für seinen Bruder. Nur darum geht es.
Und wenn polnische Gerichte in klar rechtstaatlichen Verfahren zu anderen Ergebnissen kommen, als von ihm erwünscht, macht man eben eine Justizreform. Und wenn die Medien nicht in seinem Sinne berichten, macht man ein Mediengesetz.
Und wenn man bei EU und NATO damit nicht durchkommt, dann provoziert man eben den Rauswurf - letzteres ist wichtig für die spätere Opfererzählung. Und wenn alles nicht so funktioniert, provoziert man eben eine Krieg gegen Russland. Um die Loose-Loose-Situation herzustellen: Rache am eigenen Volk, am eigenen Land.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von lili »

sünnerklaas hat geschrieben:(15 Aug 2021, 14:54)

Das Land wird ihm egal sein. Er will Rache für seinen Bruder. Nur darum geht es.
Und wenn polnische Gerichte in klar rechtstaatlichen Verfahren zu anderen Ergebnissen kommen, als von ihm erwünscht, macht man eben eine Justizreform. Und wenn die Medien nicht in seinem Sinne berichten, macht man ein Mediengesetz.
Und wenn man bei EU und NATO damit nicht durchkommt, dann provoziert man eben den Rauswurf - letzteres ist wichtig für die spätere Opfererzählung. Und wenn alles nicht so funktioniert, provoziert man eben eine Krieg gegen Russland. Um die Loose-Loose-Situation herzustellen: Rache am eigenen Volk, am eigenen Land.

Danke für die Info.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von sünnerklaas »

lili hat geschrieben:(15 Aug 2021, 14:57)

Danke für die Info.

In den sozialen Netzwerken bekommt die polnische Regierung dafür von den Besorgtbürgern z.T. offenen Beifall. Unglaublich, ja absolut erschreckend, was da los ist.
Und natürlich ganz viel "...wird man ja wohl noch mal sagen dürfen!".
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von lili »

sünnerklaas hat geschrieben:(15 Aug 2021, 16:05)

In den sozialen Netzwerken bekommt die polnische Regierung dafür von den Besorgtbürgern z.T. offenen Beifall. Unglaublich, ja absolut erschreckend, was da los ist.
Und natürlich ganz viel "...wird man ja wohl noch mal sagen dürfen!".
Dann scheinen die Bürger in Polen zufrieden damit zu sein. :s
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von H2O »

Diese Vermutung trifft so nicht uneingeschränkt zu. Wer die Leserzuschriften der Gazeta Wyborcza studiert, der kommt zum völlig gegenteiligen Ergebnis. Immerhin ist die GW eines der wenigen landesweit unabhängigen liberalen Blätter, neben der Rzeczpospolita mit etwas konservativerem Auftritt. Wir müssen abwarten, wie sich der polnische Wähler im September 2013 entscheiden wird. Vielleicht bringt Herr Donald Tusk ja schon vorher die zerstrittene Opposition auf einen gemeinsamen Kurs. Nicht ganz ausgeschlossen, aber nicht sehr wahrscheinlich.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von H2O »

Tja, so kann's kommen: Lukaschenko gibt in der Flüchtlingsfrage den Erdogan... und treibt eingeflogene Iraker und Afghanen über die litauische und polnische Grenze... was die national-klerikalen Regierenden Polens natürlich sehr empört... nicht etwa die menschenverachtende Handlungsweise Lukaschenkos, sondern mehr die Tatsache, daß ihnen nun zugemutet wird, ungebetene Moslems auf zu nehmen und zu versorgen.

Ein Witzbold unter den Lesern der Gazeta Wyborcza merkte dazu an, daß nun Polen in die Verlegenheit kommen könnte, seine EU-Partner um Aufteilung der Flüchtlinge auf die Partnerländer zu bitten. :p Na ja, an heldenhaften Reden fehlt es nicht: Der Vize-Premier und PiS-Minister für Kultur, kulturelles Erbe und Sport Piotr Gliński sagte schon, daß Polen nun wie 2015 vor Flüchtlingen geschützt werden müsse. An der Grenze sind polnische Grenzschützer, Polizei und Armee aufgefahren. In der Tat beeindruckende Bilder aus dem Leben einer christlichen Kulturnation...

