Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

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Klopfer
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Klopfer »

H2O hat geschrieben:(21 Nov 2020, 15:41)

Ja, das wundert mich schon; der Sinn der EU war eine Gemeinschaftsbildung zum gegenseitigen Vorteil mit dem Ziel einer sich stetig vertiefenden Zusammenarbeit. Dieser Grundsatz ist an den bienenfleißigen Analytikern offenbar ganz vorbei gegangen. Können die sich überhaupt erklären, wozu es Nettozahler gibt, die, anstatt ihre Mittel zum eigenen Nutzen aus zu geben, diese zum Aufbau der osteuropäischen Wirtschaft und Infrastruktur bereitstellen? Da ist doch etwas oberfaul!
Zusammenarbeit sieht anders aus. Momentan lässt sich die EU von den beiden grössten Nehmerländern erpressen. Sollte dem stattgegeben werden sehe ich das als Anfang vom Ende. Europa steigt ab in die dritte Liga. Was ich nicht verstehe dass es gegen diese dreiste Erpressung keine Mittel und Möglichkeiten gibt. Streichung aller EU-Zuschüsse, fertig. Diesen widerliche Orban kann man nicht mehr ertragen und sein polnischer Kollege mit seinen Auftritten im Stile eines Mafiapaten machen es nicht besser. Es kann nicht sein dass man da keine Möglichkeiten hat. Liegts an der Ursel?
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H2O
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Klopfer hat geschrieben:(22 Nov 2020, 08:41)

Zusammenarbeit sieht anders aus. Momentan lässt sich die EU von den beiden grössten Nehmerländern erpressen. Sollte dem stattgegeben werden sehe ich das als Anfang vom Ende. Europa steigt ab in die dritte Liga. Was ich nicht verstehe dass es gegen diese dreiste Erpressung keine Mittel und Möglichkeiten gibt. Streichung aller EU-Zuschüsse, fertig. Diesen widerliche Orban kann man nicht mehr ertragen und sein polnischer Kollege mit seinen Auftritten im Stile eines Mafiapaten machen es nicht besser. Es kann nicht sein dass man da keine Möglichkeiten hat. Liegts an der Ursel?
Wir Europäer sollten schon hart in der Sache Solidarität und sich vertiefender Zusammenarbeit bleiben. Diese Haltung kann sich aber nur gegen eine polnische Regierungspolitik richten, die tatsächlich der Gemeinschaft Schaden zufügen will. Wir Europäer sollten nicht mit "den Polen" fremdeln!

Heute ist ein Jahrestag... an die Nürnberger Prozesse und die Urteilsverkündung wurde erinnert. Heute nun der Versöhnungsbrief der polnischen Bischöfe: "Wir vergeben und wir bitten um Vergebung!" 1965 war das... eine wahre Ewigkeit in dieser schnelllebigen Zeit.

Bevor ich vor Rührung zerfließe... machen wir immer klar, daß unser heiliger Zorn sich nicht gegen unsere ponlischen Nachbarn richtet, sondern gegen eine böswillige (sich zumindest so verhaltende) Regierung richtet. Denn es hat ja auch schon mit Polen auf Staatsebene in der EU viel bessere Beziehungen gegeben. Dahin sollten auf der Ebene unserer Mitbürger unsere Bemühungen gerichtet sein. Mitgefühl mit Frauen, denen man von Staats wegen auferlegt, ein schwer geschädigtes Ungeborenes aus zu tragen mit dem erwartbaren Ergebnis, lebenslänglich einen schweren Pflegefall betreuen zu müssen. Menschen, die ihrer sexuellen Orientierung wegen ebenso verprügelt werden wie die Frauen, die um ihre Selbstbestimmung kämpfen. Menschen, die durch eine starrköpfige Regierung ohne die bestmögliche Pflege an Corvid-19 verrecken müssen. Tagtäglich derzeit etwa 600 Menschen... dreimal mehr als in Deutschland bei in etwa gleicher Durchseuchung. Eine Regierung, die sich eher die Zunge abbeißt als angebotene Hilfe an zu nehmen... die allenfalls mit hinterhältiger Bosheiten darauf eingeht.

Auch das ist Polen, aber bitte nicht nur diese national-klerikale Schar von Sturköpfen. In allem, was wir tun, sollten wir diesen Widerspruch immer in unserem Gewissen bewegen! Wie können wir den gepeinigten Menschen helfen und diese bösartige Führung kalt abblitzen lassen?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

Mitgefühl mit den Polen, die sich diese Regierung doch selbst eingebrockt haben?

Nein.
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Orbiter1
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

Senexx hat geschrieben:(22 Nov 2020, 09:30)

Mitgefühl mit den Polen, die sich diese Regierung doch selbst eingebrockt haben?

Nein.
Da bin ich ausnahmsweise mal bei ihnen. Und die PiS-Regierung wurde wie auch die Orban-Regierung durch Wiederwahl bestätigt.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(22 Nov 2020, 09:30)

Mitgefühl mit den Polen, die sich diese Regierung doch selbst eingebrockt haben?

Nein.
Ja, so wie wir auch Mitgefühl mit Menschen haben sollten, die gegen ihren Willen drangsaliert werden; überall auf der Welt. Polen sind nun einmal unsere östlichen Nachbarn. Ich lebe dort und meine, die Verhältnisse in Polen besser einschätzen zu können. Durchaus denkbar, daß dieses Herrschaftssystem von den Polen vorzeitig in die Wüste gejagt wird. Je eher, desto besser. Und dann? Helle Begeisterung, oder wie?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

Auch wir werden von der Merkel-Regierung seit 2015 drangsaliert. Und demnächst von Schwarz-Grün.

Hat jemand Mitleid mit uns?

Die Mehrheit der Deutschen wollte und wird das so. So ist das in der Demokratie.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von garfield336 »

H2O hat geschrieben:(19 Nov 2020, 20:11)

Vor allem aber gewalttätige Einsätze staatlich gedungener Schläger und angeblicher Geheimpolizei. Wie in Minsk; nicht zu fassen! Dieser unmöglichen Regierung ist offenbar auch der mutwillige Polexit zu zu trauen.
Ist das deren Ernst?

Mit dem Abtreibungsverbot könnte die EU sich noch arrangieren. Aber wenn Grundrechte massiv mit den Füssen getreten werden ist das schwer zu akzeptieren.
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Dieter Winter
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Dieter Winter »

Senexx hat geschrieben:(22 Nov 2020, 09:30)
Mitgefühl mit den Polen, die sich diese Regierung doch selbst eingebrockt haben?

Nein.
Und die andere Hälfte, die sie nicht gewählt hat?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

Dieter Winter hat geschrieben:(26 Nov 2020, 11:50)

Und die andere Hälfte, die sie nicht gewählt hat?
Hat jemand Mitgefühl mit mir? Der ich unter Merkel leiden muss? Und dass es demnächst noch schlimmer kommt?

Na also.

