Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

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Tom Bombadil
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(27 Nov 2020, 04:32)

In Deutschland lief das unter dem Titel "Leitkultur" und war (zunächst!) erstmal nicht digital gedacht.
Leitkultur, die Migranten zur Anerkennung der gewachsenen Kultur in ihrer neuen Heimat bewegen soll, mit dem chinesischen Überwachungsstaat auf eine Stufe zu stellen ist ungefähr so wie die Jana, die sich wie Sophie Scholl fühlt. Völlig absurd.
The tree of liberty must be refreshed from time to time with the blood of patriots and tyrants. It is its natural manure.
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Eulenwoelfchen

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Eulenwoelfchen »

Orbiter1 hat geschrieben:(27 Nov 2020, 06:47)
...
Ja, da ging es aber primär nur um irgendwelche finanzielle Verteilungskämpfe. Da ging es um Themen die gar nicht vom EU-Vertrag abgedeckt werden. Die Punkte die sie hier aufführen sind vollkommen belanglos. In Wirklichkeit geht es aktuell um das Fundament der EU. Ist man eine Werteunion oder nicht. Und kann man Verstöße gegen diese Werteunion sanktionieren oder nicht. Wenn man keine Werteunion ist muss man den EU-Vertrag ändern. Genau dieser Vorschlag kommt ja nun von Polen und Ungarn. Die hätten gerne weiter eine Schein-Werteunion, die den Umbau ihrer Staaten in Autokratien nicht ernsthaft behindert. Falls der Rest der EU-Mitglieder das zulässt ist die Frage bezüglich der Zukunft der EU auch beantwortet. Das ist dann de facto eine reine Wirtschaftsunion (Szenario 2 Schwerpunkt Binnenmarkt), auch wenn man versucht sich noch ein anderes Mäntelchen umzuhängen.
...
Dieser Beitrag ist ein fullquote wert. Ich sehe das genauso.

Anzufügen wäre noch, dass man im Zuge der Rechtsstaatsverletzungen von Polen und Ungarn auch die Entziehung des Stimmrechts ins Auge fassen könnte. Dies würde ich von Seiten der 25 den beiden Regierungen klar und deutlich als Option
auf den Tisch legen. Inclusive vorzunehmender finanzieller Beschneidungen.

Wenn sich die EU jetzt von den beiden Staaten wie der Bär am Autokratenband stramm rechtsrum drehend durch die Zirkusmanege führen lässt, war's das mit der EU und einer Akzeptanz, die über eine reine Teppichhändlervereinigung hinausgeht.
Kohlhaas
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

schokoschendrezki hat geschrieben:(27 Nov 2020, 04:52)

Als wenn es allein die polnische oder ungarische Regierung wären, die diese europäische Idee erodieren lassen. Der EU-Haushalt wurde schon zigmal und vor allem von seiten Frankreichs oder UKs in Haftung genommen. Zwischen Frankreichs Präsident Macron und der bundesdeutschen Verteidigunsministerin AKK gab es jüngst eine heftige Auseinandersetzung bezüglich der Frage des transatlantischen Bündnisses und der Rolle der Eigenständigkeit der EU in dieser Frage. Das ist nicht nur einfach eine Differenz in der Frage der Höhe irgendwelcher Agrarsubventionen. Sondern eine ganz fundamentale Differenz.
Dass es hier um (eine) ganz fundamentale Differenz(en) geht, wissen wir doch längst. Solche fundamentalen Differenzen haben sich bislang aber immer an einigermaßen offenen Diskussionen über fundamentale Fragen bemerkbar gemacht - wie jetzt zwischen Macron und AKK. Es gab auch immer Differenzen über den Haushalt. Die hatten aber nie zentral etwas miteinander zu tun. Sie wurden nicht miteinander verknüpft. Egal wo und egal welcher Haushalt beraten wird (EU, Bund, Länder, Kommunen...), gibt es IMMER Diskussionen. Es hat in der Geschichte der Menschheit wohl noch nie einen Haushalt gegeben, der ohne Diskussion einstimmig verabschiedet wurde. Selbst in totalitären Staaten wird hinter den Kulissen diskuriert. Wir haben in der EU jetzt aber erstmals den Fall, dass zwei Staaten solche "fundamentalen" und "rein haushaltsrechtlichen" Differenzen verknüpfen. Es ist das erste Mal, dass zwei Staaten OHNE SACHGRUND!!! den Haushalt blockieren, um eine fundamentale Frage zu klären: Müssen Mitgliedsstaaten der EU "rechtsstaatlich" handeln? Dabei ist das Rechtsstaatsprinzip doch eigentlich von allen Mitgliedsländern schon beim Beitritt zur EU als verbindlich akzeptiert worden. Was hat dieses Rechtsstaatsprinzip plötzlich mit dem Haushalt zu tun? War es jemals an den Haushalt gebunden?

Fakt ist und bleibt: Polen und Ungarn versuchen gerade, den Haushalt zu missbrauchen, um einen bisher allgemein anerkannten fundamentalen Grundsatz infrage zu stellen. Das ist Erpresssung! Nicht mehr und nicht weniger.
Auch der Brexit ist - wenn man es historisch sieht - nicht einfach nur etwas, was auf "Minus Eins" hinausläuft.
Stimmt. Aus britischer Sicht läuft der Brexit auf "Minus Siebenundzwanzig" hinaus. Das ändert aber nichts. Selbst die Briten haben nie versucht, den EU-Haushalt zu einer Waffe zu machen, um die anderen Mitglieder zu erpressen. Es gab immer eine klare Trennung zwischen den "Haushaltsfragen" und den "fundamentalen" Fragen.
Und die Rolle Polens in Europa geht fundamental über die als Wirtschaftsstandort hinaus. Was nämlich die Beziehungen zum Baltikum, zur Ukraine, zum Ukrainekonflikt, zu den politischen Entwicklungen in Belarus und vor allem allgemein Russland anbelangt.
Da müsste man dann auch mal die Frage stellen, ob das Baltikum und/oder die Ukraine sich gerade lieber auf Polen oder auf die "Rest-EU" verlassen wollen. Weiter oben habe ich klar gesagt, dass ich persönlich Polen gern in einer viel engeren Verbindung zur EU und insbesondere zu deutsch-französischen Achse sehen würde. Das müssen die Polen nur eben auch wollen. Und sie wollen es im Moment offensichtlich nicht.
Entschuldigung, aber die Diskussionen hier kommen mir manchmal vor wie die alter Männer in den Biergärten Deutschlands in der Anfangsphase des Ersten Weltkriegs. Immerhin soll Frankreich nun nicht der Erzfeind sondern der Erzfreund sein.
Worauf willst Du mit dieser Aussage hinaus? Dass die deutsch-französische Annäherung der "Motor" der europäischen Einigung war und bis heute ist, sollte eigentlich unstrittig sein. Aus deutscher Sicht kann die "Lösung" (wofür überhaupt??) ja wohl nicht darin bestehen, die Beziehungen zu Frankreich zu schwächen, um die Beziehungen zu einem potenziell "abtrünnigen" Polen stärken zu können.
Und zweitens ist eine neuerliche Teilung Europas in West und Ost, dieses inzwischen völlig verflochtenen Wirtschaftsraums vollkommen ausgeschlossen! Undenkbar!
Na, dann lass Dich mal überraschen! Ab dem 1.1.2021 werden wir life und in Farbe erleben, ob es wirklich "undenkbar" ist, einzelne Nationen aus dem gemeinsamen Wirtschaftsraum herauszulösen. Polen da herauszulösen, wäre aus meiner persönlichen Sicht genauso unerwünscht, wie Großbritannien da herauslösen zu müssen. Polen herauszulösen, wäre aus EU-Sicht aber deutlich einfacher, als GB "abstoßen" zu müssen. Aus EU-Sicht! Aus deutscher Sicht ist Polen rein wirtschaftlich schon seit Jahren wichtiger als GB.
Nur um ein kleines Beispiel herauszugreifen: Länder wie Rumänien und Bulgarien bilden mit eigenen staatlichen Mitteln gut qualifizierte Ärzte und Pflegekräfte aus, die dann zu erheblichem Anteil für Deutschlands Gesundheitssystem arbeiten. Das, darin sind sich Gesundheitsexperten einig, vielleicht nicht zusammenbrechen aber doch in erhebliche Schwierigkeiten käme, gäbe es eine solche erneute Teilung Europas in Ost und West.
Wahre Worte! Und wo ist der Kern des Problems? Der Kern des Problems liegt in der Bezahlung der von Dir genannten Fachkräfte. Schon in Deutschland werden diese Menschen für ihre Leistungen ganz erbärmlich entlohnt. Und selbst diese erbärmliche Entlohnung ist immer noch "Gold" gegen den Standard, den sie in ihren Heimatländern vorfinden. Das sollte eingentlich ein Argument dafür sein, über die reinen "Binnenmarkt-Erwägungen" hinaus auch "fundamentalere" Fragen mal näher zu betrachten. Mir würden da auf Anhieb Ansätze zu einer gemeinsamen Sozial- und Arbeitsmarkt-Politik einfallen.