In Brüssel macht die EU-Kommision Druck, daß Polen zum freiheitlichen Rechtssechtsstaat zurück kehrt. Der angekündigte gute Wille zur Änderung reicht der EU-Kommission nicht, um die ersehnten Mittel für den Aufbau einer moderneren Infrastruktur frei zu schalten, und die USA machen Druck, weil Polen seine Medien unter staatliche Kontrolle bringen will... und dabei ein US-Unternehmen aus dem Markt gedrängt werden würde. Israel hat seine diplomatische Vertretung ausgedünnt und führt einen sehr kalten Krieg mit der PiS-Regierung. Tschechien liegt mit Polen über Kreuz, weil eine an der Grenze zu Tschechien liegende polnische Braunkohlegrube das Grundwasser weiträumig abpumpt... mit erheblichen Gebäudeschäden auch auf tschechischer Seite... und nur Deutschland verhält sich ziemlich gleichmütig abwartend... und baut mit den Russen Nord Stream 2 aus.

Da läuft es dem einen oder anderen freiheitlichen polnischen Politiker kalt den Rücken herunter.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von Niklas »

H2O hat geschrieben:(19 Aug 2021, 11:14)

In Brüssel macht die EU-Kommision Druck...

und die USA machen Druck...
Tja, vor 40 Jahren hat das polnische Volk begonnen, für seine Freiheit zu kämpfen. Und jetzt wieder...
Offensichtlich gibt es gewisse Kräfte, welche Völker dieser Erde nicht in Ruhe lassen wollen.


H2O hat geschrieben:(19 Aug 2021, 11:14)

Deutschland verhält sich ziemlich gleichmütig abwartend... und baut mit den Russen Nord Stream 2 aus.
Weniger Steinkohle heißt mehr Erdgas. Die Klimaaktivisten sind die besten Freunde Putins.
"Selbst die Verlogenheit ist verkommen. Sie trat früher professioneller auf." -- Bruno Jonas, 2007
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von H2O »

Niklas hat geschrieben:(22 Aug 2021, 13:36)

Tja, vor 40 Jahren hat das polnische Volk begonnen, für seine Freiheit zu kämpfen. Und jetzt wieder...
Offensichtlich gibt es gewisse Kräfte, welche Völker dieser Erde nicht in Ruhe lassen wollen.
Polen hat doch wie die Briten stets die Wahl, sich aus dieser bedrückend empfundenen Unklammerung durch befreundete Nachbarn zu lösen und ganz unabhängig seinen eigenen Weg zu gehen. Dazu genügt eine klare Regierungsentscheidung oder noch besser: Eine Parlamentsentscheidung mit klarer Mehrheit. Allerdings würde ich mir zuvor eine allgemeine und öffentliche Volksbefragung zum EU-Austritt wünschen... muß aber nicht unbedingt sein.
Weniger Steinkohle heißt mehr Erdgas. Die Klimaaktivisten sind die besten Freunde Putins.
Auch hier hat Polen die Wahl; Steinkohle steht auf dem Weltmarkt in ausreichenden Mengen zur Verfügung. Dazu sollte Polen aber das Klimaschutzabkommen von Paris kündigen.

Einstweilen darf ich mich doch wundern, daß die polnische Regierung und damit Polen im Jahr 2004 eingegangene EU-Verträge nicht erfüllen will. Hat es da grobe Übersetzungsfehler gegeben? Die Briten können immerhin behaupten, daß die EU sich seit 1972 in einer Weise entwickelt hat, die ihnen mißfällt. Ich erkenne aber nicht, daß die EU sich seit 2004 in ihren Zielsetzungen wesentlich verändert hätte. Polen kann den begangenen Fehler ja eingestehen und die EU verlassen.

Ich würde diesen Schritt sehr bedauern, weil er ganz und gar nicht meinen Vorstellungen von der Zukunft Europas entspräche. Dann muß der Rest der EU dieses Ziel eben ohne die Mitwirkung Polens und der Briten weiter verfolgen.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von olli »

H2O hat geschrieben:(22 Aug 2021, 14:20)

Polen hat doch wie die Briten stets die Wahl, sich aus dieser bedrückend empfundenen Unklammerung durch befreundete Nachbarn zu lösen und ganz unabhängig seinen eigenen Weg zu gehen. Dazu genügt eine klare Regierungsentscheidung oder noch besser: Eine Parlamentsentscheidung mit klarer Mehrheit. Allerdings würde ich mir zuvor eine allgemeine und öffentliche Volksbefragung zum EU-Austritt wünschen... muß aber nicht unbedingt sein.
Polen raus aus der EU ? Ein Wunsch würde wahrwerden. Es war schon ein Fehler die Polen überhaupt in die EU aufzunehmen. Pöbeln und unverschämt EU-Subventionen abgreifen ist alles was Polen macht. Es ist schon lange überfällig das die Polen aus der EU verschwinden.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von H2O »

olli hat geschrieben:(22 Aug 2021, 14:33)

Polen raus aus der EU ? Ein Wunsch würde wahrwerden. Es war schon ein Fehler die Polen überhaupt in die EU aufzunehmen. Pöbeln und unverschämt EU-Subventionen abgreifen ist alles was Polen macht. Es ist schon lange überfällig das die Polen aus der EU verschwinden.
Nein, so streng würde ich nicht urteilen; meine Antwort an @Niklas lag im Tonfall auf der Höhe seines Beitrags.

