H2O hat geschrieben:(08 May 2021, 19:15)
Diese Reaktion auf Vorhaltungen der EU habe ich in der notwendigen Klarheit nicht wahrgenommen. Immerhin eine erfreuliche Einsicht der polnischen politischen Klasse, wenn nicht folgende Meldung wieder für neue Verstimmung sorgte:.
Die Kritik an der Rechtsstaatlichkeit des polnischen Verfassungsgerichts reißt leider nicht ab.
https://www.tagesschau.de/ausland/europ ... u-131.html
Mann kann alles und jeden kritisieren, die Frage ist ob man die Vorwürfe auch Beweisen kann.
" Ist die deut. Justiz noch abhängiger von der Politik wie die polnische Justiz?
Die Vorwürfe der EU gegen die polnische Justizreform stützen sich vor allem auf die Einrichtung der Disziplinarkammer. Diese entsprechen den Dienstgerichten deutscher Gerichte. Diese Disziplinarkammer wird vom "Landesrat für das Gerichtswesen" (KRS) gewählt, die Dienstgerichte an deutschen Gerichten von den Gerichtspräsidien, in denen die vom Bundeskabinett bzw. den Landesjustizministern direkt ernannten Gerichtspräsidenten die entscheidende Rolle spielen.
Auch wenn man die Zusammensetzung des KRS, der im wesentlichen als Richterwahlausschuss fungiert, mit den deutschen Richterwahlausschüssen vergleicht, kann man zu dem Ergebnis kommen, dass in Deutschland die Politik einen grösseren Zugriff auf die Richterschaft hat.
Mitglieder im KRS sind von Amts wegen die Präsidenten des Obersten Gerichts und des obersten Verwaltungsgerichts, der Justizminister, eine vom Staatspräsidenten ernannte Person, 4 vom Sejm gewählte Mitglieder, 2 vom Senat gewählte Mitglieder sowie 15 Mitglieder, die vom Sejm gewählt werden, aber aus der aktiven Richterschaft stammen müssen.
Der Richterwahlausschuss für die Bundesgerichte in Deutschland besteht aus den 16 Landes-Justizministern und 16 weiterem vom Bundestag gewählten Mitgliedern. Ähnlich werden die Richterwahlausschüssen auf Landesebene von der Politik dominiert. Sogar der Europarat hat festgestellt, dass das Justizwesen in Deutschland stark von der Politik dominiert wird. Weder die EU noch die deutschen Medien haben sich dafür aber wirklich interessiert.
Zu den Hintergründen der polnischen Justizreform:
1. In Polen war es bis zum Regierungswechsel üblich, dass ausschliesslich die Richter selbst über die Besetzung von Richterstellen entschieden. Diese Art der Selbstrekrutierung hat - jedenfalls nach Ansicht der nationalkonservativen Parteien - dazu geführt, dass im Justizwesen ein Netzwerk alter und neuer Seilschaften sich halten konnte. Bekannt wurde z. B. der Fall eines Richters, der in den 80er Jahren an politischen Prozessen gegen Solidarnosc-Mitglieder beteiligt war und nach der Wende zum Richter im höchsten Gericht aufstieg (in Ostdeutschland hätte er wohl nicht einmal eine Anstellung als Gerichtsbote bekommen).
2. Die höheren Gerichte haben - in Polen wie in Deutschland - auch politischen
Einfluss. In der ersten Regierungszeit PiS der 2005-2007 wurden von der Opposition immer wieder diese Gerichte bemüht, um Gesetzesvorhaben zu blockieren oder zu verzögern. "Gerichte dürfen keine 3. Parlamentskammer sein" war deshalb ein Slogan für die Justizreform. Um die höheren Gerichte unter Kontrolle zu bringen bzw. ihren möglichen schädlichen Einfluss auszuschalten, ging man nach 2015 relativ rabiat vor. Justizminister Ziobro baute in die ersten Versionen der Justizreform recht problematische Regelungen ein. Dazu gehörte z. B. die altersbegründiete Zwangspensionierung von Richtern unter Mitwirkung des Justizministers, auch wenn diese noch in laufenden Verfahren tätig waren. Diese "handwerklichen Fehler" wurden nach meinem Überblick so gut wie alle korrigiert, so dass die EU sich zuletzt auf die Disziplinarkammer fokussierte.
3. Es gab vor 2015 in Polen schwere Übergriffe der Regierung auf die Justiz, für die sich aber weder in Polen noch in der EU jemand interessierte.
Ende 2011 kündigte der Warschauer Oberstaatsanwalt Waldemar Tyl für 2012 die Eröffnung von Strafverfahren gegen die polnischen Verantwortlichen für das CIA-Foltergefängnis in Masuren an. Die Regierung Tusk entzog daraufhin der Warschauer Justiz die Zuständigkeit und überwies das Verfahren an die regierungsnahe Staatsanwaltschaft in Krakau. Das Verfahren verlief im Sande. Tusk wurde 2013 EU-Ratspräsident. Der polnische Staatspräsident zu Zeiten des Foltergefängnisses. A. Kwasniewski, der sich sogar damit brüstete, das Gefängnis genehmigt zu haben, wurde 2013 EU-Ukraine-Beauftragter.
2008 wurde der Linkspopulist und Vorsitzende der "Samoobrona" ("Selbstverteidigung"), Andrzej Lepper, in einem fingierten Prozess wegen angeblicher Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu 2 Jahren und 3 Monaten Haft verurteilt: Die Anklage beruhte nur auf der Aussage einer zwielichtigen Parteimitarbieterin. In der Revisionsinstanz musste das Urteil 2010 aufgehoben werden. Der nach Haft und mehrjähriger Hetzkampagne der Medien seelisch gebrochene Lepper beging 2011 Suizid. "
Quelle:
https://www.heise.de/forum/Telepolis/Ko ... 7339/show/