Aber das wären dann natürlich wieder "grundsätzliche" Fragen.... Und um die geht es Leuten wie Orban und Morawiecki nicht.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

Senexx hat geschrieben:(27 Nov 2020, 08:23)

Die EU ist eine Wirtschaftsunion.
Was willst Du damit sagen?

Natürlich ist die EU eine Wirtschaftsunion. AUCH eine Wirtschaftsunion. Sie ist aber darüber hinaus schon ein bisschen mehr. Willst Du andeuten, dass die EU NUR eine Wirtschaftsunion ist? Oder dass sie NUR eine Wirtschaftsunion sein darf? Welche Grundlage sollten denn dann noch katalanische Unabhängigkeitsbestrebungen haben? Katalonien gehört doch schon zur Wirtschaftsunion. Warum gibt es denn dann in Katalonien noch Bestrebungen nach einer politischen Abspaltung?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

SZ 27. November 2020 "Nofalls muss der Corona-Fonds ohne Polen und Ungarn vereinbart werden"
https://www.sueddeutsche.de/politik/eu- ... -1.5130397
"Auch Grüne, Sozial- und Christdemokraten stehen zum Rechtsstaatsmechanismus. "Das EU-Parlament wird keinen Millimeter zurückweichen", sagt der CSU-Abgeordnete Manfred Weber, der die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) anführt. Er ist dafür, Fidesz aus der christdemokratischen EVP auszuschließen. Orbáns Partei ist bislang nur suspendiert, noch gehören die zwölf Fidesz-Abgeordneten der Fraktion an."
Das neue Jahr dürfte mit einem Nothaushalt der EU beginnen. Als Plan B wird wohl für den Corona-Fonds eine Konstruktion vergleichbar dem ESM entwickelt. So könnte eine EU der zwei Geschwindigkeiten entstehen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

In Polens Presse, hier etwa in der Gazeta Wyborcza, wird schon darüber spekuliert, wie weit die kommende portugiesische Ratspräsidentschaft die harte Linie unserer Bundeskanzlerin Merkel fortsetzt. Aus meiner Sicht wohl unveränderte Fortsetzung, wenn die beiden Veto-Vertreter gegen den EU-Haushalt nicht einlenken. Lassen wir uns überraschen.

In Polen baut sich weiter Druck gegen die national-klerikale Regierung auf, die inzwischen erhebliche Gewalt und maskierte Schläger gegen demonstrierende Frauen einsetzt, die um Selbstbestimmung über ihren Körper auf die Straße gehen. Solcher Machtmißbrauch geht nicht lange gut!
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

SZ 28. November 2020 Europas Doppelkrise
https://www.sueddeutsche.de/politik/eu- ... -1.5130103
"Die Haushaltsblockade Ungarns und Polens auf der einen und der Brexit auf der anderen Seite sind längst keine technischen Probleme mehr, die in bewährter Manier in einer Gipfelnacht ausverhandelt werden können. Europa steht vor einem fundamentalen ideologischen Gegensatz rund um die Fragen: Wie souverän kann ein Staat in der Gemeinschaft der 27 bleiben? Wie viel Preisgabe von Souveränität erzwingt bereits die wirtschaftliche Anbindung?...
Die Briten sind in ihrem Wunsch nach mehr Souveränität ein paar Schritte weiter, aber auch hier kommt das Thema mit aller Macht zurück. Wo immer sich zwei Handelsmächte annähern, müssen sie sich auf Regeln, deren Überprüfbarkeit, Gerichtsinstanzen und Sanktionswerkzeuge einigen. Weil aber das europäische Regelwerk enorm dicht und verflochten ist, kann sich Großbritannien nicht so leicht daraus lösen."

Die Doppelkrise wird uns in 2021 noch lange begleiten. Die deutsche Regierung sollte ihre Scheckdiplomatie einmal überdenken und präziser Stellung zu den urpolitischen Fragen von Regulierung und Rechtsstaatlichkeit beziehen. Vielleicht bringt ab Herbst eine neue Regierung etwas Veränderung in die mentalen Erstarrung.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Wähler hat geschrieben:(30 Nov 2020, 06:25)
...

...

...Die deutsche Regierung sollte ihre Scheckdiplomatie einmal überdenken und präziser Stellung zu den urpolitischen Fragen von Regulierung und Rechtsstaatlichkeit beziehen. Vielleicht bringt ab Herbst eine neue Regierung etwas Veränderung in die mentalen Erstarrung.
Die Antwort haben Sie doch schon zwei Beiträge weiter oben gegeben: Der Widerspruch von weitgehender nationaler Souveränität und schrankenloser Zusammenarbeit von Gemeinschaften wird zu einem Europa der zwei Geschwindigkeiten führen (müssen). Das deutsche Scheckbuch wird nur im grenzenlosen Europa benötigt. Handelspartner und Wettbewerber brauchen keine Zuwendungen und auch keine gemeinsamen Entwicklungen. Ich hoffe, daß Deutschland sich im schrankenlosen Verbund europäischer Staaten wieder findet.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Klopfer »

Senexx hat geschrieben:(26 Nov 2020, 12:19)

Hat jemand Mitgefühl mit mir? Der ich unter Merkel leiden muss? Und dass es demnächst noch schlimmer kommt?

Na also.