Ich habe sehr liebe und sehr umgängliche polnische Freunde, bin hier in Westpommern wohlgelitten und erfreue mich auch guter Behandlung durch polnische Ämter. Mir sind derart EU-abwertende Reden in Polen nie begegnet. Im Gegenteil wurde wieder und wieder bestätigt, daß die EU eine sehr gute Sache ist, und daß man noch enger zusammenrücken sollte... ganz meiner eigenen Auffassung zur Zukunft unserer Gemeinschaft entsprechend.

Viele Polen in meiner Nachbarschaft haben auch ein Bein in Deutschland und ein Bein in Polen. Sie verdienen gutes Geld in Deutschland mit guter Facharbeit, und sie bauen ihre Wohnungen hier in Polen zu kleinen Schmuckstücken aus. Manchmal glaube ich aber nicht, daß sie ihre alten Tage hier verbringen werden, wenn Kinder und Enkel in Deutschland leben und arbeiten. Vermieten, verkaufen?

Es wäre schön, wenn der gestandene Europäer Tusk die polnische Opposition wieder zusammen schmieden könnte, um diesem verhängnisvollen Treiben der national-klerikalen polnischen Kräfte möglichst bald ein Ende bereiten zu können. Ich träume von einem offenen und freien Europa, in dem jedes Mitglied seinen guten Platz findet, und in dem es im Grunde gleichgültig ist, wo die Menschen leben und arbeiten. Ich genieße das jetzt schon, und ich wünsche unseren nachkommenden Generationen auch dieses Glück. Mögen ihnen die schlimmen Erfahrungen der europäischen Kriege und Teilungen im 20. Jahrhundert erspart bleiben! Daraus hat meine Generation ihre Lehren gezogen!
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von H2O »

Die EU-Kommission hat den EuGH beauftragt, die Höhe des Strafmaßes für das Fortbestehen der Disziplinarkammer für polnische Richter fest zu legen. Die polnische Regierung hatte zum festgesetzten Termin Mitte August etwas luschig geantwortet, daß man diese Konstruktion ändern werde. Aber die Disziplinarkammer arbeitet ihre von der Politik zugewiesenen Fälle weiter ab. Und nun läuft für jeden Tag des Fortbestehens dieser Richter einschüchternden Disziplinarkammer ein Strafgeld auf. Vermutungen gehen bis zu einigen 100.000 Euro täglich. Also ganz gewiß kein "Pappenstiel".

Offensichtlich hatte die polnische Regierung mit dieser Entschiedenheit der EU-Kommission nicht gerechnet, und entsprechend fahrig sind die Reaktionen auf diesen Beschluß der EU-Kommission.

Der Vizepräsident des Sejm, Ryszard Terlecki (führendes Mitglied der PiS-Regierungspartei), verstieg sich in öffentlicher Rede zu "sehr ernsthaften Konsequenzen, die Polen nun auf den Weg bringen werde", und er unterließ nicht den Hinweis auf die Briten, die der EU den Rücken zugekehrt haben... also recht eindeutig der Hinweis auf den denkbaren Austritt Polens aus der EU. Der mediale Aufschrei war so groß, daß er nun diese Gedankenverbindung als Konstruktion der Opposition darstellen wollte... beliebig unglaubwürdig. Er hätte besser geschwiegen...

Auf Twitter stellte er nun fest:
Polska była, jest i będzie członkiem UE.
  • "Polen war, ist und bleibt Mitglied der EU"
Damit ist der Fall aber nicht abgehakt. Nun warten die Polen voller Spannung auf die Höhe des Strafmaßes und die weiteren Maßnahmen der polnischen Regierung in der gesamten "Justizreform", mit der die Regierung sich den Durchgriff in das Rechtswesen sichern wollte.