Die Minderheit ist immer Opfer der Mehrheit.
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Dieter Winter
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Dieter Winter »

Senexx hat geschrieben:(26 Nov 2020, 12:19)

Hat jemand Mitgefühl mit mir? Der ich unter Merkel leiden muss? Und dass es demnächst noch schlimmer kommt?

Na also.

Die Minderheit ist immer Opfer der Mehrheit.
Worin besteht Dein Leid?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Dieter Winter hat geschrieben:(26 Nov 2020, 12:21)

Worin besteht Dein Leid?
Dieses Leid ist wirklich schwer zu erraten! Das der jungen Frauen in Polen schon eher, oder das der LGBT-Bewegung auch. Da werden Menschenrechte mit Füßen getreten, auch im wörtlichen Sinne. Da wird von maskierten Schlägerbanden mit Totschlägern auf Frauen eingeprügelt. Und die Schutzpolizei steht tatenlos daneben. Da hätte ich hell empörten Einsatz erwartet. In Polen gibt es doch noch viel zu lernen; uns Deutschen alle möglichen Verfehlungen vorhalten, die 75 Jahre in der Vergangenheit liegen, das ist schön einfach und sicher auch zum Schämen.

Aber das eigene Tun beobachten und sich dessen zu schämen... ok, das muß man auch erst einmal erkennen. Wer weiß, wie unsere Vorväter und Väter ihr Tun unmittelbar vor Ort bewertet haben?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Dieter Winter »

H2O hat geschrieben:(26 Nov 2020, 12:54)

Dieses Leid ist wirklich schwer zu erraten! Das der jungen Frauen in Polen schon eher, oder das der LGBT-Bewegung auch. Da werden Menschenrechte mit Füßen getreten, auch im wörtlichen Sinne. Da wird von maskierten Schlägerbanden mit Totschlägern auf Frauen eingeprügelt. Und die Schutzpolizei steht tatenlos daneben. Da hätte ich hell empörten Einsatz erwartet. In Polen gibt es doch noch viel zu lernen; uns Deutschen alle möglichen Verfehlungen vorhalten, die 75 Jahre in der Vergangenheit liegen, das ist schön einfach und sicher auch zum Schämen.

Aber das eigene Tun beobachten und sich dessen zu schämen... ok, das muß man auch erst einmal erkennen. Wer weiß, wie unsere Vorväter und Väter ihr Tun unmittelbar vor Ort bewertet haben?
Denen wurde weißgemacht, dass die Polen angefangen hätten und sowieso minderwertig. Schwer zu sagen, wie weit sie das geglaubt haben, bzw. glauben wollten.

Auch für Polen gilt wohl, dass das Land tief gespalten ist.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

H2O hat geschrieben:(26 Nov 2020, 12:54)

Dieses Leid ist wirklich schwer zu erraten! Das der jungen Frauen in Polen schon eher, oder das der LGBT-Bewegung auch. Da werden Menschenrechte mit Füßen getreten, auch im wörtlichen Sinne. Da wird von maskierten Schlägerbanden mit Totschlägern auf Frauen eingeprügelt. Und die Schutzpolizei steht tatenlos daneben. Da hätte ich hell empörten Einsatz erwartet. In Polen gibt es doch noch viel zu lernen; uns Deutschen alle möglichen Verfehlungen vorhalten, die 75 Jahre in der Vergangenheit liegen, das ist schön einfach und sicher auch zum Schämen.

Aber das eigene Tun beobachten und sich dessen zu schämen... ok, das muß man auch erst einmal erkennen. Wer weiß, wie unsere Vorväter und Väter ihr Tun unmittelbar vor Ort bewertet haben?
Sie wollen die Polen belehren?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(26 Nov 2020, 14:26)

Sie wollen die Polen belehren?
Nein, nur die sehr eindeutigen Übeltäter darunter. Die allermeisten sind völlig umgängliche Mitmenschen, mit denen ich täglich umgehe... und gern umgehe. Und nun wieder 'runter mit der hohen Nase!
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schokoschendrezki
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

Tom Bombadil hat geschrieben:(21 Nov 2020, 20:27)

Wenn es nach Willen von grün-rot-blutrot geht: nirgends.


China ist keine Übermacht. Wenn man sich aber immer nur vor China auf den Boden wirft und im Dreck wälzt, dann sieht das schon sehr dominant aus. Da fehlt es aber insbesondere den Deutschen an Selbstbewusstsein, es herrscht immer die diffuse Angst, deutsche Produkte könnten nicht mehr gefragt sein, wenn man sich nicht möglichst unterwürfig verhält.
Ich jedenfalls bin der letzte, der sich vor dem "System China" auf den Boden wirft. Insbesondere was jede Form von irgendeinem digitalgestütztem Sozialkreditsystem anbelangt. Dieses System der allseitigen gegenseitigen Gesellschaftsdurchdringung halte ich für einen Kern des chinesischen Kommunismus 2.0. In Deutschland lief das unter dem Titel "Leitkultur" und war (zunächst!) erstmal nicht digital gedacht.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

Als wenn es allein die polnische oder ungarische Regierung wären, die diese europäische Idee erodieren lassen. Der EU-Haushalt wurde schon zigmal und vor allem von seiten Frankreichs oder UKs in Haftung genommen. Zwischen Frankreichs Präsident Macron und der bundesdeutschen Verteidigunsministerin AKK gab es jüngst eine heftige Auseinandersetzung bezüglich der Frage des transatlantischen Bündnisses und der Rolle der Eigenständigkeit der EU in dieser Frage. Das ist nicht nur einfach eine Differenz in der Frage der Höhe irgendwelcher Agrarsubventionen. Sondern eine ganz fundamentale Differenz. Auch der Brexit ist - wenn man es historisch sieht - nicht einfach nur etwas, was auf "Minus Eins" hinausläuft. Und die Rolle Polens in Europa geht fundamental über die als Wirtschaftsstandort hinaus. Was nämlich die Beziehungen zum Baltikum, zur Ukraine, zum Ukrainekonflikt, zu den politischen Entwicklungen in Belarus und vor allem allgemein Russland anbelangt.

Entschuldigung, aber die Diskussionen hier kommen mir manchmal vor wie die alter Männer in den Biergärten Deutschlands in der Anfangsphase des Ersten Weltkriegs. Immerhin soll Frankreich nun nicht der Erzfeind sondern der Erzfreund sein.