Die Minderheit ist immer Opfer der Mehrheit.
Wart erst mal bis Merz dran ist, du wirst dir händeringend eineArte Merkel zurückwünschen.
Na ja, du vielleicht nicht, aber Millionen andere.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

Schwuler homophober Fidesz-EU-Abgeordneter muss nach Sex- und Drogenparty mit 25 nackten Schwulen zurücktreten.

https://www.bild.de/bild-plus/politik/a ... .bild.html

Da sage mal einer, in Brüssel und Budapest würde keine gute Unterhaltung geboten.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Haegar »

Senexx hat geschrieben:(03 Dec 2020, 15:44)

Schwuler homophober Fidesz-EU-Abgeordneter muss nach Sex- und Drogenparty mit 25 nackten Schwulen zurücktreten.

https://www.bild.de/bild-plus/politik/a ... .bild.html

Da sage mal einer, in Brüssel und Budapest würde keine gute Unterhaltung geboten.
Er hat gegen die Coronaauflagen verstossen und die Drogen waren nur zufällig in seiner Tasche !
Er hat sich auch brav entschuldigt.
:cool: :thumbup:

Ob das die Zukunft Brüssels gefährdet, wo doch die Bigotterie mancher Konservativer ja nicht allzu neu ist ?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Solche Schmuddelgeschichten erhöhen nicht gerade das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Unbestechlichkeit dieser Bundesgenossen. Tolle Personalauswahl für die Verwendung in der EU! In der Gazeta Wyborcza findet man, daß auch ein polnischer Entsandter sich da bestens unterhalten haben soll. Mal sehen, wie weit die EU solche Verwickelungen aufdecken kann. Der Fraktionsvorsitzende der PiS im Sejm, Terlecki, geht entsprechenden Verdächtigungen nach.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

Senexx hat geschrieben:(03 Dec 2020, 15:44)

Schwuler homophober Fidesz-EU-Abgeordneter muss nach Sex- und Drogenparty mit 25 nackten Schwulen zurücktreten.

https://www.bild.de/bild-plus/politik/a ... .bild.html

Da sage mal einer, in Brüssel und Budapest würde keine gute Unterhaltung geboten.
Diese Geschichte wird nur Leute überraschen, die meinen, dass die politische Entwicklung sich entlang von "Idfeologien" oder "Kulturen" und nicht entlang von Interessenswahrnehmungen vollzieht. Sich, wie József Szájer für traditionelle Familie und gegen die LGBT-Community zu ereifern und ein ganz anderes Privatleben zu führen ... ist nicht etwa "Doppelmoral", wie in vielen Medien kommentiert, sondern seit etlichen hundert Jahren das ganz normale politische Geschäft. Es war noch nie anders. Es gibt auf der einen Seite die Erzählungen fürs Volk und auf der anderen Seite die Interessenswahrhnehmung. Als wenn der Aufsichtratsposten unseres Ex-Kanzlers Schröder bei einem großen Unternehmen in der lupernreinen Demokratie Russland oder die Waffengeschäfte mit Saudi Arabien sich davon auch nur hauchweise unterscheiden würden.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

Man kann das schon in den Filser-Briefen nachlesen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

In Polen gab es in den größeren Städten eine "Licht-Aus-Aktion". Für kurze Zeit wurden die öffentlichen Beleuchtungen ausgeschaltet. Um auf die Folgen für einen weiteren Boykott des EU-Haushalts hinzuweisen.

Der Riss geht doch nicht durch EU Ost/West oder Nord/Süd sondern durch städtische versus ländliche Bevölkerung. Das konnte man sowohl bei den Gelbwestenprotesten in Frankreich wie auch schon beim Brexit-Referendum sehen. Und auch jüngst bei den Regionalwahlen in Frankreich. In einem Land wie Ungarn läuft es definitv so, dass die Regierungspartei mit allerlei Zuwendungen und ihrer Politik sich eine Basis auf dem Land und vor allem in den Kleinstädten schafft bzw. geschaffen hat: Konservativ, sich dem "christlich-abendländischen Europa" zugehörig fühlend, auf Werte wie Familie und Tradition orientiert, Einfamilienhaus, Garage, Auto, Vater, Mutter, zwei Kinder ... Und zumindest mit der GAP hat die ungarische Regierung ein wunderbares Instrument für diese Politik zur Hand.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

Kohlhaas hat geschrieben:(27 Nov 2020, 16:13)
Worauf willst Du mit dieser Aussage hinaus? Dass die deutsch-französische Annäherung der "Motor" der europäischen Einigung war und bis heute ist, sollte eigentlich unstrittig sein. Aus deutscher Sicht kann die "Lösung" (wofür überhaupt??) ja wohl nicht darin bestehen, die Beziehungen zu Frankreich zu schwächen, um die Beziehungen zu einem potenziell "abtrünnigen" Polen stärken zu können.
Nicht doch. So wie die gesamtpolitische Lage aussieht, bleibe ich dabei, dass das "Weimarer-Dreieck"-Format, also ein Kernbündnis Frankreich-Deutschland-Polen das Optimum bezüglich Quo Vadis Europa wäre. Würde es in Frankreich eine Präsidentin Marine Le Pen geben, was ja nun überhaupt nicht auszuschließen war und ist, so wären die Beziehungen Deutschlands zu Frankreich ähnlich schwierig und belastet oder noch schwieriger wie die heute zu Polen. Davon darf man das grundsätzliche politische Konzept gar nicht abhängig machen. Die Gesellschaft in Polen ist annähernd fifty fifty zweigeteilt. Man kann eigentlich überhaupt nicht von "Polen" ohne Differenzierung reden. In Frankreich liegt das Übergewicht noch auf der liberalen Seite. Noch. Was wird 2022? Darauf muss man doch ebenso vorbereitet sein wie auf den Fall, dass aus den 49% Liberalen in Polen 51% werden.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

SZ 4. Dezember 2020 Die Kommission erhöht derweil den Druck - und plant einen Corona-Fonds ohne Polen und Ungarn
https://www.sueddeutsche.de/politik/eur ... -1.5138120
"Die Behörde orientiert sich hier an "Sure", dem EU-Hilfspaket für nationale Kurzarbeitergeld-Programme: Die Kommission gibt für bis zu 100 Milliarden Euro Anleihen heraus und nutzt das Geld für günstige Darlehen an Mitgliedstaaten, wenn diese hohe Ausgaben wegen Kurzarbeit haben. Die EU-Regierungen ermöglichen die Schuldenaufnahme Brüssels durch Garantien, also indem sie letztlich für Ausfälle bürgen. Ein Eigenmittelbeschluss, wie bislang beim Corona-Topf vorgesehen, ist nicht nötig...
Aus der Kommission heißt es, ein alternativer Corona-Fonds ohne die zwei Staaten könne nur eine "Brückenlösung" sein, bis die Vetos irgendwann aufgegeben werden und der richtige Fonds in Kraft tritt."

Ungarn und Polen haben Sand ins Getriebe gestreut, können aber die vertiefte Zusammenarbeit der anderen EU-Mitgliedsstaaten mittels eines Corona-Fonds nicht aufhalten. Wenn sie wollen, können sie noch später auf den fahrenden Zug aufspringen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

Die Kommission wird von allen Staaten mitfinanziert. Ich bezweifle, dass die Kommission diese Aufgabe übernehmen kann.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Haegar »

Polen und Ungarn (die jeweiligen Regierungen) haben wohl Brüssels Reaktion falsch eingeschätzt. Sie haben nun die Gelegenheit bis heute (?) von ihrem Veto zu EU Haushalt der nächsten 7 Jahre + Coronahilfen abzuweichen.
Alternativ stehen ihnen sonst keine Coronahilfen zu und aus dem "Nothaushalt" können ihnen 50 - 75 % wohl gestrichen werden.
Wie wohl die Bevölkerung in diesen Ländern reagieren wird, wenn diesen Regierungen das Geld ausbleibt. Für Polen wage ich die Prognose eines Regierungswechsels, gerade nachdem man es sich mit den Frauen bei der Abtreibungsgesetzgebung verscherzt hat.