So stellte das polnische Verfassungsgericht fest, daß seine Entscheidungen Vorrang haben vor den Entscheidungen des EuGH. Da öffnet sich der nächste Vertragsbruch mit entsprechenden Strafzahlungen bis zur gegenteiligen Feststellung.

Neben den Strafzahlungen wird die EU-Kommission Polen die Mittel zur Überwindung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und andere zugesagte Mittel sperren.

Der Austritt Polens aus der EU ist also noch längst nicht vom Tisch. Hier hat die polnische Opposition einen Ansatzpunkt, die Regierung Morawiecki/Kaczyński zu stürzen. Denn über 80% der Polen wollen ohne wenn und aber Unionsbürger bleiben.

Ein Leserkommentar in der Gazeta Wyborcza brachte den EU-Austritt auf den Punkt: "Wir Polen werden wieder zwischen Deutschland und Rußland eingeklemmt sein." Wobei ich als Deutscher eine mit Rußland vergleichbare imperiale Rolle Deutschlands nicht für möglich halte. Davor bewahrt uns weiter unsere möglichst tiefe Einbindung in die EU.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von lili »

Merkel in Polen: " Politik ist doch mehr, als nur zu Gericht zu gehen"

https://www.msn.com/de-de/nachrichten/p ... np1taskbar

Kann man diesen Konflikt mit einem Dialog lösen?
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von H2O »

lili hat geschrieben:(11 Sep 2021, 20:54)

Merkel in Polen: " Politik ist doch mehr, als nur zu Gericht zu gehen"

https://www.msn.com/de-de/nachrichten/p ... np1taskbar

Kann man diesen Konflikt mit einem Dialog lösen?
Nein; da werden rechtsstaatliche Grundsätze europäischer Demokratien umgestoßen. Das kann man machen, aber dann kann man sich nicht mehr in einer Wertegemeinschaft dieser Art mitbestimmend aufhalten.

Natürlich kann man deshalb dennoch im Gespräch bleiben. Was mich betrifft, so würde ich mit Taliban, Iran, China, Rußland, Türkei, Polen, Ungarn immer wieder das Gespräch suchen... auch wenn nichts bis ganz wenig dabei heraus kommt. Systemverändernd können solche Gespräche nie sein, aber bei klugen Leuten doch Verständnis wecken, wo uns im Westen der Schuh drückt. Selbst dann ist schon viel gewonnen.

Ich vermute, daß dieser Gesichtspunkt auch hinter den Anmerkungen der Kanzlerin im Verborgenen wirkt.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von lili »

H2O hat geschrieben:(11 Sep 2021, 21:08)

Nein; da werden rechtsstaatliche Grundsätze europäischer Demokratien umgestoßen. Das kann man machen, aber dann kann man sich nicht mehr in einer Wertegemeinschaft dieser Art mitbestimmend aufhalten.

Natürlich kann man deshalb dennoch im Gespräch bleiben. Was mich betrifft, so würde ich mit Taliban, Iran, China, Rußland, Türkei, Polen, Ungarn immer wieder das Gespräch suchen... auch wenn nichts bis ganz wenig dabei heraus kommt. Systemverändernd können solche Gespräche nie sein, aber bei klugen Leuten doch Verständnis wecken, wo uns im Westen der Schuh drückt. Selbst dann ist schon viel gewonnen.

Ich vermute, daß dieser Gesichtspunkt auch hinter den Anmerkungen der Kanzlerin im Verborgenen wirkt.
Gespräche finde auch wichtig, nur man müsste sich nur auf kleine Kompromisse fokussieren. Mehr würde man nicht erreichen.
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Re: Parlamentswahl in Polen

Beitrag von H2O »

lili hat geschrieben:(11 Sep 2021, 21:12)

Gespräche finde auch wichtig, nur man müsste sich nur auf kleine Kompromisse fokussieren. Mehr würde man nicht erreichen.
Na ja, der Verrat von gemeinsamen Überzeugungen läßt sich kaum als "Kompromiß" verkaufen. Darum geht es in der innerpolnischen Diskussion und in der Auseinandersetzung mit der EU. Aber vielleicht kann die Kanzlerin oder ihr Nachfolger im Amt ja durch Gespräche erreichen, daß Polen zur gemeinsamen Linie zurück findet. Oder die Polen wählen eine Volksvertretung, die den aufgelaufenen Unfug kurzerhand entsorgt. Geldmittel aus der Gemeinschaft sollten auf jeden Fall an die gemeinsamen Grundsätze geknüpft werden. Darüber entscheidet die Verteidigung der europäischen Grundsätze: Die EU-Kommission.
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