Ein naher Verwandter von mir ist in verantwortlicher Position in einem großen Logistikzentrum am Rand von Berlin beschäftigt. Als in der ersten Hälfte des Jahres die Grenzen zu Polen wegen der Pandemie geschlossen wurden, gingen die Bilder von kilometerlangen LKW-Staus durch die Medien. Der musste sich nicht nur um die Belange der steckengebliebenen Fahrer kümmern. Es gibt Verträge mit zig Baustellen in Berlin über die Lieferung von Farben und Baumaterialien. Und die kommen zum großen Teil aus Polen. Ein anderer naher Verwandter arbeitet bei Rolls Royce Triebwerke südlich von Berlin. Größter Abnehmer ist Airbus mit Hauptsitz in Toulouse. Und natürlich ist das Unternehmen vom Brexit getroffen. Ich sage mal so: Jenseits dieser meist stark kulturalistischen Diskussionen gibt es noch so etwas wie eine Wirklichkeit, eine Realität. Vielleicht sollte man die zumindest gelegentlich auch mal in die Argumentationen einbeziehen. Tut man dies, so laufen die Konzepte am Ende nicht auf Maximalvertiefung sondern auf die Findung von Minimalkonsensen hinaus. Erstens. Und zweitens ist eine neuerliche Teilung Europas in West und Ost, dieses inzwischen völlig verflochtenen Wirtschaftsraums vollkommen ausgeschlossen! Undenkbar!

Nur um ein kleines Beispiel herauszugreifen: Länder wie Rumänien und Bulgarien bilden mit eigenen staatlichen Mitteln gut qualifizierte Ärzte und Pflegekräfte aus, die dann zu erheblichem Anteil für Deutschlands Gesundheitssystem arbeiten. Das, darin sind sich Gesundheitsexperten einig, vielleicht nicht zusammenbrechen aber doch in erhebliche Schwierigkeiten käme, gäbe es eine solche erneute Teilung Europas in Ost und West.
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Orbiter1
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

schokoschendrezki hat geschrieben:(27 Nov 2020, 04:52)

Als wenn es allein die polnische oder ungarische Regierung wären, die diese europäische Idee erodieren lassen. Der EU-Haushalt wurde schon zigmal und vor allem von seiten Frankreichs oder UKs in Haftung genommen.
Ja, da ging es aber primär nur um irgendwelche finanzielle Verteilungskämpfe.
Zwischen Frankreichs Präsident Macron und der bundesdeutschen Verteidigunsministerin AKK gab es jüngst eine heftige Auseinandersetzung bezüglich der Frage des transatlantischen Bündnisses und der Rolle der Eigenständigkeit der EU in dieser Frage. Das ist nicht nur einfach eine Differenz in der Frage der Höhe irgendwelcher Agrarsubventionen. Sondern eine ganz fundamentale Differenz.
Da ging es um Themen die gar nicht vom EU-Vertrag abgedeckt werden.
Auch der Brexit ist - wenn man es historisch sieht - nicht einfach nur etwas, was auf "Minus Eins" hinausläuft. Und die Rolle Polens in Europa geht fundamental über die als Wirtschaftsstandort hinaus. Was nämlich die Beziehungen zum Baltikum, zur Ukraine, zum Ukrainekonflikt, zu den politischen Entwicklungen in Belarus und vor allem allgemein Russland anbelangt.
Die Punkte die sie hier aufführen sind vollkommen belanglos. In Wirklichkeit geht es aktuell um das Fundament der EU. Ist man eine Werteunion oder nicht. Und kann man Verstöße gegen diese Werteunion sanktionieren oder nicht. Wenn man keine Werteunion ist muss man den EU-Vertrag ändern. Genau dieser Vorschlag kommt ja nun von Polen und Ungarn. Die hätten gerne weiter eine Schein-Werteunion, die den Umbau ihrer Staaten in Autokratien nicht ernsthaft behindert. Falls der Rest der EU-Mitglieder das zulässt ist die Frage bezüglich der Zukunft der EU auch beantwortet. Das ist dann de facto eine reine Wirtschaftsunion (Szenario 2 Schwerpunkt Binnenmarkt), auch wenn man versucht sich noch ein anderes Mäntelchen umzuhängen.
Ein naher Verwandter von mir ist in verantwortlicher Position in einem großen Logistikzentrum am Rand von Berlin beschäftigt. Als in der ersten Hälfte des Jahres die Grenzen zu Polen wegen der Pandemie geschlossen wurden, gingen die Bilder von kilometerlangen LKW-Staus durch die Medien. Der musste sich nicht nur um die Belange der steckengebliebenen Fahrer kümmern. Es gibt Verträge mit zig Baustellen in Berlin über die Lieferung von Farben und Baumaterialien. Und die kommen zum großen Teil aus Polen. Ein anderer naher Verwandter arbeitet bei Rolls Royce Triebwerke südlich von Berlin. Größter Abnehmer ist Airbus mit Hauptsitz in Toulouse. Und natürlich ist das Unternehmen vom Brexit getroffen. Ich sage mal so: Jenseits dieser meist stark kulturalistischen Diskussionen gibt es noch so etwas wie eine Wirklichkeit, eine Realität. Vielleicht sollte man die zumindest gelegentlich auch mal in die Argumentationen einbeziehen. Tut man dies, so laufen die Konzepte am Ende nicht auf Maximalvertiefung sondern auf die Findung von Minimalkonsensen hinaus. Erstens. Und zweitens ist eine neuerliche Teilung Europas in West und Ost, dieses inzwischen völlig verflochtenen Wirtschaftsraums vollkommen ausgeschlossen! Undenkbar!
Selbstverständlich können wirtschaftliche Verflechtungen auch wieder aufgelöst werden. Man ist in der Vergangenheit Jahrzehnte ohne Ostblock gut zurecht gekommen und es gibt Null Gründe warum dies nicht auch in Zukunft möglich sein soll.
Nur um ein kleines Beispiel herauszugreifen: Länder wie Rumänien und Bulgarien bilden mit eigenen staatlichen Mitteln gut qualifizierte Ärzte und Pflegekräfte aus, die dann zu erheblichem Anteil für Deutschlands Gesundheitssystem arbeiten. Das, darin sind sich Gesundheitsexperten einig, vielleicht nicht zusammenbrechen aber doch in erhebliche Schwierigkeiten käme, gäbe es eine solche erneute Teilung Europas in Ost und West.
Das Handeln orientiert sich immer an den Möglichkeiten die zur Verfügung stehen. Wenn exemplarisch keine Ärzte und Pflegekräfte mehr aus Osteuropa im Westen arbeiten dürfen wird man andere Wege suchen und finden. Weltuntergang ist was anderes.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

Die EU ist eine Wirtschaftsunion.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Wenn es der EU nicht gelingt, sich sehr klar als Werteunion zu bewähren nach diesen Streitigkeiten, dann sind die finanziellen Umverteilungen innerhalb der EU zur Förderung der Regionen der EU herausgeworfenes Geld. Dann sollte man sich auf die Euro-Gruppe zurückziehen, die sehr auf Vertiefung und Werte angelegt war; da scheint die Chemie ja auch zu stimmen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(27 Nov 2020, 08:23)

Die EU ist eine Wirtschaftsunion.
Meinetwegen... eine mit Parlament, zweiter Kammer und Fachkommissionen für so ziemlich alle Aufgaben eines Staats, mit eigener Währung noch als Sahnehäubchen. :)
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Tom Bombadil
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(27 Nov 2020, 04:32)