https://www.spiegel.de/politik/ausland/ ... 6ce9810d1c
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

Haegar hat geschrieben:(08 Dec 2020, 10:55)

Polen und Ungarn (die jeweiligen Regierungen) haben wohl Brüssels Reaktion falsch eingeschätzt. Sie haben nun die Gelegenheit bis heute (?) von ihrem Veto zu EU Haushalt der nächsten 7 Jahre + Coronahilfen abzuweichen.
Alternativ stehen ihnen sonst keine Coronahilfen zu und aus dem "Nothaushalt" können ihnen 50 - 75 % wohl gestrichen werden.
Wie wohl die Bevölkerung in diesen Ländern reagieren wird, wenn diesen Regierungen das Geld ausbleibt. Für Polen wage ich die Prognose eines Regierungswechsels, gerade nachdem man es sich mit den Frauen bei der Abtreibungsgesetzgebung verscherzt hat.

https://www.spiegel.de/politik/ausland/ ... 6ce9810d1c
Möglicherweise haben sich Morawiecki und Orban auch innenpolitisch verrechnet. Weder in Polen noch in Ungarn ist die Stimmung der Bevölkerung gegen die EU gerichtet. Im Gegenteil, die Zustimmung ist hoch. Gerade in Ungarn wird Orbans Veto offenbar auch sehr kritisch gesehen:

https://www.dw.com/de/ungarns-veto-gege ... a-55853465
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

Und nicht genug damit, dass Ungarn und Polen keine Rechtsstaatlichkeit wollen, sie wollen auch keine Lohn- und Sozialstandards!

https://www.spiegel.de/wirtschaft/sozia ... 7062b80d76

Offenbar finden sie es gut, dass polnische und ungarische Arbeiter in Deutschland schlechter bezahlt werden als deutsche Arbeiter. Das ist ja sehr patriotisch.

Nun, mit diesem Vorstoß sind die Herren Morawiecki und Orban schonmal gescheitert. Mit dem Veto gegen den Haushalt und die Rechtsstaatlichkeit wird es genauso laufen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Maikel »

Kohlhaas hat geschrieben:(08 Dec 2020, 18:42)Offenbar finden sie es gut, dass polnische und ungarische Arbeiter in Deutschland schlechter bezahlt werden als deutsche Arbeiter.
Das kann man gut finden, weil sie damit konkurrenzfähiger sind, dadurch eher eingestellt werden. Und trotzdem noch für polnische und ungarische Verhältnisse wahnsinnig viel Geld nach Hause überweisen können. Nicht zu vergessen das deutsche Kindergeld.
Die menschliche Sprache ist einzigartig, aber nicht eindeutig.
Jeder Versuch, sich mitzuteilen, kann nur mit dem Wohlwollen der anderen gelingen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Nun ja, als Pole vom Dienst bitte ich doch darum, die ungleiche Verteilung des Wohlstands in der EU zu sehen. Genau die führt ja zur "Entsendung" von Arbeitnehmern in die Wohlstandszonen der EU. Mit der Notwendigkeit "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit", und um die Arbeitnehmer in den Wohlstandsgebieten der EU keiner unlauteren Konkurrenz aus zu setzen, wird erreicht, daß die Arbeit im Westen noch einträglicher wird, also noch mehr Menschen über ihren Schatten springen und ihr Land verlassen. Zuerst als entsandte Arbeitnehmer einer polnischen (Schein-)Firma, und irgendwann dann der Sprung aus dieser Umklammerung in ein deutsches Unternehmen, oder sogar in die Selbständigkeit... wenn der Arbeitnehmer eine gesuchte Qualifikation hat und sich wenigstens im Alltag auf Deutsch verständigen kann..

Uns Deutsche soll es freuen, wenn möglichst viele fleißige und anstellige Polen, Ungarn, Balten den Weg zu uns finden. Aber mit Blick auf Europa als Gemeinschaft ist diese Freude vielleicht doch verfehlt.

Das Thema ist also verzwickter als es uns zu sein scheint. Selbst das gewährte Kindergeld ist ein Faktor in der Preisfindung. Im Herkunftsland (Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien) stiftet dieses Geld einigen Segen für Angehörige, öffnet Bildungschancen für Kinder, die ansonsten keinen Zugang dazu hätten. Und 20 Jahre später bekommen wir in Deutschland besser gebildete Arbeitnehmer im Entsendeverfahren, oder besser gebildete Arbeitnehmer an verlängerten Werkbänken erfolgreicher deutscher Unternehmen im Ausland.

In so mancher Hinsicht gilt (beileibe nicht immer!) der alte deutsche Spruch: "Der Teufel entleert sich immer auf dem größten Haufen!"
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von sünnerklaas »

H2O hat geschrieben:(09 Dec 2020, 10:10)

Nun ja, als Pole vom Dienst bitte ich doch darum, die ungleiche Verteilung des Wohlstands in der EU zu sehen. Genau die führt ja zur "Entsendung" von Arbeitnehmern in die Wohlstandszonen der EU. Mit der Notwendigkeit "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit", und um die Arbeitnehmer in den Wohlstandsgebieten der EU keiner unlauteren Konkurrenz aus zu setzen, wird erreicht, daß die Arbeit im Westen noch einträglicher wird, also noch mehr Menschen über ihren Schatten springen und ihr Land verlassen. Zuerst als entsandte Arbeitnehmer einer polnischen (Schein-)Firma, und irgendwann dann der Sprung aus dieser Umklammerung in ein deutsches Unternehmen, oder sogar in die Selbständigkeit... wenn der Arbeitnehmer eine gesuchte Qualifikation hat und sich wenigstens im Alltag auf Deutsch verständigen kann..

Uns Deutsche soll es freuen, wenn möglichst viele fleißige und anstellige Polen, Ungarn, Balten den Weg zu uns finden. Aber mit Blick auf Europa als Gemeinschaft ist diese Freude vielleicht doch verfehlt.

Das Thema ist also verzwickter als es uns zu sein scheint. Selbst das gewährte Kindergeld ist ein Faktor in der Preisfindung. Im Herkunftsland (Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien) stiftet dieses Geld einigen Segen für Angehörige, öffnet Bildungschancen für Kinder, die ansonsten keinen Zugang dazu hätten. Und 20 Jahre später bekommen wir in Deutschland besser gebildete Arbeitnehmer im Entsendeverfahren, oder besser gebildete Arbeitnehmer an verlängerten Werkbänken erfolgreicher deutscher Unternehmen im Ausland.

In so mancher Hinsicht gilt (beileibe nicht immer!) der alte deutsche Spruch: "Der Teufel entleert sich immer auf dem größten Haufen!"
Es ist ja unbestritten, dass die Abwanderung der letzten 30 Jahren eine Ursache für die heutige Stärke der AfD in Ostdeutschland, der PiS und von Fidesz in Ungarn ist. Hinzu kommt die große Skepsis vieler gegen Gewerkschaften. Die gelten als sozialistisches Teufelszeug. Durch das niedrige Lohnniveau sind diese Länder als Profuktionsstandort interessant. Eigentlich müssten die Löhne in Polen sehr viel höher sein, als sie es jetzt sind.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

Maikel hat geschrieben:(09 Dec 2020, 08:42)

Das kann man gut finden, weil sie damit konkurrenzfähiger sind, dadurch eher eingestellt werden. Und trotzdem noch für polnische und ungarische Verhältnisse wahnsinnig viel Geld nach Hause überweisen können. Nicht zu vergessen das deutsche Kindergeld.
Genau diese Definition von "konkurrenzfähig" muss man aber doch hinterfragen. Diese Definition von "Konkurrenzfähigkeit" führt dazu, dass Polen/Ungarn/Rumänen.... in Deutschland als "billige Sklaven" so gern gesehen sind, monatelang irgendwelche Lastwagen durch die Gegend chauffieren und ihre Wochenenden auf irgendwelchen Autobahnraststätten in den Führerhäusern ihrer LKW´s verbringen müssen. Genau diese Definition von "konkurrenzfähig" führt doch dazu, dass Menschen in Deutschland ihre Jobs verlieren, weil Saisonarbeiter aus Polen oder Ungarn oder... "billiger" sind. Und das wiederum führt dazu, dass hierzulande die Fremdenfeindlichkeit zunimmt.

Meine "Vision" von Europa sieht anders aus. Die habe ich bei Urlauben z.B. in Griechenland auch schon verwirklicht gesehen. Ich fand es ganz wunderbar, zu sehen, dass die Menschen dort ungefähr genauso komfortabel leben konnten wie wir hier in Deutschland. DAS sollte das Ziel der europäischen Einigung sein: gleiche Lebensverhältnisse in allen Mitgliedsländern. Lohndumping ist gewiss kein sinnreiches Mittel zur Gestaltung der Zukunft Europas.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

Wie es scheint, kneifen Polen und Ungarn den Schwanz ein. Sie wollen offenbar von ihren "Veto" abrücken und den Rechtsstaatsmechanismus hinnehmen:

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ ... 93561.html
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Haegar
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Haegar »

Kohlhaas hat geschrieben:Wie es scheint, kneifen Polen und Ungarn den Schwanz ein. Sie wollen offenbar von ihren "Veto" abrücken und den Rechtsstaatsmechanismus hinnehmen:

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ ... 93561.html
Schau mer mal, ob der Kompromiss bei dem Parlament und den sparsamen Vier Zustimmung findet.
Es war trotzdem interessant zu beobachten, dass die beiden Staaten der Meinung waren, dass sie in die Hand beissen können, die sie füttert.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

Haegar hat geschrieben:(09 Dec 2020, 16:51)

Schau mer mal, ob der Kompromiss bei dem Parlament und den sparsamen Vier Zustimmung findet.
Es war trotzdem interessant zu beobachten, dass die beiden Staaten der Meinung waren, dass sie in die Hand beissen können, die sie füttert.
Wir wissen ja gar nicht, wie der Kompromiss aussehen wird. Das weiß ja noch niemand. Wenn die Kommission da eventuell eine "Aufweichung" des Rechtsstaatsmechanismus vorgeschlagen hätte, dann würde das ohnehin nicht durch das Parlament gehen. Die "sparsamen Vier" spielen da meiner Einschätzung nach keine Rolle. Entscheidend ist die Haltung der übrigen hoffentlich rechtsstaatlichen Fünfundzwanzig. Warten wir mal ab!

Bemerkenswert finde ich es jetzt erstmal, dass die widerlichen Populisten in Polen und Ungarn gerade klein beigeben. Mit dem Rechtsstaatsmechanismus hat die EU offenbar einen Weg gefunden, den populistischen und korrupten Möchtegerndiktatoren in der Union endlich mal das Maul zu stopfen. Dass eine korrupte Zecke wie Orban den Staat Ungarn lenken und seiner eigenen Sippe EU-Gelder in die Taschen schaufeln darf, ist noch unerträglicher als der Umstand, dass ein Mann wie Scheuer noch deutscher Verkehrsminister ist.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von sünnerklaas »

Kohlhaas hat geschrieben:(09 Dec 2020, 18:15)

Bemerkenswert finde ich es jetzt erstmal, dass die widerlichen Populisten in Polen und Ungarn gerade klein beigeben. Mit dem Rechtsstaatsmechanismus hat die EU offenbar einen Weg gefunden, den populistischen und korrupten Möchtegerndiktatoren in der Union endlich mal das Maul zu stopfen. Dass eine korrupte Zecke wie Orban den Staat Ungarn lenken und seiner eigenen Sippe EU-Gelder in die Taschen schaufeln darf, ist noch unerträglicher als der Umstand, dass ein Mann wie Scheuer noch deutscher Verkehrsminister ist.
Leuten, wie Orban musst man ganz einfach nur zum richtigen Zeitpunkt ganz kärftig auf die Finger hauen. Sinngemäß hiess es, als es bei der letzten Wahl für Orbans Partei eng zu werden drohte, man würde sofort den gefährlichen Ausländer ins Land lassen, sollte Fidesz nicht gewählt werden. Das kam bei vielen Ungarn an, die sind regelrecht panisch und hysterisch geworden. Das, was Orban da betreibt, ist letztendlich nichts mehr, als Schutzgelderpressung.
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Dieter Winter
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Dieter Winter »

Haegar hat geschrieben:(09 Dec 2020, 16:51)

Schau mer mal, ob der Kompromiss bei dem Parlament und den sparsamen Vier Zustimmung findet.
Es war trotzdem interessant zu beobachten, dass die beiden Staaten der Meinung waren, dass sie in die Hand beissen können, die sie füttert.
Der "Kompromiss" ist eine krachende Niederlage für die EU.
https://www.spiegel.de/politik/deutschl ... 3184264274
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

Dieter Winter hat geschrieben:(10 Dec 2020, 22:32)

Der "Kompromiss" ist eine krachende Niederlage für die EU.
https://www.spiegel.de/politik/deutschl ... 3184264274
Den von Dir zitierten Kommentar kann ich gar nicht nachvollziehen. Seit Wochen wird den Polen und Ungarn gesagt, dass sie ihr dämliches Veto zurücknehmen und stattdessen den Europäischen Gerichtshof anrufen sollen. Wo ist das Problem? Ist doch völlig normal in einem Rechtsstaat, dass man bei Streitfragen Gerichte anruft.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Dieter Winter »

Kohlhaas hat geschrieben:(10 Dec 2020, 23:24)

Den von Dir zitierten Kommentar kann ich gar nicht nachvollziehen. ....... Wo ist das Problem?
"Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit sollen nur noch dann geahndet werden, wenn sie die Verwendung von EU-Mitteln betreffen. Andere Verletzungen der Grundwerte, etwa die Einschränkung der Medien- und Meinungsfreiheit oder die Unterdrückung von Minderheiten, sind außen vor."

Jetzt klarer?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Voller Überraschung stelle ich fest: Der Kanzlerin ist buchstäblich im letzten Augenblick die Quadratur des Kreises gelungen; die Zahl "Pi" hat ihre Schrecken verloren!

In der Presseschau der Frühnachrichten des DLF wurde bedauert, daß die Kanzlerin sich von Polen und Ungarn hat erpressen lassen. MP Rutte lobt, daß die notwendige gerichtliche Prüfung eines Verstoßes gegen die Rechtsstaatlichkeit nicht dazu führt, daß einmal gezahlte Gelder unwiderruflich verloren sind. Die polnische Presse (zumindest die noch unabhängigen Blätter!) sprechen von einer Niederlage, und Wettbewerber Ziobro (Innenminister) sieht seinen MP Morawiecki schon als Landesverräter vor Gericht stehen.

Gut gemacht! So sehen wohl gute Kompromisse aus! Allerdings hat Mutti in der Rzeczpospolita eine finstere Miene aufgesetzt... wirklich zum Fürchten. Ich nehme an, daß sich dort jemand darum bemüht hat, möglichst viele dieser Art Bilder zusammen zu tragen.