In Deutschland lief das unter dem Titel "Leitkultur" und war (zunächst!) erstmal nicht digital gedacht.
Leitkultur, die Migranten zur Anerkennung der gewachsenen Kultur in ihrer neuen Heimat bewegen soll, mit dem chinesischen Überwachungsstaat auf eine Stufe zu stellen ist ungefähr so wie die Jana, die sich wie Sophie Scholl fühlt. Völlig absurd.
The tree of liberty must be refreshed from time to time with the blood of patriots and tyrants. It is its natural manure.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Eulenwoelfchen »

Orbiter1 hat geschrieben:(27 Nov 2020, 06:47)
...
Ja, da ging es aber primär nur um irgendwelche finanzielle Verteilungskämpfe. Da ging es um Themen die gar nicht vom EU-Vertrag abgedeckt werden. Die Punkte die sie hier aufführen sind vollkommen belanglos. In Wirklichkeit geht es aktuell um das Fundament der EU. Ist man eine Werteunion oder nicht. Und kann man Verstöße gegen diese Werteunion sanktionieren oder nicht. Wenn man keine Werteunion ist muss man den EU-Vertrag ändern. Genau dieser Vorschlag kommt ja nun von Polen und Ungarn. Die hätten gerne weiter eine Schein-Werteunion, die den Umbau ihrer Staaten in Autokratien nicht ernsthaft behindert. Falls der Rest der EU-Mitglieder das zulässt ist die Frage bezüglich der Zukunft der EU auch beantwortet. Das ist dann de facto eine reine Wirtschaftsunion (Szenario 2 Schwerpunkt Binnenmarkt), auch wenn man versucht sich noch ein anderes Mäntelchen umzuhängen.
...
Dieser Beitrag ist ein fullquote wert. Ich sehe das genauso.

Anzufügen wäre noch, dass man im Zuge der Rechtsstaatsverletzungen von Polen und Ungarn auch die Entziehung des Stimmrechts ins Auge fassen könnte. Dies würde ich von Seiten der 25 den beiden Regierungen klar und deutlich als Option
auf den Tisch legen. Inclusive vorzunehmender finanzieller Beschneidungen.

Wenn sich die EU jetzt von den beiden Staaten wie der Bär am Autokratenband stramm rechtsrum drehend durch die Zirkusmanege führen lässt, war's das mit der EU und einer Akzeptanz, die über eine reine Teppichhändlervereinigung hinausgeht.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

schokoschendrezki hat geschrieben:(27 Nov 2020, 04:52)

Als wenn es allein die polnische oder ungarische Regierung wären, die diese europäische Idee erodieren lassen. Der EU-Haushalt wurde schon zigmal und vor allem von seiten Frankreichs oder UKs in Haftung genommen. Zwischen Frankreichs Präsident Macron und der bundesdeutschen Verteidigunsministerin AKK gab es jüngst eine heftige Auseinandersetzung bezüglich der Frage des transatlantischen Bündnisses und der Rolle der Eigenständigkeit der EU in dieser Frage. Das ist nicht nur einfach eine Differenz in der Frage der Höhe irgendwelcher Agrarsubventionen. Sondern eine ganz fundamentale Differenz.
Dass es hier um (eine) ganz fundamentale Differenz(en) geht, wissen wir doch längst. Solche fundamentalen Differenzen haben sich bislang aber immer an einigermaßen offenen Diskussionen über fundamentale Fragen bemerkbar gemacht - wie jetzt zwischen Macron und AKK. Es gab auch immer Differenzen über den Haushalt. Die hatten aber nie zentral etwas miteinander zu tun. Sie wurden nicht miteinander verknüpft. Egal wo und egal welcher Haushalt beraten wird (EU, Bund, Länder, Kommunen...), gibt es IMMER Diskussionen. Es hat in der Geschichte der Menschheit wohl noch nie einen Haushalt gegeben, der ohne Diskussion einstimmig verabschiedet wurde. Selbst in totalitären Staaten wird hinter den Kulissen diskuriert. Wir haben in der EU jetzt aber erstmals den Fall, dass zwei Staaten solche "fundamentalen" und "rein haushaltsrechtlichen" Differenzen verknüpfen. Es ist das erste Mal, dass zwei Staaten OHNE SACHGRUND!!! den Haushalt blockieren, um eine fundamentale Frage zu klären: Müssen Mitgliedsstaaten der EU "rechtsstaatlich" handeln? Dabei ist das Rechtsstaatsprinzip doch eigentlich von allen Mitgliedsländern schon beim Beitritt zur EU als verbindlich akzeptiert worden. Was hat dieses Rechtsstaatsprinzip plötzlich mit dem Haushalt zu tun? War es jemals an den Haushalt gebunden?

Fakt ist und bleibt: Polen und Ungarn versuchen gerade, den Haushalt zu missbrauchen, um einen bisher allgemein anerkannten fundamentalen Grundsatz infrage zu stellen. Das ist Erpresssung! Nicht mehr und nicht weniger.
Auch der Brexit ist - wenn man es historisch sieht - nicht einfach nur etwas, was auf "Minus Eins" hinausläuft.
Stimmt. Aus britischer Sicht läuft der Brexit auf "Minus Siebenundzwanzig" hinaus. Das ändert aber nichts. Selbst die Briten haben nie versucht, den EU-Haushalt zu einer Waffe zu machen, um die anderen Mitglieder zu erpressen. Es gab immer eine klare Trennung zwischen den "Haushaltsfragen" und den "fundamentalen" Fragen.
Und die Rolle Polens in Europa geht fundamental über die als Wirtschaftsstandort hinaus. Was nämlich die Beziehungen zum Baltikum, zur Ukraine, zum Ukrainekonflikt, zu den politischen Entwicklungen in Belarus und vor allem allgemein Russland anbelangt.
Da müsste man dann auch mal die Frage stellen, ob das Baltikum und/oder die Ukraine sich gerade lieber auf Polen oder auf die "Rest-EU" verlassen wollen. Weiter oben habe ich klar gesagt, dass ich persönlich Polen gern in einer viel engeren Verbindung zur EU und insbesondere zu deutsch-französischen Achse sehen würde. Das müssen die Polen nur eben auch wollen. Und sie wollen es im Moment offensichtlich nicht.
Entschuldigung, aber die Diskussionen hier kommen mir manchmal vor wie die alter Männer in den Biergärten Deutschlands in der Anfangsphase des Ersten Weltkriegs. Immerhin soll Frankreich nun nicht der Erzfeind sondern der Erzfreund sein.
Worauf willst Du mit dieser Aussage hinaus? Dass die deutsch-französische Annäherung der "Motor" der europäischen Einigung war und bis heute ist, sollte eigentlich unstrittig sein. Aus deutscher Sicht kann die "Lösung" (wofür überhaupt??) ja wohl nicht darin bestehen, die Beziehungen zu Frankreich zu schwächen, um die Beziehungen zu einem potenziell "abtrünnigen" Polen stärken zu können.
Und zweitens ist eine neuerliche Teilung Europas in West und Ost, dieses inzwischen völlig verflochtenen Wirtschaftsraums vollkommen ausgeschlossen! Undenkbar!
Na, dann lass Dich mal überraschen! Ab dem 1.1.2021 werden wir life und in Farbe erleben, ob es wirklich "undenkbar" ist, einzelne Nationen aus dem gemeinsamen Wirtschaftsraum herauszulösen. Polen da herauszulösen, wäre aus meiner persönlichen Sicht genauso unerwünscht, wie Großbritannien da herauslösen zu müssen. Polen herauszulösen, wäre aus EU-Sicht aber deutlich einfacher, als GB "abstoßen" zu müssen. Aus EU-Sicht! Aus deutscher Sicht ist Polen rein wirtschaftlich schon seit Jahren wichtiger als GB.
Nur um ein kleines Beispiel herauszugreifen: Länder wie Rumänien und Bulgarien bilden mit eigenen staatlichen Mitteln gut qualifizierte Ärzte und Pflegekräfte aus, die dann zu erheblichem Anteil für Deutschlands Gesundheitssystem arbeiten. Das, darin sind sich Gesundheitsexperten einig, vielleicht nicht zusammenbrechen aber doch in erhebliche Schwierigkeiten käme, gäbe es eine solche erneute Teilung Europas in Ost und West.
Wahre Worte! Und wo ist der Kern des Problems? Der Kern des Problems liegt in der Bezahlung der von Dir genannten Fachkräfte. Schon in Deutschland werden diese Menschen für ihre Leistungen ganz erbärmlich entlohnt. Und selbst diese erbärmliche Entlohnung ist immer noch "Gold" gegen den Standard, den sie in ihren Heimatländern vorfinden. Das sollte eingentlich ein Argument dafür sein, über die reinen "Binnenmarkt-Erwägungen" hinaus auch "fundamentalere" Fragen mal näher zu betrachten. Mir würden da auf Anhieb Ansätze zu einer gemeinsamen Sozial- und Arbeitsmarkt-Politik einfallen.