So etwas habe ich zuletzt bei der Bändigung der Griechen gesehen, als Mutti dort die Folterwerkzeuge ausgepackt hatte... na ja, eigentlich war das seinerzeit ja Herr Schäuble, aber der Kanzlerin hatte man deshalb den Kübel Jauche über den Kopf gegossen.

Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, wer demnächst den Zuchtmeister geben wird. Vielleicht ist es eine gute Idee, sich den MP Rutte von den Niederlanden wenigstens dazu aus zu leihen? :thumbup:
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kamikaze »

Und wieder einmal verspielt die EU ihre Glaubwürdigkeit und wird zur reinen Geldumverteilungsmaschine für jene, die sich an nichts zu halten brauchen.
Die Trottel in diesem System sind doch die, die sich an die "europäischen Werte" halten und diese umsetzen wollen.
Anstatt hier mal klare Kante zu zeigen hat die EU einmal mehr den Schwanz eingekniffen und den lautesten Schreihälsen wieder einmal den Arsch gepudert anstatt ihr eigenes Veto gegen sie aus zu spielen.
So langsam aber sicher verstehe ich die Briten - und das obwohl ich bis dato überzeugter Europäer war. :(
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Mein, das Gegenteil ist richtig! Polen und Ungarn müssen sich künftig vom EuGH bescheinigen lassen, daß ihr Verständnis von einem Rechtsstaat verfehlt ist... und es gibt kein Veto mehr gegen dieses Urteil. Bisher konnte ein Veto eines Freundes die Anwendung des Urteilsspruchs verhindern... nun hilft diesen Sonderlingen noch nicht einmal mehr der Viererbund Visegrad. Wahr ist aber, daß zum Einlenken allein die Aussicht geführt hat, daß beide, Ungarn und Polen, an der europäischen Anleihe zur Überwindung der Pandemiefolgen, nicht mehr beteiligt worden wären. Das war sozusagen ein Sieg 2:27 wie seinerzeit, als über eine zweite Amtszeit Tusks als Ratspräsident abgestimmt wurde. Damals waren die beiden unbeugsamen, Frau MP Szydlo und Herr Außenminister Waszczykowski, recht bald darauf ihre Ämter los. Meine Vermutung: Herr Innenminister Ziobro wird als Scharfmacher sein Amt verlieren. Polexit findet statt... nicht! Niemand wird ihm verzeihen, daß er auf demonstrierende Frauen mit Totschlägern ausgerüstete Banditen losgelassen hat, während die Polizei sich das Treiben ansah.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

sünnerklaas hat geschrieben:(09 Dec 2020, 11:19)

Es ist ja unbestritten, dass die Abwanderung der letzten 30 Jahren eine Ursache für die heutige Stärke der AfD in Ostdeutschland, der PiS und von Fidesz in Ungarn ist. Hinzu kommt die große Skepsis vieler gegen Gewerkschaften. Die gelten als sozialistisches Teufelszeug. Durch das niedrige Lohnniveau sind diese Länder als Profuktionsstandort interessant. Eigentlich müssten die Löhne in Polen sehr viel höher sein, als sie es jetzt sind.
Wieder meldet sich hier der Pole vom Dienst: Die Firma Lidl wirbt um geeignete Mitarbeiter im Lidl-Supermarkt in Kamień Pomorski. Vor etwa 2 Jahren wurde eine Anstellung "all inclusive" (Versicherungen, Altersversicherung, verbilligter Einkauf für Mitarbeiter) für 2.700 PLN angeboten (etwa 650 € / Monat). Gestern habe ich bei Lidl ein gleiches Stellenangebot für 3.900 PLN gesehen. Haben Sie jemals 30-prozentige Einkommenssteigerungen einer Berufsgruppe in Deutschland erlebt? Die mir erinnerliche "Spitzenleistung" war 1972 so ungefähr 15%... nach einige Monaten Streik.

Es tut sich also etwas in Polen... hoffentlich nicht nur bei Lidl.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kamikaze »

H2O hat geschrieben:(11 Dec 2020, 09:03)

Mein, das Gegenteil ist richtig! Polen und Ungarn müssen sich künftig vom EuGH bescheinigen lassen, daß ihr Verständnis von einem Rechtsstaat verfehlt ist... und es gibt kein Veto mehr gegen dieses Urteil. Bisher konnte ein Veto eines Freundes die Anwendung des Urteilsspruchs verhindern... nun hilft diesen Sonderlingen noch nicht einmal mehr der Viererbund Visegrad. Wahr ist aber, daß zum Einlenken allein die Aussicht geführt hat, daß beide, Ungarn und Polen, an der europäischen Anleihe zur Überwindung der Pandemiefolgen, nicht mehr beteiligt worden wären. Das war sozusagen ein Sieg 2:27 wie seinerzeit, als über eine zweite Amtszeit Tusks als Ratspräsident abgestimmt wurde. Damals waren die beiden unbeugsamen, Frau MP Szydlo und Herr Außenminister Waszczykowski, recht bald darauf ihre Ämter los.
Ich hoffe innständig, dass Sie mit Ihrer Einschätzung recht behalten. :)
Allerdings sehe ich aktuell auch wie häufig die Urteile des EuGH gelesen und schlicht ignoriert werden. :dead:
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(11 Dec 2020, 09:17)

Wieder meldet sich hier der Pole vom Dienst: Die Firma Lidl wirbt um geeignete Mitarbeiter im Lidl-Supermarkt in Kamień Pomorski. Vor etwa 2 Jahren wurde eine Anstellung "all inclusive" (Versicherungen, Altersversicherung, verbilligter Einkauf für Mitarbeiter) für 2.700 PLN angeboten (etwa 650 € / Monat). Gestern habe ich bei Lidl ein gleiches Stellenangebot für 3.900 PLN gesehen. Haben Sie jemals 30-prozentige Einkommenssteigerungen einer Berufsgruppe in Deutschland erlebt? Die mir erinnerliche "Spitzenleistung" war 1972 so ungefähr 15%... nach einige Monaten Streik.

Es tut sich also etwas in Polen... hoffentlich nicht nur bei Lidl.
Es ist allerdings schwierig, die pandemiebedingten Entwicklungen und den allgemeinen Wirtschaftstrend auseinanderzuhalten. Die Discounter gehören angeblich zu den Pandemiegewinnern. In allen größeren Innenstädten Deutschlands ist eine beschleunigte kulturelle Verödung zu befürchten, weil die wenigen großen Discounter noch weiter die Einzelhandelsfilialen verdrängen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

Kamikaze hat geschrieben:(11 Dec 2020, 08:11)

Und wieder einmal verspielt die EU ihre Glaubwürdigkeit und wird zur reinen Geldumverteilungsmaschine für jene, die sich an nichts zu halten brauchen.
Die Trottel in diesem System sind doch die, die sich an die "europäischen Werte" halten und diese umsetzen wollen.
Anstatt hier mal klare Kante zu zeigen hat die EU einmal mehr den Schwanz eingekniffen und den lautesten Schreihälsen wieder einmal den Arsch gepudert anstatt ihr eigenes Veto gegen sie aus zu spielen.
So langsam aber sicher verstehe ich die Briten - und das obwohl ich bis dato überzeugter Europäer war. :(
Ich bin in einem ziemlich interessanten Beitrag jüngst übrigens darauf hingewiesen worden, dass die sogenannten Lancaster-House-Verträge eigentlich noch immer gültig sind. 2010, noch unter Sarkozy, hatte sich Frankreich in der militärischen Zusammenarbeit mehr und mehr UK zugewandt. Eindeutig eine Abkehr von der immer wieder beschworenen "immer engeren Kooperation" innerhalb der EU mit Deutschland. Die Briten sind EU-mäßig nun draußen. Die Lancaster-House-Verträge gelten aber noch immer. Es ist wie so häufig nicht so einfach und eindeutig wie es scheint. Und mit dem Machtwechsel in Washington wird dieses ganze Verhältnis EU, UK, EU intern, transatlantisches Bündnis wiederum nochmal neu und spannend. Wird Biden die Verlagerung von US-Truppen nach Polen einschränken oder sogar stoppen?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