Aber das wären dann natürlich wieder "grundsätzliche" Fragen.... Und um die geht es Leuten wie Orban und Morawiecki nicht.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

Senexx hat geschrieben:(27 Nov 2020, 08:23)

Die EU ist eine Wirtschaftsunion.
Was willst Du damit sagen?

Natürlich ist die EU eine Wirtschaftsunion. AUCH eine Wirtschaftsunion. Sie ist aber darüber hinaus schon ein bisschen mehr. Willst Du andeuten, dass die EU NUR eine Wirtschaftsunion ist? Oder dass sie NUR eine Wirtschaftsunion sein darf? Welche Grundlage sollten denn dann noch katalanische Unabhängigkeitsbestrebungen haben? Katalonien gehört doch schon zur Wirtschaftsunion. Warum gibt es denn dann in Katalonien noch Bestrebungen nach einer politischen Abspaltung?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

SZ 27. November 2020 "Nofalls muss der Corona-Fonds ohne Polen und Ungarn vereinbart werden"
https://www.sueddeutsche.de/politik/eu- ... -1.5130397
"Auch Grüne, Sozial- und Christdemokraten stehen zum Rechtsstaatsmechanismus. "Das EU-Parlament wird keinen Millimeter zurückweichen", sagt der CSU-Abgeordnete Manfred Weber, der die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) anführt. Er ist dafür, Fidesz aus der christdemokratischen EVP auszuschließen. Orbáns Partei ist bislang nur suspendiert, noch gehören die zwölf Fidesz-Abgeordneten der Fraktion an."
Das neue Jahr dürfte mit einem Nothaushalt der EU beginnen. Als Plan B wird wohl für den Corona-Fonds eine Konstruktion vergleichbar dem ESM entwickelt. So könnte eine EU der zwei Geschwindigkeiten entstehen.
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

In Polens Presse, hier etwa in der Gazeta Wyborcza, wird schon darüber spekuliert, wie weit die kommende portugiesische Ratspräsidentschaft die harte Linie unserer Bundeskanzlerin Merkel fortsetzt. Aus meiner Sicht wohl unveränderte Fortsetzung, wenn die beiden Veto-Vertreter gegen den EU-Haushalt nicht einlenken. Lassen wir uns überraschen.

In Polen baut sich weiter Druck gegen die national-klerikale Regierung auf, die inzwischen erhebliche Gewalt und maskierte Schläger gegen demonstrierende Frauen einsetzt, die um Selbstbestimmung über ihren Körper auf die Straße gehen. Solcher Machtmißbrauch geht nicht lange gut!
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

SZ 28. November 2020 Europas Doppelkrise
https://www.sueddeutsche.de/politik/eu- ... -1.5130103
"Die Haushaltsblockade Ungarns und Polens auf der einen und der Brexit auf der anderen Seite sind längst keine technischen Probleme mehr, die in bewährter Manier in einer Gipfelnacht ausverhandelt werden können. Europa steht vor einem fundamentalen ideologischen Gegensatz rund um die Fragen: Wie souverän kann ein Staat in der Gemeinschaft der 27 bleiben? Wie viel Preisgabe von Souveränität erzwingt bereits die wirtschaftliche Anbindung?...
Die Briten sind in ihrem Wunsch nach mehr Souveränität ein paar Schritte weiter, aber auch hier kommt das Thema mit aller Macht zurück. Wo immer sich zwei Handelsmächte annähern, müssen sie sich auf Regeln, deren Überprüfbarkeit, Gerichtsinstanzen und Sanktionswerkzeuge einigen. Weil aber das europäische Regelwerk enorm dicht und verflochten ist, kann sich Großbritannien nicht so leicht daraus lösen."

Die Doppelkrise wird uns in 2021 noch lange begleiten. Die deutsche Regierung sollte ihre Scheckdiplomatie einmal überdenken und präziser Stellung zu den urpolitischen Fragen von Regulierung und Rechtsstaatlichkeit beziehen. Vielleicht bringt ab Herbst eine neue Regierung etwas Veränderung in die mentalen Erstarrung.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Wähler hat geschrieben:(30 Nov 2020, 06:25)
...

...

...Die deutsche Regierung sollte ihre Scheckdiplomatie einmal überdenken und präziser Stellung zu den urpolitischen Fragen von Regulierung und Rechtsstaatlichkeit beziehen. Vielleicht bringt ab Herbst eine neue Regierung etwas Veränderung in die mentalen Erstarrung.
Die Antwort haben Sie doch schon zwei Beiträge weiter oben gegeben: Der Widerspruch von weitgehender nationaler Souveränität und schrankenloser Zusammenarbeit von Gemeinschaften wird zu einem Europa der zwei Geschwindigkeiten führen (müssen). Das deutsche Scheckbuch wird nur im grenzenlosen Europa benötigt. Handelspartner und Wettbewerber brauchen keine Zuwendungen und auch keine gemeinsamen Entwicklungen. Ich hoffe, daß Deutschland sich im schrankenlosen Verbund europäischer Staaten wieder findet.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Klopfer »

Senexx hat geschrieben:(26 Nov 2020, 12:19)

Hat jemand Mitgefühl mit mir? Der ich unter Merkel leiden muss? Und dass es demnächst noch schlimmer kommt?

Na also.

Die Minderheit ist immer Opfer der Mehrheit.
Wart erst mal bis Merz dran ist, du wirst dir händeringend eineArte Merkel zurückwünschen.
Na ja, du vielleicht nicht, aber Millionen andere.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

Schwuler homophober Fidesz-EU-Abgeordneter muss nach Sex- und Drogenparty mit 25 nackten Schwulen zurücktreten.

https://www.bild.de/bild-plus/politik/a ... .bild.html

Da sage mal einer, in Brüssel und Budapest würde keine gute Unterhaltung geboten.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Haegar »

Senexx hat geschrieben:(03 Dec 2020, 15:44)

Schwuler homophober Fidesz-EU-Abgeordneter muss nach Sex- und Drogenparty mit 25 nackten Schwulen zurücktreten.

https://www.bild.de/bild-plus/politik/a ... .bild.html

Da sage mal einer, in Brüssel und Budapest würde keine gute Unterhaltung geboten.
Er hat gegen die Coronaauflagen verstossen und die Drogen waren nur zufällig in seiner Tasche !
Er hat sich auch brav entschuldigt.
:cool: :thumbup:

Ob das die Zukunft Brüssels gefährdet, wo doch die Bigotterie mancher Konservativer ja nicht allzu neu ist ?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Solche Schmuddelgeschichten erhöhen nicht gerade das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Unbestechlichkeit dieser Bundesgenossen. Tolle Personalauswahl für die Verwendung in der EU! In der Gazeta Wyborcza findet man, daß auch ein polnischer Entsandter sich da bestens unterhalten haben soll. Mal sehen, wie weit die EU solche Verwickelungen aufdecken kann. Der Fraktionsvorsitzende der PiS im Sejm, Terlecki, geht entsprechenden Verdächtigungen nach.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

Senexx hat geschrieben:(03 Dec 2020, 15:44)

Schwuler homophober Fidesz-EU-Abgeordneter muss nach Sex- und Drogenparty mit 25 nackten Schwulen zurücktreten.

https://www.bild.de/bild-plus/politik/a ... .bild.html

Da sage mal einer, in Brüssel und Budapest würde keine gute Unterhaltung geboten.
Diese Geschichte wird nur Leute überraschen, die meinen, dass die politische Entwicklung sich entlang von "Idfeologien" oder "Kulturen" und nicht entlang von Interessenswahrnehmungen vollzieht. Sich, wie József Szájer für traditionelle Familie und gegen die LGBT-Community zu ereifern und ein ganz anderes Privatleben zu führen ... ist nicht etwa "Doppelmoral", wie in vielen Medien kommentiert, sondern seit etlichen hundert Jahren das ganz normale politische Geschäft. Es war noch nie anders. Es gibt auf der einen Seite die Erzählungen fürs Volk und auf der anderen Seite die Interessenswahrhnehmung. Als wenn der Aufsichtratsposten unseres Ex-Kanzlers Schröder bei einem großen Unternehmen in der lupernreinen Demokratie Russland oder die Waffengeschäfte mit Saudi Arabien sich davon auch nur hauchweise unterscheiden würden.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

Man kann das schon in den Filser-Briefen nachlesen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

In Polen gab es in den größeren Städten eine "Licht-Aus-Aktion". Für kurze Zeit wurden die öffentlichen Beleuchtungen ausgeschaltet. Um auf die Folgen für einen weiteren Boykott des EU-Haushalts hinzuweisen.

Der Riss geht doch nicht durch EU Ost/West oder Nord/Süd sondern durch städtische versus ländliche Bevölkerung. Das konnte man sowohl bei den Gelbwestenprotesten in Frankreich wie auch schon beim Brexit-Referendum sehen. Und auch jüngst bei den Regionalwahlen in Frankreich. In einem Land wie Ungarn läuft es definitv so, dass die Regierungspartei mit allerlei Zuwendungen und ihrer Politik sich eine Basis auf dem Land und vor allem in den Kleinstädten schafft bzw. geschaffen hat: Konservativ, sich dem "christlich-abendländischen Europa" zugehörig fühlend, auf Werte wie Familie und Tradition orientiert, Einfamilienhaus, Garage, Auto, Vater, Mutter, zwei Kinder ... Und zumindest mit der GAP hat die ungarische Regierung ein wunderbares Instrument für diese Politik zur Hand.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

Kohlhaas hat geschrieben:(27 Nov 2020, 16:13)
Worauf willst Du mit dieser Aussage hinaus? Dass die deutsch-französische Annäherung der "Motor" der europäischen Einigung war und bis heute ist, sollte eigentlich unstrittig sein. Aus deutscher Sicht kann die "Lösung" (wofür überhaupt??) ja wohl nicht darin bestehen, die Beziehungen zu Frankreich zu schwächen, um die Beziehungen zu einem potenziell "abtrünnigen" Polen stärken zu können.
Nicht doch. So wie die gesamtpolitische Lage aussieht, bleibe ich dabei, dass das "Weimarer-Dreieck"-Format, also ein Kernbündnis Frankreich-Deutschland-Polen das Optimum bezüglich Quo Vadis Europa wäre. Würde es in Frankreich eine Präsidentin Marine Le Pen geben, was ja nun überhaupt nicht auszuschließen war und ist, so wären die Beziehungen Deutschlands zu Frankreich ähnlich schwierig und belastet oder noch schwieriger wie die heute zu Polen. Davon darf man das grundsätzliche politische Konzept gar nicht abhängig machen. Die Gesellschaft in Polen ist annähernd fifty fifty zweigeteilt. Man kann eigentlich überhaupt nicht von "Polen" ohne Differenzierung reden. In Frankreich liegt das Übergewicht noch auf der liberalen Seite. Noch. Was wird 2022? Darauf muss man doch ebenso vorbereitet sein wie auf den Fall, dass aus den 49% Liberalen in Polen 51% werden.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

SZ 4. Dezember 2020 Die Kommission erhöht derweil den Druck - und plant einen Corona-Fonds ohne Polen und Ungarn
https://www.sueddeutsche.de/politik/eur ... -1.5138120
"Die Behörde orientiert sich hier an "Sure", dem EU-Hilfspaket für nationale Kurzarbeitergeld-Programme: Die Kommission gibt für bis zu 100 Milliarden Euro Anleihen heraus und nutzt das Geld für günstige Darlehen an Mitgliedstaaten, wenn diese hohe Ausgaben wegen Kurzarbeit haben. Die EU-Regierungen ermöglichen die Schuldenaufnahme Brüssels durch Garantien, also indem sie letztlich für Ausfälle bürgen. Ein Eigenmittelbeschluss, wie bislang beim Corona-Topf vorgesehen, ist nicht nötig...
Aus der Kommission heißt es, ein alternativer Corona-Fonds ohne die zwei Staaten könne nur eine "Brückenlösung" sein, bis die Vetos irgendwann aufgegeben werden und der richtige Fonds in Kraft tritt."