Kamikaze hat geschrieben:(11 Dec 2020, 08:11)

Und wieder einmal verspielt die EU ihre Glaubwürdigkeit und wird zur reinen Geldumverteilungsmaschine für jene, die sich an nichts zu halten brauchen.
Die Trottel in diesem System sind doch die, die sich an die "europäischen Werte" halten und diese umsetzen wollen.
Anstatt hier mal klare Kante zu zeigen hat die EU einmal mehr den Schwanz eingekniffen und den lautesten Schreihälsen wieder einmal den Arsch gepudert anstatt ihr eigenes Veto gegen sie aus zu spielen.
So langsam aber sicher verstehe ich die Briten - und das obwohl ich bis dato überzeugter Europäer war. :(
Du solltest dir nocheinmal klar machen: Der EU-Haushalt ist ein kleines Bächlein gegenüber den riesigen großen Strömen, die durch Handelsfreiheit, Dienstleistungsfreiheit, Zollfreiheit usw. möglich geworden sind. Dort läuft gewissermaßen der Hauptfilm. Die Briten und die EU zanken sich um Fischereirechte, obwohl die Einnahmen daraus irgendwo unter ein Prozent vom BIP liegen. Die ganzen politischen Diskussionen sowohl um die Einzelheiten im Brexit-Abkommen wie auch um den Abschluss des EU-Haushalts werden weitgehend sozusagen medial und symbolisch geführt. Auch ein verantwortlicher Exekutiv-Politiker wie Johnson, so hat man zuweilen den Eindruck, will nicht eigentlich "regieren" im Sinne einer vernünftigen Exekutivpolitik, sondern "Premierminister sein" und einen ähnlichen Ruhm einheimsen wie sein großes Vorbild Churchill.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

Kamikaze hat geschrieben:(11 Dec 2020, 08:11)

Und wieder einmal verspielt die EU ihre Glaubwürdigkeit und wird zur reinen Geldumverteilungsmaschine für jene, die sich an nichts zu halten brauchen.
Die Trottel in diesem System sind doch die, die sich an die "europäischen Werte" halten und diese umsetzen wollen.
Anstatt hier mal klare Kante zu zeigen hat die EU einmal mehr den Schwanz eingekniffen und den lautesten Schreihälsen wieder einmal den Arsch gepudert anstatt ihr eigenes Veto gegen sie aus zu spielen.
So langsam aber sicher verstehe ich die Briten - und das obwohl ich bis dato überzeugter Europäer war. :(
Sie haben in allen Punkten recht. Die EU hat ihre Werte aufs schändlichste verraten. Ungarn und Polen können ihre Staaten weiter ungestört in Autokratien umbauen und erhalten trotzdem die Nettozahlungen und jetzt auch noch 24 bzw 6 Mrd € als Geschenk im Rahmen der Coronahilfe. Tiefer kann die EU nicht mehr sinken. Sie sollte endlich die Verträge ändern und die nun aufgegebenen Werte daraus streichen. Sie ist nun de facto eine reine Wirtschaftsunion. Das EU-Parlament muss zwar auch noch zustimmen, wird sich aber dem gigantischen Druck beugen und die Rechtsstaatlichkeit ebenfalls opfern.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Fliege »

Orbiter1 hat geschrieben:(11 Dec 2020, 10:43)

Tiefer kann die EU nicht mehr sinken. Sie sollte endlich die Verträge ändern und die nun aufgegebenen Werte daraus streichen. Sie ist nun de facto eine reine Wirtschaftsunion.
Und wieso stieß man die Briten, die in einer Wirtschaftsunion geblieben wären, so vor den Kopf?
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Haegar »

Dieter Winter hat geschrieben:(10 Dec 2020, 22:32)

Der "Kompromiss" ist eine krachende Niederlage für die EU.
https://www.spiegel.de/politik/deutschl ... 3184264274
Bei einem Kompromiss "verlieren" und "gewinnen" beide Seiten.
Der "Verlust" der EU ist in dem Artikel klar beschrieben.
Der "Gewinn" der EU liegt darin, dass das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit (nur für die EU-Gelder) durch die Geldzuflüsse erstmals kontrolliert werden kann.
Unzureichend gebe ich zu.
Der Streit wurde auf 2027 vertagt. Wieder nun typisch EU.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von sünnerklaas »

H2O hat geschrieben:(11 Dec 2020, 09:17)

Wieder meldet sich hier der Pole vom Dienst: Die Firma Lidl wirbt um geeignete Mitarbeiter im Lidl-Supermarkt in Kamień Pomorski. Vor etwa 2 Jahren wurde eine Anstellung "all inclusive" (Versicherungen, Altersversicherung, verbilligter Einkauf für Mitarbeiter) für 2.700 PLN angeboten (etwa 650 € / Monat). Gestern habe ich bei Lidl ein gleiches Stellenangebot für 3.900 PLN gesehen. Haben Sie jemals 30-prozentige Einkommenssteigerungen einer Berufsgruppe in Deutschland erlebt? Die mir erinnerliche "Spitzenleistung" war 1972 so ungefähr 15%... nach einige Monaten Streik.

Es tut sich also etwas in Polen... hoffentlich nicht nur bei Lidl.
Der Unterschied in Westdeutschland war, dass die Lohnsteigerungen in der Regel sukzessive erfolgt sind. Man hat immer gesehen, zumindest einen Inflationsausgleich hin zu bekommen.
Das Problem in den osteuropäischen EU-Ländern ist, dass gar nicht erst höher Löhne gefordert und durchgesetzt wurden, sondern dass vielmehr sehr schnell mit den Füßen abgestimmt wurde. Den Unternehmen, die in diesen Ländern auf Grund der dort niedrigen Löhne investiert hatten, konnte das nur recht sein. Sie konnten mit den niedrigen Löhnen kalkulieren und hatten zugleich ein doch recht großes Erpressungsmaterial gegenüber den Regierungen und der Bevölkerung. Diese Strategie ist ja auch lange Zeit aufgegangen: die Länder sind von ausländischen Firmen, von ausländischen Investoren und von ausländischem Geld abhängig.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

Haegar hat geschrieben:(11 Dec 2020, 11:18)

Bei einem Kompromiss "verlieren" und "gewinnen" beide Seiten.
Der "Verlust" der EU ist in dem Artikel klar beschrieben.
Der "Gewinn" der EU liegt darin, dass das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit (nur für die EU-Gelder) durch die Geldzuflüsse erstmals kontrolliert werden kann.
Unzureichend gebe ich zu.
Unzureichend? Soll das ein Witz sein? Den Fall dass die nun beschlossene Rechtsstaatlichkeitsregelung am Ende tatsächlich zu Sanktionen führt gibt es doch gar nicht. Sie hätte in Ungarn weder den weit fortgeschrittenen Umbau in eine Autokratie verhindert noch die Ausbootung der Richter in Polen. Fehlt eigentlich nur noch dass sie nur dann angewandt werden darf wenn der Regierungschef des betroffenen Landes einen Vornamen hat der mit dem Buchstaben Q beginnt und in einer Sonntag Vollmondnacht zwischen 3:44 und 3:47 Uhr geboren sein muss. Die EU hat sich endgültig zur Kasperle-EU gemacht.
Der Streit wurde auf 2027 vertagt. Wieder nun typisch EU.
Die EU wird es in dieser Form 2027 nicht mehr geben.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

Dieter Winter hat geschrieben:(11 Dec 2020, 03:51)

"Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit sollen nur noch dann geahndet werden, wenn sie die Verwendung von EU-Mitteln betreffen. Andere Verletzungen der Grundwerte, etwa die Einschränkung der Medien- und Meinungsfreiheit oder die Unterdrückung von Minderheiten, sind außen vor."