Ungarn und Polen haben Sand ins Getriebe gestreut, können aber die vertiefte Zusammenarbeit der anderen EU-Mitgliedsstaaten mittels eines Corona-Fonds nicht aufhalten. Wenn sie wollen, können sie noch später auf den fahrenden Zug aufspringen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

Die Kommission wird von allen Staaten mitfinanziert. Ich bezweifle, dass die Kommission diese Aufgabe übernehmen kann.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Haegar »

Polen und Ungarn (die jeweiligen Regierungen) haben wohl Brüssels Reaktion falsch eingeschätzt. Sie haben nun die Gelegenheit bis heute (?) von ihrem Veto zu EU Haushalt der nächsten 7 Jahre + Coronahilfen abzuweichen.
Alternativ stehen ihnen sonst keine Coronahilfen zu und aus dem "Nothaushalt" können ihnen 50 - 75 % wohl gestrichen werden.
Wie wohl die Bevölkerung in diesen Ländern reagieren wird, wenn diesen Regierungen das Geld ausbleibt. Für Polen wage ich die Prognose eines Regierungswechsels, gerade nachdem man es sich mit den Frauen bei der Abtreibungsgesetzgebung verscherzt hat.

https://www.spiegel.de/politik/ausland/ ... 6ce9810d1c
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

Haegar hat geschrieben:(08 Dec 2020, 10:55)

Polen und Ungarn (die jeweiligen Regierungen) haben wohl Brüssels Reaktion falsch eingeschätzt. Sie haben nun die Gelegenheit bis heute (?) von ihrem Veto zu EU Haushalt der nächsten 7 Jahre + Coronahilfen abzuweichen.
Alternativ stehen ihnen sonst keine Coronahilfen zu und aus dem "Nothaushalt" können ihnen 50 - 75 % wohl gestrichen werden.
Wie wohl die Bevölkerung in diesen Ländern reagieren wird, wenn diesen Regierungen das Geld ausbleibt. Für Polen wage ich die Prognose eines Regierungswechsels, gerade nachdem man es sich mit den Frauen bei der Abtreibungsgesetzgebung verscherzt hat.

https://www.spiegel.de/politik/ausland/ ... 6ce9810d1c
Möglicherweise haben sich Morawiecki und Orban auch innenpolitisch verrechnet. Weder in Polen noch in Ungarn ist die Stimmung der Bevölkerung gegen die EU gerichtet. Im Gegenteil, die Zustimmung ist hoch. Gerade in Ungarn wird Orbans Veto offenbar auch sehr kritisch gesehen:

https://www.dw.com/de/ungarns-veto-gege ... a-55853465
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

Und nicht genug damit, dass Ungarn und Polen keine Rechtsstaatlichkeit wollen, sie wollen auch keine Lohn- und Sozialstandards!

https://www.spiegel.de/wirtschaft/sozia ... 7062b80d76

Offenbar finden sie es gut, dass polnische und ungarische Arbeiter in Deutschland schlechter bezahlt werden als deutsche Arbeiter. Das ist ja sehr patriotisch.

Nun, mit diesem Vorstoß sind die Herren Morawiecki und Orban schonmal gescheitert. Mit dem Veto gegen den Haushalt und die Rechtsstaatlichkeit wird es genauso laufen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Maikel »

Kohlhaas hat geschrieben:(08 Dec 2020, 18:42)Offenbar finden sie es gut, dass polnische und ungarische Arbeiter in Deutschland schlechter bezahlt werden als deutsche Arbeiter.
Das kann man gut finden, weil sie damit konkurrenzfähiger sind, dadurch eher eingestellt werden. Und trotzdem noch für polnische und ungarische Verhältnisse wahnsinnig viel Geld nach Hause überweisen können. Nicht zu vergessen das deutsche Kindergeld.
Die menschliche Sprache ist einzigartig, aber nicht eindeutig.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Nun ja, als Pole vom Dienst bitte ich doch darum, die ungleiche Verteilung des Wohlstands in der EU zu sehen. Genau die führt ja zur "Entsendung" von Arbeitnehmern in die Wohlstandszonen der EU. Mit der Notwendigkeit "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit", und um die Arbeitnehmer in den Wohlstandsgebieten der EU keiner unlauteren Konkurrenz aus zu setzen, wird erreicht, daß die Arbeit im Westen noch einträglicher wird, also noch mehr Menschen über ihren Schatten springen und ihr Land verlassen. Zuerst als entsandte Arbeitnehmer einer polnischen (Schein-)Firma, und irgendwann dann der Sprung aus dieser Umklammerung in ein deutsches Unternehmen, oder sogar in die Selbständigkeit... wenn der Arbeitnehmer eine gesuchte Qualifikation hat und sich wenigstens im Alltag auf Deutsch verständigen kann..

Uns Deutsche soll es freuen, wenn möglichst viele fleißige und anstellige Polen, Ungarn, Balten den Weg zu uns finden. Aber mit Blick auf Europa als Gemeinschaft ist diese Freude vielleicht doch verfehlt.

Das Thema ist also verzwickter als es uns zu sein scheint. Selbst das gewährte Kindergeld ist ein Faktor in der Preisfindung. Im Herkunftsland (Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien) stiftet dieses Geld einigen Segen für Angehörige, öffnet Bildungschancen für Kinder, die ansonsten keinen Zugang dazu hätten. Und 20 Jahre später bekommen wir in Deutschland besser gebildete Arbeitnehmer im Entsendeverfahren, oder besser gebildete Arbeitnehmer an verlängerten Werkbänken erfolgreicher deutscher Unternehmen im Ausland.

In so mancher Hinsicht gilt (beileibe nicht immer!) der alte deutsche Spruch: "Der Teufel entleert sich immer auf dem größten Haufen!"
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von sünnerklaas »

H2O hat geschrieben:(09 Dec 2020, 10:10)

Nun ja, als Pole vom Dienst bitte ich doch darum, die ungleiche Verteilung des Wohlstands in der EU zu sehen. Genau die führt ja zur "Entsendung" von Arbeitnehmern in die Wohlstandszonen der EU. Mit der Notwendigkeit "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit", und um die Arbeitnehmer in den Wohlstandsgebieten der EU keiner unlauteren Konkurrenz aus zu setzen, wird erreicht, daß die Arbeit im Westen noch einträglicher wird, also noch mehr Menschen über ihren Schatten springen und ihr Land verlassen. Zuerst als entsandte Arbeitnehmer einer polnischen (Schein-)Firma, und irgendwann dann der Sprung aus dieser Umklammerung in ein deutsches Unternehmen, oder sogar in die Selbständigkeit... wenn der Arbeitnehmer eine gesuchte Qualifikation hat und sich wenigstens im Alltag auf Deutsch verständigen kann..

Uns Deutsche soll es freuen, wenn möglichst viele fleißige und anstellige Polen, Ungarn, Balten den Weg zu uns finden. Aber mit Blick auf Europa als Gemeinschaft ist diese Freude vielleicht doch verfehlt.

Das Thema ist also verzwickter als es uns zu sein scheint. Selbst das gewährte Kindergeld ist ein Faktor in der Preisfindung. Im Herkunftsland (Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien) stiftet dieses Geld einigen Segen für Angehörige, öffnet Bildungschancen für Kinder, die ansonsten keinen Zugang dazu hätten. Und 20 Jahre später bekommen wir in Deutschland besser gebildete Arbeitnehmer im Entsendeverfahren, oder besser gebildete Arbeitnehmer an verlängerten Werkbänken erfolgreicher deutscher Unternehmen im Ausland.

In so mancher Hinsicht gilt (beileibe nicht immer!) der alte deutsche Spruch: "Der Teufel entleert sich immer auf dem größten Haufen!"
Es ist ja unbestritten, dass die Abwanderung der letzten 30 Jahren eine Ursache für die heutige Stärke der AfD in Ostdeutschland, der PiS und von Fidesz in Ungarn ist. Hinzu kommt die große Skepsis vieler gegen Gewerkschaften. Die gelten als sozialistisches Teufelszeug. Durch das niedrige Lohnniveau sind diese Länder als Profuktionsstandort interessant. Eigentlich müssten die Löhne in Polen sehr viel höher sein, als sie es jetzt sind.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

Maikel hat geschrieben:(09 Dec 2020, 08:42)

Das kann man gut finden, weil sie damit konkurrenzfähiger sind, dadurch eher eingestellt werden. Und trotzdem noch für polnische und ungarische Verhältnisse wahnsinnig viel Geld nach Hause überweisen können. Nicht zu vergessen das deutsche Kindergeld.
Genau diese Definition von "konkurrenzfähig" muss man aber doch hinterfragen. Diese Definition von "Konkurrenzfähigkeit" führt dazu, dass Polen/Ungarn/Rumänen.... in Deutschland als "billige Sklaven" so gern gesehen sind, monatelang irgendwelche Lastwagen durch die Gegend chauffieren und ihre Wochenenden auf irgendwelchen Autobahnraststätten in den Führerhäusern ihrer LKW´s verbringen müssen. Genau diese Definition von "konkurrenzfähig" führt doch dazu, dass Menschen in Deutschland ihre Jobs verlieren, weil Saisonarbeiter aus Polen oder Ungarn oder... "billiger" sind. Und das wiederum führt dazu, dass hierzulande die Fremdenfeindlichkeit zunimmt.

Meine "Vision" von Europa sieht anders aus. Die habe ich bei Urlauben z.B. in Griechenland auch schon verwirklicht gesehen. Ich fand es ganz wunderbar, zu sehen, dass die Menschen dort ungefähr genauso komfortabel leben konnten wie wir hier in Deutschland. DAS sollte das Ziel der europäischen Einigung sein: gleiche Lebensverhältnisse in allen Mitgliedsländern. Lohndumping ist gewiss kein sinnreiches Mittel zur Gestaltung der Zukunft Europas.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

Wie es scheint, kneifen Polen und Ungarn den Schwanz ein. Sie wollen offenbar von ihren "Veto" abrücken und den Rechtsstaatsmechanismus hinnehmen:

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ ... 93561.html
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Haegar »

Kohlhaas hat geschrieben:Wie es scheint, kneifen Polen und Ungarn den Schwanz ein. Sie wollen offenbar von ihren "Veto" abrücken und den Rechtsstaatsmechanismus hinnehmen:

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ ... 93561.html
Schau mer mal, ob der Kompromiss bei dem Parlament und den sparsamen Vier Zustimmung findet.
Es war trotzdem interessant zu beobachten, dass die beiden Staaten der Meinung waren, dass sie in die Hand beissen können, die sie füttert.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

Haegar hat geschrieben:(09 Dec 2020, 16:51)

Schau mer mal, ob der Kompromiss bei dem Parlament und den sparsamen Vier Zustimmung findet.
Es war trotzdem interessant zu beobachten, dass die beiden Staaten der Meinung waren, dass sie in die Hand beissen können, die sie füttert.
Wir wissen ja gar nicht, wie der Kompromiss aussehen wird. Das weiß ja noch niemand. Wenn die Kommission da eventuell eine "Aufweichung" des Rechtsstaatsmechanismus vorgeschlagen hätte, dann würde das ohnehin nicht durch das Parlament gehen. Die "sparsamen Vier" spielen da meiner Einschätzung nach keine Rolle. Entscheidend ist die Haltung der übrigen hoffentlich rechtsstaatlichen Fünfundzwanzig. Warten wir mal ab!

Bemerkenswert finde ich es jetzt erstmal, dass die widerlichen Populisten in Polen und Ungarn gerade klein beigeben. Mit dem Rechtsstaatsmechanismus hat die EU offenbar einen Weg gefunden, den populistischen und korrupten Möchtegerndiktatoren in der Union endlich mal das Maul zu stopfen. Dass eine korrupte Zecke wie Orban den Staat Ungarn lenken und seiner eigenen Sippe EU-Gelder in die Taschen schaufeln darf, ist noch unerträglicher als der Umstand, dass ein Mann wie Scheuer noch deutscher Verkehrsminister ist.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von sünnerklaas »

Kohlhaas hat geschrieben:(09 Dec 2020, 18:15)

Bemerkenswert finde ich es jetzt erstmal, dass die widerlichen Populisten in Polen und Ungarn gerade klein beigeben. Mit dem Rechtsstaatsmechanismus hat die EU offenbar einen Weg gefunden, den populistischen und korrupten Möchtegerndiktatoren in der Union endlich mal das Maul zu stopfen. Dass eine korrupte Zecke wie Orban den Staat Ungarn lenken und seiner eigenen Sippe EU-Gelder in die Taschen schaufeln darf, ist noch unerträglicher als der Umstand, dass ein Mann wie Scheuer noch deutscher Verkehrsminister ist.
Leuten, wie Orban musst man ganz einfach nur zum richtigen Zeitpunkt ganz kärftig auf die Finger hauen. Sinngemäß hiess es, als es bei der letzten Wahl für Orbans Partei eng zu werden drohte, man würde sofort den gefährlichen Ausländer ins Land lassen, sollte Fidesz nicht gewählt werden. Das kam bei vielen Ungarn an, die sind regelrecht panisch und hysterisch geworden. Das, was Orban da betreibt, ist letztendlich nichts mehr, als Schutzgelderpressung.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Dieter Winter »

Haegar hat geschrieben:(09 Dec 2020, 16:51)

Schau mer mal, ob der Kompromiss bei dem Parlament und den sparsamen Vier Zustimmung findet.
Es war trotzdem interessant zu beobachten, dass die beiden Staaten der Meinung waren, dass sie in die Hand beissen können, die sie füttert.
Der "Kompromiss" ist eine krachende Niederlage für die EU.
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