Jetzt klarer?
Nein, ist nicht klarer. Der Rechtsstaatsmechanismus ist völlig unverändert geblieben. Es gibt jetzt nur (vermutlich) eine Zusatzvereinbarung, die für die EU-Kommission nichtmal bindend ist. Jetzt werden Richtlinien für die Anwendung des Mechanismus ausgearbeitet. So wie ich den Kompromiss verstanden habe, haben sich Polen und Ungarn nun bereiterklärt, den EuGH anzurufen, wenn der Rechtsstaatsmechanismus gegen sie eingesetzt wird. Darauf sind sie seit Wochen hingewiesen worden. Gegen die Klagemöglichkeit ist auch überhaupt nichts einzuwenden. Das ist angemessen und entspricht rechtsstaatlichen Prinzipien. Warten wir mal ab, ob sich der Mechanismus "nur" auf die Verwendung von Geld beziehen wird und was darunter alles fällt.

Beispiel: Es ist ein offenes Geheimnis, dass Angehörige von Orbans Familie sich viele Millionen Euro aus EU-Mitteln in die Tasche gewirtschaftet haben. Da geht es um die Verwendung von Geld. In Ungarn wird deswegen aber nicht ermittelt oder gar Verfahren eingeleitet. Hier geht es um die Unabhängigkeit der Justiz. Beide Punkte haben unter dem Aspekt des Rechtsstaatsmechanismus also sehr wohl etwas miteinander zu tun. Ich wüsste nicht, was dagegen sprechen würde, Ungarn wegen mangelnder Unabhängigkeit der Justiz und beschnittener Rechtsstaatlichkeit die Mittel zu kürzen. Immerhin werden dadurch ja zweifelsfrei EU-Gelder verschwendet. Oder das Stichwort Korruption. Es ist ja wohl offensichtlich, dass es auch hierbei um die Verwendung von EU-Geld geht. Warten wir mal ab, wie die Kommission das künftig auslegt.

So "stumpf" wie manche es darstellen ist der Rechtsstaatsmechanismus nicht.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Fliege »

Orbiter1 hat geschrieben:(11 Dec 2020, 13:00)

Die EU wird es in dieser Form 2027 nicht mehr geben.
Ich tippe: Sobald der Euro, die Währung, durch starken Wertverfall zerschellt, bildet sich eine Nord-EG (wieder mit Britannien).
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

sünnerklaas hat geschrieben:(11 Dec 2020, 11:38)

Der Unterschied in Westdeutschland war, dass die Lohnsteigerungen in der Regel sukzessive erfolgt sind. Man hat immer gesehen, zumindest einen Inflationsausgleich hin zu bekommen.
Das Problem in den osteuropäischen EU-Ländern ist, dass gar nicht erst höher Löhne gefordert und durchgesetzt wurden, sondern dass vielmehr sehr schnell mit den Füßen abgestimmt wurde. Den Unternehmen, die in diesen Ländern auf Grund der dort niedrigen Löhne investiert hatten, konnte das nur recht sein. Sie konnten mit den niedrigen Löhnen kalkulieren und hatten zugleich ein doch recht großes Erpressungsmaterial gegenüber den Regierungen und der Bevölkerung. Diese Strategie ist ja auch lange Zeit aufgegangen: die Länder sind von ausländischen Firmen, von ausländischen Investoren und von ausländischem Geld abhängig.
Im produzierenden Gewerbe sind Ihre Betrachtungen völlig richtig. Im Dienstleistungsgewerbe würden aber westliche Gehälter zu einem sehr groben Ungleichgewicht führen. Ein "kleiner" Rentner muß hier zusehen, daß er mit 500 PLN (= 100 €) über die Runden kommt. Ich kann hier auf dem Lande so etwas aus dem Augenwinkel sehen, wie sich die kleinen Leute dann Gemüse und Kartoffeln und Obst um das Haus herum anpflanzen, also teilweise Selbstversorger sind. Auch am Zustand der Häuser kann man praktisch im Vorbeifahren erkennen, wo Rentner arm dran sind.

Der Anschluß dieser ehemals sozialistischen Pleitestaaten an Westeuropa ist eine Generationenaufgabe. Unsere Ossis sind mit geringen Abschlägen schlicht in das westliche System eingebaut worden. Dennoch gab es dabei viel Unglück, oder wie es immer so umschrieben wird: "Brüche in der Erwerbsbíographie". Die gab es in Polen ja auch, und schon kamen die Menschen in Scharen als Erntehelfer und Bauhilfsarbeiter in den Westen... um überleben zu können.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Die EU wird es in dieser Form 2027 nicht mehr geben.
Alles andere wäre auch in der Tat erstaunlich. Die EU befindet sich in ständigem Wandel. Die EU von 2010 sah auch sehr viel anders aus als die von heute. Ich bin davon überzeugt, daß es die EU der zwei Geschwindigkeiten geben wird, wobei einem etwas loseren Kreis von neuen und zurück gebliebenen alten Mitgliedern weniger Mitwirkungsrechte zugestanden werden als den alten Mitgliedern. So viel wird man ja wohl aus der letzten Beitrittsrunde gelernt haben. Zuerst müssen die wirtschaftlichen und politischen Ungleichgewichte abgebaut werden.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Haegar »

Orbiter1 hat geschrieben:(11 Dec 2020, 13:00)

Unzureichend? Soll das ein Witz sein? Den Fall dass die nun beschlossene Rechtsstaatlichkeitsregelung am Ende tatsächlich zu Sanktionen führt gibt es doch gar nicht. Sie hätte in Ungarn weder den weit fortgeschrittenen Umbau in eine Autokratie verhindert noch die Ausbootung der Richter in Polen. Fehlt eigentlich nur noch dass sie nur dann angewandt werden darf wenn der Regierungschef des betroffenen Landes einen Vornamen hat der mit dem Buchstaben Q beginnt und in einer Sonntag Vollmondnacht zwischen 3:44 und 3:47 Uhr geboren sein muss. Die EU hat sich endgültig zur Kasperle-EU gemacht.
Die EU wird es in dieser Form 2027 nicht mehr geben.
Diese polnische Regierung wird es wohl 2027 auch nicht mehr geben. Und ob Orban, dann in Ungarn noch was zu sagen hat, werden wir auch bis dahin wissen. :rolleyes:
Wir spekulieren aber beide und ich denke/hoffe auch die EU wird sich weiter entwickeln.
Doch ich denke die kleinen Schritte sind zwar frustrierend, aber bringen die EU langfristig weiter, als ein großer, der dann sofort als deutsche oder französische Hegemoniebestrebung umgedeutet wird.
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